Modell Stepford
Die Produkt-Präsentation war ein voller Erfolg. Ein Modell nach dem anderen übertraf seine Erwartungen, die Orderzahlen waren schon jetzt in einem hohen zweistelligen Plus. Er hatte einfach eine Nase für Investitionen. Jetzt kam gleich der Höhepunkt. Sein Meisterwerk. Modell Stepford. Eine ständige Produktweiterentwicklung. In den 70iger Jahren war sie noch eine brave Hausfrau, die das Haus putzte, ihrem Mann nicht widersprach, ihm ein Bier brachte. In den 80iger Jahren traf er dann Joanna. Eine Wildkatze. Die zu allen Modifikationen bereit war. Seitdem arbeitete er daran. Dreißig Jahre Produktentwicklung. Die Musik setzte ein.
Sie ist ein Modell und sie sieht gut aus. Ich nähm sie heut Abend gern zu mir nach Haus. Die musikalische Untermalung perfekt. Ihre Haltung, ihr Tonus, ihre Spannung. Ein Raunen ging durch das Kellergewölbe.
„Na Walter, was meinst Du?“, er war gespannt wie ein kleines Kind auf das Urteil des Chefeinkäufers des Kölner Einkaufsverbandes. Walter war ein Synonym für weltweiten Vertrieb. Nach seiner Order richtete sich der Markt.
„Das Gesamtprodukt kann sich sehen lassen, ja Karl, gefällt mir gut. Vor allem die Verzierungen. Ist der ultimative Trend für die Saison 2013.“ Walter schlug sein kleines schwarzes Buch auf und Karl sah wie er eine neue Seite begann. „Doch sie wirkt noch etwas leblos. Ich bin gespannt, wie sie nach der Aktivierung agiert.“
Sie wirkt so kühl an sie kommt keiner ran. Doch vor der Kamera, da zeigt sie was sie kann.
Du wirst bestellen, dachte Karl, du wirst betteln, dass du die gesamte Order bekommst. Dreißig Jahre. Sie ist trainiert. Sie kann auf alle Bedürfnisse programmiert werden. In fünf Sprachen. Sie hat einen Wortschatz von 1.800 Wörtern. Das ist sensationell. Und sie macht alles mit. Nachdem sie individualisiert worden ist.
Im Scheinwerferlicht ihr junges Lächeln strahlt. Sie sieht gut aus und Schönheit wird bezahlt.
„Die Titten habt ihr in der Schweiz machen lassen, oder?“, fragte Walter weiter.
„Selbstverständlich“, beeilte sich Karl zu sagen. „Maßarbeit. Genau eine C++, die Besonderheit hier ist, dass sie auch zum Milch geben programmiert werden kann.“
Walter schrieb mit.
„Erstaunlich. Und sie wird jetzt auf den Besitzer programmiert?“
„Ja. Wir brauchen dafür nur eine Speichelprobe. Und eine ausführliche Anamnese natürlich. Über die Vorlieben und Abneigungen.“
„Ich bin ehrlich gespannt. Kochen oder den Haushalt macht dieses Modell nicht mehr, oder?“
„Nein, dafür haben wir ja das Modell Zofe vom letzten Jahr. Sie ist auch Perfektion auf ihrem Gebiet. So was wie das Modell Stepford, das kann ich dir gleich schon sagen, das ist einmalig.“
„Was für Nebenkosten gibt es denn noch. Braucht sie noch was zu essen?“
„Das konnten wir fast komplett herausnehmen. Es war einfach zu unangenehm mit den ganzen Körperflüssigkeiten. Sie muss aber einmal im Jahr gewartet werden.“
„Selbstredend. Sehr schön. Sehr schön. Der Haarschnitt ist mal etwas anderes. Nicht so langweilig, wie immer diese langen Haare. Was hast du da gemacht?“
„London“, Karl musste sich räuspern. Oh mein Gott, er biss an, er war interessiert, Walter war echt interessiert. „Es kam nur London in Frage. Die wissen einfach wie man Haare schneidet, dass sie gefällig sind. Gefällig haben wir bestellt, und gefällig haben wir auch bekommen. Hatte natürlich seinen Preis.“
„Ja, ja“, Walter schrieb weiter in seinem Buch. „Sie steht so ein wenig ungeschickt da in diesen Pumps. Die Schuhe gefallen mir übrigens gar nicht.“
„Kein Problem! Kein Problem! Die Schuhe sind noch nicht permanent. Wir wissen ja, dass ein jeder ganz eigene Vorstellungen hat, deshalb haben wir die noch nicht angepasst.“
„Das heißt, da gibt es Nachbesserungen? Ich mag eigentlich nur Stiefel von Louboutin. Und will dafür dann nicht noch extra bezahlen müssen.“
„Selbstverständlich wird sie so geliefert, wie der Kunde es wünscht. Keine Frage.“ Karls Herz klopfte wie verrückt.
Walter ging näher auf das Modell Stepford zu. „Kann sie sich mal drehen?“ Walter lachte. „Ja, ich möchte sie mal gern ausprobieren. Ich kaufe nur geprüfte Ware.“
„Selbstverständlich. Selbstverständlich.“ Karl gestikulierte seinem Mitarbeiter. „Wir möchten dir gern das Vorführmodell zum Geschenk machen. Uns ist vor allem wichtig, dass die Anamnese der Vorlieben und Abneigungen ordentlich durchgeführt wird. Dann ist sie der Traum eines jeden Mannes. Wenn du meinem Mitarbeiter in den Orderraum folgst? Dort kannst du dann in Ruhe den Fragenkatalog durchgehen und deine Speichelprobe abgeben.“
Sie stellt sich zur Schau für das Konsumprodukt. Und wird von Millionen Augen angeguckt.
„Und wie lange dauert dann die Programmierung?“
„Das ist das Beste: nur eine Stunde!“
„Das heißt ich kann sie heute noch ausprobieren?“
„Ja, Walter, das Separee ist schon vorbereitet.“
„Du weißt ja Karl, wenn sie nicht ordentlich trainiert ist, wenn sie nicht genau weiß, was zu tun ist, dann nützt auch der beste Körper nichts, das bringt dann einfach nichts.“
„Versteh ich vollkommen, versteh ich vollkommen. Doch du wirst begeistert sein.“
Nur noch ein paar Stunden, dachte Karl, nachdem Walter mit seinem Mitarbeiter nach hinten gegangen war. Er ging auf die Puppe zu und strich ihr über die Haare. Joannas Körper sah immer noch so aus, wie in den 80iger Jahren. Sie war die Einzige die durchgehalten hatte, die zu allen Schritten bereit gewesen war.
Ihr neues Titelbild ist einfach fabelhaft. Ich muss sie wiedersehn, ich glaub sie hats geschafft.
Ja, dachte Karl. Wir haben es geschafft. Du wirst mir ein Vermögen einbringen. Du wirst das Titelbild des Monats.
Songtext von Kraftwerk: Das Modell