Mach's gut
Mit dem Klicken der Hoteltür werde ich wach. Es brennt immer noch das Licht, obwohl es bereits hell ist. Noch nie habe ich mit ihm eine ganze Nacht verbracht, noch nie. Ich muss grinsen. Wir haben mehr als eine Grenze überschritten mit dieser Nacht. Meine Oberschenkel brennen, die Innenseiten sind überdehnt, meine Arme sind noch schwer und müde, auf meinem Busen: ein blauer Fleck. Ich drehe mich auf seine Seite, auf den Abdruck den sein Kopf auf dem Kissen hinterlassen hat, und mein Körper spürt einen großen nassen Fleck. Ich lache auf. Ich schnüffle mich in sein Kissen, er riecht so verdammt männlich, so stark, so wild, seinem Geruch möchte ich folgen, sein Geruch soll sich mit meinem vermischen, ich und er, eins.
Der nasse Fleck ist kalt. Ich verlasse sein Kopfkissen und meine Nase und meine Wange und meine Hände folgen den Spuren in unserem Laken. Der nasse, kalte Fleck riecht nach einer saftigen Waldwiese. Interessant. Ich sehe auch einen Spritzer von seinem Saft, der Rest ist eingetrocknet auf meinem Bauch, auf meinem Busen, in meinem Gesicht. Wir haben uns beide markiert in dieser Nacht, die so hell war, so hell und so wild. Bitte, hab ich gesagt, bitte. Die Erinnerung an dieses große Bitte, dieses Bitte nach diesem Kampf, nach diesem Kräftemessen, nach diesem Aufbäumen, nach diesem Wehren, lässt mich rotwerden. Ich spüre wie mir heiß wird, doch mit der Scham fängt meine Perle wieder zu pochen an, mir wird noch heißer, mein Körper hat sich ihm ergeben, mein Geist hat sich ihm untergeordnet, doch mit jedem Stoß, mit jedem Laut von ihm, mit seinem Schrei, der meinen Schrei überdeckt hat, hat die Frau in mir triumphiert. Die Frau. Der Mann. Steck ihn endlich rein, ich habe ihn so gepackt, wie er mich gepackt hat. Steck ihn endlich rein, ich habe seinen Namen geschrien.
Mein Körper pulsiert. Es sind diese kleinen Nachwehen, diese Erinnerungsfetzen, dieses schnell, jetzt, los, gib, mach, dieses, nein, mach die Beine breit, dreh dich um, dieses Zurechtrücken, dieses Hineinkriechen, diese Töne, diese tierischen Laute, dieses Einswerden im Epizentrum. Wir haben noch nie soviel geredet. Noch nie. Doch was er geredet hat. Diese rudimentären Anweisungen, flankiert von seinen geradlinigen Händen, unterstrichen von dem Geräusch der Klapse auf meinen Po, auf meinem Venushügel. Diese fast zärtlichen Versprechen, diese magischen Worte, wie er mich, sie, meinen Busen beschrieben hat. Meine Lust hat er beschrieben. Meine Lust auf ihn. Auf den Punkt beschrieben. Und doch hat er das Nein, das Ich_wehr_mich_auf_Teufel_komm_heraus provoziert. Seine Stimme triefend vor Sarkasmus, hat mich aus der Reserve, aus der Einsiedelei gelockt, ich habe ihn gekratzt, gebissen, er hat mich festgehalten. Festgehalten und dabei markiert, mich und mein Innerstes angestupst, mich und mein Innerstes vollkommen rasend gemacht. Zwei. Eins. Und dann waren seine Bartstoppeln in meinem Nacken, seine Zunge hat meinen Nacken geküsst, gefickt, gebissen und ich bin ausgeflossen. Was, hat er gebrüllt, was willst du, was? Bitte, dich, bitte dich, bitte, steck ihn endlich rein, mein, ich bin dein.
Ich stehe auf, gehe rüber zum Fenster, schau auf einen blauen Himmel, die Sonne scheint, ein strahlender Tag trotz Winter. Da sehe ich einen kleinen Zettel, auf dem Tisch, neben meiner Brille, ein kleiner Fetzen Papier, herausgerissen von der Rechnung. Ich falte ihn auf, da steht mit seiner krakeligen Schrift: Mach‘s gut!
Mach’s gut? Mach’s gut! Augenblicklich ist mir eiskalt. Es dröhnt in meinem Kopf. Es pulsiert in meinem Körper, es schreit, nein, niemals, bist du jetzt komplett verrückt geworden! Und doch, es passt zu ihm. Ich weiß, dass ihm das heute Nacht zu weit gegangen ist, ich weiß, dass wir zu weit gegangen sind, ich weiß, dass ich ihm viel zu nah war.
Mein Körper glüht. Meine Fingerspitzen, meine Füße, eiskalt. Nackt sitze ich auf dem Bett, starre auf einzelne, kleine, schwarze Haare, seine Haare, auf unsere Spuren, auf den Zettel in meiner Hand. Langsam und ohne Hinzusehen zerreiße ich ihn, mache kleine Schnipsel aus ihm, werfe sie in die Luft, nur um im selben Moment, nein, zu schreien, nein, ich will, ich will wenigstens seine Handschrift, will etwas von ihm, will!
Wie durch ein Wunder, trotz der kleinen Schnipsel, da ist noch ein ‚Mach’s‘ und ein ‚gut‘. Ich habe jetzt ein ‚Mach’s‘ und ein ‚gut‘ und ich liebe, ich liebe diese beiden Wörter, zwei kleine Wörter die mich begleiten werden. Zwei kleine Wörter die ich hinunterschlucke, mit viel Wasser aus dem Wasserhahn des Waschbeckens in diesem billigen Hotelzimmer. Mach’s. Ja, ich werde es machen, immer wieder, und wieder, werde ich es machen. Und gut, gut werde ich es auch machen. Das gut bleibt für einen Moment an meinem Gaumen pappen, meine Zunge muss es packen, packt es, verschluckt es.
Ich putze nur meine Zähne, wasche mein Gesicht. Mehr nicht. Seine Spuren, sein Duft, das hat Zeit, ich will ihn nicht herunterwaschen, noch nicht, ich will ihn in meine Haut sickern lassen, seine DNA ist mit meiner vermischt, ich hab sein mach’s und sein gut, ich hab seine Worte in meinem Mund, und seine Bilder in meinem Kopf und meine Hingabe und mein Loslassen und mein Wollen. Mach es, mach es gut, ich, er, jedes Mal, immer wieder, er, ich, mach es gut.