Hochmut kommt vom vielen Fallen
Bernd brauchte eine Frau. Nicht zum Kochen, oder Putzen, nicht mal für´s Bett, das wäre ja alles nicht mal so kompliziert gewesen, für sowas hätte er bezahlen können.
Nein, er brauchte sie für mehr – eine Begleiterin, bei der er sich ausheulen könnte, und außerdem sollte es eine Schönheit sein, mit der man angeben könnte, eine Frau, deren Augen strahlten, wenn er ihr Geschenke kaufte von all dem vielen Geld, von dem er gar nicht mehr wusste, wie er es alleine ausgeben sollte.
Eine Frau, die jederzeit seinen Wünschen entgegenkam und nichts gegen kosmetische Operationen hatte, um seinem Idealbild zu entsprechen. Seltsamerweise hatte er nicht viel Erfolg auf seiner Suche, obwohl er ein guter Fang war, wie er im Buche steht.
Er holte sich also Ratschläge bei seinen verheirateten und einigermaßen monogamen Freunden, deren Tipps ihm aber bisher nicht weitergeholfen hatten. Die behaupteten, es läge daran, dass er Trampel sei, wie er im Buche steht, und er vor allem an seinen Konversationsfähigkeiten arbeiten müsste.
„Ralf, was kann ich tun? Ich will nicht länger allein sein!“
„Bernd, du hast schon Hunderte von Tüten, oder wie heißt das? Nein, Körben einstecken müssen. Aber du gibst nicht auf. Du bist ein Kämpfer. Und Kämpfer geben nicht auf, außer schlechten Gewohnheiten, klar?“
„Ach, irgendwann reicht´s. Ich frage mich, ob ich nicht meine Ansprüche herunterschrauben sollte… Es stand in der Zeitung, es gibt sehr viele Single-Frauen in Deutschland, die keinen Mann finden können. Nur leider sind sie nicht alle schön oder interessant oder liebenswert. Ich müsste mich mehr für eine weniger hübsche, eine komplizierte und langweilige interessieren, dann würde es schon klappen. Ich kann sie mir ja ummodellieren, das Geld hätte ich ja…“
„Bernd. Glaub doch nicht diesen sensationslüsternen Blättern der Regenschauerpresse. Und hör´ auf Luftschiffe zu bauen. Oder Luftburgen, oder so. Es gibt auch für dich die Richtige – jedem Töpfchen sein Bierdeckelchen, heißt es doch. Lass uns noch was trinken.“
„Ralf, deine Redensarten gehen mir langsam auf den Geist. Was hast du letztens noch gesagt, als ich ein Date mit dieser Beißzange aus meinem Sekretariat hatte? `Wer sucht, der findet auch Brot lecker, wenn kein Kuchen, mehr da ist.` Und du warst nicht mal betrunken. Du wirfst immer alles durcheinander.“
„Also das ist der Dank für meine uneigennützige Hilfe? Ich helfe dir bei deinem Kummer, wie die Spinne am Morgen, und du hast nichts Besseres zu tun, als dich über meine Art zu reden aufzuregen? Ich rede wie mir der Schnabel gemacht wurde – es ist nicht meine Schuld. Der Apfel fällt nicht weit vom talentierten Gärtner. Meine Eltern haben nur so mit mir geredet und sich dauernd gestritten, wie es richtig heissen muss. Komm, wir kippen uns noch eine hinter den Verband und analysieren dein Problem noch ein Mal. Leg dich auf mein Sofa, bilderhaft gesprochen.“
„Ach, Ralf, das hat doch keinen Zweck. Ich müsste einfach aufhören, immer nur herumzumäkeln an einer Frau und sie nehmen, wie sie ist. Den Rest macht dann mein Schönheitschirurg.“
„Sieh mal Bernd, da, wäre die nicht was für dich? Könnte ein Modell sein, wie die läuft – und dieser lange Hals, das erinnert mich an eine – wie heißt noch dieser schöne Vogel – ja, Gans, nicht wahr? Anmutig sieht sie aus.“
„Du bist bescheuert. Die ist doch wohl höchstens Modell für Übergröße 40 oder so. Und wer trägt denn heute noch Locken, die geht total nicht mit der Mode…Und siehst du nicht, dass sie eine Brille trägt!“
„Der schöne Schein liegt dahinter, mein Freund, das Äußere betrügt nur selten. Und kann dein Chirurgenfreund nicht auch Fett absaugen? Dann fände man bestimmt des Pinschers Kern, bei dem Fahrgestell! Komm, lad sie ein. Gegen ein Tröpfchen in Ehren kann sie sich nicht wehren. Und Brillen sind deutliches Zeichen dafür, dass sie einen besonders niedrigen IQ hat, oder so ähnlich. Das wolltest du doch!“
„Nein, Ralf, es reicht. Ich geh auf ne Kreuzfahrt nächste Woche. Vielleicht finde ich sie da, meine Traumfrau. Danke, aber ich brauche deine Hilfe nicht mehr.“
„Undank ist wirklich der Welt Hohn! Du willst nicht geholfen werden, is schon klar. Einen Versacker trinken wir aber noch, zum Abschied, ja?“
„Hör auf, Mensch, das wird ja immer schlimmer. Ich muss jetzt gehen. Bis dann.“
„Und du nennst dich Freund! Die gehen doch zusammen auf die Jagd nach Dicken wie Dünnen, und sollten sich nicht verlieren, sonst gibt’s Augenringe. He, bleib hier – ich dachte, wir stoßen noch einmal unsere Köpfe zusammen, wir finden eine Lösung, es gibt keine Probleme, nur Anforderungen, komm schon…“
Doch Bernd hörte ihn schon nicht mehr, er fuhr nach Hause, allein, und urinierte, oder wie das heisst, während heiße Tränen der Einsamkeit und Reue die Wangen der Frau hinunter rannen, die sein Gespräch mit Ralf mitbekommen hatte.