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Young Man - Mature Woman
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Geschichtenspiel Teil 38

***xa Frau
577 Beiträge
Die Spüle wars! Sie ganz alleine hat Schuld an diesem ALKOHOLGETRÄNKTEN Abend. Samt allem was noch geschah, und woran ich mich kaum noch erinnere.
Na gut, vielleicht nicht sie alleine. Eigentlich hat mein Hund auch noch was damit zu tun. Aber der ist für mich aus Prinzip ein Guter und Lieber, daher hasse ich jetzt einfach mal die Spüle. So!

Wie vermutlich jede Spüle, hat meine unten drunter einen Schrank und darin liegen die Rohre verborgen. Mit meinen langen Haaren hab ich diese Rohre (mal wieder) verstopft. Da mein BEZIEHUNGSSTATUS Single ist, muss ich mich um solche Dinge selber kümmern. Als ich mich gerade so in den Schrank beugte, eine Rohrzange in der Hand, und mich daran machen wollte, das Rohr auseinander zu nehmen, da passierte es.

Es läutete an der Tür.
Mein Hund, der bis dahin aufmerksam neben mir gelegen ist, hüpfte begeistert bellend auf, nutzte meinen Rücken ungeniert als Springbock, ich verlor das Gleichgewicht, rutschte mit der einen Hand, mit der ich mich abstützte aus, landete mit dem Kopf im dem (gottseidank leeren) Eimer, den ich bereit gestellt hatte, dieser kippte, ich knallte mit dem Gesicht im Eimer auf den Boden und da spürte ich ihn. Diesen unbändigen Schmerz, der vom Ischiasnerv in alle Richtungen ausstrahlt.

Mein "Aaaaauuuuaaaa" war vermutlich nur gedämpft zu hören, was dem Eimer überm Kopf zu verdanken war. Ein giftgrüner Eimer, nur um die Sache vollständig zu erzählen.
Und da hockte ich nun. Wie eine wolllüstige Frau. Das Gesicht unten (im Eimer), den Arsch in der Höhe und konnte mich nicht bewegen. Der Hund lärmte im Flur, als würde eine Horde Räuber in die Wohnung eindringen. Auch, weil es schon wieder läutete.

Mit RÜCKENPROBLEMEN auf allen Vieren aus einem Schrank zu kriechen, um den Eimer vom Kopf zu kriegen ist schwieriger, als ihr euch vorstellen könnt. Ehrlich, das ist nicht ohne.
Und nun? Wie den Hund abstellen? Zuruf war ihm egal, so wie meistens.

Meine ENTSCHEIDUNGSFINDUNG war keine langwierige Sache, auf zur Tür. Als ich sie öffnete, traf mich der VIELSAGENDE Blick meines neuen Nachbarn.
Oh mein Gott, könnte ich doch nur im Boden versinken! Ich himmelte diesen schnuckeligen Typen schon seit 2 Wochen an, seit er neu eingezogen ist. Und nun läutet er ausgerechnet dann an, wenn ich in diesem DESOLATEN Zustand bin, auf allen Vieren am Boden und mein Hund mich erfolgreich an die Wand drängt, um den Gast zu begrüßen, während er mir seine beständig wedelnde Rute ins Gesicht drischt, der ich nicht ausweichen kann, weil ich vor lauter Scham wie gebannt bin. Naja und weil mein Rücken so weh tut, dass ich nicht hoch komme.

Das Gesicht meines neuen, wundervollen Nachbarn lief knallrot an, er begann zu stottern, dass er wohl ungelegen käme, es ihm wahnsinnig leid tue mich gestört zu haben und er jetzt besser geht. Und damit war er weg, noch bevor ich auch nur "Muh" sagen konnte.

Mein Hund schaute mich vorwurfsvoll an. Die Rute hing mittlerweile wieder ganz ruhig nach unten. Mordsenttäuscht war er, dass der Gast gleich wieder gegangen ist.
So waren wir Auge in Auge. Ich kniend, mein Hund stehend. Seinen tiefen Seufzer erwiderte ich aus vollem Herzen und dann schleppte ich mich irgendwie auf die Couch und öffnete meinen ersten Radler.

Ich müsste Flaschen zählen um zu wissen, wieviele Radler später ich eingeschlafen bin. Meine ERINNERUNGEN an diesen Abend sind ein wenig verschwommen. Aber ich habe keine Lust zu zählen. Ich hänge noch immer in der Couch, aber dem Rücken geht es ein bisschen besser. Ich starre bewegungslos aus dem Fenster, der Morgen ist WOLKENVERHANGEN und ich sehe durch die Gardinen, wie der schnuckelige Nachbar mit mißtrauischem Blick an meinem Haus vorbei geht. Vermutlich will ich nicht wissen, was er denkt.

Ich hasse diese Spüle. Seufz
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Aufwischen ...
....Tränchen lach *haumichwech*
Was für ein herrlich humoriger Einstand *top*
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Opfer oder Täter ?
Es war 18:45 Uhr und gerade verkündete der Nachrichtensprecher in reißerischer Manier wie viele Opfer, Tote und Verletzte dieser Jugendliche Amokläufer, in München auf dem Gewissen hatte. Ausführlich wurde über den Jungen berichtet und über seine Motive spekuliert.

Jan hörte aufmerksam zu. Das war interessant... der Typ war jetzt berühmt und jeder machte sich Gedanken um ihn. Klar, er war tot, aber jeder würde sich an ihn erinnern! Die Opfer dagegen waren Namenlose.

Jan schaute sich um. Die Wohnung war in desolatem Zustand, wie immer. Die Frau, die ihn in die Welt gesetzt hatte, saß alkoholgetränkt im Sessel und starrte halb dösend vor sich hin. Der neue Lover der "Alten" hatte Rückenprobleme und bekam Frührente. Die meiste Zeit hockte er in der Kneipe und verzockte das Wenige was er bekam, so dass schon zur Monatsmitte Ebbe in der Kasse war. Wenn er dann später heimkam war er in der Regel im Vollrausch, bestieg die Mutter und war kurz drauf am Schlafen.

Jan hatte keine Lust mehr gehabt auf Schule, war einfach nicht mehr hingegangen. Eine Lehre anfangen? Nee Danke, dafür gab es kaum Geld! Die kleinen Diebereien waren ertragreicher und so einfach. Warum also arbeiten?!

Sein Vater hatte ihn nicht gewollt, und die wenigen Erinnerungen, die er an seinen Erzeuger hatte, waren geprägt von Streit und lauten Worten. Irgendwann war er einfach weg. Danach gaben sich die Männer die Klinke in die Hand - oft ließen sie auch Geld da, aber irgendwann war dann dieser Typ eingezogen. Seiner Mutter schien das schon lange egal zu sein. Jan hatte schon früh gelernt sich unsichtbar zu machen und seiner eigenen Wege zu gehen. Was sollte er auch zu Hause?!

Eigentlich könnte er seinen Beziehungsstatus mal auffrischen, in der Clique Gleichgesinnter hingen auch immer einige Mädels rum. Immerhin war er schon 17 und eine feste Freundin könnte den wolkenverhangenen Alltag etwas beleben.

Er verließ die Wohnung und gesellte sich nur einen Block entfernt zu seiner Truppe. Etwas enttäuscht stellte er fest, dass von den Mädchen nur die 15jährige Jasmin dort war. Die war ziemlich taff für ihr Alter und hatte ein loses Mundwerk. Aber immerhin war er 2 Jahre älter und eigentlich konnte sie froh sein, wenn er sich mit ihr abgab. Vielsagend taxierte er sie und machte dazu noch eine eindeutige Handbewegung. Ihre Reaktion allerdings traf ihn unvorbereitet.
"Ey Alter, was willst du von mir?! Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ich mit so einem pickligen Versager gehe?! Verzieh dich!"
Das hatte nicht nur gesessen, Jan war geschockt, getroffen, aber vor allem stinkwütend, zumal die anderen ihn auslachten.

Plötzlich standen ihm die Nachrichten wieder vor Augen. Er würde es Jasmin zeigen - allen würde er es zeigen! Niemand würde mehr lachen, oder ihn als Versager bezeichnen. Sie alle würden sich an ihn erinnern!


@****ris
26/7/16
Wie grauenhaft realistisch ...

Ich will einfach diese schlimmen Nachrichten nicht mehr hören oder lesen ...














*bye*
Ev *snief*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.136 Beiträge
Realistische kleine Milieustudie, liebe Damaris23! *top*

*blume* Into
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Alles im Eimer! Sehr amüsant Xerxa und willkommen im Klub. Du bringst uns in eine merkwürdige Situation – am frühen Morgen über den Zusammenhang von „verspult” und „Spüle” dieser giftgrünen, kleinen, fiesen Alltagskatastrophe zu sinnieren, bringt eigentlich jeden auf den Hund ,-).

Und schon sind wir bei existentiellen Katastrophen. Natürlich mögen wir Deinen Gedanken, Damaris23, nur wenige Tage, nachdem wir uns alle mal wieder mit den Auswirkungen eines derartigen menschlichen und gesellschaftlichen Desasters auseinandersetzten, nur mit einem gewissen Widerstand folgen. Und Du fängst die Bedingungen der Isolation und des Gefühls des ewig Zurückgesetzten nur zu gut ein.

Im „Ich werde es euch allen schon noch zeigen!” steckt das „Ich werde euch zwingen, mich zu sehen!” und das katapultiert uns in Gedanken über Unsichtbarkeit und mangelnde Teilhabe in unserer Gesellschaft.
Fairarsche!
An einem wolkenverhangenen Nachmittag schlenderte Hr.Dr. Dörrpflaum, seines Zeichens Ex-Chef-Klorollentester der Firma Wischfrisch&Dreckweg durch die Altstadt. Wie eigentlich jeden Tag. Nicht dass er dem süßen Nichtstun frönte, nein - er war bis in die Haarspitzen in einen fachlichen Disput mit sich selbst vertieft.
Die perfekte Klorolle war wie immer das Thema des engagiert geführten Austauschs zwischen den konkurrierenden Hirnlappen des Spätrentners.

Da war Friedhelm, der Pragmatische. Seine dauernden Rückenprobleme hatten dazumal die zündende Idee für eine ertragreiche Innovation der Firma geführt. Lang her, doch die Formel für den Perforationsversatz bei drei- und nochmehrlagigen Klopapierrollen hatte der Firma einen derartigen Umsatzsprung beschert, dass Friedhelm Uwe Dirk-Manuel Sergio Pascal von Hühnerdreck-Dörrpflaum, wie der volle Name unseres Protagonisten lautet, heute dank der von Sergio ausgehandelten Umsatzbeteiligung volle 13.20 Euro mehr Rente bezieht.

Sergio, der mit sizilianischem Mafiosiblut geschäftstüchtigste Teil Dr. Dörrpflaums ist leider die letzten zwei Jahre nach der Pensionierung sehr leise geworden und meldet sich nur noch selten zu Wort. Scheinbar leidet er unter mangelnden Gelegenheiten zum Beutezug. Sein Versuch, bei den anderen Hirnlappen Dörrpflaums Schutzgeld einzutreiben, scheiterte kläglich.

Uwe und Dirk-Manuel verpassten ihm stantepede so einen vor den Latz, dass ihm die Luft wegblieb. Seither bemerkt Dörrpflaum seine Anwesenheit nur, wenn er das Astmaspray aus der Innentasche des Sakkos zieht und so das angeregte Gespräch der anderen unterbricht, bis er wieder zu Atem gekommen ist. Zur Entscheidungsfindung trägt er auf alle Fälle nichts mehr bei.

Manuel, der Zwillingsbruder von Dirk hat sich bei dieser Aktion übrigens so die Hand verstaucht, dass ihm seither regelmäßig die Fingerknöchel anschwellen, weshalb Dirk vor dem Ausgang darauf besteht, einen Lappen und eine Flasche Doppelkorn einzustecken, dass Manuel sich bei Bedarf einen alkoholgetränkten Lappen um die Hand wickeln kann.

Pascal war eigentlich schon immer der Erfindergeist. Zwar war seine Argumentationsführung überaus desolat und mit seinen sinnestrunkenen Methaphern schickte er alle anderen Anteile Dörrpflaums regelmäßig in die hintersten Ecken ihrer Erinnerungen, doch sie hatten gelernt, damit umzugehen. Dazu war es allerdings nötig gewesen, den Einfluss derer von Hühnerdreck zu eliminieren. Derer von Hühnerdreck, Michaela Chantalle Ludmilla, ehemals genannt: ¨mein Scheisserchen¨, beliebte bis in die frühen Vierziger die Gattin unseres rührigen Doktors zu sein. Sie war die Tochter seines ehemaligen Prokuristen und weiblicher Reiz und nicht von der Hand zu wischende Aufstiegsmöglichkeiten zwangen ihn damals zur widerstrebenden Einwilligung in eine überaus kitschige und nachträglich entbehrlich scheinende Heirat.
Nach der Scheidung verliefen die Arbeitsbesprechungen wieder relativ reibungslos und Dr. Dörrpflaum geniesst seither auch wieder das nun so angenehm friedliche weil wortlose Abendbrot.

Sein Beziehungsstatus macht ihm im Gegensatz zu manch einem anderen Zeitgenossen kein Kopfzerbrechen, was in Anbetracht der speziellen Vorgeschichte nicht verwundert. Nur wenn ihm eine Frau auf seinen täglichen Spaziergängen vielsagende Blicke zuwirft und Segio, der alte Schwerenöter sie unvorsichtigerweise auffängt, gibt es kurzzeitig einen kleinen Aufruhr. Doch Dirk-Manuel und Uwe schaffen diesen am Abend eigenhändig in wenigen Minuten abzuschütteln. Die Welt ist wieder in Ordnung und unser Doktorchen kann seelig in wohlperforierte Papierlagenträume eintauchen.
Dank an Animanixxchen
für den Tipp wegen meinen Fehlerchen! Und nachträgliche Gratulation zur ultrakrassorbitanten Federgeschichte!

@****ris
Beänstigend und naheliegend, dein Szenario! *panik*
@***xa
Voll verspült! *top2*
@****ie & Walhorn
Beachtliche Sagittalängen! *anbet*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Zwischendrin
Der Einwurf dieser 8 Begriffe: desolat, Rückenprobleme, Entscheidungsfindung, Erinnerungen, wolkenverhangen, alkoholgetränkt, vielsagend und Beziehungsstatus, förderte ein Zwischenspiel zutage.

Verzeiht mir die Wortwahl am Ende. Sie war stärker als ich.
*floet*



Zwischendrin

Desolater kann man sich nicht fühlen! Ich bin so durcheinander, dass ich meinen Beziehungsstatus zunächst auf Null setze, dann „keine, noch nicht mal zu mir selbst” eintrage und meine Orientierung auf „Entscheidungsfindung”. Als du mich gestern so zärtlich und dann so gierig küsstest, erstmals mit deinen herrlichen Fingern meine schlanken Beine entlang und ganz bis zum Schritt empor fuhrst, schrecktest du zurück, täuschtest Rückenprobleme vor und verschwandst dann auch ziemlich schnell. Mein Gemüt ist nach dieser zerronnenen Nacht aschgrau und wolkenverhangen wie der Morgen, ich löffle gedankenverloren die letzte der schwer alkoholgetränkten Pflaumen und durchsuche meine Erinnerungen: Kann es sein, dass deine vielsagenden Blicke bei der ständigen Koketterie über mein Geschlecht, nicht bedeutet hatten, dass du sehr wohl wusstest, dass ich eine noch verschwanzte Tittentranse bin?
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Kicher ..
@@***ve *lach*
...was im Himmel sind denn "Papierlagenträume" ?
Herrlicher Lesespaß *top*

@***ma
es sei dir verziehen *lol*
aber bildlich stelle ich mir das jetzt nicht vor *schweig*
Die Pflaumen aber - wohl bekomms *prost* *ggg*
Herrlich!
verschwanzte Tittentranse

Klingt nach einem Lurchtierchen *haumichwech*
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Aber politisch korrekt ist anders...
oder nicht? Tittentranse! (*empört guck*)
Die Wanderer zwischen den Welten werden in der Mehrzahl die gepuderten Nasen rümpfen. Und wenn die nicht, dann zumindest der um seinen erotischen Genuss gebrachte Hetero, dessen Hand sich plötzlich an etwas erinnerte.
Anima, es wird ein böses Ende mit dir nehmen! Hast du für deine Schreibe eigentlich schon den großen Waffenschein beantragt? Das hier fällt nicht mehr unter das Schreckschusswaffengesetz!
Großartig, pflegte meine Großmutter immer zu sagen, sie stammte aus dem Schwarzwald, wenn es grün wäre, wäre es grasartig!
Vielen Dank
It´s me!
*********ld63 Frau
8.136 Beiträge
Genau...
... wie mein Vorredner schon sagte - dem ist kaum etwas hinzuzufügen. *ja*

Liebe anima_nyx: echauffier mich und schockier mich!
Bitte mehr! Ich finde es herrlich! *bravo*

Und http://www.joyclub.de/my/748469.olove.html: Me, myself and I - kommt mir bekannt vor! *ggg*
Ich mag die Selbstgespräche der anderen Art... *blume*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Poliddisch korrekt...
Liebste Freunde! Dankeschön!

Und jetzt darf ich sogar auch ein bisschen genau werden, juchz. Das politisch Korrekte ist mitunter nur der gegenwärtig minimalste Normopathen-Korridor des allseits Verkündbaren. Mitunter ist er mehr Zeichen für eine ethische Desorientiertheit und eines an Pluralismus und Heterogenität überforderten und vielleicht sogar ziemlich wertediffusen Zeitgeists. (Verstehe aber sofort, wenn das nun als Zündung empfunden wird, hier den hierfür gedachten Rahmen zu sprengen... seit heute ruft ja auch das Philosofa für solche Sperenzchen, nicht, lieber Whisper2001 ? ,-).

Was mich eigentlich beschäftigt, sind vielmehr einerseits der Gedanke, was das Geschichtenspiel so reizvoll macht und andererseits, was der Wert der ästhetischen Konstruktion der Prosa ist.

Ist sie eine ästhetische Kategorie an sich und lebt gerade vom Eintauchen in auch andere Personen, vom Hineindenken, vom Hinspüren, vom Aufsuchen, vom Imaginieren, vom Spiegeln der wahrgenommenen Welt?

Darf ich nie über einen Massenmöder schreiben und mich in dessen Psyche eindenken? Und die Perspektive ist zudem ein Hinweis: der Schreiber ist die Tittentranse. Sie sagt dies über sich selbst. Ist vielleicht nicht fein, aber voll korreeekt ,-).
*floet*

Aber darum geht’s eigentlich gar nicht, das kommt nur hinzu.

Denn es geht eigentlich um die Annahme, dass
> der Prosainhalt nicht zwingend mit dem Autor identisch sein muss.

(Im Off souffliert: Meine Phantasie ist eigenständig, ist über 18 und erwachsen *mrgreen*).

Was mich am Geschichtenspiel so fasziniert, ausgerechnet, ist die Tatsache, dass es mich dazu bringt, alleine durch die strukturelle Vorgabe der eingeworfenen Begriffe, über meinen eigenen Tellerrand zu schauen und über das naheliegende und ohnehin Gedachte hinauszugehen. Es ist eine Inspiration und Herausforderung, wie ein hingeworfener Fehdehandschuh und darf zu etwas „führen”, auch in einem selbst.

Liebe es.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Fragwürdig, also frag ich
... ist es legitim, dass nur Juden Judenwitze erzählen dürfen oder Rollstuhlfahrer Witze über Behinderte? Wenn eine Frau im Körper eines Mannes sich selbst eine Bezeichnung gibt, die für mich aus der Gossensprache gekrochen ist, dann ist es unerheblich, ob sie in ironischer Selbstreflektion sich so bezeichnet oder weil sie es von ihrer verständnisarmen Umwelt so gewohnt ist. Es ist für mich eine Herabwürdigung des Menschen. Man soll das nicht so bierernst nehmen, aber die Begründung, sie sagt es über sich selbst, also ist es legitim, steht aus ethischer wie ästhetischer Sicht auf wackligen Füßen. Nun aber gut mit Filosofie. Oder darf ich das noch Philosophie schreiben?
Liebe Grüße zur Nacht
Andreas
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Das ist nicht das Thema.
****orn Mann
11.994 Beiträge
******nyx:
Kann es sein, dass deine vielsagenden Blicke bei der ständigen Koketterie über mein Geschlecht, nicht bedeutet hatten, dass ich eine noch verschwanzte Tittentranse bin?

Was für eine gewaltige Wortverquickung, die durchaus die Frage erlaubt, was genau der Forschergeist ahnte und was Überraschung war. Schade eigentlich, dass er ziemlich schnell entschwand.
*zwinker*
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Systemanalyse
Mit besonderem Dank an anima, die mich auf ein paar Fehler aufmerksam machte


Es hätte bei seinem desolaten Zustand auch schlimmer kommen können. Zumindest kam ihm das im Nachhinein so vor. Als es passierte, war er allerdings gänzlich anderer Ansicht. Aber so ist das ja oft: die Erinnerungen verklären die Dinge, wenn es halbwegs gut gegangen scheint. Mit blauem Augen davon zu kommen, ist immer noch besser, als sie nicht vor den Realitäten verschließen zu können.
Der Tag war wolkenverhangen, obwohl der Sommer wochenlang geschrien hatte vor Hitze. Er hatte vom frühen Morgen an so ein komisches Gefühl gehabt. Er wusste aus dem Internet, dass Menschen in den Bergen dieses Gefühl hatten, wenn Fön war. Er wusste nicht recht zu sagen, was das war, Fön. Er war Systemanalytiker, hatte seinen Bachelor gemacht und den Master in Systemanalytik. In seiner Schnellläuferklasse (seit Herrn Kohl schrieb man Schnellläuferklasse tatsächlich mit drei L) hatte er Geografie abgewählt. Was sollte ihm das bringen, etwas über die Einwohnerzahl von Timbuktu zu erfahren, wenn er Systemanalytiker werden wollte? Obwohl, hatte er das eigentlich von Beginn an gewollt? Er konnte sich an den Prozess der Entscheidungsfindung in dieser Frage nicht mehr wirklich erinnern. Vermutlich hing das mit der Tatsache zusammen, dass er in jenen Tagen sehr viel Zeit in vierziger Raids in WoW* zugebracht hatte. Seine Mutter hatte seine damaligen Rückenprobleme ja mit seinem Hang zum übermäßigen Masturbieren in Verbindung gebracht (nicht, dass sie das ihm gegenüber erwähnt haben würde, Gott bewahre, wie primitiv!), aber er wusste es besser: Das tagelange Hocken vor dem PC hatte ihm einen passiven Bandscheibenvorfall eingebracht. Der Orthopäde hatte es auf den Punkt gebracht: Die Bandscheibe hatte wegen Nichtgebrauchs einfach versucht, das Weite zu suchen. Er hatte den alkoholgetränkten Atem des Mannes damals noch für ein Desinfektionsmittel gehalten. Die Welt war ihm seinerzeit sehr kompliziert erschienen; die Möglichkeiten verwirrend und die vollkommene Abwesenheit von Leitlinien oder gar Grenzen hatte ihn eingeschüchtert. Also war er Systemanalytiker geworden. Das hatte mit der Welt als solcher nicht viel zu tun. Systemanalytiker analysierten nicht die Welt, sie analysierten ein Modell von der Welt, oder was sie dafür hielten.
Als es passierte, sah ihn sein Keyaccount-Manager vielsagend an und schob nur die Unterlippe vor. Gesagt hat er nichts. Später machten auf den Fluren Gerüchte die Runde. Wirklich bewusst wurde ihm sein Unglück erst, als er auf Facebook lesen musste, dass seine Verlobte ihren Beziehungsstatus verändert hatte. Seither war nichts mehr wie es früher. Es war ihm einfach passiert: Er hatte seine eigene Meinung gesagt.

*WoW = "World of Warcraft" ein Onlinespiel. Ein vierziger Raid ist dort eine Spielsituation mit vierzig Mitgliedern, die gern einmal mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Es sind schon Kids bei solchen Events verdurstet oder verhungert...
********tenx Mann
331 Beiträge
so Tage...
Es gibt solche Tage, mit denen kann man einfach nichts anfangen. Sie beginnen unspektakulär, um dann genau so unspektakulär an einem vorbei zu ziehen. Die dann schlichtweg vergessen werden. Dann gibt es Tage, die möchte man nicht missen, weil sie einfach schön, ereignisreich, oder bedeutend waren. Und dann gibt es Tage die das alles nicht sind. Tage, die man aber dennoch kaum mehr aus den Hirnwindungen bekommen wird. Die sich tiefer ins Gedächtnis einbrennen, als man es zulassen möchte, weil man auf Dauer den Drang hat, sich lobotomisieren zu müssen. Wenn man das vorher wüßte, würde man sicher den Tag damit verbringen, sich auf keinen Fall aus dem Bett zu bewegen. Ausser vielleicht für den unvermeidlichen Gang zur Toilette, oder zum Kühlschrank.

Dieser Entscheidungsfindung wird man meist nicht gerecht, wenn man am frühen Morgen vom krächzenden Radiowecker aus dem Schlaf gerissen wird. Man öffnet das Fenster, schaut auf die Straße, die von einem wolkenverhangenen Himmel überdacht ist, nimmt einen tiefen Zug Morgenluft zu sich und wird unwillkürlich an seine fortschreitenden Rückenprobleme erinnert. Ja mein Junge, du wirst nicht jünger. Ein Gedanke am frühen Morgen, der noch vor der ersten Tasse Kaffee dazu geeignet ist, sich mit der Erinnerung an den gestrigen Abend zu beschäftigen. Stimmt. Kein lobotomisiertes Hirn, alles an Erinnerungen noch da. Zumindest in ausreichend großen Bruchstücken, die sich in alkoholgetränkten Fetzen langsam ins Bewusstsein drängen.

Man möchte sich einfach nicht eingestehen, den Abend zuvor an der Bar so viel dummes Zeug von sich gegeben zu haben. Sich angesichts des unverändert wolfsgleichen Beziehungsstatus „Beziehungslos“ mal wieder aus der Deckung gewagt zu haben, nur um sich dann mit Jonny Walker zu unterhalten. Was qualitativ betrachtet schon sehr vielsagend ist. Der Griff zu edleren Destillaten jedoch an der gerade recht desolaten Liquidität scheitert.

Nun, weil sich spontan weder eine gnädige Generalamnesie noch ein Lottogewinn einstellt, bleibt zumindest der Versuch, diesen neuen Tag als eine Chance zu begreifen. Wozu auch immer.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Wohl wahr
wie kann ich das doch so gut nachvollziehen. Dabei ist doch Johnny Walker schon ein relativ edles Gesöff, wenn die Liquidität schon desolat ist. Mit "Pennypacker" können einem da noch ganz andere Dinge widerfahren.
Du hast mir aus der Seele geschrieben.
Danke
********tenx Mann
331 Beiträge
sehr gerne... wobei ich ja echt selten trinke, eher mal in der virtuellen Bar... nur bei den Schlüsselworten, war das ne Steilvorlage für son betrübliches Stimmungsbild... *cheers*

*g*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Nur ein Geist bist: Du
Die Auswirkungen der sozialen Netzwerke/Social Media beschäftigen mich und brennen mir unter den Nägeln. Ein gegenwärtiges Phänomen ist das sogenannte „Ghosting”.

Die vorgegebenen 8 Begriffe: desolat, Rückenprobleme, Entscheidungsfindung, Erinnerungen, wolkenverhangen, alkoholgetränkt, vielsagend und Beziehungsstatus, nahm ich als Zündfunken für die Beschreibung dieses sozialen Brandsatzes.


*matrix*


Nur ein Geist bist Du

Schreibe Dir nun eine lange Nachricht, eine ganz formvollendete, was eine Neuerung ist und das wird mitunter die größte Überraschung für Dich sein, denn wir haben uns hauptsächlich angestupst, angeplingt, zugefügt, kommentiert und letztlich vielsagend wortlos geschwiegen, ignoriert und gelöscht.

Wir haben uns begeistert, verzaubert, bezirzt, geküsst, verführt, hingerissen, verliebt, verdorben, vernachlässigt, verziehen, bespitzelt, verfolgt, traktiert und unendlich angeödet mit meist wenigen Worten. Wir wurden zu Liebenden in den Zeiten der Whatsapps und Facebook Likes. Wir hatten nie Cholera. Und wir lasen auch keine Romane von kolumbianischen Nobelpreisträgern für Literatur. Gabriel José García Márquez war uns völlig wurscht.

100 Jahre Einsamkeit spürten wir jeden Tag. Unsere Kinderkrankheiten hießen SMS und Mail und unsere sterbende Liebe ging an den Krücken von Skype und verreckte an Voicemail und Messenger.

Die Chronik eines angekündigten Todes konnten wir anhand der Nachrichten-Verläufe zurückverfolgen, speichern, als Liste aufrufen und letztlich zurücksetzen. Wir setzten zurück. Nicht nach. Wir fühlten uns zurückgesetzt, ganz oft. Wir setzten uns nicht genug ein! Auch nicht für einander. Wir setzten uns nicht zusammen, nicht genug auseinander und wir setzten nie wirklich ernsthaft auf uns. Stattdessen setzten wir uns ab. Wir setzten die Favoritenlisten zurück und kamen doch nie mehr an dieselbe Stelle unseres Lebens, an der wir uns begegnet waren und uns berührten.

Zu unserer Liebe gibt es mehr Selfies und Pics als Erinnerungen. Wir beide waren Meister der Verkürzung und ernährten uns fast von Abbreviaturen, Metaphern und infantilen Platzhalterbildchen, updateten notorisch unser Arsenal an coolen Icons. Das Refreshment-Center unserer Bildersucht hatte durchgehend geöffnet und wir hatten Zugriff aufeinander im Modus 24/7. Wir tippten MU (miss you) für „Ich vermisse dich”, CUT (See you tomorrow) für „Wir sehen uns morgen” und ILU (I love you).

Ich halte inne und denke nach. Öffne gedankenverloren den Schraubverschluss eines Fläschchens mit 70-prozentigem Isopropyl, greife nach einem Tuch und wische mit dem alkoholgetränkten Stoffstückchen über den Screen. Ich frage mich, wann der Zeitpunkt wohl kommt, dass mich mein verschmiertes Touchpad mehr deprimiert als ein tagelang wolkenverhangener Himmel? Waren wir immer schon sprachlos? Täuschte die Frequenz unserer Botschaften das Gefühl der Nähe nur vor?

Zu unseren besten Zeiten überschütteten wir uns mit Kurzfunk-Einschlägen zu jeder Tages- und Nachtzeit und über mindestens 4 Kanäle, waren ständig „on” und hielten uns in der „line”. Wir blieben wirklich bei der Stange, bombardierten uns mit Wortfragmenten und Sinnbruchstücken mit krudem Satzbau und der verwahrlosten Orthografie eben jener, die von der überformten Hochkultur der an Goethe und Sartre Geschulten, zu den Übersättigten des Hedonism III und der Industrie 4.0 überliefen ohne jede Not.

Wir liefen wie getunte Lemminge, fröhlich bunte Multimedia- und Globalisierungsfähnchen schwingend und warfen auch unsere Sprache in das Glasperlen-Tauschspiel der digitalen Kolonisierung unserer Geisteskultur und Denktradition. Wir liefen über, ganz freiwillig und unter Zuhilfenahme einer ganzen Armada emotionaler Stellvertreter: Smilies, Emojis und animierte Gifs und fielen in unseren Ausdrucksmitteln und unseren Umgangsformen in die von Software-Käfigratten, Rhesus-Schreibaffen und gecheateten Avataren vermeindlich ganz trendy nach vorne und doch zurück. Wir liefen ganz ohne weiteres, ganz ohne zu Zucken über und merkten erst langsam oder nicht, dass wir nicht nur überliefen, sondern aus und letztlich leer.

Zunächst schrieb ich „1989 fiel die ...” oder „Im Jahr 1989 wurde in Berlin die Mauer ...” und ertappte mich doch irgendwann dabei, dass ich ganz selbstverständlich auch zu sagen begonnen hatte: „In 1989, als die Wiedervereinigung ...”. Auch ich tat zunehmend so, als müsse ich meine Muttersprache erst aus dem Amerikanischen zurückübersetzen.

Es begann ganz beiläufig. Ein nebensächlicher Zufall sorgte dafür, dass wir übereinander stolperten. Es war Dein erster neugieriger und rotzfrecher Kommentar, der forderte mich heraus. Und Du setztest Dich schnell und massiv in Szene und breitetest Dich aus in meiner Aufmerksamkeit ... Oh ja! Mit all Deinen Likes und der Frequenz Deiner Wortfunken, rücktest Du ganz nach oben in meinen Listen. Wir begannen das Pingpong, warfen kurze Bälle und trieben ganz lässig aufeinander zu. Wir machten mobil und die Aufschläge der kleinen Verspieltheiten bekamen Schwung und Effet. Wir umgarnten uns und feuerten aus allen Kommunikationsrohren. Du warst hinreißend!

Ich sah Dich vor mir, wenn ich einschlief und aufwachte, hörte Deine Stimme, sah Dein Gesicht und spürte, wie Du die Langfinger nach mir ausstrecktest. Mein erster und letzter Blick galt stets Dir, die Push-Anzeige auf meinem Smartphone und mein Herzschlag synchronisierten sich und erreichten oft genug zusammen den roten Bereich.

Es war schön mit Dir, ich liebte Dein Lachen. Die Art, mich bei der Hand zu nehmen, um im strömenden Regen noch schnell quer über die Straße zu laufen. Deinen verträumten Blick in die Ferne, den ich nie deuten konnte. Die Unzugänglichheit, der ich immer wieder begegnete, als lebtest Du einen Teil Deines Lebens in einem Land, das niemand betreten darf. Ich fand Dich geheimnisvoll und liebte gerade dies an Dir. Ich hielt Dich für tiefgründig und nahm Dich ernst.

Was war passiert? Nichts. Du stelltest Dich lediglich tot.

Kein Disput, kein Geschrei, keine Erklärung, nichts. Du machtest Dich rar aus heiterem Himmel. Wurdest unerreichbar, ließt Dich verleugnen und die Funkstille begann mich anzuschreien. Deine ungesagten Worte erfüllten mich, brachten meinen Schädel zum Platzen. Die Zeit des ungläubigen Wartens, der notdürftig und strapaziert zusammengeschusterten Erklärungen, begann mich in einen Mürbeteig zu verwandeln. Ich fiel auseinander und mein Leben zerbröselte.

Ich war fassungslos. Mein Selbstbewusstsein sank jeden vergeblich gewarteten Tag um einen Strich auf der Skala der Wertschätzung. Ich hatte Halluzinationen, hörte das Klingeln des Telefons und das Ping neuer Nachrichten und dabei schwiegst Du. Ich geriet ins Trudeln und die einfachsten Dinge wurden zur Qual. Mein Zustand wurde zunehmend desolater, meine Isolation nahm gefährliche Züge an.

Bis mir an einem schwarzen Tag, an dem ich wieder nicht widerstand, Dein geänderter Beziehungsstatus in Facebook auf der Netzhaut brannte und die Seele verätzte. Als dächtest Du fürsorglich an mich, verwehrtest Du mir zum Glück bald darauf jeden Zugriff. Du wurdest ungreifbar für mich und ich konnte es nicht begreifen. Die Leere in mir dehnte sich aus wie brackiges Wasser. Ich fühlte mich wie ein Nichts. Entsorgt und auch für mich selbst zunehmend unsichtbar. Mein aufrechter, fast ein wenig stolzer Gang, verlor sich mit dir, ich zeigte kein Rückgrat und mein Körper lief parallel. Ich kotzte oft, bekam Rückenprobleme und Tinnitus, meine Kopfschmerzen wurden unerträglich. Ich las viel, doch die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen und der Sinn schlug sich nicht zu mir durch.

Ganz zufällig stieß ich an irgendeinem Tag nach vielen Wochen auf die Überschrift eines Zeitungsartikels: „Ghosting – Ein Zeitgeistphänomen. Wenn der Partner einfach so verschwindet”. Ich erwachte aus meiner gallertartigen Lethargie und begann mit großen Augen zu lesen. Bereits im Oktober 2014 bezeichnete die Huffington Post diese feigste aller Arten eine Beziehung aufzukündigen als „Ghosting”. Ein Fünftel der Amerikaner bekannten sich angeblich bereits damals dazu. Man entfreundet, blockiert, sperrt ... anstelle sich zu erklären und das Unverständnis des anderen, mitunter sogar heftige Vorwürfe und dessen Schmerz zu ertragen.

Eine Beziehung durch kommentarloses Abtauchen zu beenden ist brutal. Es ist die radikalste, rücksichtsloseste und bitterste Form des Schlussmachens, man entzieht sich damit der Auseinandersetzung und jeglicher Verantwortung für den anderen. Die Verlassenen hätten in der Regel sehr mit dieser Verletzung zu kämpfen und trügen noch lange die Fragen, auf die sie nie eine Antwort bekamen, auf ihrer versehrten Seele mit sich herum, sagen die Psychologen. Für denjenigen, der sich verdrücke, sei es allerdings stressfrei und pragmatisch und eben eine Konsequenz des Lebens im Social Media.

Wir beide wissen nur zu genau, wie leicht es ist präsent zu sein: Wir sind damit aufgewachsen. Alles und alle scheinen nur ein paar Klicks entfernt und schon ist man dabei, überall und nirgends. Und ebenso einfach und schnell kann man sich ausklinken und Aufmerksamkeit auch wieder entziehen. Ghosting, das ist mir inzwischen klar geworden, zeigt die egomanste Seite der Medaille der digitalen Netzwerke und des weltweiten Jahrmarktes. Es ist ein Nachtschattengewächs einer globalen und entgrenzten Romantik.

Tatsächlich kann ich Dir mindestens für eines sogar dankbar sein. Du hast meine Entscheidungsfindung, was denn das Richtige für mich sei, ganz entscheidend beeinflußt und ... nein, wo denkst Du hin? Ich studiere nicht Jura wie Du. Anthropologie ist es, und ich spüre, dass mir das liegt.

Nun beende ich diesen Monolog an Dich, bald kommen meine Gäste. Es ist mein 23ster Geburtstag, und mein Geschenk an mich selbst ist dieser Brief, den ich ein- oder wegwerfe. Ich habe abgeschlossen.

Mein Nachbar hört laut Musik und ich singe leise mit. Es ist Paul Simons 50 ways to leave your lover.

Ich sehe Dich nicht mehr, ich sehe aus dem Fenster.


8.2016 © Nyx
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eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
UFF!
bekäme ich diese Brief, ich würde vor Scham im Boden versinken.... und zwar zu Recht. Ghosting.... ***schluck*** kann ich meinen Nick noch schnell ändern? Das ist ja gruselig...
Aber nein halt: Die ehrenwerten und ehrlichen "Verpiesler", die sich der Situation und ihrer Verantwortung stellen, betreiben kein Ghosting, sondern GhostFACEing *rotfl*

In der Tat sind diese stillen Abwanderungen ja nicht selten. Ich habe keinen Zugang zum "warum", würde es aber gern verstehen. Es ist eine Sache, hier im JC plötzlich den oder die eine nicht mehr zu finden, man ist sang und klanglos abgetreten und einfach weg. Nicht verstehen kann ich dann, dass man unter anderem Nickname wieder auftaucht. Das ist noch perfider und hinterhältiger, als einfach abzuhauen. Was ist los mit den Menschen?

Danke für einen Text, der mich so richtig wach macht.... und die Synapsen zucken lässt *g*


Tom
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Hammer !!!
*wow*
treffender geht's kaum noch liebe Nyx *knuddel*
Zumal dieses Phänomen wohl jeden trifft, der sich im Netz bewegt. Mal mehr, mal weniger und ich möchte gar nicht wissen, wieviele Menschen durch so etwas in Depressionen oder schlimmeres verfallen, denn nichts ist übler als stumpfes Schweigen ohne Antworten!!!!
Wegen Überfüllung geschlossen
Dieses Thema hat die maximale Länge erreicht und wurde daher automatisch geschlossen.

*geschlossen*

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Kurzgeschichten: Geschichtenspiel_Teil_39:


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