Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Mansharing
1299 Mitglieder
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Geschichtenspiel Teil 33

@ Into
wo hast du den Tortenboden versteckt?


*gg* Ev
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
@Ev: Erwischt! Der wurde früh weggekürzt *huch*!

@**********Engel : Danke *wink*
******_46 Frau
1.318 Beiträge
@olove
Ich will Gedankenfäden spinnen und daraus Zaubersocken stricken, die in Riesenschritten in Gefühlslandschaften führen, in denen noch Rohmilch und Wildblütenhonig fliessen. Von Utrahocherhitztem und Totgeschleudertem wird Nichts und niemand lebendiger!

Wunderschön formuliert!

Carmen
fliessen - - fließen
Leider ist fliessen falsch geschrieben,
wahrscheinlich, weil es auf nicht allen Handys ein "ß" gibt

LG Ev
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Ich freue mich, euch heute die 8 Worte für das Spiel schenken zu dürfen.


Lyrik

Geschichten

tödlich

Steigeisen

Bild

haarig

Schlampe

fischig


Viel Spaß!
Rhabia
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
???
Ach du Sch....

das wird schwer. Ich lege sofort los ++++hechel++++

Tom
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
F 220, Kapitel 5B
Kapitel 5B: Gefechtszustand

Ich stand auf und drehte mich herum. Da stand er, der Prediger, den ich bereits kannte. Aber er hatte sich verändert. Sein schütteres, ehemals fettiges Haar war nur noch rudimentär vorhanden. Bräunliche Flecken zierten seinen Kopf, aus denen noch ein paar letzte Haare wuchsen. Die Augen lagen in tiefen Höhlen, was den starren, flackernden Blick verstärkte und ihm etwas Dämonisches verlieh.

War der Prediger vor meinem Koma bereits labil, so hatte ihn der Wahnsinn nun vollends erwischt. Er war unerhört dünn. Seine Soutane zerrissen, fleckig und mit getrocknetem Blut befleckt, der Kragenspiegel gelblich-braun. Er stank zum Himmel nach Schweiß, Kot und Urin.

„Sünder, du bist es! Der Hölle entronnen…“, er sabberte beim reden. Da ihm eine ganze Reihe Zähne fehlten, hörte es sich an, als ob er lispelte. Die verbliebenen Zähne waren nunmehr schwarze Stümpfe und mussten stark schmerzen.
„Die Wölfe werden bei den Lämmern schlafen und die Parder bei den Böcken liegen! Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und Glaube, Sünder, hörst du? GLAUBE der Gurt seiner Hüften und die göttliche Lyrik wird einem Feuersturm gleichen!“

„Du bist ja nicht ganz dicht, Alter!“
Meine Stimme war nicht sehr kräftig. Zu tief saß der Schock. Ausgerechnet der idiotischste Spinner überlebte die Seuche? Wahrlich, das mochte ein schaler Witz Gottes sein.

„Ich? Nein, Sünder. Mich schickt der Allmächtige Vater, zu tilgen den Unrat von seiner Schöpfung. Zu widerstehen dem Teufel und seine Dämonen zurück in die Hölle zu jagen. Hörst du Sünder? Vernichten werde ich dich und deine Brut. Ich werde das Werk des Vaters vollenden, Sünder!“
Diesmal wurde er nicht lauter, sondern leiser, je mehr er sich aufregte. Ganz dicht trat er an den Zaun. Seine Augen schienen zu brennen; hasserfüllt starrte er mich an als Inkarnation des Bösen.

„Pass nur auf, du irrer Vogel, gleicht krachts!“
Prompt legte er die Hand an den Zaun und bekam einen elektrischen Schlag, der ihn rückwärts taumeln ließ. Er strauchelte und fiel unbeholfen auf den Hintern. Ich musste unwillkürlich lachen, denn es sah aus wie damals bei den Geschichten mit Dick und Doof. Aber der Irre rappelte sich wieder hoch, kam auf mich zu. Er blutete aus einer Schürfwunde an der linken Hand.

„Brennen wirst du beim Gehörnten, Sünder. Tilgen werde ich dich von der Erde“
Ich starrte ihn nur an. Mir war, wie früher auch, vollkommen unklar, wie es geschehen konnte, dass sich Menschen so sehr verändern konnten. War er auf Opa Schmittkes Rasen schon durchgedreht, was ich im Anbetracht der Lage gut verstehen konnte, hatte sich sein Geist nun vollends vom Acker gemacht.

Er war wieder am Zaun. Hob die Rechte, die die mittlerweile zerfledderte Bibel umkrampfte.
„Komm mal klar, Alter. Merkst du eigentlich nichts? Alle Menschen sind tot. Vielleicht sind wir die Letzten, und du willst mich rösten?“
„Kain erschlug Abel, weil Abel sich dem Teufel zugewandt hatte. Er war ein Sünder, eben wie du!“
Eine recht eigenwillige Darstellung, fand ich.
„Egal wie, du kannst hier nicht herein“
„Der Herr wird mich leiten“, setzte er an, „sein Stecken und Stab wird…“
Er ließ die Bibel fallen und griff mit beiden Händen in den Elektrozaun. Die Spannung ließ ihn konvulsivisch zucken, aber er ließ nicht los. Abgehackt und stotternd stieß er die Worte hervor.
„Ich werde im Namen des allmächtigen Gottes Furcht in dein Herz tragen, Sünder…“

Blut und Schaum quoll zwischen seinen fauligen Zähnen hervor, er zuckte und bebte und dann sackte er bewusstlos zusammen mit glühendem, loderndem Hass in den Augen.
„Scheiße“
Meine Stimme klang fremd und grotesk in der Stille. Eigentlich hätte ich ihn versorgen müssen. Andererseits würde ich den Teufel tun, mir die Pest auf den Stützpunkt zu holen. Die Logik sagte mir, dass der Prediger bereits tot war. Er hatte nur vergessen, umzufallen. Der Mensch in mir hatte Mitleid und hoffte, dass er bei guter Versorgung vielleicht noch gerettet werden könnte. Aber der Skeptiker in mir riet zur Vorsicht. Der Typ war vor Monaten schon verrückt und jetzt war es nicht besser geworden. Ich sah kurz hinter mich. Madame war längst weg, sie konnte ich nicht fragen.

Andererseits… wenn der Verrückte hier überlebt hatte, bestand eine gute Chance, dass es noch mehr Menschen geschafft hatten. Das Dumme war nur, dass ich beim besten Willen nicht einschätzen konnte, ob der Rest der Menschheit mir wohlgesonnen war, oder nicht.

Ich wandte mich ab. Ab sofort war mir klar, dass ich regelmäßig Streife laufen musste. So verrückt der Prediger war, so getrieben von tödlichem Hass war er. Eine gefährliche, haarige Mischung. Und wenn ich so darüber nachdachte… wenn ich auf den Stützpunkt wollte, würde ich es auch schaffen. Draußen bei den Zivilisten gab es so gut wie alles. Von der Holzleiter über Steigeisen bis hin zu Baggern, Radladern, Kränen und Sprengstoff. Und wenn man so vom Hass getrieben wurde wie der Prediger, entwickelte man zwanghafterweise unkonventionelle Ideen. Ich musste sehr auf der Hut sein.


Sehr viel später beobachtete ich aus guter Deckung, wie der Prediger aufwachte. Ansatzlos setzte er sich auf. Mit irrem Blick sah er sich um und bewegte sich wie eine Maschine. Dann stand er auf, als wenn nichts geschehen wäre und ging weg. Nach weniger als fünf Minuten sah ich ihn nicht mehr. Da ich Gegenwind hatte, blieb nicht mehr zurück als ein ekelhafter, beißender, leicht fischiger Geruch. Aber ich war sicher, er würde zurückkommen. Todsicher.

Das Schiff wurde wichtiger denn je. Dort konnte ich mich einigeln. Dort war ich sicher. Deshalb verbrachte ich den Rest des Tages damit, die Kombüse klar zu machen. Ich schaffte so viel Lebensmittel wie möglich an Bord. Morgen würde ich dann Kraftstoff bunkern, Wasser und alles, was ich an Waffen und Munition an Bord schaffen konnte. Der verrückte Prediger konnte mir überall auflauern. Ich war mir nicht mehr sicher, ob er nicht bereits auf dem Gelände war, und das verlieh mir Flügel.

Als ich am Ende meiner Kräfte war, beschloss ich, die Kapitänskajüte zu beziehen. Er brauchte sie sowieso nicht mehr. Der geräumigste Raum an Bord. Dennoch sah ich mich respektvoll um. Der Kapitän hatte einen Schreibtisch. Darauf lag das Logbuch. Handgeschrieben. Gedankenverloren blätterte ich darin herum. Und blieb hängen.

11.Dezember 2013: Heute war die Abschlussbesprechung mit dem Amis. Sie waren hochzufrieden mit der Kooperation der Hamburg. Ich erwarte ein großes Hafenkonzert, wenn wir wieder zuhause sind.
Einer der Hubschrauber funktioniert nicht. Keiner weiß, warum. Auch der HEO (*1) nicht. Das Ding macht mich verrückt, jedes Mal, wenn ein Defekt repariert ist, tritt ein neuer auf. Ich beantrage beim Materialamt, dass ein anderer geliefert wird. Es ist unglaublich. Wäre der Hubi eine Frau, wäre sie eine Schöampe.
Peer rief heute an. Er ist in Guinea und meint, dass er heim möchte. In einem Dorf unweit seines Krankenhauses ist ein Soldat an Ebola erkrankt. Ist aber noch nicht bewiesen.

23. März 2014: Im westafrikanischen Guinea sind laut einem Radiobericht etwa 60 Menschen an Ebola gestorben, es gibt fast 100 Infizierte. Peer sagte mir, dass rückblickend die Experten davon ausgingen, dass es schon im Dezember 2013 erste Erkrankungen in der Region gab. Ich betrachte das alles als unangenehm, aber aufgrund der Distanz für uns eher unerheblich. Nur Peer tut mir leid, er steckt mittendrin.

25. März 2014: Es gibt keinen Ersatzhubschrauber. Das Materialamt hat entschieden. Vom Chef weiß ich aber, dass ich nach der nächsten Wahl noch einmal versuchen kann, einen Heli zu beantragen. Sind wohl wahlpolitische Gründe, die da zum Tragen kommen. Könnte kotzen. Heute habe ich Fähnrich Pedersen Urlaub gewährt, obschon er keinen mehr hat. Seine Frau kommt nieder und man ist ja kein Unmensch.
Von Peer habe ich gehört, dass die Krankheit wird auch in Liberia nachgewiesen wurde, mindestens fünf Menschen sind zu dem Zeitpunkt bereits in Liberia daran gestorben. Peer hat eine Scheißangst vor der Seuche.

26. Mai 2014: Heute haben die Umbauten begonnen. Das neue Flugabwehrsystem ist der Hammer. Vier Geschütztürme, die in der OPZ gesteuert werden. Sie feuern alles vom Himmel, versprach mir der leitende Ingenieur. Nächste Woche geht’s in den Nordatlantik für erste Tests.
Übrigens hat die WHO heute bekannt gegeben, dass die Epidemie Sierra Leone erreicht hat. Fünf Menschen sind dort schon an dem Virus verstorben. Das Land hat die Grenzen geschlossen. Ich weiß gar nicht, warum mich das Thema so beschäftigt. Es sind viele Hundert Kilometer Distanz. Ist es wegen Peer? Heute habe ich noch nichts gehört von ihm.

23. Juni 2014: Nach vier Wochen sind wir heute zurück im Stützpunkt. Das Mantis-System war ein voller Erfolg. Allein das Nachladen gefällt mir nicht. Es müssen Kartuschen aufmunitioniert werden und an Deck von Hand in die Türme geladen werden. Die Amis haben das besser gelöst, die haben Trommelmagazine, die mit fertigen Gurten befüllt werden, das geht automatisch. Ich werde mal einen Verbesserungsvorschlag anfertigen und einsenden. Was zum Teufel nützt ein System, das pro Minute 4000 Schuss verfeuert, aber 1 Stunde zum nachladen braucht?
Seit fast einem Monat kein Lebenszeichen von Peer, allmählich mache ich mir richtig Sorgen. Peers Frau rief mich heute Morgen an, auch sie hat keinen Kontakt.
Aus den Nachrichten weiß ich, dass die Seuche sich weiter ausbreitet. Der Ebola- Virus wütet in über 60 Orten in Guinea, Liberia und Sierra Leone.

20. Juli 2014: Der Umbau der OPZ ist heute beendet worden und um eine Feuerleitzentrale erweitert worden. Die Radar und Sensoren-Einheiten sind feingetunt und es gibt eine weitere Neuerung. Eine gyroskopische Waffenstabilisierungsanlage. Sie gleicht Rollen, Krängen, Stampfen und Gieren aus. Der Test steht ab morgen an.
Wir haben nun Gewissheit. Peer ist tot. Seine Frau rief mich heute an, die WHO hat seinen Tod bestätigt. So ein Mist. Ein defekter Handschuh war schuld. Ein Loch von der Größe eines Stecknadelkopfes hatte gereicht, Peer den Tod zu bringen. Da fährt man Tausende von Kilometern nach Afrika um zu heilen und zu helfen und stirbt selbst. Ist das Gottes Gerechtigkeit? Ist das FAIR? Ebola hat Nigeria erreicht. Ein Liberianer bricht Medienberichten zufolge bei seiner Ankunft am Flughafen von Lagos zusammen und wird ins Krankenhaus gebracht. Zwei Tage später stirbt er. Das Land versetzt seine Sicherheitskräfte an Flughäfen, Seehäfen und Landesgrenzen in höchste Alarmbereitschaft. Kam heute vom Marinekommando.
28. Juli 2014: Der einwöchige Schießtest in der Ostsee ist perfekt abgelaufen. Die Waffenstabilisierungsanlage arbeitet fehlerfrei. Ein Hoch auf unsere Ingenieure. Wenn die an dem Ding rumfummeln können, sind sie glücklich. Heute kam einer auf die Idee, eine Art Schutzschirm zu generieren. Nicht wie bei Käptn Kirk aus unsichtbaren Strahlen, einen Schirm aus Abwehrfeuer. Ein Knopfdruck würde genügen und das Schiff wäre rundum geschützt, auch unter Wasser. AUV nannte er das. Allumfassender Verteidigungszustand. Alle Systeme würden auf Automatik arbeiten und etwaige Ziele selbständig bekämpfen. Auf meine Frage, ob das schwierig zu realisieren wäre, zuckte er die Achseln und meinte lakonisch: „Ist ne Software-Frage, Käptn“.
Das machte mich Neugierig und ich ließ mich einweisen. Schade, dass der WSO nicht da ist, das hätte ihn interessiert. Aber wenn er zurückkommt, wird er informiert sein. Ich hinterließ eine Depesche in seiner Kajüte.
Rita schrieb mir heute eine Mail. Ebola wird zum Thema für Deutschland. Im Eppendorfer Universitätsklinikum soll ein Patient aus Afrika behandelt werden. Sein Name ist Sheik Umar Khan, einen der wichtigsten Ebola-Experten in Sierra Leone. Er hatte sich mit Ebola infiziert. Wie, ist noch unbekannt.

Verdammt. In meiner Kajüte hatte ich die Depesche zwar gesehen, aber nicht weiter beachtet. Wie dumm. Ich nahm mir vor, nach dem Lesen des Logs sofort die Depesche zu lesen. Aber jetzt musste ich einfach weiterlesen. Weltweite Ereignisse aus der Sicht des Kapitäns. Ich ließ die Bord-Ereignisse weg und konzentrierte mich auf die Geschichte einer Seuche.

29. Juli 2014: Der Arzt Sheik Umar Khan stirbt, bevor er nach Hamburg geflogen werden konnte. Er ist nicht der erste Mediziner, der dem Virus erliegt. Doch sein Schicksal gibt der Epidemie ein Gesicht. Genau wie Peer. Ich vermisse ihn.

4. August 2014: Der nigerianische Arzt, der mit dem ersten eingeschleppten Ebola-Fall betraut war, erkrankt selbst. Zwei weitere Menschen, die Kontakt zu dem Reisenden hatten, zeigen ebenfalls Symptome. Die Seuche hat damit auch im bevölkerungsreichsten Land Afrikas Fuß gefasst. Die Verteidigungsministerin hat mit der Truppenleitung und einem Tropenmediziner einen Notfallplan erarbeitet. Für unsere 173 Kameraden in Mali und im Senegal, beide Länder grenzen an die infizierten Gebiete. Es kann sein, dass wir auslaufen. Gerüchten zufolge soll aber die Cap Anamour vor Ort sein. Es beruhigt mich aber nicht.

5. August 2014: Erstmals wird ein bisher nur an Tieren getestetes, kanadisches Medikament zur Behandlung von Ebola eingesetzt. Der US-amerikanische Arzt Kent Brantly und seine Kollegin, die Krankenschwester Nancy Writebol, erhalten die experimentelle Therapie. Beide hatten sich bei ihrer Arbeit in Liberia mit Ebola infiziert. Zugleich werden weltweit die Hilfsmaßnahmen verstärkt. Die Weltbank stellt 200 Millionen Dollar zur Finanzierung von Fachpersonal und medizinischer Ausrüstung zur Verfügung. Als ob das helfen würde!

7. August 2014: Der erste Ebola-Patient ist in Europa, in Spanien eingetroffen. Der 75-jährige katholische Priester Miguel Pajares hatte sich in Liberia bei der Hilfsarbeit angesteckt und soll nun in Madrid behandelt werden. Die WHO-Experten beraten in einer Krisensitzung mittlerweile sogar darüber, ob Ebola zur internationalen Krise ausgerufen werden soll.

8. August 2014: Die WHO stuft die Ebola-Epidemie als internationalen Gesundheitsnotfall ein. Alle betroffenen Länder sollen - soweit noch nicht passiert - den nationalen Notstand ausrufen, Krisenstäbe einrichten und die Grenzen kontrollieren. "Alle Maßnahmen sind darauf gerichtet, eine weitere internationale Ausbreitung zu verhindern", sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan. Das Problem ist aber, dass man so große Menschenmassen nicht kontrollieren kann. Was zum Teufel machen die da?

12. August 2014: Die WHO wagt einen heiklen Schritt. Sie empfiehlt, auch nicht zugelassene und noch nicht an Menschen getestete Medikamente gegen Ebola einzusetzen. Derzeit gibt es kein einziges erprobtes Mittel. Jedenfalls nicht offiziell. Am gleichen Tag wird bekannt, dass die Zahl der Todesopfer über 1000 geschritten ist. Überall auf der Welt sind Mediziner in Alarmbereitschaft, wie bei uns in einer Isolierstation der Berliner Charité.


24. August 2014: Zum zweiten Mal wird ein infizierter Europäer - ein Brite - zur Behandlung in sein Heimatland geflogen. Die Demokratische Republik Kongo meldet bestätigte Ebola-Infektionen. Der Ausbruch soll unabhängig von dem in Westafrika sein.

27. August 2014: Nun wird tatsächlich ein erster Patient nach Deutschland gebracht. Der erkrankte Mitarbeiter der WHO wird im Universitätskrankenhaus in Hamburg-Eppendorf behandelt. Er hatte sich in Sierra Leone angesteckt. Ich bin verärgert. Die Israelis haben einen infizierten Patienten, die Spanier, die Engländer, die Kanadier und die Amerikaner. Und nun wir auch. Jeder nur einen. Misstrauen befällt mich. Kann es sein, dass hier keine Hilfe angeboten werden soll? Kann es sein, dass die Wirte des Virus Väter der Antikörper sein sollen? Kann es sein, dass biologische Waffen gefertigt werden sollen? Ich bin zutiefst beunruhigt!

28. August 2014: Die WHO veröffentlicht eine düstere Prognose: Noch etwa neun Monate müsse die Welt mit der Seuche leben. Die Zahl der Infizierten könnte auf 20 000 steigen. Von den 240 Ärzten und Pflegern sind 120 bereits tot, ein großer Teil ist erkrankt. Die soziale und wirtschaftliche Lage in den betroffen Ländern verschlechtert sich. Durch Quarantänemaßnahmen, Reise- und Transportbeschränkungen kommt es zu Unruhen, Panik-Käufen, steigenden Preisen und Nahrungsmittelknappheit. Und Landesflucht. Zahlreiche, auch Infizierte, verlassen die betroffenen Länder auf Schleichwegen. Erster Ebola-Fall im Senegal. Die WHO hat beschlossen, dass das experimentelle Mittel „ZMapp“ auch ohne klinische Tests verwendet werden darf. Peers Frau, ebenfalls Ärztin, sagte mir am Telefon, dass MAPP Biopharmaceuticals Tabakpflanzen zur Gewinnung der Antikörper nutzt. Scheiße ich habe erst vor 3 Jahren mit dem Rauchen aufgehört! Angeblich haben die globalen Pharma-Konzerne kein Gegenmittel. Angeblich aus kommerziellen Gründen. Zu wenig „Opfer“, um eine Forschung dahingehend zu rechtfertigen. Ich bin aber ganz sicher, dass alle militärischen Einrichtungen ein Gegenmittel haben. Nur: Beweise das mal.

1.September 2014: Es ist passiert! Aus Quebec werden 124 Tote durch Ebola gemeldet. Alle innerhalb eines Tages gestorben. Die WHO meldet, dass die Übertragungswege nun nicht mehr konventionell gelten. Ebola wird nicht mehr allein durch Blut oder Schleimhautkontakt übertragen. Der Virus ist mutiert. Jetzt wird er durch die Luft übertragen. Diese Idioten haben dran rumgefummelt und wir alle bekommen jetzt die Quittung! Ich werde die Besatzung nicht zurückrufen. Im Gegenteil. Wir bunkern jetzt alles bis Oberkante Unterlippe und dann versiegeln wir das Schiff. Mal sehen, wer den längeren Atem hat!

4.September 2014: Meine Tochter hat Geburtstag. Gestern habe ich sie angerufen und meiner Frau gesagt, sie soll sofort herkommen. An Bord sind wir vorerst sicher. Habe aber den Kontakt verloren. Ich hörte von Plünderungen in den Großstädten. Aber die Nachrichten kommen nicht ganz an. Vermutlich hat die Regierung einen Filter auf den Nachrichten. Bastarde!
6.September 2014: Ich könnte verzweifeln. Keinen Kontakt zu meiner Familie. Auch die paar Leute, die noch an Bord sind, haben keinen Kontakt zu ihren Familien. Was zum Teufel ist bloß los hier?

13. September 2014: Tot. Sie sind alle tot. Der Stützpunkt ist hermetisch abgeriegelt, aber Wachen und Personal sind weg und nur ein paar letzte Recken sind noch da. Aber sie sterben, einer nach dem anderen. Ich sehe es durch die Bordkameras. Sie sterben unter Qualen. Sie bluten aus den Augen, aus den Nasen, aus den Ohren. Ihre Hosen sind durchtränkt mit Blut und sie kotzen Rotz und grünen Schleim und Blut bevor sie einfach umfallen und sich nichtmehr bewegen. Ich habe das Schiff unter ABC-Konditionen gestellt. Es ist zum verzweifeln. Irgendwann müssen wir an Deck und Luft holen. Es wird nichtmehr lange dauern, schätze ich. Laut WHO sind wir alle infiziert. ALLE! Restlos die gesamte Menschheit hat Ebola. Nur ein paar Wenige haben eine natürliche Resistenz gegen den Virus. Sie werden nicht krank, aber sie können das Virus dennoch weitergeben. Wahnsinn.

14. September 2014: Heute ist es passiert. Obergefreiter Hansen ist durchgedreht und hat ein Schott geöffnet. Ich habe ihn erschossen. Und ich bin ein Idiot. Um meine Sachen zu holen bin ich ohne nachzudenken in meine Kajüte gerannt. Mir ist schwindelig und ich habe Gliederschmerzen und Magenweh. Für den Fall, dass ich infiziert bin, verlasse ich das Schiff. Hoffentlich habe ich niemanden angesteckt. Ich werde meine Familie suchen. Das ist meine letzte Eintragung als Kapitän der F 220 Hamburg, dem besten Schiff der deutschen Marine. Möge das Schicksal uns allen gnädig sein. Und mögen die Überlebenden dafür sorgen, dass eine bessere, klügere und menschlichere Rasse entsteht.


Ich konnte es nicht verhindern, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Der Kapitän war ein guter Mann, ich hatte ihn gern. Aber seine Aussage, dass alle Menschen infiziert waren, machte mich unruhig. So, wie ich es sah, waren wir noch zwei Personen. Der verrückte Prediger und ich. Jeder von uns beiden war der Letzte seiner Art. Ein Krieger und ein Priester. Was für ein Witz!

Eine intakte Menschheit würde daraus kaum entstehen. Irgendwo im Discovery-Channel sagte einmal jemand, dass man mindestens 32 Personen bräuchte, die nicht familiär-genetisch die gleiche Abstammung hätten, um einen gesunden, genetischen Pool zu gewährleisten.

(*1) HEO=Hubschrauber-Einsatzoffizier
*********ynter Frau
9.578 Beiträge
@Ghostface
Chapeau!!!
Dein Szenario ist so spannend und so plastisch beschrieben wie in einem Film.
Ich tauche ein und fürchte mich. Möge deine Geschichte niemals Wirklichkeit werden.
*spitze*
@ghostface
Die Qualität Deiner Schreibe steht außer Frage, aber bei dieser Folge bin ich ausgestiegen. Ich schätze, in einem Buch könnte ich es lesen, aber für dieses Forum war es mir zu lang und zu detailliert.

Das hängt natürlich auch mit meinem Leseverhalten zusammen und mit dem, worauf ich hier eingestellt bin.
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ja,
das alte Problem. Kurz ist bei mir nur auf Raten zu haben *rotfl*
Tut mir leid, wenn es zu lang war.

Übrigens, nur die Ereignisse ab 1.September sind erfunden. Alles vorher ist recherchierter Fakt von Reuters, dpa und der süddeutschen Zeitung.
Im Rahmen meiner ABC-Ausbildung war ich 79 in Sonthofen. Biologische Waffen waren damals schon Thema. Daher kenne ich mich mit hämorrhagischem Fieber, Lassa, Hanta und ein paar anderen ekelhaften Dingen ein wenig aus. Das ist kein Spaß. SARS kannte man da noch nicht, aber das Wort Pandemie gab es schon.

Tom
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Puuuh... ein Horrorszenario - und gar nicht so abwegig.

Wieder mal sehr spannend und toll geschrieben, Tom!

Ich bin mir grad nicht so sicher, ob das gut war, dies vor dem Zubettgehen zu lesen. *angsthab*
*********ynter Frau
9.578 Beiträge
Kapitel 5C „Raubtiere“
Geschmeidig wie eine Raubkatze schleiche ich im Schutz der halb zerschossenen Mauern, immer auf Deckung bedacht, durch das Hafengebiet, welches an den Stützpunkt anschließt.
Die wenigen Leute, die Gottes Strafgericht über die Menschheit überlebt haben, sind zumeist brandgefährlich und gut bewaffnet. Es geht ihnen um die verbliebenen Ressourcen und schon wieder beginnen sie, eine ungerechte Weltordnung zu erschaffen. Wenige Starke haben alles, die anderen Schwächeren kaum etwas.
Sie haben nicht gelernt, nichts erkannt, nichts bereut, wollen nicht büßen und sich läutern für eine neue gerechtere Welt – im Gegenteil.

Ich habe nichts mehr außer dieser Mission, die mich am Leben hält und dem Ganzen noch einen Sinn gibt. Die tödliche Seuche Ebola hat mir alles genommen.
Der Prediger, mein Vorbild an Erleuchtung und Weisheit hat mich ausgesandt. Er meinte zu mir, es gäbe einen weiteren Überlebenden, einen Kämpfer, auf diesem Stützpunkt. Einer jener Sünder, der verantwortlich für alles sei und welcher zu unser aller Wohl bereuen und büßen müsse, damit diese Apokalypse von uns genommen werde und wir wieder Gnade vor dem Angesicht unseres Herren fänden.

Ohne Widerspruch gehorche ich den Worten des Predigers, er ist mein Mentor, der mich in höchster Not aufgenommen und mich vor dem Tode gerettet hat – ich verdanke ihm alles.
Kaum noch erinnere ich mich an mein Leben bevor der Zorn Gottes über uns kam.
Eine unbescholtene Hausfrau war ich, von meinem Mann, auch so einem Sünder, sitzengelassen. Mit meinen diversen Putzjobs kamen meine beiden Kinder und ich einigermaßen über die Runden.
Für Nachrichten, Geschichten und Lyrik hatte ich nie viel Zeit. Deshalb kam das Sterben um mich herum plötzlich und unerwartet. Ich verstehe nicht, warum gerade ich verschont wurde und meine Kinder nicht überleben dürften.
Meine Seele ist einen schrecklichen Tod gestorben und dank dem Prediger als gerechte unbarmherzige Waffe für alle weiteren Sünder wieder auferstanden.
Alles werde wieder gut, spricht er, wenn erst der letzte Sünder vom Antlitz dieser Erde getilgt sei.

So habe ich mich von einer harmlosen Frau in eine Tötungsmaschine gewandelt, weil es sein muss. Der Prediger selbst ist zu schwach und zu alt zum vollstrecken.
Er stärkt mich mit seinen Worten.
Gefühllos erledige ich meinen Job und mähe die wenigen übrig gebliebenen nieder, die nicht freiwillig bereuen und büßen wollen.
Dann muss ich eben diese Entscheidung für sie treffen!
Bei der Wahl meiner Mittel bin ich flexibel, ich nehme, was ich gerade finde, vom Steigeisen über Messer bis zum Baseballschläger. Doch nicht Hass sondern der Wunsch nach unserer Erlösung treibt mich an.
Ich bin eine Gerechte wie der Prediger. Ich vollstrecke die Todesurteile schnell.

Widerlicher fischiger Geruch steigt in meine Nase und ich versuche meinen Würgereflex unter Kontrolle zu halten. Der letzte Fang verrottet auf dem Fischkutter vor mir. Herrenlose Hunde und verwilderte Katzen balgen sich um die ekelerregende Beute. Ganz vorsichtig schleiche ich geräuschlos weiter.
Ich habe meine Kleidung mit altem Maschinenöl eingerieben, damit mich, die zu Fressfeinden gewordenen ehemaligen Haustiere nicht wittern, und nähere mich nun dem Objekt meiner Begierde.
Vor mir liegt der Sündenpfuhl, das Schiff, welches der Prediger mir beschrieben hat. Ich muss es schaffen, diesen hohen Stacheldraht, vom Sünder ungesehen zu überwinden, ihn gefangen nehmen und dafür sorgen, dass er büßt.

Aus meiner Deckung heraus sehe ich den Sünder, er schleppt Lebensmittel vom Stützpunkt an Deck. Ich muss verhindern, dass er sich auf dem Schiff verschanzt. Suchend husche ich am Zaun entlang und suche nach einer Schwachstelle.
Da, der Herr meint es gut mir mit und hat meine Mission gesegnet - ein Loch im Maschendraht – groß genug für mich.
Ich zwänge mich hindurch und wucherndes Unkrautgestrüpp verbirgt mich vor seinen wachsamen Augen. Tief geduckt und geräuschlos robbe ich vorwärts. Doch irgendetwas hat seine Aufmerksamkeit erregt, denn er späht nun in meine Richtung. Ich presse mich noch fester an den Boden und erstarre.
Nicht nur aus Angst von ihm entdeckt zu werden, sondern auch, weil unmittelbar vor mir etwas kleines Haariges liegt, ein Wildkatzenbaby, ein Ozelot?
Es wundert mich nicht wirklich, denn der letzte Wärter öffnete die Tore des Zoos, damit die Tiere eine Überlebenschance hätten.
Alle Arten von Raubtieren durchstreifen nun die Stadt.

Ängstlich maunzt das Kleine und blickt mich aus großen Augen an. Ein todgeglaubtes Gefühl regt sich in mir. Doch unvermittelt höre ich knurrendes und bedrohliches Fauchen hinter mir und spüre den heißen stinkenden Atem der Bestie in meinem Nacken.
Hätte ich mir ja denken können, dass die Mutter in der Nähe ihres Jungen ist! Adrenalin flutet meine Adern. Ich atme kurz durch und werfe mich von meiner Bauchlage blitzschnell herum, um der Gefahr für meine wichtige Mission, mein Messer in den Leib zu rammen.
Doch was ich sehe, verschlägt mir den Atem.

Der Sünder steht mit einem Maschinengewehr im Anschlag über mir und zielt auf mich. „Na du Schlampe, du kommst mir gerade recht…“
Tolle Idee
Toms Geschicht ist ja schon spannend genug, aber dass jetzt auch noch eine Antagonistin auftaucht, gibt ihr noch eine zusätzliche Würze, die die Spannung verstärkt und die doch sehr techniklastige Geschichte auf interessante Weise auflockert.

*top*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Du, ich und sie
Ach hör doch endlich auf mit deinen Geschichten!
Du starrt mich zornig an, deine blauen Augen eisig und schmal. Ich setze zu einer Antwort an, hebe die Hände, beschwichtigend. Du registrierst meine Bewegung aus den Augenwinkeln, drehst dich abrupt weg und fischst nach deinen Stiefeln, die vor dem Bett liegen.
Ich will nichts mehr hören, sagt mir dein Rücken. Ich hab genug gehört, ein für alle Mal.
Du ziehst dir mit ruppigen Bewegungen die Stiefel an.
Ich stehe mitten im Zimmer, lasse die Arme sinken. In meinem Kopf rennen die Gedanken, stolpern übereinander. Es gibt nichts, was ich sagen könnte, nichts, was dich jetzt bewegen würde, mir zuzuhören - und nicht zu gehen. Ich kenne dich gut genug.

Vor ein paar Wochen hast du mich ganz direkt gefragt, ob ich mich zu Anne hingezogen fühle.
Ob da was laufen würde zwischen uns. Du sagtest, du spürst das Knistern, jedesmal, wenn Anne in der Nähe sei.
Wie sie dich immer ansieht! Das sieht doch ein Blinder.
Ich lachte verlegen und ein bisschen zu laut.
Was du immer gleich vermutest! Das ist vielleicht ein harmloser Flirt, ja, aber ich bin doch nicht an Anne interessiert!
Doch dein Misstrauen war längst gesät, ich sah es in deinem Blick: Die kleine Schlampe! Letztes Jahr hat sich dem Kurt an den Hals geworfen, als seine Frau schwanger war... jetzt darf der Nächste ran...
Und das bin ich? Nein, vielen Dank auch.

Aber es war unübersehbar, dass Anne mit mir flirtete. Schmeichelhaft war das schon für mich, klar.
In letzter Zeit war unser Sexleben eingeschlafen. Ich versuchte, mich an das letzte Mal zu erinnern, und musste lange nachdenken, bis es mir wieder einfiel. Wir kamen von einer Veranstaltung, ein Freund von uns hatte in einem Buchladen seinen neuen Lyrikband vorgestellt.

Nach ein paar Gläsern Sekt und reichlich Smalltalk waren wir zu Fuss nachhause gegangen. Angetrunken und kichernd hast du im Hausgang meine Hose geöffnet... Das war nun zwei Monate her. Auch Anne war auf der Lesung gewesen. Ich hatte seither nicht mehr an sie gedacht.

Bis wir sie wieder traffen, auf der Geburtstagsparty einer gemeinsamen Freundin, letzten Samstag. Als wir am frühen Abend eintraffen, war das Fest schon im vollen Gange. Die Gastgeberin stand im Flur, und scherzte mit einer Frau, die ein Steigeisen in den Händen hielt. Neben ihr stand Anne, lauthals lachend, den Kopf in Nacken geworfen.

Als ich die Wohnung betrat, wandte sie den Kopf in meine Richtung, und das Gespräch verstummte. Du registriertest sofort die Situtation, sahst von Anne zu mir, von mir zu Anne. Irgendwas lief gewaltig schief, und ich bemerkte, wie mir der Schweiss ausbrach.
Komm, lass uns erstmal etwas trinken, versuchte ich dich abzulenken und nahm deinen Arm. Du warfst mir einen tödlichen Blick zu, sagtest aber nichts. Am Buffet standen alte Bekannte, die wir lange nicht gesehen hatten, sie winkten uns zu. Du warst schnell abgelenkt, und ich so erleichtert, dass ich den ersten einen Drink in einem Zug leerte.

Bis zu diesem Abend hatte ich keinen Gedanken an Anne verschwendet. Ich kannte sie kaum und sie war mir vorher nie aufgefallen.
An diesem Abend aber konnte ich sie nicht übersehen.
Sie trug ein leuchtend rotes Kleid mit einem Schlitz, der den Blick auf ihre Beine frei gab. Mit dem Kurzhaarschnitt und der Zigarettenspitze sah sie aus wie einem Art-Deko-Bild entstiegen.
Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sie sich im Raum umherbewegte, immer ein Glas in der Hand balancierend. Unsere Blicke traffen sich, und ich merkte, wie ich innerlich zusammen zuckte, als hätte ich etwas Verbotenes berührt – oder eher etwas Fischiges, Glitschiges... das mich an das weibliche Geschlecht denken liess.
Ich senkte den Blick und lächelte in mich hinein.
Das ging doch jetzt entschieden zu weit.

Viele Gläser später trat ich auf die Terrasse hinaus, die kühle Nachtluft tat mir gut. Es war lange nach Mitternacht, und eine wohlige Müdigkeit überkam mich.
Na hallo – wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen...
Im Dunkeln erkannte ich Anne, an die Hauswand gelehnt. Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarettenspitze und kam einen Schritt auf mich zu in den Lichtpegel.
Ich sah unwillkürlich auf ihre nackten Beine, den blonden Flaum auf ihren Schenkeln. Sie war nicht rasiert. Das Kino in meinem Kopf sprang automatisch an – ob sie wohl zwischen den Beinen genauso haarig und blond war...?
Als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, kam sie noch näher, ihre Brüste berührten mich fast. Im Gegenlicht konnte ich ihre Augen nicht sehen. Ihre blonden Haare waren zerzaust, ihr Atem roch nach Alkohol. Und sie lächelte wie eine Frau, die sich ihrer Wirkung bewusst ist.
Noch ehe ich recht begreifen konnte, was gerade geschah, küsste sie mich.
Dass du ausgerechnet in diesem Moment auf die Terrasse treten würdest – welche Ironie.

Du lässt die Tür laut ins Schloss fallen, als du gehst.
Ich habe nicht versucht, dich aufzuhalten.
Bitte
Bitte erst auf Fehler durchlesen: vor dem Einstellen

LG Ev
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
@Into
da bleibt nur zu sagen: Autsch. Armes Mädchen. Das Ende einer Beziehung allein ist schlimm genug, aber auf diese Weise? Da mach ich mir n Schlitz ins Kleid und find es wunderbaaaaaar.... wer hat das noch gesungen? Hihi..



@******ois
Geil. Ich bin jetzt in einer anderen Lage, ich muss jetzt hinterherschreiben *rotfl*
@**ue weibliche Tötungsmaschine: Na warte!

Tom
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Das war Marlene...
... mit dem Schlitz im Kleid *g* - als "fesche Lola"

@**m: die sexy Frau meiner Geschichte war natürlich nicht schuld am Beziehungsende - deshalb blieb sie ja auch, bis auf das Kleid, so eine blasse Gestalt... Das Misstrauen wars, das völlig unbegründete, was letztlich den Bruch provoziert hat ... selbsterfüllende Prophezeiung nennt man das auch.

Da das aber nicht so klar rauskam, hätte ich wohl noch länger dran feilen müssen.

@Ev: Asche auf mein Haupt!
Ich habs bestimmt 5 x durchgelesen vorm Einstellen... *schaem*
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Hahaaaaaaaaaaaaa
neeeeee ich weiß es!
Es war Ingrid Steeger bei "Klimbim"
Der Groschen ist gefallen.

Tom
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Es war Ingrid Steeger bei "Klimbim"

*haumichwech*
An die musste ich auch sofort denken! *gg*
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Für die etwas jüngere Generation... *lach*


**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Die neuen 8
Ich habe das Vergnügen, für die liebe Nina_de_Wynter ihre neuen acht Wörter einzustellen, da sie selbst heute Abend unterwegs ist.

Und hier sind sie:

Geist
frei
Käfig
Mutter
quälen
Rosinenbrot
Schmetterling
Zäsur

Viel Spaß damit! *g*
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
F 220, Kapitel 6
Wie gelähmt tappte ich wie ein Geist durchs Schiff. Schott für Schott ging ich ab. Nur zur Sicherheit. Ich durfte es auf gar keinen Fall riskieren, dass der verrückte Prediger an Bord kam. Ich durfte nicht einmal riskieren, dass er auf den Stützpunkt kam. Vor allen Dingen musste ich sofort alle Waffen sichern. Typen wie der Prediger würden sie ohne zu zögern benutzen.

In meiner alten Kabine angekommen, riss ich die Depesche auf, nachdem ich kraftlos in den Stuhl gefallen war. „Sie haben etwas verpasst, WSO“ stand handschriftlich auf dem Umschlag.

Innen viele Seiten Papier. Programmieranleitungen, technische Pläne, Anleitungen und technische Zeichnungen. Und eine DvD.
Ich muss lange gelegen haben. Die Unterlagen zeichneten das System als Manits NBS C-Ram 1A3 aus. Also die dritte Ausbaustufe. Jetzt war ich neugierig geworden. Hastig blätterte ich die Unterlagen durch. Und frohlockte. Die Jungs von Rheinmetall hatten alles richtig gemacht. Nicht nur, dass die Sensoreneinheiten mit einem Rundsuchradar ausgerüstet war, das in 20 Km Entfernung noch eine Möwe orten konnte, ich hatte das neuwertigste Zielverfolgungsradar, das es gab, mit den leistungsfähigsten Recheneinheiten. Ein Infrarot-Folgeradar inklusive Infrarot-Zielradar, Laser-Entfernungsmesser, hochauflösende TV-Kameras mit Bildstabilisator und Null-Lumen Nachtsichtgeräte.

Das bedeutete, dass ich auch in stockfinsterster Nacht alles sehen konnte. Dazu kam ein Wärmebildsensor. Eine unglaubliche Maschine. Dazu kam, dass die Ingenieure eine automatische Freund / Feind- Kennung eingebaut hatten, das nicht nur nach Funkleitstrahlen funktionierte, sondern auch auf Sicht. Der Hintergrund war, dass viele Terroristen, das hatten sie aus 9/11 gelernt, die Transponderkennungen der Maschinen einfach abschalteten. Das bedeutete aber auch, dass man das System frei mit Bilddaten füttern konnte. Die A2-Stufe hatte bedeutet, dass die 24 Schuss-Kartuschen, die man so umständlich von Hand laden musste, durch eine automatische Gurtzuführung ersetzt worden war. Jedes Magazin, das ein Deck unterhalb der Türme installiert worden war, hatte 14 000 Schuss 30mm Munition. Und das alles frei programmierbar.

Mich hielt nichts mehr. Ich begab mich augenblicklich in die BFZ, die neben der OPZ angebracht war. Alle Systeme waren auf Stand by, das sah ich auf dem Monitor des Waffentechnik- Offiziers. Dort blinkte einiges. „System Stand by“ blinkte grün hinterlegt und ohne zu zögern nutzte ich die Maus, um das System scharf zu schalten. Einen Augenblick lang flackerte das Licht, als die SMART anlief, die beiden Sensoreneinheiten und die vier Geschütze ihre Gurtzuführungen rattern ließen. Ich war begeistert.
Auf den beiden Monitoren links und rechts des Hauptleitstandes sah ich die Umgebung. Zeit zu spielen. Ich benutzte alles. Die Kameras waren fantastisch. Selten hatte ich so eine Auflösung gesehen, selten so klar und scharf gezoomt. Und vor allen Dingen: So verwackelsicher.

Am Ufer entdeckte ich Madame. Ich grinste. Der Ozelot lag im Gras und döste vor sich hin. Den ganzen verdammten Stützpunkt konnte ich abtasten. Und hätte ich Idiot nicht verträumt auf den Ozelot geschaut, wäre mir der blinkende Monitor der Wärmebildkamera nicht entgangen.

So aber suchte ich die Programmierung der zu bekämpfenden Ziele. Die Standardprogrammierung wies nicht viel aus. Die Freund-Kennungen waren klar hinterlegt. Vage erkennbare Ziele waren ausgezeichnet mit „Fire on demand“. Also die ganzen MIGs, Suchois und Tupolews, die die östlichen Länder auch an andere Staaten abgegeben hatten. Sämtliche Raketen waren hinterlegt, und, was mich überraschte, eine Vielzahl an Drohnen. Ich war wirklich lange weg. Deutschland hatte mittlerweile auch Drohnen? Aha. Hatte sich Flinten-Uschi also doch durchgesetzt.

Rechts unten auf dem Monitor entdeckte ich eine Art Uhr, die rückwärts lief. Als ich sie anklickte, wurde mir klar, dass es sich hier um eine automatische Rundumsicherungs-Aufzeichnung handelte. Sie zeichnete automatisch die letzten 48 Stunden auf. Ich musste grinsen. Nach kurzer Zeit hatte ich eine Aufzeichnung vor mir. Die Bordkameras hatten eine Wärmequelle, das Beerdigungs-Feuer, entdeckt und sich automatisch aufgeschaltet. Jetzt hatte ich sogar ein Bild vom Prediger. Ich schnitt die Figur aus und schob sie in den Ordner: „Feindsignaturen“. Dort rechts anklicken und im Kontextmenü wählen: „Automatisch Feuer eröffnen nach Zielerkennung“. Ich grinste fast im Kreis. Sollte das ernsthaft funktionieren? Im Hauptmenü schaltete ich Turm Alpha, Bravo, Charlie und Delta scharf.

Über das Flugdeck ging ich an die frische Luft. Komisches Wetter. Die Wolkendecke schien immer gleich. Gleich dick, gleich kalt, gleich grau. Am Heck angekommen, lehnte ich mich auf die Reling. Madame lag im Gras des Ufers. Sie bemerkte meine Blicke. Und hoffentlich bemerkte sie auch, dass ich sie sehr mochte. Ich dachte schon immer und denke nach wie vor, Tiere spüren das.

Madames Kopf ruckte hoch. Sie witterte etwas. Auch ich spürte ein ungutes Gefühl, dachte aber, dass das wohl an meiner Reaktion auf das Tier lag. Madames Schwanz peitschte hin und her, ihre Ohren waren nach hinten eng an den Kopf angelegt. Sie fauchte, drehte sich um und verschwand mit langen, eleganten Sätzen zwischen den Büschen. Vielleicht kündigte sich ein Wetterumschwung an? Bei Jack konnte ich mir da sicher sein. Der spürte ein Gewitter eine Stunde vor den Nachrichten.

Es nützte nichts, ich musste etwas tun. Aus dem Log des Kapitäns wusste ich, dass die Bunker alle voll waren. Blieb nur, die Lebensmittel, Waffen und Munition an Bord zu bringen. Eine Herkules-Aufgabe. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Ich blieb stehen. Tat so, als binde ich mir die Schnürsenkel. Dann langsam weiter. Wieder diese Bewegung oben am Schiff über den Hangartoren. Langsam drehte ich den Kopf und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich blickte in die Mündung einer 30 Millimeter Schnellfeuerkanone. Der Delta- Turm. Scheiße. Das System stand auf Automatik. Und wenngleich ich nicht als Ziel zur Bekämpfung hinterlegt war, verfolgte mich das Zielfolgesystem unerbittlich. Verdammte Axt, daran hätte ich denken müssen. Mir war nicht sehr wohl bei dem Gedanken, dass ich ständig vor einer Waffenmündung herumturnte. Aber es ließ sich nicht vermeiden. Auf jeden Fall musste ich mein Bild in die „Freund-Kennung“ verfrachten. Ungeheuerlich. Nicht auszudenken, wenn mal eine Optik dreckig wäre. Hier offenbarte sich der Schwachpunkt des Systems. Und ich musste auf jeden Fall Madame eingeben! Nicht auszudenken, wenn das einzige Wesen nicht mehr da wäre, mit dem ich Kontakt hatte und mich nicht in die Hölle wünschte.

Flugs eilte ich zurück an Bord, nachdem ich das Schott sorgfältig verschlossen hatte. Wenn man erst einmal die Funktionsweise des Abwehrsystems kapiert hatte, war es nicht mehr schwer zu handhaben. Ich suchte, wie zuvor beim Prediger, aus den 48-Stunden Aufzeichnungen ein Bild der großen Katze, und schob es in den entsprechenden Ordner. Mein Blick fiel auf die Wärmebildkamera.

Das sind fantastische Dinge, die da abliefen. Die Fenster des Krankenhauses waren nachts orange-rot, weil die Wärme des Hauses dort ins Freie gelangte. Blau bedeutete: Kalt. Und je roter ein Objekt wurde, desto wärmer war es. Das Krankenhaus sah aus wie ein bunter Käfig. Ich schwenkte die Kamera weiter, und jetzt staunte ich nicht schlecht. Ich sah drei rote Objekte auf dem Monitor!
Einen der Signaturen erkannte ich sofort. Es war Madame, die sich um eine Gruppe Bäume und Gebüsch schlich. Offenbar war sie auf der Jagd, sie war flach wie ein Toastbrot und in Lauerstellung.

Weiter unten in Ufernähe jedoch ein weitaus kleineres Objekt. Auf diese Entfernung sah es aus, wie ein Baby in Fetalhaltung. Seltsam. Ich zoomte heran und erkannte tatsächlich ein Baby. Ein Katzenbaby! Madame war eine Mutter! Ich musste lächeln. Ich freute mich für die Katzenmami.

Als ich den Bildausschnitt wieder verkleinerte, sah ich das dritte Objekt. Es war weit draußen am Rande des Stützpunktes und kauerte hinter dem Zaun, der den Stützpunkt zur See hin abschloss. Ich konnte es nicht wirklich erkennen und vergrößerte den Ausschnitt wieder. Aber es war zu spät, das Lebewesen hatte tatsächlich ein Loch entdeckt, war durchgeschlüpft, glitt ins Wasser und tauchte ab. Damit war es für mich unsichtbar. Verdammt. Ein Seehund vielleicht? Eine Robbe, ein Fischotter oder war es der Prediger? Nun, ein Bad würde ihm guttun.
Dreißig Meter weiter tauchte ein rotes Objekt mitten im Wasser wieder auf. Fast hätte ich es nicht gesehen, weil beim tauchen die Oberflächentemperatur absinkt. Es war kein Tier. Ein menschlicher Kopf. Es war nicht der Prediger. Der trug keine Creolen, das hatte ich deutlich vor Augen. Meinen Augenblick des Jubels, weil es garantiert nicht der Kopf des Predigers war, hielt nicht lange an. Wenn jemand den Stützpunkt entern wollte, und kam nicht wie jeder offizielle Gast an die Vordertür, sondern schlich sich hinten herum herein, führte er etwas im Schilde. Also musste ich das als Invasion einstufen. Und nun? Es wäre sehr einfach, die Wärmebildsignatur in den „Feind“-Ordner zu verschieben. Das System würde die Gefahr innerhalb einer einzigen Sekunde aus der Welt schaffen. Aber durfte ich das? Ohne zu fragen? Ohne zu wissen, wer und warum mich da „besuchen“ wollte? Mein Gewissen würde mich zu Tode quälen. Nein. Außerdem war ich viel zu neugierig. Ich musste wissen, was los war. Also fasste ich einen Entschluss.

Wenige Minuten später verließ ich das Schiff, um mir einen Gabelstapler zu schnappen. An der Versorgungsrampe lud ich zunächst Lebensmittel auf eine Palette, die nicht ins Kühlhaus gehörten. Dosen, Nudeln, Reissäcke und Gewürze, Kaffee, Tee und Kakao, und natürlich EPA. Einmann-Packung. Furchtbatres Zeug, aber im Notfall unentbehrlich. Und was sollte es hier? Ich fuhr den Stapler zum Schiff und begann, die Palette zu entladen. Dabei achtete ich sorgsam auf die Uferböschung. Madame war nicht zu sehen. Das Gras jedoch sehr wohl, denn es war sehr lange nicht gemäht worden. Und auch, wenn die Person, die sich dort anschlich, alle Mühe gab, vorsichtig zu sein, eine Grasnarbe, die sich entgegen der Windrichtung bewegte, war mehr als eindeutig.

Nach dem dritten Gang aufs Schiff spurtete ich in Richtung Bug, schlug einen Haken nach links und rannte, die Gebäude als Deckung nutzend, in einem großen Bogen um den Stützpunkt. So gelangte ich über eine freie Fläche hinter der Trafostation in den Rücken meines Besuchers. Langsam und vorsichtig näherte ich mich dem letzten Punkt, an dem ich die bewegten Grashalme sah.
Plötzlich schoss Madame an mir vorbei. Mit einem gewaltigen Satz sprang sie ins Gras. Ihr Fell stand vom Körper ab, ihr Schwanz war aufs doppelte verdickt und sie fauchte Gift und Galle.

Ein paar schnelle Schritte, das G36 entsichert.
Vor mir im Gras lag ein Etwas. Es war lang, es war dünn und es war nass und es war dreckig. Es hatte lederne, schwarze Sachen an und es hatte eine Reihe unterschiedlichster Messer am Gürtel und über den Rücken waren gekreuzte Kurzschwerter angebracht, die wie Schmetterlinge aussahen. Das Gesicht dreckig, beinahe wie Tarnschminke, die Haare wild und zerzaust.

Das Schlimmste aber waren die Augen. Abscheu drückten sie aus. Ekel und Widerwillen. Zugleich aber auch Wut und Enttäuschung. Faszinierend, denn hinter dieser Kulisse aus Emotionen stand ein gänzlich anderer Ausdruck. Nämlich Angst. Nur unwillig gestand ich mir diese Zäsur ein. Weil es mir Angst machte. Weil es eine menschliche Regung bedeutete. Weil es mich weich machte. Oder drohte, zu machen. Das galt es, zu verhindern.

„Na du Schlampe, du kommst mir gerade recht…“, eröffnete ich die Ansprache, „hast du gedacht, du kannst mich überraschen? Erst einmal zurück. Zurück, sagte ich! Weg vom Baby!“

Sie kroch rückwärts zwei Meter zurück. Madame fackelte nicht lange, sie trug ihr Kind im Maul wie der Wind davon.
„Jetzt zu dir…“, wandte ich mich der mageren Frau zu.
„Sünder“, warf sie mir entgegen und spuckte vor mir auf den Boden. Jetzt war die Sache glasklar. Ich hob die Mündung des Gewehres.

Mein gestreckter Zeigefinger tastete sich zum Abzug. 30 Patronen im Kaliber 5,56mm warteten darauf, das hasserfüllte Gesicht der Frau in eine breiige Masse zu verwandeln. Und doch hemmte mich etwas.
Es waren die Augen. Und die Logik. Seit langer Zeit traf ich einen Menschen und wollte ihn umbringen? Selbst wenn sie mich gerade überrumpeln und töten wollte, ich hörte ja, wer sie angefixt hatte. Und wenn der verrückte Prediger schon diese Frau für sich gewinnen konnte, hätte er noch mehr auf Lager, als das. Und das musste ich herausfinden. Allein schon wegen Madames Kind.
„Aufstehen. Aber langsam. Mach keinen Blödsinn, hörst du? Ich will dich nicht töten, aber wenn es sein muss, werde ich ein echt schlechtes Gewissen haben. Willst du, dass ich mich schlecht fühle?“
„Du wirst gerichtet werden, Sünder!“
„Hör mit dem Gequatsche auf und werd wach. Der Prediger hat dich unter seinen Fittichen gehabt, oder etwa nicht?“
Sie schwieg und starrte mich nur hasserfüllt an. Was zum Teufel hatte ich ihr getan? Der Prediger ging mir allmählich auf die Nerven.

„Umdrehen“, sagte ich ruhig, „Und jetzt geh. Langsam und vorsichtig. Flucht ist zwecklos, so wie du aussiehst, holt dich jeder Achtjährige ein.“
Ich musste sie klein halten. Außerdem: Sie wollte mich töten, warum also höflich bleiben?
Sie stand auf. Ganz entfernt erinnerte sie mich an Emma Peel, nachdem sie in einen Gulli geplumpst war. Die eng anliegenden Lederklamotten hätten mich bei entsprechender Figur bestimmt irgendwie angemacht, aber jetzt, wo ich hinter ihr herlief, bemerkte ich, dass sie nicht einmal einen Arsch in der Hose hatte. Von den Spaghetti-Beinen einmal abgesehen, zeichneten sich ihre knöchernen Schulterblätter deutlich unter dem völlig verdreckten Leder ab. Die Frau war total unterernährt. Die Frage war, ob das ein Dekret des Predigers war oder das Resultat einer fehlenden Strategie.

„Halt die Hände seitlich vom Körper weg, ich will keine Überraschungen erleben!“
Ich wurde immer leiser. Wer mich kannte, wusste, dass das ein untrügliches Signal war. Je stiller ich wurde, desto ernster wurde es.
Sie ging in einem leichten Bogen zum Schiff, wollte wohl an Bord.
„Halt“, sagte ich und trat einen Schritt näher.
„Schau nach rechts hoch. Siehst du die beiden Hangar-Tore?“
Sie nickte. Hatte wohl beschlossen, mich mit Schweigen zu strafen.
„Darüber ist eine Art Geschützturm, siehst du ihn?“
Wieder nickte sie.
„Mach drei Schritte nach vorn und beobachte den Turm. Und dann denk an Gandalf!“
Sie machte drei zögerliche Schritte und beobachtete, wie der Geschützlauf ihr folgte.
„Gandalf?“, fragte sie, den Kopf zur Seite drehend, um mich zumindest aus den Augenwinkeln sehen zu können.
„Du kannst hier nicht vorbei!“, sagte ich. Es war der letzte Film, den ich im Kino gesehen hatte.
„Der Turm und noch drei andere bekämpfen vollautomatisch alles, was sich nähert und nicht im System als Freund gekennzeichnet ist. Hast du das verstanden? Du kannst dort nicht hinein.“

Ihre Schultern sackten zusammen. Offensichtlich war das wohl der Plan.
„Geh nach links, zum Krankenhaus.“
Ein Militärkrankenhaus sollte einen sicheren Raum haben. Ich wollte sie nicht im Wachgebäude in die Arrestzelle stecken, weil das Wachgebäude zu dicht an der Straße lag und sie den Verrückten vielleicht rufen könnte. Als ich auf der Suche nach Lebensmitteln durch das Lazarett lief, hatte ich ein Fixierbett samt Immobilisierungsgurtsystem gesehen. Das wäre ab sofort ihr neue Heimat. Und zwar bis ich herausgefunden hatte, was der Prediger im Schilde führte.
Nur widerstrebend fügte sich die Frau. Als sie das Gurtsystem erblickt hatte, wurde ihr Körper starr und sie blieb stehen.

„Na los Schätzchen, es gibt keinen Ausweg“, sagte ich so ruhig wie möglich. Aber ich ahnte, was nun kommen würde, deswegen trat ich einen Schritt zurück. Prompt schleuderte sie ihren Körper herum, in der linken Hand ein blitzendes, kleines Messer. Weiß der Teufel, woher sie das hatte. Aber dank meines Schrittes ging der Angriff ins Leere. Sie verlor das Gleichgewicht und mein Gewehrkolben schlug krachend an ihre Schläfe. Licht aus.

Sie war federleicht. Unglaublich, ich schätzte die Frau auf um die 40 Kilo. Mit Klamotten. Die Fixierung war nicht schwer, aber so dürre Körper waren wohl nicht im Sinne des Erfinders. Hände, Füße, Oberschenken und Hüfte wurde festgebunden. Dann trat ich einen Schritt zurück und betrachtete das Werk.
Sie stank. Nicht so schlimm wie der Prediger, aber es war schlimm genug. Ich hätte die Killerbraut auch ausziehen und abschrubben können, aber wozu? Für einen sauberen Tod? Aber diese Mischung aus Schweiß und Dreck war auch nicht gerade heimelig. Irgendwie empfand ich dieses Wesen als Fremdkörper. Sie gehörte hier nicht hin. Sie war die Vorbotin des Verderbens. Und sie hatte eine Schwachstelle entdeckt.

Ich wandte mich ab, schaltete die Lampe auf dem Schreibtisch an und löschte das Neonlicht. Weiß der Teufel, warum ich so nachsichtig war. Eilig verließ ich das Lazarett und suchte die Waffenkammer auf. Handgranaten und ein dünnes Drahtseil aus dem Kompanietrupp-Zimmer sollten reichen. Die Nachmittagssonne strahlte dunkler werdend übers Wasser. Eigentlich ein Anblick des Innehaltens, der Besinnlichkeit und des „Einswerdens“ mit der Natur. Die schwarzen Eierhandgranaten in meinen Händen sprachen jedoch eine andere Sprache.

Das Loch im Zaun war merkwürdig. Kreisrund, ein perfekter Kreis. Die Enden der Drähte sahen aus, als wären sie geschmolzen. Weder aufgerissen, noch aufgeschnitten oder gehebelt, wie manche Kampfmesser es können. Sorgfältig beobachtete ich die Umgebung. Fatal, wenn mich jemand beobachten würde. Mit dem Rücken zu dem kreisrunden, merkwürdigen Loch grub ich mehrere kleine Löcher in verschiedenen Abständen zum Zaun. Ein paar stabile Äste eingegraben, die Handgranaten dahinter eingeklemmt, die Drähte so an den Zündringen befestigt, dass sie sich leicht lösen ließen. Dann Erde aufschütten und festpressen. Gras und Blattwerk über den „Baustellen“ verteilen. Dann vorsichtig die Drähte in verschiedenen Abständen um das Loch im Zaun drapieren und am Ende am Zaun selbst befestigen.

Die Höhe war wichtig. Sieben Zentimeter vom Boden wären perfekt. Wenn jemand auf den Draht latschte, wurde der Zünder ausgelöst. Wenn jemand in den Draht lief, ebenfalls. Lag der Draht zu tief, konnte er unter einen Stiefel geraten, lag er zu hoch, hob er sich zu stark vom Untergrund ab. Der Schwachpunkt war, dass man die Falle ruck zuck entschärfen konnte. Einer Gefahr zu entkommen bedeutet zunächst, sie zu erkennen. Also musste Plan B her. Hastig lief ich zum Schiff und gab folgende Programmsequenz in die Feuerautomatik der BFZ. „IF Movement @#Sector #14 Size>80=Autofire:No Movement“.
Damit würde bei Bewegungsalarm auf alles gefeuert werden, das höher als 80 cm wäre. Und zwar solange, bis sich nichts mehr bewegt. Alles, was größer als ein Rottweiler war, käme hier nie lebend durch. Madame und ihr Baby waren sicher. Ich atmete auf. Es schien, als wäre ich wieder Herr der Lage. Zeit fürs Abendessen. Als ich in die Kombüse wollte, fiel mir ein, dass ich ja einen Gast hatte. Verdammt.

Grübelnd wandte ich mich, wieder im Lazarett, in Richtung der Küche. Und erst als ich vor dem Kühlhaus stand, wurde mir bewusst, dass ich im Begriff war, der Schlampe etwas zum Essen zuzubereiten. Zuckerbrot und Peitsche? Eher Eier und Gewehrkolben. Dabei wunderte ich mich immer wieder, dass die Stromversorgung noch nicht zusammengebrochen war.

Schulterzuckend machte ich mich ans Werk. Roastbeef statt Rosinenbrot. Ich riss eine vakuumverpackte Kunststofftüte auf. Die ersten sieben cm, die ich abschnitt, legte ich auf einen Teller. Dann dachte ich, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, eine weitere Portion zu spendieren. Immerhin musste Madame für Zwei fressen. Dann brachte ich den Teller vor die Tür. Ich pfiff kurz durch die Zähne. Bildete mir ein, Madame wüsste, dass ich etwas Feines hier hätte. Und tatsächlich, es raschelte im Unterholz und die große Katze kam zu mir. Es schien immer noch, als sähe sie mich argwöhnisch an. Aber vielleicht fragte sie sich auch nur, wo das stinkende Weibchen geblieben war.

Nach ein paar Augenblicken des Zögerns und Witterns hatte sie wohl beschlossen, dass von mir keine Gefahr ausging. Sie näherte sich mit eingezogenem Nacken und nach hinten gelegten Ohren. Noch nie hatte ich so ein schönes Tier gesehen, das so wild und doch so gelehrig war. Vorsichtig biss sie in das erste Roastbeef und trug es eilig weg. Ich war sicher, dass sie das andere gleich holen würde. Zeit, für mich zu sorgen. Für uns.
Knapp eine Stunde später betrat ich das Krankenzimmer. Sie lag so da, wie ich sie verlassen hatte. Augen geschlossen und immer noch eine Glocke üblen Geruches um sich. Aber etwas stimmte nicht. Ihr Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell für eine Schlafende. Und ihre Hände waren zu Fäusten geballt.

„Du kannst damit aufhören. Ich weiß, dass du wach bist“.
Sie öffnete die Augen. Hass, Abscheu und Angst standen in ihren Blicken.
„Du bist so gut wie tot, Sünder!“, fauchte sie mich an.
„Für eine, die fixiert ist und wie ein Pissoir stinkt, sind das gewaltige Worte“, grunzte ich und hatte gute Lust, das Tablett mit den Köstlichkeiten selbst zu essen. Eigentlich musste sie es riechen, das frische Sahnegemüse, das Roastbeef und das frische Brot. Ich hatte es abgedeckt mit einem Tuch. Ich trat ans Bett und legte das Tablett ab. Das Besteck klapperte und die Frau krümmte sich in den Fixierungen zusammen. Sie war unter der Dreckschicht wachsweiß geworden. Was dachte sie, ist unter dem Tuch? Folterwerkzeug? Ich grinste breit.
„Du wirst mir deinen Namen sagen. Du wirst mir erzählen, was der Prediger im Schilde führt. Du kannst dich wehren, zappeln, zetern, schreien, mich verfluchen und mir androhen, was immer du willst. Aber du wirst es mir sagen. Es mag sein, dass du dein Herz dem Prediger geschenkt hast, aber hier und jetzt gehört dein Arsch mir!“
gut kombiniert und weiter erzählt


*bravo*
******_46 Frau
1.318 Beiträge
...finde ich auch!
**32:
gut kombiniert und weiter erzählt

Respekt!
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
@******ace:
Wow. es bleibt spannend!! *top*
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.