›Seltsamer Auftrag‹, hatte er noch gedacht, als er in der Firma den Hörer auflegte. Und jetzt stand er hier, neben dem Wagen, im Niemandsland zwischen Weilerswist und Düren. Auf dem letzten Schild hatte er sowas wie ›Lechenich‹ oder so ähnlich gelesen. Er hielt das Handy in die Höhe. Immer noch kein Netz. Das Navi kannte die Adresse nicht, war wohl noch zu neu, nur eben diese Autobahnabfahrt. Von hier aus wollte der Anrufer ihn telefonisch weiterlotsen. Angerufen hatte er allerdings vom Festnetz auf den Festnetzanschluss der Firma.
Was für eine Einöde, nicht einmal die Autobahn konnte man hier hören. Von der Abfahrt sollten es nur noch ungefähr zwei Kilometer sein. Dass es hier überhaupt sowas gab, hatte ihn überrascht. Ein ›Biotech-Startup‹, hatte der Anrufer gesagt. Es ging um Insekten, an denen sie herumbastelten. So wie er es verstanden hatte, war der Anrufer ein junger Laborant, dem ein Fehler unterlaufen war, den er nun – natürlich kurz nach Feierabend – aus der Welt schaffen wollte, ohne dass sein Chef davon etwas mitbekam. Er hatte versucht, ihn abzuwimmeln, schließlich war das Branchenbuch voll mit Kammerjägern aber der junge Mann hatte sogar eine Extra-Zahlung versprochen, wenn er das nur heute abend noch erledigen konnte.
Diese Extra-Zahlung und die Geschichte, die der nervöse junge Mann erzählte, hatte ihn neugierig gemacht und schließlich einlenken lassen. Wann würde er schon mal wieder einen Blick auf Insekten werfen können, denen ›auf genetischem Wege Metalleinlagerungen ins Exoskelett eingebracht‹ worden waren? Er grinste, als er sich eine Blattella germanica, eine gemeine deutsche Küchenschabe, silbern glänzend wie Alufolie, vorstellte.
Er stieg wieder in den Wagen. Da hinten sah er flache, neue Gebäude, vielleicht war das schon sein Ziel.
Nach ein paar hundert Metern gab der Motor seltsame Geräusche von sich, schließlich blieb der Wagen stehen.
Gleich darauf stand er ratlos vor einem dampfenden Motor. Ihm fielen ein paar Kratzer auf, die noch nicht da gewesen waren, als er vor ein paar Tagen den Ölstand kontrolliert hatte. Und was war das? Ein Käfer? Auf einem heißen Motor? Da war noch einer … Mit Käfern hatte er in seinem Beruf kaum zu tun, er kannte diese Art also nicht. ›Schön gemustert‹, stellte er fest, ›schöne, glänzende Deckflügel, wie poliert‹. Und da waren die Tiere auch schon wieder verschwuden.
Nun musste er auf jeden Fall zu den flachen, weißen, modern aussehenden Gebäuden und sei es nur, um den Pannendienst zu rufen.
Auf dem Weg sah er Reifenspuren, als wäre jemand bei hohem Tempo in Schlangenlinien gefahren. Ihm wurde etwas mulmig – diese Stille, Reifenspuren, an deren Ende man einen verunglückten Wagen erwarten konnte … Stattdessen lag dort ein Haufen Sondermüll aus zerfaserten Reifen, Sitzbezügen und Plastikschrott.
Er hätte jetzt etwas Alkoholisches vertragen können, normalerweise wäre er jetzt sowieso mit zwei Kollegen in einer netten Kneipe am Rhein mit einem eiskalten Feierabend-Bier in der Hand.
Er beschleunigte seine Schritte, als ein Geräusch ihn aufhorchen ließ – ein lauter werdendes Schwirren mit einem metallischen Unterton. Er wandte sich in die Richtung, aus der er gekommen war. Etwas, das aussah wie eine glitzernde Staubwolke, verdichtete sich um seinen Wagen …