„Ü-Vierzig-Party – Resurrection of the 80`s!”
Ich schaute versonnen auf das Plakat.
Lieber Himmel, war ich denn wirklich schon so alt? War es nicht unsere Generation gewesen, die den Spruch geprägt hatte: „Trau keinem über Dreißig!“ und jetzt gingen wir stramm auf das unerbittliche halbe Jahrhundert zu. Wehmut beschlich mich.
Das Motto fand ich sehr interessant.
Kleiden sollte man sich in dem Stil der 80iger, als DJane hatte man Stefanie Tücking von der einstigen Kultshow „FormelEins“ gewinnen können und es gab sogar eine Tombola.
Als erstem Preis winkte einem ein Wochenende mit einem Original Opel Manta, natürlich stilecht mit Fuchsschwanz.
Naja, das brauchte ich jetzt nicht unbedingt, vor allem, weil ich schon damals eher zur Ford Capri-Fraktion gehörte, aber dabei sein wollte ich allemal.
Mein Mann hatte natürlich keine Lust.
„Och nee, den ganzen Abend Disco Fox tanzen, Milli Vanilli hören oder noch schlimmer Bohlen und diesen halbseidenen Kajal-Typ mit der Nora-Kette (wie hieß der doch gleich?), ohne mich!“
Ich verlegte mich erst aufs Betteln und dann zückte ich meinen Joker.
„Schatz, es gibt auch eine Ecke mit mehreren Amigas, C64igern, Atari Computern samt Floppy Disks und sonstigem Zubehör. Es sind Leihgaben des Computerspielemuseums Berlin. Sozusagen, die Männerbetreuung während die Frauen „Hütchen“ trinken und richtig abtanzen können. Na? Was sagst du?“
Der Blick meines Mannes wurde feucht ob der Aussicht, in die Tasten eines vielgeliebten und nie wieder erreichten C64 zu hauen plus die Träume seiner Teenagerzeit in all den schönen Spielen der 80iger wieder auferstehen zu lassen.
Er nickte geistesabwesend und war in Gedanken bei seiner „Freundin“.
Nahm er mich noch wahr?
Ein kleiner fieser Test: „Ach ja Schatz, du musst die schrecklichen pastell farbenen Vaniliahosen tragen, die du schon damals furchtbar gefunden hast und, wegen deines schütteren Haares, eine Vokuhila-Perücke aufsetzen!“
Wieder nur ein seliges Nicken und seufzen – Amiga sei Dank und den Veranstaltern für dieses außergewöhnliche Konzept der Männeraufbewahrung!
Der große Tag war gekommen!
Mein Outfit war stilecht schrill in sich beißenden Neonfarben gehalten. Leggins zu einem knappen Minirock in Schottenkaro und eine Bluse mit wahnwitzigen Schulterpolstern.
Für meine Frisur Marke „explodierter Fön“ hatte ich eine ganze Dose Haarspray aufgebraucht, um authentisch rüberzukommen. Unsere Kinder reagierten leicht verstört bei unserem Anblick und um sie von dem Schock jugendlicher und enthemmter Eltern abzulenken, drückten wir ihnen je einen völlig verdrehten Zauberwürfel in die Hand mit dem Auftrag, ihn bei unserer Heimkehr komplett gelöst wieder in Empfang zu nehmen.
Wir kamen an und reihten uns in die Warteschlange ein, so viele bekannte Gesichter und es war doch erschreckend wie ähnlich man seinem jungen Abbild doch kam, sah man einmal von den Falten im Gesicht und den diversen männlichen Bierbäuchen ab. Es gab „Cola rot“ und endlich auch die schöne Musik der 80iger, Duran- Duran, A-ha, Madonna, aber auch die Ärzte, Metallica, Van Halen und das Schmuselied der 80iger „Love hurts“ von Nazareth.
Auf der Videoleinwand lief „Dirty Dancing“. Mein Herz ging auf, ich war wieder jung und verliebt – „weißt du noch damals im Kino Schatz?“ hauchte ich meinem Mann zu und sein süffisanter Blick ließ mich schmunzeln.
Ach wie schön so ein kleiner Urlaub vom Alltag!
Wir streiften alle Sorgen ab wie eine zweite Haut, ergaben uns der Musik und schauten uns die herrlich schrägen Outfits an. Genossen unsere Bowle und irgendwann hatten wir nur noch ein seliges Grinsen im Gesicht.
Das lag vielleicht auch daran, dass irgendwo hinter dem Zaun einer Pott rauchte und die Schwaden in unsere Richtung zogen, aber wer wusste das schon?
Für ein Paar kostbare Stunden waren wir sorgenfrei und vergaßen unsere Pflichten, durchbrachen den Einheitsbrei unserer Tage und lebten – so wie damals - mit allen Sinnen.
Genauso auch wie damals in der Disco, schickte ich meinen Mann, bevor er in der vielbelagerten Männerbetreuung verschwand, zur DJane und bestellte mir „Tainted Love“ von Softcell, ohne das es weder damals noch heute einen Kuss oder Petting hinterher gegeben hatte. Tja, manche Dinge ändern sich nie!
Dann dürfte mein Mann endlich spielen und fachsimpeln gehen und ich tanzte wahlweise mit meinen Freundinnen oder gutsituierten Punkern mit bunter Irokesenbürste.
Mein Mann erschien rechtzeitig zum letzten Disco Fox des Abends und wir beide hatten unseren Ausflug in die ach so schön unbeschwerte Teenagerzeit in vollen Zügen genossen.
Bei der letzten Drehung zog er mich dicht an sich und ich sah das lüsterne Glühen in seinen Augen. Ich atmete in sinnlicher Erwartung schwer.
„Ich hab die Fahrt mit dem Manta gewonnen“, hauchte er mir ins Ohr und knabberte vielversprechend an meinem Läppchen. Und weiter mit erregendem Timbre in seiner Stimme:
„Komm – der Rücksitz wartet, so wie früher“, und zog mich in Richtung Ausgang.