"Des Pudels Kern"
Eigentlich wäre es gar nicht so schwer, ein wenig erotischen Spaß zu haben, erklärt mir mein besorgter Vater nach dem gemeinsamen Abendessen äußerst vorsichtig.
Oh Mann, wie peinlich ist das denn?! Muss er seinen Daumen in meinen wunden Punkt legen, darin herumbohren und dann auch noch Salz hinein streuen?
Zur Erläuterung: Ich bin 22 Jahre alt, Student der Naturwissenschaften, gutaussehend und strotzend vor Testosteron, aber ziemlich schüchtern. Ja, ich gestehe, denn es weiß sowieso schon die ganze Welt – Twitter sei Dank - ich habe
keine Freundin!
Alle um mich herum lästern schon. Die Liebsten meiner Freunde zum Beispiel, haben mir bereits alle ihre Freundinnen erfolglos vorgestellt und ihr resignierendes Fazit war, dass man mir wohl eine backen müsste.
Es ständen einem echt viele, mitunter auch krasse Möglichkeiten der Erfüllung, zur Verfügung … meint mein Erzeuger grinsend und fängt an aufzuzählen, was es denn so alles an Spielarten gäbe…
Ich werde rot wie eine Tomate und keuche mit zusammengebissenen Zähnen:
Vater, lass mal gut sein!
Seine Worte - schön und gut, aber wie kommt man an das heißersehnte Ziel „feste Freundin“ ohne sich bei den Mädchen komplett zum Narren zu machen?
Die Damen heutzutage sind aber auch so anspruchsvoll. Intelligent muss „Mann“ sein, Gefühle zeigen können und sie „verstehen“.
Humor ist ganz wichtig - blöd nur, wenn man nicht gerade eine komische Ader hat und Schlagfertigkeit etwas ist, das einem immer erst hinterher einfällt. Kinderlieb soll der ideale Mann sein, eine Figur haben wie der berühmte „David“ von Michelangelo.
Danke auch für diesen Druck Mittelaltermann!
Normale Männer sind nicht derart perfekt gebaut wie dieses Standbild! Auto und dickes Portemonnaie sind von Vorteil und selbstredend hat „Mann“ gut und ausdauernd in der „Kiste“ zu sein.
Letzteres wäre sicher kein Problem. Im Gegenteil, das kann ich durchaus nach Jahren des Pornokonsums im Internet und damit einhergehender Studien zwischen "IHM" und dem, was man dort so zu sehen bekommt, sagen.
Wenn mich die holde Weiblichkeit nur nicht immer sprachlos machen würde. Mich nicht so mit ihrer Anmut und Schönheit blenden würde, sodass mir die Worte auf der Neuronenbahn zwischen Gehirn und Mund regelmäßig abhandenkommen. Am liebsten möchte ich vor Angst kreischend davon laufen, wenn sich mir eine Vertreterin der weiblichen Spezies nähert.
Ich wünschte, ich würde in einer fernen Zukunft leben, in der Stellvertreter-Roboter die ersten Kontaktaufnahmen präzise und emotionsfrei erledigten. Könnte ich so einen konstruieren? Das wäre doch mal ein interessanter Vorschlag für eine Doktorarbeit. .. Aber ich schweife ab.
Wahnsinn, das wird doch wohl nicht in Beton gegossen sein? Ich meine, dass diese verflixte Sprachlosigkeit für immer bleibt? Irgendwann wird das doch besser, oder?
Vater, jetzt sag mal was dazu!
Mir wird ganz heiß, ich will doch keine „alte Jungfer“ werden.
Nicht mein alter Herr antwortet, sondern die übrige Verwandtschaft in Gestalt meiner kleinen Schwester. Fünf Jahre jünger als ich und schon den zweiten Freund am Bändel. Was sagt man dazu? Jetzt gibt sie mir tatsächlich tiefsinnige Flirttipps.
Echt süß, aber ich höre nicht wirklich zu. Überlege stattdessen, wie tief ich denn noch sinken kann?
„….
und dann himmeln sie dich an und hängen an deinen Lippen!“
Mit einem sehr zufriedenen Lächeln schließt meine Schwester ihren Vortrag: „Wie bringe ich meinen Bruder an die Frau“ und strahlt mich an.
Wartet auf eine Reaktion meinerseits, auf den Aha-Effekt…Oh Mann, was hab ich denn jetzt wieder verpasst? Denk nach Mann!
Vielleicht sollte ich mir doch angewöhnen zuzuhören, was die Damenwelt zu sagen hat, auch wenn es nur meine kleine Schwester ist.
Ich grinse zurück, versuche Zeit zu gewinnen, während meine Gehirnwindungen auf Hochtouren rattern. Hm, ist das vielleicht die Lösung? Zuhören? Interesse an dem zeigen, was „Frau“ zu sagen hat?
Logikmodus ein: Da sie meistens viel zu sagen haben, würde mir genügend Zeit bleiben, um mir eine passende Antwort, die auch Hand und Fuß hat, zu überlegen. Nicht so einen dummen Spruch, wie ihn die Mädchen hundertmal am Tag hören und kopfschüttelnd davon laufen. Etwas wirklich Hinreißendes.
Dabei bräuchte ich nur ab und an ein „Wirklich?“ und „Was du nicht sagst!“ einzuwerfen und natürlich müsste ich an meiner Mimik und Körperhaltung arbeiten.
Das ist die Lösung! Warum bin ich all die Jahre nur so blind und taub gewesen? Es ist doch so einfach, so logisch und einleuchtend.Logikmodus: Aus.
Ich drücke mein verdutztes Schwesterlein an meine Brust und wirble mit ihr durch den Raum.
Ich danke dir für deinen erleuchtenden Monolog und Vater, mach dir keine Sorgen, deine Tipps werde ich schon in Bälde umsetzen!
Männer hört den Frauen einfach zu, nicht nur oberflächlich, sondern wirklich mit Hingabe - und schon habt ihr zumindest einen Fuß in der Tür!