Die Auszeichnung
Fassungslos schaut Paul auf den Bildschirm seines Computers. Nein, das kann nicht sein! Wieso gerade diese Story? Er kann es nicht begreifen.Vor einigen Jahren begann Paul zu schreiben – Nicht sehr schön, dafür aber sehr fehlerhaft. Es machte ihm nichts aus, denn durch seine Schreiberei konnte er einige Lasten von seinem Herzen abladen, die ihn bedrückten. Immer, wenn es ihm schlecht ging, setzte er sich an seinen PC und ließ die Worte sprudeln. Danach fühlte er sich deutlich besser. Schreiben war für ihn eine Therapie, die half. Sie half sogar besser, als die Chemie, die die Ärzte ihm verschreiben wollten.
Als er bemerkte, wie viel Spaß ihm das Schreiben bereitete, begann er auch kleine erfundene Geschichten aufzuschreiben. Niemand las sie, denn er schrieb nur für sich.
Irgendwann erfuhr Paul von einer Internetgruppe, in der sich ebensolche Schreiberlinge befanden, wie er es war. Einige taten dies professionell und hatten schon Werke veröffentlicht, andere taten es, wie er, aus Spaß an der Freude. Paul wusste nicht, vor wem er mehr Respekt hatte.
Er trat der Gruppe bei und fühlte sich von Anfang an sehr wohl unter den Gleichgesinnten.
Nach einiger Zeit erführ er, dass es für besonders schöne Geschichten eine kleine Auszeichnung von den Leitern der Gruppe gab. Eine Feder! Irgendwann wollte er die auch mal bekommen, nahm er sich vor.
Paul hatte zu Beginn noch Angst seine Geschichten einzustellen, denn er bezweifelte, dass sie gut genug waren, um sie anderen zum Lesen zu geben. Mit den Jahren stellte er allerdings fest, dass die Kommentare zu seinen Geschichten sehr hilfreich waren. Er lernte viel zur Rechtschreibung und Interpunktion dazu, und er war dankbar dafür!
Ab und an bekamen einzelne Schreiberlinge eine Feder überreicht, und Paul freute sich für sie. Schöne Geschichten hatten eine Auszeichnung verdient!
Doch in den letzten Jahren hatte sich die Federvergabe geändert. Viele gute Geschichten blieben unbeachtet, und Geschichten, die er nicht verstand, erhielten eine Feder. Paul konnte es nicht begreifen und viele andere aus der Gruppe auch nicht. Das erfuhr er, wenn er unter die Ergüsse geschrieben hatte, dass er die Geschichten nicht verstand. Dann kamen die Mails von anderen Usern, die diese Federvergabe auch nicht nachvollziehen konnten, denn die Geschichten sagten ihnen nichts.
Paul sieht wieder auf den Bildschirm. Immer noch fassungslos entscheidet er für sich: Nein, ich möchte nie eine Feder bekommen!
Luna 06/13