Seelenfenster
Zusammengekrümmt in der Embryonalhaltung sucht er den Halt in sich selbst. Nichts will er hören, nichts will er fühlen, nur noch er selbst will er sein. Allein. Niemand soll ihn berühren, sehen. Nichts will er spüren, nichts hören.Sie lassen ihn nicht in Ruhe. Laut und hektisch hört er ihr Rufen, unerbittlich dringt es zu ihm vor. Schwach schüttelt er seinen Kopf. Leise wimmernd fleht er sie an, ihn doch einfach in Ruhe zu lassen. Unnachgiebig rütteln sie ihn durch. Hände ergreifen seine Arme, wollen ihn nach oben ziehen.
Umfangen wird sein Kopf, eine erstickende Bewegung über seinem Gesicht.
Umso entschlossener sucht er den Schutz der Dunkelheit, die sanfte Stille verspricht. Aufhören zu atmen, ja, das hat er vor. Sofort wird das Rufen um ihn herum lauter, panischer. Noch heftiger wird er nach oben gerissen.
Nein, er will nicht mehr. Dreht sich von all diesem Drängen weg. Die Dunkelheit ist so viel geduldiger, lockt mit samtiger Stille.
Sie kommen immer näher.
Grelles Licht durchzuckt seinen Körper. Lautlos formen seine Lippen Schreie, die ihm die Brust zerreißen. Erneut verjagen Kugelblitze in wilden Feuerwerken hinter seinen Lidern das gnädige Dunkel. Warum lassen sie ihn nicht in Ruhe? Hier hat er keine Schmerzen. Hier ist es so ruhig.
SIE tun ihm weh mit all ihren Berührungen. Sein Körper wird gepackt, hin und her gerollt, ihm wird kalt. Ein Stechen in seinem Arm schickt ein Zucken durch seinen Körper. Er wehrt sich schwach, dreht seinen Kopf zur Seite. Weg von dem, was seine Atmung beeinflusst.
Wieder brennt sich flüssiges Feuer durch seinen Leib, diesmal hat er keine Chance. Der laute Schrei aus seiner Kehle reißt ihn an die Oberfläche, in das Zerren vieler Hände. Sie sind viel zu nah.
Schwer wie Blei sind seine Lider, nur langsam öffnen sich die Seelenfenster.
Zeigen ihm besorgte Gesichter, hier ein zaghaftes Lächeln der Krankenschwester, dort erleichtertes Seufzen des Arztes.
Doch: Wer hat IHN gefragt?
Lys © 04/2013