Alfons
"Telefonseelsorge, guten Tag. Sie sprechen mit Angelika, was kann ich für sie tun?"
"Ich bin traumatisiert."
"Oh, möchten sie mir erzählen, was geschehen ist?"
"Ähm..."
"Nur Mut, ich bin doch da, um zuzuhören und zu helfen. Darf ich nach ihrem Namen fragen?"
"Ich weiß nicht..."
"Na, dann ist es doch einfacher, sich zu unterhalten. Vertrauter."
"Ok."
"Und wie ist nun ihr Name? Der Vorname würde doch schon genügen oder irgendein erfundener Name, wenn ihnen das lieber ist. Nur damit ich sie irgendwie ansprechen kann."
"Ja gut... mein Name ist Alfons Zipfelmütze."
Ein leises, unterdrücktes Kichern ist plötzlich in der Leitung zu hören.
"Das, Alfons, ist ein sehr außergewöhnlicher Name. Aber das kann man sich ja nicht aussuchen, nicht wahr?"
Angelika muss sich sehr zusammennehmen, um ihr Glucksen zu unterdrücken.
"Ja, Alfons, nun erzählen sie mir doch mal, was geschehen ist, warum sie traumatisiert sind. Sie können mir vertrauen, es bleibt ganz unter uns."
"Naja, ich habe eine Frau kennengelernt."
"Oh, das ist doch schön!"
"Ja, war es anfangs auch."
"Wie haben sie sie denn kennengelernt?"
"Bei einer Tupperparty. Ein Freund von mir verkauft Tupperware und hatte mich überredet, zu kommen, weil da eine tolle Frau dabei wäre. Naja, am Ende des Abends haben wir uns dann für heute verabredet."
"Toll!"
"Ja... war es anfangs auch."
"Hm... Alfons, es klingt für mich danach, als wäre der Abend nicht nach ihren Wünschen gelaufen."
"Nein, nicht so wirklich."
"Was ist geschehen? Sie haben mich neugierig gemacht."
"Najaaa... wir waren essen, das war sehr schön. Danach wollte ich sie nach Hause fahren, da bat sie mich plötzlich, am nächsten Parkplatz rauszufahren, der an dieser Bundesstraße lag, und legte dabei ihre Hand auf meinen Oberschenkel."
"Oha! Das war wohl recht eindeutig."
"Ja. War es. Und da ich schon sehr lange keinen Sex mehr hatte, konnte ich auch nicht widerstehen."
"Aber das ist doch völlig in Ordnung!"
"Ja... war es anfangs auch."
"Aha."
Angelika zündet sich eine Zigarette an. Sie hat das Gefühl, das könnte doch noch etwas länger dauern.
"Ja... und dann waren wir auf diesem dunklen Parkplatz und sie ging sofort zum Angriff über. Es war sehr aufregend, bis..."
"Was ist geschehen, Alfons?"
"Es ist mir peinlich, darüber zu reden."
"Das muss es nicht, Alfons. Wie gesagt, es bleibt alles unter uns. Ich bin nur da, um zuzuhören und ihnen beizustehen."
"Hm... ok."
"Nun?"
"Ja also... mein Auto... also, ich fahre einen Smart. Hatten sie schonmal Sex in einem Smart?"
"Nein."
"Es ist, sagen wir mal, etwas beengt."
"Das kann ich mir vorstellen!"
"Ja, und da ich nicht mehr so gelenkig bin, wie diese junge Dame, war es alles andere als einfach. Aber meine Lust hat mich übermannt. Wir lagen quer, schräg, übereinander, untereinander, den Schaltknüppel gefährlich nah am Hintern, den Kopf fast im Lenkrad eingeklemmt..."
"Oh! Und weiter?"
Angelika zündet sich noch eine Kippe an und gießt sich dazu noch ein Glas Rotwein ein. Sie hat immer eine Flasche bereitstehen für besondere Gespräche.
"Ich weiß nicht, wie das geschehen ist..."
"Was, Alfons? Erzählen sie weiter!"
Sie will es nun wissen. Sag es endlich, verdammt nochmal, denkt sie ungeduldig. Endlich mal eine spannende Geschichte. Was anderes, als diese ewigen Selbstmörder.
"Naja... irgendwann konnte ich es nicht mehr halten, es überkam mich, ich lag irgendwie schräg mit dem Kopf nach unten im Fußraum, die Beine über der Rückenlehne und diese Bitch von einer Frau irgendwie über mir... und ich explodierte, stöhnte laut und bekam plötzlich einen Schwall dicker, sämiger Flüssigkeit in meinen weit geöffneten Mund geschleudert."
"Holla!"
Angelika gießt sich nach, das erste Glas ist leer. Noch ne Kippe dazu.
"Erzählen sie weiter, Alfons, ich möchte ihnen helfen!"
"Ich dachte zuerst, das käme irgendwie aus ihr. Bis ich dann diesen Spermageschmack im Mund hatte."
"Oups..."
"Ja."
"Ähm..."
"Ja."
"Ihr eigenes....?"
"Ja."
"Oh."
"Ja."
"Und dann?"
"Ich rollte mich ganz schnell raus aus dieser Lage, ließ mich aus dem Auto fallen und musste mich ganz schrecklich übergeben."
"Oh, das kann ich verstehen. Ich weiß, ähm, nein, ich meine, ich kann mir sehr gut vorstellen, wie das ist, wenn man den Mund voll mit Sperma hat. Woher wussten sie überhaupt, dass es Sperma ist?"
"Nun ja, dazu müssen sie wissen, dass ich blaublütig bin. Und bei allen blaublütigen Männern schmeckt das Sperma nach Veilchen."
"Ach ja?"
"Ja."
"Okaaaay... das wusste ich nicht."
Angelika braucht nun nochmal einen kräftigen Schluck aus ihrem Glas und noch eine Kippe. Das Glas ist leer, also nachgießen.
"Und die Dame?"
"Als ich wieder aufschauen konnte, saß die auf dem Autodach und hat sich kaputt gelacht."
Angelika muss nun das Telefon doch kurz auf stumm schalten und prustet laut los. Sie holt zweimal tief Luft und schaltet wieder frei. Schwer beherrscht.
"Auf dem Autodach. Lachend. Das ist gemein."
"Ja."
"Und dann?"
"Dann sah ich plötzlich einen hellen Lichtbogen über ihr. In den schönsten Farben. Immer zwischen strahlendem Blau und weiß wechselnd. Er strahlte so hell, dass ich dachte, sie muss ein Engel sein. Das muss ein Erlebnis der besonderen Art sein, ein Wunder!"
"Alfons..."
"Ja?"
"Darf ich fragen: Haben sie viel getrunken oder irgendwelche Drogen genommen?"
"Nein. Warum unterstellen sie mir sowas?"
"Naja, ihre Geschichte ist so ungewöhnlich, so etwas höre ich selten."
"Ja."
"Und was hat sie nun so traumatisiert?"
Plötzlich ein Rascheln in der Leitung. Als würde Alfons das Telefon aus der Hand gerissen werden.
"Halt! Nein!", hört sie Alfons rufen.
"Alfons?"
"Hallo? Wer ist dort, bitte?", hört sie eine fremde Männerstimme sagen.
"Ähm, Telefonseelsorge, Angelika ist mein Name. Mit wem spreche ich?"
"Hier spricht Polizeiobermeister Kneisel, guten Abend. Wir haben diesen Mann hier soeben nackt auf dem Parkplatz vor seinem Auto aufgegriffen."
"Oh, guten Abend Herr Kneisel. Und was ist mit der Dame?"
Angelika spricht sehr langsam, der Wein tut nun doch seine Wirkung.
"Hier ist keine Dame. Als wir mit Blaulicht ankamen, starrte dieser Mann hier auf sein Autodach und ein stadtbekannter Penner in Frauenkleidern sprang gerade runter und rannte davon. Wir haben ihn nicht mehr erwischt. Aber Alfons hier ist uns auch schon gut bekannt. Wir bringen ihn wieder zurück in seine Anstalt, keine Sorge. Er macht öfter mal solche Ausflüge."