kein Lächeln
"ich tausche mein leben gegen etwas das sinn macht"Sie las es nochmals und es wurde ruhig in ihr.
Es war die erste Nacht seit langem, in der sie einfach schlief.
Selbst als er sie noch glücklich machte, konnte sie keine Nacht durchschlafen.
Am Morgen rauchte sie. Vielleicht 2 oder auch 10 Zigaretten.
Sie duschte, schminkte sich, trank Kaffee, rauchte. Draußen war es noch dunkel. Sie fühlte sich einsam. Das erste Gefühl seit langem. Wenig später setzte sie sich in ihr Auto fuhr los.
150 km - ein Jahr lang war sie diese Strecke einmal die Woche gefahren. Sie hörte Radio und summte manchmal eines der Lieder mit, während sie das Gaspedal durchdrückte.
Auf der anderen Straßenseite seines Büros gab es dieses kleine Cafe. Dort hatten sie sich oft getroffen, saßen draußen in der Abendsonne, lachten über Lapidares oder stritten um Sinnloses.
Er trank Bier, sie Whisky.
Jetzt saß sie allein dort, bestellte einen Whisky und eine Schachtel Zigaretten. Gedankenverloren betrachtete sie den kleinen blauen Japaner, der direkt vor dem Cafe parkte. Die Buchstaben des Kennzeichens waren die Anfangsbuchstaben seiner Kinder.
Ein paar Erinnerungen flogen durch ihren Kopf. Sein Lächeln - seine Kaffee-Maschine - der erste Abend in dieser schrecklichen Kneipe - das erste gemeinsame Wochenende - die Nacht, in der sie kichernd "alles meins" mit dickem Filzstift auf seinen Rücken schrieb - der Tag, an dem sie das erste Mal eine dieser anderen Frauen anschrieb - die Antwort die sie erhielt. Den Text der Antwort kannte sie auswendig. Damals stand ihre Welt für eine winzige Sekunde still. Sie bestellte noch einen Whisky und zündete sich eine Zigarette an.
Ihr Blick schweifte die leere kleine Straße entlang. Der Tau auf den leeren Plastikstühle vor dem Cafe glänzte leicht in der Sonne. Es war kalt.
Mit einem Ruck stand sie auf. Sie ließ ihre Tasche am Tisch, ging ruhig zu ihrem Auto und öffnete den Kofferraum. Eine zerknitterte Einkaufstasche, zerfledderte Zeitschriften, ein paar Schuhe, ein kleiner roter Benzinkanister.
Mit dem Kanister und einer Illustrierten unter dem Arm schlenderte sie auf der Fahrbahnseite zurück zum Cafe. Vor dem Japaner blieb sie kurz stehen, öffnete den Kanister und stellt ihn auf das Kopfsteinpflaster. Ein kurzer Tritt, der Kanister kippte und der Inhalt ergoss sich schillernd unter dem Japaner. Zufrieden setzte sie sich wieder an ihren Platz, zündete sich eine Zigarette an und blätterte in der Zeitschrift.
Es war kurz nach 10.00. Das Whiskyglas war leer. Sie legte die Zeitschrift beiseite und blinzelte in die Sonne. Ein kurzes Lächeln (es war das erste an diesem Morgen) huschte über ihr Gesicht, als sie die fertig gerauchte Kippe lässig Richtung Japaner schnippte.
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Kurzgeschichten: lächeln