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Seiten des Schicksals

****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Seiten des Schicksals
Jack war aufgeregt. Nervös blies er sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und rieb sich die kribbelnde Nase. Heute musste er es wissen. Seit Monaten schon schlich er um das eine Regal. Das ganz besondere Regal. Der Bibliothekar hatte stets ein Auge auf Jack, wenn er durch die Räume schlenderte.
Normalerweise war die Bibliothek nicht unbedingt der Ort, an dem sich ein Teenager aufhielt, doch ab und zu fand er dort Lektüre, die ihn ansprach und auch für so manche Schulaufsätze wurde er hier fündig.
Beim Stöbern eines Tages gelangte er auch in die hinteren Reihen eines dunklen Ganges und hier stand der Wälzer. Jack hatte ihn bisher nur aus der Perspektive von unten betrachten können. Der Band war sicher 50 cm hoch schätzte er und das Leder dunkelbraun, fast schwarz und sehr abgegriffen in der Höhe, in der man zupackte um es aus dem Regal zu heben. Der Bibliothekar erlaubte es Jack jedoch nie, den Band lesen zu dürfen.

Jack spürte jetzt seinen Puls in der Magengrube pochen und kleine Härchen stellten sich im Nacken auf, als er auf leisen Sohlen die breite Treppe vor dem alten Steingebäude hinauf schlich. Nur schlecht beleuchtet war der Platz vor der großen, wundervoll geschnitzten Eingangstür, durch die er nun natürlich nicht gehen konnte.
Er hatte bei seinen gelegentlichen Streifzügen um das Gebäude herausgefunden, dass ein Kellerfenster, jenes, welches bereits im Laufe der Zeit blind geworden war, nicht mehr ganz schloss. Es konnte nur noch beigedrückt werden und ließ einen kleinen Spalt offen. Breit genug war die Fensteröffnung auch, so dass Jack, der nur ein Fliegengewicht war, locker hindurch passen würde.
Geduckt huschte er an der rauen Sandsteinwand entlang, hinter Büschen und Bäumen, deren Äste sich in seiner Jacke verfingen und er nur mühsam die Panik unterdrücken konnte, als er sich vorstellte, dies wären Geisterfinger, die nach ihm griffen.
Atemlos stand er vor dem Fenster, vor dem idealerweise ein Busch gepflanzt war.
Jack lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand und ging in die Hocke, um ein wenig zu verschnaufen. Schweiß rann zwischen seinen Schulterblättern herab, direkt unter dem Rucksack, dessen Gewicht er jetzt spürte. Er packte rasch nach den Trägerriemen und zog den Beutel über seine Schulter. Leise riss er am Reißverschluss und holte eine Flasche Cola hervor. Zischend öffnete sich der Verschluss. Jack fluchte und versuchte mit seiner Hand das Austreten der klebrigen Flüssigkeit zu verhindern. Doch der Druck im Innern der Flasche war zu hoch und so sprudelte das köstliche Nass ungebremst und ihn hohem Bogen in Richtung des Strauches. Diese unnötige Verschwendung ärgerte Jack maßlos, wusste er doch nicht, wie viel Zeit er hier verbringen würde und er hatte sich seine Vorräte genau eingeteilt.
So nahm er nur einen kleinen Schluck um seine Zunge und Kehle zu befeuchten und schraubte die nun deutlich leichtere Flasche wieder zu. Schnell schob er sie zurück in den Rucksack und rieb seine Finger an der Jeans trocken.
Jack lauschte auf die Geräusche der Nacht. In der Ferne war leises Autobrummen zu hören, ab und zu huschte ein Lichtkegel über das Anwesen der Bibliothek und tauchte die tintenschwarzen Bäume für Sekunden in ein fahles Totenlicht.

‚Jetzt!’ sprach er sich Mut zu und befahl seinen wackeligen Knien ihn in die Höhe zu schieben.
Scheinbar mühelos drückten seine Hände die Scheiben des Fensters nach innen auf. Es quietschte leise bis die Angeln bis zum Anschlag gedreht wurden. Jack keuchte vor Anspannung, ließ seinen Rucksack in das Dunkel des Kellers fallen und lauschte erneut. Nichts, es war nichts zu hören außer seiner hektischen Atmung. Der erste Schritt war getan, nun würde er auch den zweiten Schritt angehen. Vorsichtig steckte er den Kopf in die Dunkelheit und wartete, bis sich seine Augen an das satte Schwarz gewöhnt hatten. Nur wenige Umrisse konnte er erkennen, doch war er sicher, allein zu sein. Ein schwacher Lichtschein unter der Tür an der Wand gegenüber war erkennbar und ein Anhaltspunkt für Jack.
Vorsichtig schob er seine Beine durch das Fenster, bäuchlings und ließ sich langsam herab. Als seine Finger sich in den Fensterrahmen hakten, versuchte er mit seinen Schuhspitzen den Boden zu erreichen, doch fehlten noch wenige Zentimeter. Kurz entschlossen ließ Jack einfach los und sackte daraufhin in den Knien zusammen, als er Bodenkontakt verspürte.
Ein erneutes Verschnaufen in modrig, feuchter Kellerluft. Jack rieb seine Finger sauber und bückte sich in Richtung des dunklen Fleckes auf dem Boden, in dem er seinen Rucksack vermutete. Seine Finger tasteten über den vertrauten Stoff und er griff nach dem Riemen des Beutels. Schnell schwang er ihn über die Schulter und machte sich auf den Weg in Richtung der Tür. Jetzt erst dämmerte ihm, dass er gar nicht wissen konnte, ob sie überhaupt unverschlossen war.
Egal, er musste es jetzt wagen. Seine Hand lag auf der Klinke, er zählte in Gedanken bis drei und drückte den Griff nach unten. Er zog kurz daran und jubelte leise, als sich die Tür öffnete. Durch den winzigen Spalt blickte er in einen langen Flur. Düster, modrig und kalt lag dieser vor ihm. Eine einzelne, alte Glühbirne baumelte von der Decke und spendete dieses kühle, diffuse Licht. Jack trat in den Gang, nachdem er sich vergewissert hatte, allein zu sein. Soweit dies hier in diesem Gebäude möglich war. Normalerweise müssten nachts alle die hier arbeiteten zu hause sein, einen Nachtwächter gab es nicht.
Dies wunderte Jack schon ein wenig und noch mehr wunderte er sich über die Antwort, die ihm der Bibliothekar damals gab, als Jack ihn danach fragte.
‚In diese Gemäuer wird es niemand wagen einzubrechen. Sie schützen sich selbst’
war die orakelhafte Antwort. Damit konnte Jack nichts anfangen und so schob er diese Erinnerung schnell beiseite.

Die Gummisohlen seiner Turnschuhe ermöglichten es ihm, nahezu geräuschlos über den welligen Linoleumboden zu eilen. Es gab nur eine einzige Tür am Ende des Ganges. Diese war sein Ziel. Kurz bevor er sie erreicht, schreckte Jack zurück. Ein Schatten schien sich vor ihn zu schieben, ein kalter Luftzug wehte von der Decke herab. Abrupt stoppte Jack, seine Sohlen quietschten durch dieses rasche Abbremsen. Sein Blick flog nach oben, doch konnte er nichts erkennen. Hier am Ende des Ganges war es in den Ecken viel zu dunkel, das funzelige Licht schaffte es nicht, diese Dunkelheit zu vertreiben. Jacks Hand zitterte. Seine Lippen schienen wie ausgedörrt, als seine Zunge über sie leckte. Ihm war gleichzeitig kalt und heiß und ihm blieb nur der Weg nach vorn. Zurück wollte er auf keinen Fall. Also blieb ihm nur, diese altmodische Türklinke zu drücken und erneut zu hoffen, sie möge unverschlossen sein. Auch hier wurde sein Flehen erhört.
Alle Vorsicht außen vor lassend, riss er die Tür auf, stürzte in den unbekannten Raum und knallte die Tür hinter sich wieder zu.

Es dröhnte und schepperte und er glaubte ein Kratzen auf der anderen Seite der Tür zu hören. Angst beschlich ihn. Er lauschte mit angehaltenem Atem, ob sich noch etwas rührte. Ruhig. Es blieb ruhig bis auf sein laut pochendes Herz. Jack drehte sich auf seiner Ferse um, betrachtete diesen neuen Raum und atmete nun hörbar aus. Es war ein Lagerraum, den er schon von früher her kannte, als er dem Bibliothekar half, alte Bücher, die restauriert werden mussten, hierher zu bringen. Fast vertraut wirkten die Stapel der Bände und vor allem wusste Jack nun, wo genau er sich im Gebäude befand.

Er öffnete die Tür des Lagerraumes und schlüpfte in den Gang, der zum großen Lesesaal führte. Zu seinem Ziel. Ermutigt darüber, dass er sich jetzt auskannte, lief er in der Mitte des Ganges mit seinen polierten Steinplatten auf die beiden Flügel der hohen Tür zu. Kurz vor seinem Ziel stoppte er. Wieder verspürte er einen kalten Lufthauch, der von der Decke herab strömte. Schnell hob er seinen Kopf und kurz konnte Jack einen Schatten erkennen, der sich jedoch so schnell verflüchtigte, dass er glaubte, sich diesen nur eingebildet zu haben. Dennoch – ein unangenehmes Gefühl blieb, als der die beiden Flügel der Tür aufzog.
Leise, ohne ein Geräusch schwangen die beiden Seiten auf und gaben den Weg in das Innere des riesigen Lesesaales frei. Ein Schwall warmer, trockener Luft schlug ihm entgegen. Der Duft tausender Seiten Papier, literweise Druckerschwärze und Tinte. Vermischt mit dem Geruch der alten Lederbände und der Holzpolitur der uralten Hölzer, die diesen Raum zierten. An der Decke, dem Treppengeländer und natürlich an den Regalen.

Jack vermied den Blick nach links. Dort saß ein großer, grimmig blickender steinerner Greif. Der Bibliothekar nannte ihn den Wächter. Genau so kam dieser ihm auch vor. Auf einem rechteckigen Marmorsockel, der größer als der Esstisch bei ihm zu hause war, thronte das Tier. In der Mitte des Sockels war ein blankpoliertes Messingschild angebracht, das die Gravur trug: Gryphus

Selbst mit geschlossenen Augen hätte Jack dieses Ungeheuer beschreiben können. Viel zu oft hatte er davor gestanden und wie hypnotisiert dieses Mischwesen betrachtet. Der gefiederte Kopf eines Adlers. Mit einem gebogenen Schnabel der aussah, als könnte er mühelos Knochen brechen. Der Körper darunter war dem muskelbepackten Leibes eines riesigen, geflügelten Löwen nachempfunden. Jack kam nicht umhin, diese Figur zu bewundern. Jede einzelne Feder der zusammengefalteten Schwingen schien so perfekt ausgearbeitet, die Gliedmaßen, Pranken und Krallen des Körpers, als könnten sie jeden Moment zum Leben erwachen.
Doch am gruseligsten empfand Jack die Augen. Stechend und alleserblickend hatten sie den gesamten Raum unter Kontrolle. Der Oberkörper ruhte hoch aufgerichtet auf den krallenbewehrten Pranken, während der hintere Teil des Körpers wie der eines ägyptischen Sphinx verweilte. Diese Haltung allein passte zu der Bezeichnung des Wächters. Wachsam – anders konnte man es nicht beschreiben, so majestätisch wirkte dieses Wesen.

Jack ließ jetzt diese Skulptur schnell hinter sich und konnte das Gefühl nicht ganz abschütteln, dass ihm der scharfe Blick des Greifs folgte. Das gleichmäßige Ticken der großen Uhr begleitete ihn durch den Raum. Die ausladende Wendeltreppe würdigte er heute keines Blickes und auch der majestätische Sessel des Bibliothekars war nicht von Interesse.
Er huschte an den Regalen vorbei, fest im Blick hatte er den gebogenen Durchgang, hinter dem die Regale lagen, die normalerweise nicht der Öffentlichkeit zugängig waren.

Gleich sollte er sein Ziel erreicht haben. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von dem Regal, in dem das Buch stand, für das er bereit war, ein solches Risiko einzugehen. Nachts aus seinem Fenster zu klettern, den Weg zur Bibliothek zu laufen und hier einzusteigen. Schnell riss er sich aus diesen Gedanken. Er stand endlich vor dem Buch. Foliant nannte der Bibliothekar dieses Buch, als er Jack verbot, das Buch aus dem Regal zu holen. Es wäre nichts für die Allgemeinheit bestimmt, es würde ihm, dem Bibliothekar, gehören. Es wäre wichtig für den Lauf der Zeit. Jack hatte nie verstanden, was der alte Mann damit meinte, umso mehr schürte dies seine Neugier, dieses Buch zu lesen.
Gleich würde es soweit sein. Jack zog die kleine Trittleiter heran, damit er den offensichtlich schweren Band sicher aus dem Regal ziehen konnte. Behutsam setzte er einen Fuß nach dem anderen auf die wenigen Stufen der kleinen Leiter und kam dem Folianten immer näher. Jack meinte ihn bereits riechen zu können. Das dunkle Leder, das ihn magisch anzog. Er streckte die Hand aus und sah sich selbst dabei zu, wie seine Finger sich um den breiten Rücken des erstaunlich glatten Leders schlossen. Mit einem leicht schabenden Geräusch zog Jack das schwere Buch auf seine Unterarme und sprang mit einem Satz von der Leiter.

Er konnte es kaum fassen, dass er hier nun stand. Mit dem Buch, das in den letzten Monaten seine Fantasie beflügelte. Wie im Traum wankte er auf das Stehpult zu, auf das er den Folianten ablegte. Das alte Holz des Pultes ächzte, als das Gewicht sich verteilte. Jack betrachtete andächtig das alte Kunstwerk. Seine Fingerkuppen strichen sanft über das kunstvoll verzierte Leder. In der Mitte des Buchdeckels war eine Prägung. Jack kniff seine Augen ein wenig zusammen in der Hoffnung, seinen Blick so zu schärfen und er meinte, in der Prägung einen Drachen im Sturzflug erkennen zu können. Vorsichtig beugte sich Jack über den Folianten und atmete tief ein. Ah, Leder. Diesen Geruch liebte er. In Kombination mit dem alten Papier war dies eine faszinierende Verbindung.

Jack zögerte. Daumen und Zeigefinger legten sich um die untere Ecke des Buchdeckels und verspürten das Gewicht, das sie gleich anheben würden. Der Impuls zu dieser Bewegung unterlag nicht mehr Jacks Gewalt. Zumindest hatte er das Gefühl, seine Finger würden dies selbsttätig ausführen. Jack bebte, zitterte, seine Knie bestanden nur noch aus Pudding und schon hob sich der Deckel des Folianten. Das ganze Gewicht des Einbandes lag kurzfristig auf seinem Daumen. Jack wurde überschwemmt von diesem übermächtigen Gefühl. Endlich, endlich lag die erste Seite des Folianten vor ihm.
Doch – wie enttäuschend. Die Seite war leer. Jack blinzelte, weil er es kaum glauben konnte. Er wusste zwar nicht, was er erwartet hatte, doch auf jeden Fall Buchstaben. Vielleicht auch Bilder. Doch nicht dieses Nichts. Seine Hand glitt über das beige marmorierte Pergament, das leise knisterte, als er die Seite umschlug. Die Größe der Papierseite wälzte die Luft um und wirbelte Staub von der Oberfläche des Pultes auf, der silbrig glitzernd zu Boden rieselte. Jack umfasste nun mehrere Seiten des Folianten und ließ sie blättern wie bei einem Daumenkino, doch war auf diesen Seiten nichts zu sehen. Leer, jede einzelne Seite.
Er ließ die Seiten fallen und starrte auf die gegenüberliegende Wand. Er konnte es kaum glauben. All diese Mühen umsonst. Erneut blickte er auf den Folianten und schlug die erste Seite wieder zurück, dann griff er nach dem Einband. Schon wollte er das Buch schließen, als ein Fleck in der linken oberen Ecke der Seite seine Aufmerksamkeit bannte. Jetzt beobachtete Jack genauer, was sich dort abspielte.

Ein Tropfen bildete sich, daneben erschien ein weiterer, dann noch einer. Wie Luftblasen in einem See stiegen die Tintentropfen empor und zerplatzten an der Oberfläche. Hier nun eher auf dem Pergament und kaum zerplatzt verliefen sie, krochen über das Pergament und hinterließen zarte Pinselstriche.
Jack überkam Panik. Was wäre, wenn es raus käme, dass er das Buch trotz Verbot in Händen gehalten hatte und er daran schuld wäre, wenn es für immer ruiniert wäre? Er wollte das Buch schließen, doch seine Hände schienen wie gelähmt. Jack blickte an sich herab und sah, dass seine Hände grau angelaufen waren. Er versuchte seine Finger zu bewegen, doch sie gehorchten ihm nicht mehr. Voller Schreck wollte er weglaufen. Weg von hier. Sein Körper reagierte ebenfalls nicht mehr auf seine verzweifelten Befehle. Jack winselte und jammerte, er steckte fest in diesem steinernen Gefängnis, das sein eigener Körper war. Jetzt konnte er es spüren. Spüren, dass diese Starre weiter über seinen Körper wanderte, im gleichen Rhythmus wie die Tinte über das Pergament kroch. Immer schneller formten sich Linien, verbanden sich, überkreuzten und wanden sich. Jack überfiel Panik. Stocksteif stand er vor dem Lesepult und konnte nur noch auf die Seite des Folianten starren. Hinter ihm begann ein lautes Scharren, das sich direkt auf ihn zu bewegte.

Kratzen – Scharren – Kratzen – Scharren

Jack konnte sich nichts darunter vorstellen, was ein solches Geräusch verursachen könnte. Er wollte sich umdrehen, wenigstens seinen Kopf drehen, um zu sehen, was auf ihn zukam.

Kratzen – Scharren –Kratzen – Scharren

Ein eiskalter Lufthauch strich über seine Augäpfel, trocknete sie aus, drang in seine Nasenlöcher und tiefer in seine Lungen. Brannte dort wie tausend Nadeln, nur um den Schmerz mit jedem nächsten Atemzug zu steigern. Jack wollte schreien, doch auch seine Lippen waren unbeweglich erstarrt.

Sein Blick fixierte die immer schneller über das Pergament huschenden Tintenperlen, die nun langsam ein Bild aus dem Gewirr formten. Ein dunkler Schatten fiel von hinten über den Bereich des Lesepultes und verschlechterte die Sicht.

Kratzen – Scharren – Kratzen – Scharren

Was auch immer es war, es musste ihn bald erreicht haben, Jack hörte bereits ein keuchendes Atmen, ein Fauchen und Rascheln. Eine heiße Träne bildete sich am unteren Rand seines versteinerten Lides und verklärte den Blick. Durch diese Unschärfe konnte Jack nicht erkennen, was sich weiter auf dem Pergament formte, er konnte noch nicht einmal mehr blinzeln, um die Träne zu lösen. Warten, er konnte nur noch warten, bis sich die heiße Flüssigkeit erbarmte zu fallen und ihm seinen Blick freizugeben. Verzweiflung stieg ihn Jack auf, Angst und die Gewissheit, seine Familie und Freunde nie mehr wieder zu sehen.

Kratzen – Scharren – Kratzen – Scharren – Fauchen

Ein letzter Tintenstrich glitt über das Pergament, trocknete im gleichen Moment als die Träne sich löste und Jack endlich das fertige Bild erblickte.

Die Bibliothek war perfekt abgebildet, die Regale mitsamt ihren Büchern, die Treppe und der Sessel, alles war wundervoll klar zu erkennen. Auch das Lesepult und der dicke Foliant, der auf ihm lag. Dann erkannte Jack sich selbst. Seinen Rucksack auf dem Rücken, stocksteif stand er da, eine Hand lang noch neben dem Folianten, die andere schlaff an seiner Seite, die Schultern verkrampft angehoben, den Kopf leicht nach vorn geneigt.

Dann erblickte Jack das, was ihm das pure Grausen durch den steifen Körper jagte. Der riesige Greif mit ausgebreiteten Schwingen stand direkt hinter ihm. Der gefiederte Hals mit dem Adlerkopf ragte weit über ihm empor, der scharfe Schnabel, weit geöffnet, schwebte über seinem Kopf. Die Spannung im Körper des Greifs deutete unmissverständlich auf einen bevorstehenden Angriff des Wesens hin.

Während ein ohrenbetäubendes Fauchen anschwoll, begleitet vom Schlagen der Schwingen, begriff Jack, was Balthasar, der alte Bibliothekar, damit gemeint hatte, dass sich die Bibliothek selbst schützte….


© Lys 01/2013
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Wie schön, mal wieder in diese Bibliothek gehen zu dürfen!!
Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals die Geschichte verschlungen habe, mit all ihren Fortsetzungen.
Und ich ahnte - nein, ich hoffte - gleich zu Anfang, dass dies hier wieder diese ganz besondere Bibliothek ist!

Ganz ganz toll geschrieben! Ich war wirklich gefangen darin, während ich gelesen habe. Das hast Du wieder mal geschafft *gg*

So liebe ich Geschichten. Sie fangen mich ein und halten mich fest bis zum Ende. Und manchmal noch darüber hinaus...

Du hast mal wieder wunderschöne Bilder und Gerüche "gemalt".
Hier z.B.
Der Duft tausender Seiten Papier, literweise Druckerschwärze und Tinte. Vermischt mit dem Geruch der alten Lederbände und der Holzpolitur der uralten Hölzer, die diesen Raum zierten. An der Decke, dem Treppengeländer und natürlich an den Regalen.
... konnte ich diesen Duft tatsächlich riechen.

Danke! Wundervoll!
Beauty's favourite @Argunar (2013)
******ool Frau
31.187 Beiträge
*puh*

Atemberaubend - angsterregend -mitreissend - toll

Und nun soll ich schlafen? *angsthab*
********9_bw Frau
21 Beiträge
Genial!
Danke *g*
Toll geschrieben, Lysira.
Spannend, bilderreich - ich fühlte mich als tatsächlicher Zuschauer.

*spitze*

Gruß,

Devi
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Lysira, wie ich sie seit langem schätze und liebe ...

Schön, dass hier mal wieder eine dieser so rar gewordenen "richtigen Geschichten" vorkommt, die dann nicht nur packend erzählt wird, sondern auch noch gut geschrieben ist.

(Der Antaghar)
toll
finde ich die Geschichte auch.
Und sehr gut geschrieben.
Ein einziges Fehlerchen hab ich bemerkt :
Es wäre nichts für die Allgemeinheit bestimmt, es würde ihm, dem Bibliothekar, gehören.
und vielleicht hier und da ein fehlendes Komma und Wortwiederholungen (majestätisch)

ich erlaube mir, so Erbsen zu zählen, weil es gut ist, ich hoffe, du verstehst.

Weniger gefallen haben mir etwas langatmige Absätze, die nicht wirklich etwas zur Sache tun, wie das mit der Cola.

An der Gefahr, dass zu viele Adjektive leicht ins Triviale abgleiten lassen, schiffst du souverän vorbei.

eine Wohltat, sowas hier lesen zu dürfen, eine (wie Antaghar bemerkt) "richtige Geschichte".

und Antaghar
ich finde es witzig, dass immer, wenn dir etwas gefällt, du darauf hinweisen musst, dass es so rar geworden ist, und man sowas viel zu selten liest...
du scheinst geradezu sehnsüchtig darauf zu warten, aber für dein "endlich mal wieder" und "rar" sagst du es lustigerweise ein wenig zu oft *zwinker*

Danke, Lysira, schön, dass du wieder "da" bist
Gruß
Dea
Orange Session
*********katze Frau
8.077 Beiträge
Bravo!
Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen!

Eine Stelle ließ mich stutzen:

Leise, ohne ein Geräusch schwangen die beiden Seiten auf und gaben den Weg in das Innere des riesigen Lesesaales frei.

Entweder leise oder lautlos (ohne ein Geräusch). Aber es ist nur ne kleine Erbse! *ggg*

Auf alle Fälle eine federwürdge Geschichte!!!


Liebe Grüße

Katzerl
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Bei aufmerksamem Lesen finde ich übrigens auch noch eine ganze Reihe von Unebenheiten oder Fehlern. Doch ich hab beschlossen, darauf nicht mehr aufmerksam zu machen.

Und ja, ich bin wirklich sehr froh und überaus dankbar, vielleicht in der Tat zu überschwänglich, hier mal wieder gut erzählte, verständliche und schlüssige Geschichten lesen zu dürfen.

Wie schrieb so treffend Erich Fromm:

"Die Intenstität des Empfindens hat häufig nichts mit der Tiefe des Gefühls zu tun, sondern weit mehr mit einem vorher empfundenen Mangel."

Das mag bei mir hier in der Gruppe womöglich so sein ...

(Der Antaghar)
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
*danke* für Eure tollen Kommentare und die Feder *freu*

und ich freu mich ebenfalls, dass ich, wenn auch noch holprig und ziemlich aus der Übung, nach so langer Zeit wieder eine Geschichte zustande gebracht habe *g*

es ist wie immer - wenn ich noch hundertmal drüber lese - ich finde die Fehler/Formulierungen/Wiederholungen nie sofort. Textblind... und das kleine, freche "s" hinter dem nicht(s) war wirklich hartnäckig in diesem Text - tztztz....

Daher bin ich immer froh um jedes weitere Paar Augen und Hinweise*g*

ich bemerke oft beim Schreiben, dass es irgendwie hakt und ich kann es trotzdem nicht lösen, bzw. den Satz umstellen.

hachja, das Leid des Schreiberlings *gg*

*blume*

Lys
Statt
Jack, hätte da auch Olaf stehen können!
Dann läge der Greif nach weiteren grausamen, unendlich zäh fliessenden Sekunden einen Flügel um meine Schulter und verkündete mir feierlich, dass ich nun der neue Bibliothekar sei und erst erlöst werde, wenn einst......

*spitze* laf
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
ohje Olaf, neeee neeee, lieber nicht, denn mein Balthasar der hat so einige Jährchen auf dem Buckel und ein Ende seiner Tage ist noch nicht in Sicht...

besser, Du bleibst Olaf *herz* *friends* so wie Du bist

*bussi*
Endlich gehts mit der "Wiege der Zeit" weiter und wir lesen wieder etwas von Balthasar.

Lesevergnügen pur *top2*

Luna
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