Wüstenliebe
Dune fliegt.
Dune sehnt.
Dune steht.
Spät am Abend war Dune ermattet von der Arbeit heimgekehrt. Überstunden.
Immer diese Überstunden! Sie hatte die Pumps von den schmerzenden Beinen gekickt, sich in der Küche ein Sandwich gerichtet, die Heizung hochgedreht und war dann für eine halbe Stunde unter der Dusche verschwunden. Die heissen Tropfen prallten zuerst von ihr ab und zersprangen an ihr zu tausend kleineren Tröpfchen, um sich als undurchdringlicher Nebel um sie zu legen. Sie spürte wie der Alltag und die Schwere langsam von ihr zurückwichen, als sei der Dampf gefährlich und als ob die Wasserfälle, die von all ihren Wölbungen herabstürzten, Vergangenheit und Realität mit sich durch den Abfluss in die Unterwelt reissen könnten.
Mit jedem Tropfen, jeder Sekunde fühlte sie sich leichter und freier und ihre Gedanken begannen abzudriften.
Von ihrem sicheren Platz unter dem Wasserfall kann sie den Lauf des Baches sehen, wie er sich schlangengleich durch den Urwald windet und in weiter Ferne zwischen riesigen Sanddünen versickert. Ihr Geist kann in Windeseile seinen Lauf verfolgen, sich mit ihm durch Felswände graben, gurgeln und im sich im Sturz wie ein Hengst aufbäumen, kann ruhig, fast träge auf einem Blatt dahinschaukeln und am Ende unter den unerbittlichen Strahlen der Wüstensonne mit dem Sand verschmelzen.
Das goldene Fläschchen, mit dessen verführerisch duftendem Inhalt sie ihre noch feuchte Haut verwöhnte, schien geheimnisvoll zu leuchten und ihr war, als hielte sie die Wüstensonne in ihrer Hand. Als ob die Strahlen ihren Körper küssten und sich die Wärme auf dem Ölfilm wellenförmig über ihren Körper ausbreitete. Hitze sammelte sich in ihrem Schoss und ihre Finger fanden den Eingang zu einer Quelle.
Dunes Gedanken drifteten wieder ab und sie spürte die starken Hände Letos, des Mannes, den sie erst vor ein paar Tagen kennengelernt hatte und dessen starke Arme sie gegen alle Vernunft schon wenige Stunden danach durch Höhen und Tiefen trugen, die sie sich zuvor nicht einmal hatte vorstellen können.
Sie spürte seine Hände noch überall auf ihrer Haut, roch seinen herben Duft und erinnerte sich, wie ihre Härchen sich aufgerichtet hatten, als ob sie sich seinen zarten Fingerspitzen entgegenstecken wollten.
Mittlerweile war es auch im Wohnzimmer wohlig warm geworden. Sie holte das Sandwich aus der Küche, füllte ein Weinglas mit Merlot und griff im Vorübergehen das Paket von Zalondi mit den neuen Tanzschuhen, die sie gleich anprobieren wollte.
Leto war gerade auf einem Archäologenkongress in Gizeh, nicht erreichbar und so war sie bis zu Wochenende gezwungen, mit ihrer Sehnsucht und der Fernbedienung als Begleiter die Abende zu verbringen.
Den Film "Kinder des Wüstenplaneten" hatte sie zwar schon an die zwanzig Mal gesehen, denn sie liebt diesen Film, kennt ihn in und auswändig. Sie kann jeden Dialog mitsprechen und ihre Tätowierungen an Schultern und Armen sind beredtes Zeichen ihrer Begeisterung.
Leto heisst eigentlich auch nicht Leto, sondern Franz. Doch er hat seinen neuen Kosenamen lächelnd angenommen.
Eben noch war der Wurm zum Stillstand gekommen. Die Reiter abgestiegen. Die Sonne wärmte ihr den Rücken und liess das blonde Haar gülden aufleuchten. Leto hatte ihr etwas in die Ohren geflüstert und war plötzlich samt Wurm und Muad'Dib verschwunden.
Jetzt sind steinerne Wände sind um sie, kalter Stahl hat sich um ihre Handgelenke gelegt. Männerstimmen versuchen zwar gedämpft aber drohend in ihre Ohren einzudringen. Hinter ihren geschlossenen Lidern werden die Schatten grösser, kommen immer näher.
Sie kann sie spüren - ihre Entschlossenheit, die Verachtung, die Machtgier. Das Muster an Schultern und Armen brennt und die Linien beginnen sich um ihrem Oberarm zu winden. Irgendetwas wird gleich geschehen. Unheil liegt in der Luft.
Doch Dune steht - ihre Wurzeln reichen bis ins Zentrum des Planeten.
Dune sehnt - Letos Stab pulsiert tief in ihr. Heiss, wie die Sonne. Die Quelle beginnt zu sprudeln.
Dune fliegt - der Sonne entgegen. Ihr Schoss ward fruchtbar und grün wird jedes Tal, jeder Bergrücken mit jedem Schlag ihrer neuen Schwingen.
Sie kommen näher.
Dune lächelt. Den Kopf gesenkt. Die Augen geschlossen.
Kommt!
Kommt ruhig!
Wer die Göttin berührt, wird augenblicklich verwandelt!
Die Nacht weicht. Dune erwacht.
Mit Tero wird ihr Traum Wirklichkeit werden.