Adventskalender 2012 - Die Geschichten II

Macht nix. Ich brauche nur aus der Küche rausgehen, dann kann ich es life sehen!

Oh, Tom,
Du bist ja ein richtiger Frauenversteher!
Der Wahnsinn.

Und die Geschichte gestern war von...

von...

ja von wem eigentlich?
Ich schau lieber nochmal nach.
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Relightmyfire

Herzlichen Dank für die Geschichte!

Mit der nächsten Geschichte wünsche ich allen einen vergnüglichen Zweiteradventlesespass

„Na, na, na...“ sagte er und bemühte sich, seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu geben, „Das wird schon wieder“, doch in seinem Kopf schrie es: Jammerlappen! Schlappschwanz! Reiß’ dich doch zusammen!
Seine Hand schwebte einen Moment über der Schulter des Engels, der vor ihm auf einem Stapel Euro-Paletten kauerte. Doch dann sah er wieder den Dreck auf dem ehemals strahlend weißen Gewand. Fast hätte er in ein kaltes Gemisch aus Schneematsch, Straßendreck und einem breitgetretenen Kaugummi gegriffen, das die Form eines Damenschuhs, Größe 38, hatte. Der Engel war übersät mit Spuren wie dieser, die ehemals so stolzen Schwingen hingen kraftlos herab, zerfleddert und starrend vor Schmutz. Auch Kinderschuhe, grobprofilige Herrenwinterstiefel und Spuren von Pfennigabsätzen glaubte er zu erkennen. Und war das dort nicht Blut?

Bruder hin oder her, man musste sich ja nicht mit Gewalt die Hände schmutzig machen, dachte er und zog die Hand zurück.
Der Weinende hob das Gesicht aus seinen verdreckten Händen und sah ihn an. Tränen flossen aus seinen Augen und hinterließen helle Spuren auf den beschmutzten Wangen.
„Erinnerst du dich noch, damals“ er schniefte, „als Pharao Thutmosis die Feste Megiddo einnahm?“
Er nickte stumm, bemüht, sich die an Verachtung grenzende Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Klar wusste er das noch. Vor gerade Pi mal Daumen 3100 Jahren war das gewesen, am fünfzehnten Mai. Der Waffengang zu Megiddo, der unter dem Namen Armageddon immer noch in aller Munde war. Damals, ja damals war er noch stolz auf seine Brüder gewesen – und das, obwohl sie auf der anderen Seite gekämpft hatten. Was für ein herrlicher Anblick war Michael mit seinem blitzenden Schwert gewesen, in strahlendem Gewand, die Schwingen ausgebreitet, ihm standhaltend mit eisernem Blick. Und jetzt das...

„Weißt du, Bruder“, fuhr der andere fort und das Zittern in seiner Stimme ließ langsam nach, „all das Schlachten, das Blut, das im Sand versickerte, die Knochen, die unter den Rädern der Streitwagen brachen in der Hitze der Wüste...“ er straffte sich und wischte sich über die Augen, so dass seine reine Engelshaut wie helle Pfützen im Schlamm eines Waldweges leuchtete, „...all das habe ich ertragen. Weil Vater es mir in seiner Weisheit so befohlen hat.“
Er erhob sich, immer noch zitternd.
„Aber das hier...“, er deutete mit einer ausholenden Geste auf die Regale des Lagerraums, in dem sie sich befanden, „Ich frage mich wie dieser Tand und der Schacher, der damit betrieben wird, seine Billigung finden kann.“
Im Licht der Neonröhren, von denen etliche nur noch flackerten, waren Plastikengel mit goldenen Posaunen in fetten Gesichtern zu sehen, Christbaumschmuck mit Barbie-Motiven und zahllose weitere, erlesene Scheußlichkeiten. Zu allem Überfluss gab es selbst hier Lautsprecher, aus denen unablässig Musik zu hören war. Wie oft hatte er heute schon „Jingle Bells“ gehört?

„In Momenten wie diesem bin ich nahe daran, dich zu verstehen,“ sprach der Engel weiter, „ja sogar selbst an seiner unermesslichen Weisheit zu zweifeln. Doch das steht mir nicht zu. Gleichwohl beginne ich, deine Beweggründe zu erkennen, Bruder.“

Er hatte es schon immer überflüssig gefunden, Engel zu allen möglichen Anlässen auf die Erde zu schicken um zu erfahren, wie es um Zuversicht, Glauben und Gottvertrauen der Menschen stand. Man musste schließlich nur den Fernseher einschalten. Oder googeln. Aber der alte Herr bestand nun mal darauf. Er hatte etwas antiquierte Ansichten aber die konnte er sich schließlich auch leisten. Seit Vater ihn rausgeworfen hatte, musste ihn sowas zum Glück nicht mehr kümmern. Meist verfolgte er diese Anlässe aus sicherem Abstand, nur um zu sehen, wie seine Brüder damit fertig wurden. Manches betrachtete er kopfschüttelnd, anderes lächelnd. Zu den spezielleren dieser Gelegenheiten hatte er sogar die eine oder andere Flasche Wein geleert und lautstark gelacht. Allein die Sturheit, mit der die Verwalter von Vaters Hinterlassenschaften auf Erden ihre Selbstdemontage betrieben, ließ wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen.
Doch es war ihm auch nicht entgangen, dass es mit jedem Jahr härter wurde und manchmal, ja manchmal, in seltenen Momenten, da taten ihm seine Brüder sogar leid.
Er wurde immer seltener gebraucht, meist reichte schon eine kleine Anregung hier und da. Vor Allem wenn es um Geld ging, waren Vaters Lieblinge leicht, so unglaublich leicht zu jedem erdenklichen Irrsinn zu verführen. Sogar gegen ihre ureigensten Interessen. In letzter Zeit war es ihm schon peinlich geworden wie leicht die neuen Könige des Menschengeschlechts von Mammons Gnaden zu verführen waren.
Deshalb war er heilfroh, nicht mehr so direkt mit dem Getümmel da oben zu tun haben zu müssen. Bis er eine SMS von Vater erhalten hatte. Ihm war sofort klar gewesen, dass das nichts als Ärger bedeutete.

Weiss nicht WEiter! Uri krankmeLDung Micha alle Haende voll zu tUN Rafa kurz vorm meUtern! WArst immer der faehigste! MELDE DICH!!! GLG Papa

Einhundertvierzig Zeichen blanke Panik. Und jetzt stand er hier, an einem Samstag vor Weihnachten im Einkaufszentrum München-Haidhausen um seine Brüder auf Trab zu halten, damit sie in der weihnachtlich beseelt amoklaufenden Menschenmasse nicht untergingen.

Der Engel erhob sich und straffte sein Gewand. Er zog trotzig die Nase hoch, spuckte herzhaft auf den Boden, dann schüttelte er sich und all der Schmutz, der ihn noch Augenblicke zuvor bedeckt hatte, wie die Panade ein Wiener Schnitzel, stob davon und verging in einem Regen aus Funken. Nun sah er wieder wie der Engel aus, der er war.
„Wohlan, Bruder,“ sprach er laut, „auch wenn dies keine Schlacht ist, in der wir Engel einem ebenbürtigen Gegner ins Auge blicken, so ist es doch Vaters Wille, den ich voller Freude und Zuversicht erfüllen werde!“
Er marschierte davon, mit stolzen, kraftvollen Schritten, die schweren Brandschutztüren des Lagerraumes flogen wie von Geisterhand geöffnet vor ihm auf und das Geschrei der Massen in den Verkaufsräumen brandete herein.

„Bis gleich wieder, du Pussy“, raunte Luzifer seinem Bruder hinterher, als die Stahltüren krachend ins Schloss fielen. Er war wieder allein mit den Hochregalen voll quietschbunter Kunststoffprodukte made in China. „Last Christmas“ von den Festplatten des Kaufhausservers begann zum x-ten Mal, sich den Weg in seine Gehörgänge zu schmieren.
„Und ihr haltet jetzt endlich mal die Fresse“, flüsterte er, hob drohend eine Braue und sah aus dem Augenwinkel auf zu den Lautsprechern unter der Decke. Das kurze Knacken, mit dem diese schleunigst verstummten, hatte einen ängstlichen Unterton. Stille umgab ihn wieder – aber für wie lange?

„Besser“, sagte er zufrieden.
Dann hob er den Kopf. Sein Blick ging durch die Stockwerke über ihm, die tobenden Menschenmassen, über all das Leid, die sinnlose Rohheit und Gewalt hinweg in die endlosen Weiten des Universums hinaus. Er studierte den Stand der Gestirne.
Halb fünf, dachte er, noch anderthalb Stunden bis Feierabend...