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Die ewige " Bi-Maus"57
Hier wird viel über ein Paar und einnen weiteren Mann geschrieben.
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die maus

die maus
ich habe meine frühe kindheit in einer kleinen paterre-wohnung in einem schmutzigen hinterhof einer berliner mietskaserne aus der jahrhundertwende gewohnt.

2 winzige zimmer (elternschlafzimmer und kinderzimmer) mit immer geschlossenen gardinen damit keiner reinschauen kann - mit immer geschlossenen fenster, damit keiner einsteigen kann.
die muffige wohnung war immer dunkel und auch tags musste man das licht anmachen, wenn man ein zimmer betrat. es gab kein bad und auch keine küche.

am ende des schmalen flures stand ein e-herd, ein kühlschrank und ein kleine küchenanrichte. wasser zum kochen und waschen gab es aus einem hahn mit kleinem waschbecken im kinderzimmer.
im kinderzimmer stand auch die waschmaschine - die rumpelte oft unablässig die nacht durch. ich hab schon in jungen jahren gelernt, jeden lärm beim schlafen zu ignorieren.

meine eltern waren noch jung. abends gingen sie gerne noch etwas in die kneipen der nachbarschaft. ich sollte schlafen, sie schimpften oft, wenn ich nicht gleich einschlief, sie aber endlich los wollten. ich tat dann so, als würde ich schlafen - aber ich schlief nie.

ich hatte angst allein zu sein. in den nächten wenn die waschmaschine nicht lief, hörte ich es rascheln.
seltsamerweise konnte ich die waschmaschine ignorieren, das rascheln aber hielt mich wach.

es waren mäuse, die sich durch die mauerrisse des alten hauses in unsere wohnung gedrängt hatten. man sah sie nie, aber man hörte sie deutlich. oft stundenlang.

ich hatte die kindliche angst, sie würden mich anfressen, so wie sie mit allem essbaren taten, was man liegen ließ. in gedanken sah ich scharen wilder bestien mit bösen augen und scharfen nagezähnen, das maul weit aufgerissen über mich herfallen.

meist weinte ich mich in den schlaf vor angst. manchmal, wenn ich es gar nicht mehr aushielt, lief ich durch die kleine wohnung, machte alle lichter an, schaltete den fernseher ein und kroch verängstigt in das bett meiner eltern.

ich muss 6 oder 7 jahre gewesen sein, als mein vater eines abends eine dieser mäuse einfing. mein onkel war zu besuch und anfangs war es wohl ein riesenspaß für beide.

ich wurde in mein zimmer geschickt und lauschte neugierig an der tür. ich hörte sie reden und lachen, verstand aber nix genaues.

irgendwann mischte sich ein schrei zwischen das gelächter. Ein seltsam hoher und leiser ton, der anschwoll. das lachen wurde lauter. ich öffnete die tür einen spalt und lugte in den flur.
ich sah meinen vater und seinen bruder am herd stehen und in einen riesigen suppentopf schauen. in diesem topf war die maus und die herdplatte war eingeschaltet, das wusste ich in diesem moment genau. ich erstarrte. ich sah wie betäubt, was dort geschah.

die maus schrie und schrie und schrie. mein vater und mein onkel hörten auf zu lachen und starten wie bebannt in den topf. ich weiß nicht wie lange es dauerte. irgendwann wurde es plötzlich ruhig und mein vater sagte trocken:"aus, die maus".

ich traute mich raus und fragte, was das gewesen sei und was mit der maus passiert ist, ich konnte mir nicht vorstellen, dass das was ich da gesehen hatte, wirklich so passiert war, aber mein vater schickte mich nur zurück ins zimmer. ich weinte.

am nächsten tag gründete ich mit den kindern aus meiner straße einen tierclub. wir taten unser zehnerle zusammen und kauften eine maus für ne mark in einem tierhandel einige straßen weiter.

in einem der abrisshäuser der umgebung richteten wir unser clubquartier ein und die maus wurde mangels eines käfigs in der schublade eines ausrangierten schranks untergebracht. gras, altes brot und obst vervollständigten ihr neue heim.

jeden tag trafen wir uns, jeder brachte etwas, von dem er meinte, mäusen könnte es schmecken. wir holten sie aus der schublade und spielten ausgiebig mit ihr.

dennoch gefiel es ihr scheinbar nicht so - einige wochen später war sie durch den kleinen spalt der wohl nicht ordendlich geschlossenen schublade geschlüpft und spurlos verschwunden. der club wurde wieder aufgelöst und wir bauten im hof des abrisshauses ein indianer-lager.
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.

Zunächst: der Text ist sehr gut geschrieben. Der Erzählton ist gut, die Beschreibungen plastisch.

Der Inhalt erschüttert mich. Die Lebensumstände allein hätten in meinem Fall dafür schon gereicht, aber das mit der Maus hat mir wirklich fast das Herz gebrochen. Wie können Menschen so verroht sein. Unglaublich.

Und dann das Kind, das alles mit ansehen muss.

Ich bin aufgewühlt.
Mir ging es genauso. Schön erzählt, aber das Schicklsal der Maus?

Menschen sind leider so. Wie wir wissen auch Mensch zu Mensch.
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
das schicksal der maus ist das schicksal der kinder
irgendwie...

gute geschichte
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Allein schon ein kleines Kind allein zu lassen um dann feiern zu gehen...

Bah, da wird mir ganz elend.

Ich bin weit davon entfernt, eine perfekte Mutter zu sein und der Himmel weiß ich würde gern mal wieder ausgehen. Aber das? Nee.

Und die Maus?

Meine Güte, mir ist immer noch ganz anders.
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Genau das macht doch die Geschichte so faszinierend und fesselnd, nicht wahr, Sina?
prüfend
*********tMut Frau
2.105 Beiträge
Also, wenn das biographische Züge hat... harter Tobak... sowohl für die Maus als auch für das Kind. Immerhin blieb dieses Erlebnis über Jahrzehnte hängen. Heute würde man von einem traumatischen Erlebnis eines Kindes reden und das Entstehen dieser Geschichte als Traumbewältigung erklären.

Egal wie oder was, sehr plastisch und klar erzählt! Chapeau!
danke
das milleu in dem diese geschichte stattfindet ist verwahrlost. asozial... herunter gekommen...

ich schreibe derzeit nur sachen, die ich erlebt habe. ich habe noch nie geschrieben - auch wenn diese geschichten schon lange vollständig in meinem kopf sind. mir fehlt noch die routine, eine geschichte zu erfinden und auszuarbeiten.

ich freue mich, dass mein stil bei euch ankommt - dass die geschichten euch erreichen - es ermutigt mich sehr...

greetings - tragedy
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Absolut, Rhabia.

Und wenn das wirklich so passiert ist... also wenn mir das geschehen wäre und ich hätte meinen Vater so beobachtet... ich weiß nicht ob ich ihn je wieder mit den gleichen Augen wie zuvor hätte sehen können...
Die Geschichten
kommen an.

Und ich finde sie sehr wichtig. Denn die Kinder, die so leben, haben keine Stimme, um ihre Geschichten zu erzählen.

Danke schön
anmerkung
mein vater war nicht schlecht.

er hat mich immer angehalten, zu lernen
er hat mich aufs gymnasium geschickt
er war enttäuscht, als ich auf die realschule wechselte
er hat nächtelang mit mir über politik diskutiert
er wollte immer, dass ich aus dem "sozialen brennpunkt" rauskomme
er hat mich unterstützt bei jeder idee die ich hatte

und er war "nur" mein stiefvater - der mich wirklich förderte und liebte

greetings - tragedy
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
@*******gedy

Ich wollte auch ganz sicher nicht über ihn urteilen, ich kenne ihn ja gar nicht.

Die Geschichte hat mich nur emotional ziemlich getroffen.

Wenn ich in meinem Urteil zu weit ging, entschuldige.
alles ist gut...
in dieser geschichte ist mein vater ein monster! das ist so...

aber er war nicht nur so... und das gute von ihm zu erwähnen, hatte in der geschichte keinen platz - also musste ich es nachtragen - das galt nicht dir - du hast ja für die person die mein vater in dieser geschichte darstellte absolut recht - er wird als gefühlloses schwein gezeigt...

greetings - tragedy
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Die besten Geschichten ...
... schreibt das Leben!

Danke, dass Du Deines mit uns teilst!
Jaja,
wir alle so unsere "Erfahrungen" gemacht mit Menschen und Mäusen.
Und manchmal waren die Mäuse einfach die Netteren...
****e_a Frau
583 Beiträge
Stark geschrieben. Echt stark. Auf den Punkt, ohne Firlefanz. Hat mich sehr getroffen. Die auswegslose Angst des Kindes. Der rührende Wiedergutmachungsversuch mit dem Tierklub. Danke!
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