Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Rammstein
727 Mitglieder
zur Gruppe
Christoph Fanclub
617 Mitglieder
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

christl (440 worte)

christl (440 worte)
christl war über 40 jahre verheiratet
christl war über 13 jahre trocken
christl hat sich in 3 tagen todgesoffen
herzstillstand

sie lag in ihrem lesezimmer - auf dem sofa
um sie herum leere flaschen - 2l pennerfreundflaschen
es roch nach wein und kotze als ich reinkam
sie war schon kühl

keiner hat von diesen 3 tagen was mitgekriegt
außer den nachbarn - die erzählten später, dass christl 3 nächte lang geschrien hat - ihren mann angeschrien hat - ihn hörte man nicht

das erzählten die nachbarn nicht uns - das erzählten sie im ort - ich erfuhr es von der obsthändlerin

christl schrie ihre ganze wut raus - dass sie ihr leben und ihren mann hasst - er rächte sich, indem er es einfach ertrug, sie 3 tage mit pennerfreund versorgte und keinem etwas sagte

christl war fröhlich, einfach und üppig - ihr erstes kind von einem mann, der nie erwähnt wurde - ein ausrutscher

sie heiratete, bekam nochmals 2 kinder und alles wurde gut - sie trank - er trank - es passte irgendwie - sie hörte auf - er später auch - da passte es dann wohl nicht mehr - keiner merkte es

auch christl selber war wohl ein ausrutscher - ihr vater französicher jude - leider zur falschen zeit - die mutter heiratete einen kriegsheimkehrer - der franzose wurde nicht erwähnt solange der stiefvater lebte

der lebte sehr lange - die letzten 5 jahre völlig blind und völlig taub irgendwo in schwaben mit christls mutter, die ihn pflegte - nach seinem tod versprach die mutter zu erzählen - es kam nicht dazu - sie starb 2 monate nach ihrem mann

christl malte eine zeit lang - wohl, weil von ihrem vater gesagt wurde, er sei künstler gewesen - die ganze wohnung war voll mit farbklecksen - boden - tisch - kissen - überall

sie bediente in einer kneipe an den wochenenden - später ging sie 1 mal die woche in ein altenheim und bastelte dort ehrenamtlich mit senioren - jetzt war die wohnung voll mit alten farbklecksen, neuen scheren, kleber und bunten stoffen

nachdem der totenschein ausgestellt war, habe ich sie gewaschen und umgezogen
ich sagte es schon: christl war fröhlich, einfach, üppig - jetzt ein stinkiger klops - schwer aus den klamotten rauszukriegen - noch schwerer sie in etwas neues rein zubekommen - jedes mal, wenn ich sie umdrehte, floß wein aus ihrem mund - eigentlich ständig
irgendwann hab ich sie seitwärts gelegt, ein handtuch unters gesicht gestopft und ihr auf den bauch gedrückt
es dauerte ziemlich lange bis es aufhörte

etwas später sah christel aus, als wäre all das nicht geschehen

christl war meine schwiegermutter
Diese Geschichte paßt zu Christel....einfach...und ein kleines bisschen traurig weil so betont emotionslos und distanziert.

Trotzdem eine gute Geschichte *top*
Joe
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ist das eine wahre Geschichte?

Weil ich sie nämlich trotz (oder wegen?) der distanziert-berichtsartigen Erzählweise sehr beklemmend, traurig, ja, erschütternd finde.

Die Verachtung für ein sinnlos weggeworfenes Leben und für das Wrack, das aus der Sucht entstanden ist, schwingt mit, aber auch die fassungslose Trauer darüber, wie ein Leben verlaufen kann.
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Die Geschichte hat mich mitgenommen.
Sie ist gut geschrieben.
Bewegend.
Vielleicht auch (aber nicht nur) weil meine Schwiegermutter soch totgesoffen hat.
die geschichte ist wahr - im groben...
ursprünglich hatte sie über 1000 wörter - ich habe gekürzt und alles persönliche rausgenommen - jeder soll darüber denken, was er meint

auschnitt aus der großen version:
sonntag saßen wir rauchend im garten und sie meinte in einem nebensatz "vielleicht lass ich mich scheiden und mach nochmal was neues" - ich wiegelte mit "jetzt hast du den udo so lange ertragen" ab - donnerstag morgen war sie tot
_____________________________

ich denke, dass ihr resümee am montag morgen ähnlich aussah und es für sie keinen grund mehr gab, nicht einfach nen glas wein zu trinken - oder ne flasche - oder viele flaschen

ich mochte sie sehr - sie war ne klasse schwiegermutter (und das ist ja nicht die regel) - der text ist möglicherweise kühl - das ist der abstand den ich benötige
ich vergaß
aber ich freue mich, dass ihr es mögt - dass ihr auch erkennt, dass die fehlende tragik eine eigene tragik erzeugen kann - so meinte ich es
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ja, genau so empfinde ich das. Sehr gut ausgedrückt.
Die Geschichte berührt,
sie klingt nach reinem Verstand und nach der kühlen Logik eines Menschen, der wenigstens irgendwo ein bisschen helfen möchte...und in diesem Gedanken schwingt auch Wärme mit...
*******ose Frau
793 Beiträge
ich hab beim Lesen einen Kloß im Hals gespürt. Die Erzählweise finde ich sehr stimmig und nur im ersten Moment distanziert, denn bei Details schwingt sehr wohl ein persönliches Involviertsein mit. Leise, unterschwellig.
Ein absoluter
Treffer.

Hat mich voll mitgenommen, und auch wenn es in dieser Hinsicht falsch ist das zu schreiben: Mir gefällt die Geschichte.

Gute Schwiegermütter sind selten, und wenn, dann verlassen sie die Welt zu schnell.

Danke für die Geschichte!
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Danke ...
... für diese berührende und leidvolle Geschichte. Zwischen den Zeilen steht noch so viel mehr ...

Sie erinnert mich an "Nina", eine Geschichte die ich selbst hier schrieb ...
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.