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Fünf Jahre

*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
Fünf Jahre
»Soo, lieber Herr Ass. Jur., mein lieber International Master of Applied Economic Sciences, CEO, CIA, C3P0 und was sonst noch auf Ihre Visitenkarte passt …

Nachdem wir jetzt ein bisschen Ruhe in die Sache gebracht haben, können wir reden. Genauer gesagt, ich rede. Sie hören zu. Geht ja auch gar nicht anders mit dem Klebeband auf dem Mund. Außerdem haben Sie sowieso schon viel zu viel geredet.

Und Sie, liebe Frau – haben Sie eigentlich auch irgendwelche Titel? Egal, jedenfalls brauchen Sie gar nicht dauernd zur Tür zu schielen. Ich weiß, dass Sie drei Kinder haben. Tut mir übrigens leid, dass Sie mit den beiden Kleinen da reingeraten sind. Das sollte eigentlich eine Veranstaltung für Ihren Ältesten sein, schließlich geht der auf die selbe Wirtschaftsakademie wie Ihr Mann und wollte die gleiche Karriere einschlagen.

Da habe ich Sie nun schon wochenlang beobachtet und trotzdem konnte ich nicht ahnen, dass sie früher aus den USA zurückkommen. Na ja. Wer weiß wofürs gut ist. Zum Glück habe ich ja genug Klebeband eingepackt.

Wenn ich Ihnen was raten darf, Herr CEO, dann halten Sie Ihren Arm ruhig und reißen nicht so am Klebeband, sonst fängts wieder an zu bluten. Und seien Sie froh, dass ich keins von meinen eigenen Küchenmessern mitgebracht habe. Die sind nämlich nicht so scharf wie Ihr japanisches Designerding hier. Damit hätte es wahrscheinlich noch viel länger gedauert, Ihnen die Finger abzuschneiden. War übrigens gar nicht so befriedigend, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Eigentlich wollte ich Ihnen nämlich nicht nur die fünf Jahre vor Augen führen, die ich arbeitslos war, sondern auch die fünf Jahre, die meine Frau mit einem depressiven Mann aushalten musste. Die fünf Jahre, in denen sie gelitten hat, weil sie nicht wusste was sie tun konnte. Außer noch einen Scheiß-Putzjob anzunehmen, damit wir über die Runden kommen. Und dann noch die fünf Jahre, die meine kleine Tochter im Schlaf geweint hat, weil Mama und Papa sich dauernd angeschrien haben.

Jetzt fragen Sie sich sicher, was das mit Ihnen zu tun hat. ’Türlich. Sie haben ja nur Ihren Job gemacht. Schöne Ausrede. Das hab ich auch. Bis Sie gekommen sind.

Sie und Ihr Hedgefond haben die Firma, in der ich gearbeitet habe, mit Absicht an die Wand gefahren. Wofür? Für die paar Millionen, für die Sie die Reste verramscht haben? Damit sich ihr Lebenslauf interessanter liest? Was haben Sie dafür bekommen? Bonus? Ne Beförderung? Ich und etliche andere Kollegen haben dafür Hartz IV bekommen. Und Depressionen. Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, morgens nicht zu wissen wofür man aufstehen soll? Wenn man arbeiten will, weil man seiner kleinen Familie ’n bischen was bieten möchte? Und man kann nicht? Man kann es einfach nicht? Haben Sie einen blassen Schimmer, was es heißt, in meinem Alter arbeitslos zu werden? Wenn Motivation und Können nichts mehr zählen? Wenn die Personaler bei hunderten von Bewerbungen auf jeden Scheiß-Job zuerst nach dem Geburtsdatum gucken und die Mappe dann gleich wieder zurückschicken? Wahrscheinlich nicht.

Aber vielleicht lernen Sie ja heute ein bischen was. Kann nicht mehr lange dauern. Ja, ich hab das da draußen auch bemerkt. Das wird Ihr Sohn mit der Polizei sein. Was glauben Sie, warum ich die Vorhänge auf gelassen habe und hier immer noch mit dem Messer rumfuchtel?«

KLIRR

»Aah! Scheiße, tut das weh! … Bauchschuss? Was soll das denn? Sparen die jetzt schon bei der Scharfschützenausbildung?

Verdammt, ihr Pappnasen da draußen! Was ist mit dem finalen Rettungsschuss zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben in Brust oder Kop
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Puh ...

Mutig - kurz, knackig und verdammt gut!

(Der Antaghar)
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Starke Geschichte.
Mit einem krassen Ende.

Klasse.
Es ist..
so authentisch aus dem Leben gegriffen und deshalb wirklich ein Wunder, dass es nicht mehr "Chef-Morde" gibt...Oder kommt das noch - wir stehen erst am Anfang...Head Count Reduction ist immernoch die gängigste Antwort auf "wir machen leider nicht genug Gewinne"...

..und in den HR-Abteilungen wird nicht nur aufs Geburtsdatum geschaut und dann aussortiert, sondern "kleine Assistenten" haken Anforderungsprofile ab und wenn ein einziges Häkchen fehlt ist Schluss mit lustig...Bewerbungen werden doch nicht mehr gelesen, sondern sofort beurteilt...Menschen sind Waren...Sie heißen neuerdings "Leistungssubjekte"
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ist noch gar nicht so lange her, da habe ich auch solche Phantasien gehabt...

Sehr eindringlich gezeichnet.
Christian
*spitze*

leider tut es weh - -
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Eine sehr gute Geschichte, sehr spannend und packend, mitten aus dem Leben gezogen, unters Mikroskop gelegt und einem überraschenden Schluss.

*top* Herta
**********Engel Frau
25.334 Beiträge
Gruppen-Mod 
Sehr gut ein gar nicht so abwegiges Bild gezeichnet!

Mit Tempo und in einem Ruck durch ein zerstörtes Leben beschrieben.
Puuh...
Ja, auch mich wundert es, dass solche Szenen nicht wirklich öfter vorkommen in der Realität.

LG Gabi
*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
Danke euch allen *g*

Diotimavera: Da krieg ich schon wieder ne Krise, wenn ich sowas lese.
»Head Count Reduction« und »Leistungssubjekte« merk ich mir falls mir wieder so eine Geschichte einfällt – das ist einfach krank.

Ev: ja, tut echt nur weh. Wenn ich solche Sachen höre/lese/sehe (also Geschichten, wie ich sie meiner Figur zugemutet habe) fällt mir einfach nichts mehr ein.
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Stichwort "Head Count Reduction":

Es ist aber Realität und es interessiert keine Sau, was man wie lang für eine Firma geleistet hat. Wo vorher ein "familiäres und kollegiales Verhältnis bestand, läuft man plötzlich gegen eine Eiswand und sitzt draußen, ehe man "piep" sagen kann.
stimmt ...
und warum?

Weil wir Deutschen ja nicht eiligeres zu tun hatten - als das amerikanische Geschäftsleben zu übernehmen -
Ellbogen und durch - Hauptsache ICH
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ich fand es vor allem erschütternd und schwer zu verdauen, wie man mal eben so von einem "wertvollen" und "vielversprechenden" und "geschätzten" Mitarbeiter ("Mitglied der Familie" *wuerg*) zu jemandem wurde, der auf dem Gang nicht mehr gegrüßt wurde.

Von wertvoll zu wertlos in einem Augenaufschlag. Gekrönt von der Bemerkung, das sei "nichts Persönliches"...
stark!
Sollte die Occupy-Bewegung ihr Betätigungsfeld erweitern wollen,
wäre das in der Story skizzierte nicht schlecht. *zwinker*

Ansonsten: ich mag Deinen Stil, Christian - auch hier. *top*
Sollte die Occupy-Bewegung ihr Betätigungsfeld erweitern wollen, wäre das in der Story skizzierte nicht schlecht.

Das wäre wohl ihr schnelles Ende.
*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
Danke nochmal an alle für das Interesse und Berglöwe für das Kompliment.

Das wäre sicher nichts für die Occupy-Bewegung, es ist zu persönlich. Denen geht es (wie es allen gehen sollte) um die grundsätzliche Korrektur eines ungesunden Ungleichgewichts in unserer Gesellschaft. Wenn ich das richtig verstehe.

Sowas wie du (Sina) habe ich nicht erleben müssen – zum Glück – aber ich habe auch einiges durchgemacht, was ich dann in der Geschichte ins Extrem getrieben habe.

Es gibt ein Buch mit dem Titel »Ich arbeite in einem Irrenhaus – vom ganz normalen Büroalltag«, von dem es immer mal wieder Auszüge auf Spiegel Online gibt. ZB: »Unter leitenden Angestellten kommen Psychopathen achtmal so häufig vor wie in der Gesamtbevölkerung, wo nur jeder Hundertste als gestört gilt.« So einem habe ich gekündigt. Konnte der gar nicht verstehen. Aber in der Zeit in der ich bei ihm gearbeitet habe, konnte ich nicht einen Satz schreiben wegen dem Stress.
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Nahegehend ...
... und authentisch geschildert!
Beeindruckend!
Könnte die Kurzbeschreibung für ein aktuelles Tatort-Drehbuch sein.
Und "weiße Westen Verbrechen" lohnen sich immer noch....

Mann oh Mann!
*****_nw Mann
505 Beiträge
Zwickmühle
Wer kennt nicht National Lampoon's "Hilfe, es weihnachtet sehr!" (Christmas Vacation) mit Chevy Chase? In diesem Film wird sehr gut gezeichnet, wie sich das Verhalten eines Chefs auf seinen Untergebenen und dessen Familie auswirkt. Der Chef wird gekidnapt, sieht, was er angerichtet hat, besinnt sich und wir bekommen unser Happy-End. Es ist plausibel, weil Gedankenlosigkeit im Spiel war und korrigiert werden kann.

Christians Geschichte verläuft parallel dazu und endet nur deshalb tragisch, weil der Untergebene äußerst brutal vorgeht und seinen Tod gleich einkalkuliert. FALSCH!

Der Chef in Christians Geschichte ist kein Psychopath. Es geht auch nicht um Gedankenlosigkeit, sondern um kalte Berechnung. Diese Menschen wachsen nicht in ihre Rolle hinein und verzweifeln vielleicht an ihr, sie werden seit Generationen dazu gedrillt und durch den Reichtum ihrer Eltern vom wahren Leben abgeschirmt. Sie leiten keine Firmen, sie leiten Geldströme, und die Richtung ist dabei immer die gleiche. RICHTIG?

Als Ingenieur werde ich hauptsächlich dafür bezahlt, Produkte kostengünstiger herstellbar zu machen. Das kann bedeuten, dass Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt werden, heimische Produktion in Billiglohnländer verlagert wird, umweltschädliche oder energieverbrauchende Produkte erschwinglicher und damit breiter eingesetzt werden, Rohstoffe günstiger gefördert und damit häufiger verbraucht werden und vieles mehr. Ich stecke in dieser Klemme und kann nicht hinaus. Mit keiner besseren Begründung als der vieler anderer an anderen Positionen und zu anderen Zeiten: Wenn ich es nicht tue, tut es jemand anderer. ODER?

Es gibt auch die andere Seite: Ich kann mithelfen, Arbeitsplätze menschenwürdiger zu machen, indem ich bessere oder überhaupt Maschinen entwickle, die krankmachende Arbeit vermeiden. Ich kann zum Erfolg eines Unternehmens beitragen, das sich in Kultur, Bildung oder Sozialem engagiert oder einfach in meiner Heimat Steuern zahlt, weil es um genau diesen Anteil produktiver ist als seine Konkurrenten, die das nicht leisten. FREISPRUCH?

Kann nicht der Mitarbeiter eines Hedgefonds ähnliche Argumente ins Feld führen? Ziel seiner Transaktionen sei es etwa, die Altersversorgung von Millionen Amerikanern zu sichern, auch wenn dabei einige zehntausend Arbeitsplätze verloren gingen? GÜTERABWÄGUNG ODER KAMPF JEDER GEGEN JEDEN?

Die Guten sind nicht so gut, wie sie glauben mögen, und die Bösen nicht so böse, dass man sie foltern müsste. Wir stecken in einem System, das wir nur als gesamte Menschheit einig ändern könnten. Das wird nicht geschehen.
*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
Und ich hab so schön schwarz-weiß gezeichnet …

Die Guten sind nicht so gut, wie sie glauben mögen, und die Bösen nicht so böse, dass man sie foltern müsste. Wir stecken in einem System, das wir nur als gesamte Menschheit einig ändern könnten. Das wird nicht geschehen.

Das sehe ich (leider) ganz genauso. Einzige Änderung meinerseits wäre: Das wird jetzt noch nicht geschehen. Es gibt tatsächlich Anzeichen der Besserung, aber es wird so lange dauern, dass weder wir noch unsere Enkel etwas einschneidendes erleben werden.

Um auf deine Argumente vernünftig einzugehen brauche ich eine Weile. Fürs Erste aber folgendes: Mir ist klar, dass beide Figuren falsch handeln. Meine Sympathie ist allerdings eindeutig bei dem Ex-Angestellten.
Aus dem realen Leben ...
Mein Schwiegersohn braucht Geld von der Bank zu neuer Investition seiner Firma.
Die Bank:
Ihre Firma hat zwar ein gutes Konzept, auch ihr Umsatz ist gut , aber unter dem Strich verdienen Sie nicht genug.
Er:
Ich arbeite 14 - 16 Stunden am Tag - meine Leute haben ihr gutes Auskommen und mein Einkommen reicht mir, ich muss nicht irgendwelche Reichtümer anhäufen.
Die Bank:
Entlassen sie ein paar Arbeiter, dann haben Sie mehr Einkommen und dann können wir ihren Kredit befürworten.

volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Nö, der Chef ist nicht der Psychopath. Er ist nicht mal ein Soziopath. Er ist "nur" ein gedankenloser Vollidiot. Wie der aus Chevy Chases Christmas Vacation.

Er ist ein Chef wie sehr viele andere Chefs. Einer, der irgendwann verlernt hat, über den Rand seines wohlgefüllten Tellers hinauszuschauen und zu bedenken, dass jeder Mensch, den er feuert, nicht eine "Maßnahme" ist sondern ein Einzelschicksal. Ein Leben, das unter Umständen den Bach runter geht.

Psychopatisch im Sinne von akut psychotisch verhält sich natürlich eher der Erzähler, der den Chef quält um ihm etwas von seiner eigenen bitteren Medizin zu schlucken zu geben.

Aber ist es nicht schön, dass wir alle beim Lesen uns eher mit dem Psychopath gemein machen als mit dem gefolterten Chef? *g*

Erinnert in Ansätzen ein wenig an "Falling Down" mit Michael Douglas. Der dreht völlig am Rad, weil ihn eines Tages ein Mensch zuviel in den Arsch tritt. Er rastet aus und gräbt zerstörend und tötend eine Schneise in eine Stadt.

Und trotzdem ist er in dem Film eine Identifikationsfigur. Weil viele von uns sich vom Leben schon mal so gefickt fühlten, dass sie vielleicht gar nicht so weit davon entfernt waren, sich eine Pumpgun zu besorgen und es Michael Douglas gleichzutun.

Sympathie mit dem Psychopathen. Bemerkenswert, oder nicht?
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Das ist das schöne an Geschichten. Die Bösen dürfen die Guten sein. Oder so... *zwinker*
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