Die Liebe ist ein seltsames Spiel

„Ich liebe Dich! Ich liebe Dich so sehr!“
Diese Gedanken überfielen ihn jedes Mal mit Wucht, wenn er sie morgens das erste Mal sah. Sie war eine Schönheit. Anders konnte man das nicht sehen. Eine absolut traumhafte Figur, lange braune Haare, die sie meistens zu einem Zopf gebunden trug und wahnsinnig intensiv braune Augen, so dunkel, dass sie fast schon schwarz erschienen. Kam er in den Genuss, in diese Augen zu blicken, zerschmolz er fast.
Heute Morgen hatte sie zuerst die zwei Katzen versorgt und dann das Frühstück fertig gemacht.
Dabei träumte sie vor sich hin, schwebte fast durch die Küche und rückte noch die Blumen zurecht, die auf dem Küchentisch standen.
Er duschte zuerst, zog sich anschließend an und genoss im Anschluss einfach nur ihren Anblick, während er sein Müsli aß. Seine Phantasie glitt ab, er sah sich mit ihr im Bett liegen, ihren makellosen Körper erforschen und ihren Atem auf seiner Haut spüren. Er mochte diese Phantasien, versank gerne in ihnen, aber er wusste wohl, dass die Wirklichkeit wichtiger war.
Also leerte er die restliche Milch aus seiner Müslischale mit einem Zug, räumte alles ordentlich in die Spülmaschine (sie mochte Ordnung, er adaptierte das sofort) und zog sich Schuhe und Mantel an.
Heute war schließlich Samstag. Und Samstag war Einkaufstag! Da gingen sie immer zusammen, kauften für das ganze Wochenende ein und planten beide, was an den beiden freien Tagen so möglich sein könnte.
Mal sehen, worauf sie heute Lust hatte. Sie liebte Kino. Aber erst die Spätvorstellung, da war nicht ganz so viel los. Sie liebte die Sauna, mochte es, bis zur Schließung um 23:00Uhr die Saunen und die Ruheräume auszunutzen und sah dabei so unbeschreiblich aus! Aber die Sauna war für ihn nicht so gut, denn sie mochte es nicht angestarrt zu werden, daher konnte er ihren Anblick nur genießen, wenn mehrere Leute einen Saunagang gleichzeitig machten und es ihr nicht auffiel, dass er sie so genau ansah.
Da war Kino besser, auch wenn sie nicht nackt dabei war, aber im Dunkeln konnte er sie ansehen, so viel er wollte und dabei seinen Gedanken nachhängen.

Jetzt ging es aber erst mal einkaufen. Er hatte so vor sich hingeträumt, dass sie ihm fast schon weggelaufen wäre, er musste sich sputen, um wieder zu ihr aufzuschließen. Das brachte ihn etwas aus der Puste, denn er war schließlich nicht so sportlich wie sie. Glücklicherweise mussten sie nicht weit laufen, um den Supermarkt zu erreichen. Der Einkauf war recht langweilig. Sie kaufte nur das Übliche, er genauso und es passierte auch nichts Besonderes. Bis auf den Vorfall an der Milchkühlung. Sie nahm doch tatsächlich die 1,5%ige Milch mit! Auch wenn sie normalerweise auf Fett, Zucker und alles dick - machende streng achtete (bei dieser Traumfigur auch nötig), so trank sie doch ausschließlich die richtige Vollmilch. Ihre einzige kleine Sünde sozusagen.
Er trat an sie heran. „Also, ich trinke ja nur die Vollmilch, diese fettreduzierte schmeckt mir nicht!“ Sie schrak zusammen und sah ihn erst etwas verwirrt an. Er hatte sofort ein schlechtes Gewissen. „Oh, Entschuldigung, so eine Reaktion wollte ich nicht erreichen, tut mir leid!“
Sie lächelte fast sofort wieder, was ihm das Herz zum schmelzen brachte! „Nein, schon gut, ich hab total geträumt, normalerweise mag ich die Milch hier ja auch nicht! Danke für`s wiederbeleben!“
Sie zwinkerte und tauschte die Milch um.
Ach, das Leben konnte so schön sein, er hatte sie wirklich ein klein wenig glücklich gemacht!
Aber der Rest des Einkaufs brachte keine zusätzlichen Freuden mehr.
Er bezahlte schon vor ihr und ging vor, denn sie musste ja noch zum Tiergeschäft und Katzenfutter kaufen. Zu Hause räumte er die Einkäufe weg und staubsaugte schon mal. Zwischendurch sah er immer mal wieder aus dem Fenster, aber sie kam und kam nicht. Er machte sich Sorgen. Oder hatte sie möglicherweise wieder diesen Kollegen getroffen? Der hatte es auf sie abgesehen! Ständig war er da, wo sie war, dauernd brachte er sie nach Hause! Das konnte wirklich nicht mehr so weiter gehen, da sollte er mal bald etwas unternehmen!
Und tatsächlich, nach über anderthalb Stunden kam sie mit IHM um die Ecke der Unterführung. Das konnte nun wirklich nicht wahr sein!! Ihm kam die so bekannte Wut wieder hoch, er ließ sie zu und überlegte, was er mit diesem Nerv tötenden Kerl anstellen könnte, damit er verstand, dass er die Finger von SEINER Süßen lassen musste. Aber das konnte er sich später überlegen, sie verabschiedete ihn vor der Tür und ging alleine hoch. Wenigstens so viel Anstand hatte er!
Er wusste, was sie heute essen wollte, sie hatte samstags immer ihren vegetarischen Tag. Also wusch er schon mal den Salat, die Tomaten, die Gurke, schnitt alles und öffnete eine Dose Mais. Zusätzlich rührte er ein Dressing an und vermischte alles ordentlich. Ein wenig ziehen sollte der Salat vor dem Verzehr auf jeden Fall.
Samstags ging er immer mit Hunger ins Bett, bei diesen Gerichten! Doch für sie tat er es gerne.
Er deckte den Esstisch, welchen er extra für sie direkt ans Fenster gestellt hatte und gab sich damit richtig Mühe.
Wo war sie denn gerade? Er fand sie im Bad, sie hatte geduscht und sich etwas hergemacht. „Ich liebe diese Frau!! Sie ist einfach wunderschön!“
Jetzt ging sie zurück in die schöne Wohnküche.
Er setzte sich an den Esstisch, blickte auf das zweite Gedeck gegenüber von seinem und wurde kurz ein wenig traurig, dass es immer ungenutzt blieb. Er aß immer alleine, aber das war nicht so schlimm, denn erstens war sie ihm im Geiste komplett nah, zweitens aßen sie immer zur gleichen Zeit immer das gleiche Essen (dafür sorgte er mit dem zeitgleichen Einkaufen und dem genauen Studieren ihrer Verhaltensweisen) und drittens würde es ab heute Abend ohnehin anders werden. Das hatte er eben entschieden, als sie schon wieder mit diesem Kerl nach Hause kam.
Er aß auf, sah dabei immer mal wieder durch das Teleskop, dass auf ihre Wohnungsfenster gerichtet war und stellte sich schon die kommende Nacht vor. Endlich sollten sie sich vereinigen. Endlich passierte das, was für sie beide immer so vorhergesehen war. Sie würde bestimmt etwas überzeugt werden, denn sie wusste ja noch nicht, wie sehr er sie liebte. Aber so, wie sie sich benahm, wenn er sie beobachtete, würde sie es auf jeden Fall danach erkennen, wie viel Glück sie miteinander hatten.
Dann würde sie auch sofort diesen komischen Kerl abschießen, da war er sich sicher!

Er wischte sich den Mund mit der Serviette ab, legte sein Besteck weg (heute konnte es mal ein wenig länger auf dem Tisch stehen, es gab etwas Wichtigeres) und zog sich sein bestes Hemd an.
Er atmete noch einmal durch, steckte die Wäscheleine, die er zur Vorsicht mal mitnahm, in die Innentasche seines Jacketts und zog die Tür hinter sich zu.

Diese Nacht würde die Nacht ihres Lebens werden, dessen war er sich sicher!