Ein Fall für Larry Crane - Teil 8
Im Kofferraum seines Wagens bewahrte Larry eine Monteursjacke und ein Basecap auf, welche ihm, in Fällen wie diesem, stets gute Dienste leisteten. Im Keller des History Department wurde er auf einen Wachmann vor einer Tür aufmerksam. Larry ging in die entgegengesetzte Richtung und verschwand in einer Kammer, die offensichtlich die letzten zehn Jahre nicht mehr gelüftet worden war. Es roch modrig und staubig. In den Regalen stapelten sich absonderliche Gegenstände, die höchstens ein von Triebhaftigkeit belasteter Priester seiner Domina vorlegen würde. Larry konnte sich wirklich nicht erklären, was Historiker mit etwas anfingen, das wie ein Keuschheitsgürtel aussah. Stirnrunzelnd zog Larry einen der unzähligen Kartons, ‚Kantschu Kosmetikversand‘ stand darauf, heran, prüfte seine Stabilität und schob ihn in die Tür. Er setzte sich versteckt darauf, aber so, dass er es mitkriegte, wenn etwas passierte.
Larrys Kopf war schon einige Male weggesackt, als Bewegung im Flur aufkam. Ein schwarz gekleideter Typ verwickelte den Wachmann in ein Gespräch. Larry konnte nicht verstehen, worum es dabei ging. Währenddessen pirschte sich eine zweite Gestalt von hinten an den Wachmann heran und zog ihm mit einer Eisenstange eins über. Larry befühlte seine Kloßbeule und ihm schwante Übles. Dann brachen die beiden die Tür, vor welcher der Wachmann postiert hatte, mit eben dieser Eisenstange auf. Larry hörte Rumpeln und dann mehrere dumpfe Schläge, vermutlich ebenfalls von ihrem Brachialwerkzeug. Gleich darauf stürmten die beiden schwarz gekleideten Gestalten auch schon aus dem Raum und rannten aus dem Gebäude. Und Larry war ihnen auf den Fersen.
Sie fuhren nach Lower Ninth Ward, wo sie in einer Spelunke verschwanden. Larry betrat, ohne Monteursjacke aber mit dem Basecap, schleppend die Kneipe und setzte sich an den Tresen. Es war eines dieser Lokale, in denen die ewig gleiche Kundschaft auf den immer gleichen Plätzen hockte und jeden schief anstarrte, der nicht zur Stammkundschaft gehörte – so wie Larry jetzt. Er ließ sich dadurch nicht beirren, zog kräftig den Rotz hoch und bestellte selbstsicher ein Bier für sich und seinen Nebenmann. Als sich ein bärtiger Alter am anderen Ende des Tresens räusperte, tippte Larry grüßend an sein Cap und schon war er einer von ihnen.
„Sind hier nicht gerade zwei schwarzgekleidete Kerle reingekommen?“, fragte Larry den bierzapfenden Wirt hinter dem Tresen. Dieser nickte in den hinteren Teil der Kneipe, wo sich eine abgetrennte Sitzecke befand. Dort hockten die beiden Typen zusammen mit einem dritten. Larry begab sich zum Nachbartisch und lauschte.
„Was hätten wir denn tun sollen, Boss? Das Ding war nicht zu knacken.“
„Ihr seid zwei solche Flachbrettbohrer, dass es mich wundert, wie ihr jeden Morgen in eure Schuhe kommt. Mitnehmen natürlich, den ganzen Kasten!“
„Aber der war einbetoniert, Boss. Das kann man höchstens aufsprengen.“
Der Boss schnaufte. „War ja klar, dass ihr gleich die endgültige Lösung bevorzugt. Das haben wir gemeinsam. Aber es muss doch sicherlich irgendwo einen Schlüssel für den Kasten geben.“, zischte der Boss.
„Also ich hab da kein Schloss gesehen. Du, Lenny?“ „Nein, da war nichts, Boss.“
Larry empfand ein gewisses Mitleid für den ‚Boss‘. Die beiden waren wohl nicht die Hellsten, aber einen besonderen Respekt vor ihnen und ihrer Eisenstange wahrte er dennoch.
„Also wollt ihr beiden Leuchten mir weis machen, dass es sich da um einen unzerstörbaren, einbetonierten, von Zauberhand versiegelten Kasten handelt. Ja?“ Der Boss wurde langsam ungehalten. „Ich will dieses Teil haben, koste es was es wolle. Wenn ich es erst in den Händen halte, werde ich wieder ganz oben mitspielen. Mit ihm als Sicherheit kann mir nichts mehr passieren. Er ist DAS Schutzschild für Kaufleute und Diebe. Ihr werdet es schon sehen.“
„Na, wenn das so ist, können Sie ja ein Geschäft aufmachen, Boss.“
„Ich HABE bereits ein Geschäft und ihr beide seid meine Angestellten. Und eure Aufgabe ist es, den Stab zu beschaffen. Schon vergessen?“ Der Boss merkte, dass er laut geworden war und dämpfte die Stimme wieder. „Ihr fahrt jetzt dorthin zurück und knöpft euch diesen Professor vor. Er wird wissen, wie man an das Teil rankommt. Dann schnappt ihr es euch und verschwindet. So einfach ist das.“ Dieser Boss war ein ebenso naiver Einfaltspinsel wie seine ‚Angestellten‘. Wie der Herr, so das G‘scherr, traf hier vollkommen zu. Larry schüttelte innerlich den Kopf und leerte sein Bier in einem Zug.
„Wenn Sie es sagen, Boss.“ „Ist geritzt, Boss!“ Die beiden trollten sich und ein wenig später verließ auch Larry die Kneipe.
Auf dem Weg zur Universität suchte Larry abermals eine Telefonzelle auf und wählte mal wieder Inspector Blueberrys Nummer.
„New Orleans Police, Zwölfter District, Inspector Blueberry am Apparat.” Sein Tonfall war wie immer diktatorisch.
„Crane, hier. Inspector, Sie sollten einen Streifenwagen zum History Departement der University schicken. Fragen Sie nicht, ich bin auf dem Weg dorthin und es ist verdammt brenzlig.“ Damit hängte Larry ein und stürmte bereits wieder zum Wagen. Er würde es nicht mehr schaffen, vor den beiden Flachbrettbohrern an der University zu sein, aber immerhin vor der Police wollte er dort eintreffen. Die sollten ihm auf gar keinen Fall die Tour vermasseln, so hilfreich es auch war, sie als Rückendeckung zu wissen.