Wonderful Life
Du liegst in meinen Armen und atmest heftig. Mein Rücken presst sich gegen das feuchte Gras, damit ich Dir Halt geben kann, ich höre Dein Keuchen, das die Luft hektisch in Deine Lungen zieht. Hier, hinter dem kleinen Hügel, wohin wir uns zurückgezogen hatten, spüre ich Dein Beben und Zittern. Kalter Schweiß, der durch grenzenlose Anstrengung aus den zahllosen Poren Deiner Haut tritt, dringt durch den dünnen Stoff Deines zerrissenen Hemdes in meine Handflächen. Ich löse meine Hand für wenige Sekunden, um diese Feuchtigkeit der Luft auszusetzten, damit sie verdunsten kann. Schnell reibe ich meine Finger aneinander, gleite mit ihnen über die Handinnenfläche und spüre, wie sich die feuchten Stellen auflösen. Sofort lege ich meine Finger zurück auf Deinen zitternden Körper, ich möchte Dich spüren, Dich an mir wissen, die Verbindung soll nicht unterbrochen werden. Deine Haut ist trotz des Schweißes warm und ich kann Deinen Geruch einatmen. So lange schon bist Du mir vertraut. Unter hunderten Menschen würde ich Dich erschnuppern können. ‚Seit ewig langer Zeit bist Du an meiner Seite‘ denke ich wehmütig, während ich auf Deinen Kopf hinabschaue, der jetzt auf meinen Oberschenkeln ruht. Deine dunklen, wilden Locken sind zerzaust, wie immer. Ich kenne Dich nicht anders. Schon immer waren Deine Haare der ungezähmte Ausdruck Deiner Persönlichkeit. Nichts und niemand hat Dich aufhalten können, draufgängerisch hast Du Dich jeder Situation gestellt. ‚Handeln – nicht denken‘. Das war schon immer Dein Motto. Heiß durchströmt mich eine Welle tiefster Emotionen, wenn ich an unsere gemeinsamen Jahre denke. Nur selten waren wir für längere Zeit getrennt und wenn, hielten wir stets engen Kontakt, je nach gegebener Möglichkeit.Du hustest und ich kehre zurück aus meinen Tagträumen der Vergangenheit. -Stöhnend wendest Du Dein Gesicht in meine Richtung. Es strengt Dich an, Deinen Kopf zu heben, gleichzeitig presst Du die Hand fest auf Deine Brust. Erneut erschüttert ein Husten Deinen Körper, dessen Beben ich bis in meine Wirbelsäule spüre, das dann im Boden versickert. Glasig sucht Dein Blick Halt in meinem. Ich erwidere Dein Suchen mit einer krampfhaft aufgesetzt guten Miene zum bösen Spiel. Ein wissendes Lächeln umspielt Deinen Mund, das für wenige Sekunden Dein verzerrtes Gesicht entspannt. ‚Oh Gott, ich will ihn nicht verlieren. Bitte, bitte tu mir das nicht an. Er ist noch zu jung, die Zeit mit ihm war einfach zu kurz….‘ schicke ich meine verzweifelten Gedanken gen Himmel, als ich Dich betrachte. Ich weiß, sie werden nicht erhöht und mein Blick fällt auf das, was mich derart in Sicherheit wiegen lässt. Ich sah die klaffende Wunde in Deinem Bauch, aus der Dein Leben unaufhaltsam aus Dir fließt. Dein verfluchtes Herz pumpt das Blut, das Dich am Leben halten soll, kräftig und unermüdlich aus Deinem Leib. Der graue Verband, den ich Dir umband, direkt auf Deinen offenen Leib presste, ist völlig durchnässt von Deinem pulsierenden Lebenssaft. Dieses verdammte Schrapnell. Gnadenlos. Du hattest nicht die geringste Chance.
„Herrgottnochmal!! Warum musstest du auch mal wieder den Helden spielen?“ schreie ich meine Wut, meine Angst, meine Liebe heraus. Das typische, nur Dir eigene Lachen verlässt Deine krustigen Lippen, Du röchelst, Deine trockene Zunge klebt am Gaumen. Deine leisen Worte dringen zäh durch das anhaltende Krachen der Geschütze in unmittelbarer Nähe: „Wir sehen uns in der anderen Welt, Bruder“. Ich nicke weinend und streiche verklebte Haarsträhnen von Deiner Stirn, fixiere Deinen ängstlichen Blick, der langsam bricht. Ich begleite Dich ein kleines Stück des letzten Weges, Du bist nicht allein.
© Lys 1/2011