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Keltenblut

****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Keltenblut
Der Mond prangte voll vom Himmel, als Ceridwen ihr Gesicht dem Himmelsgestirn zuwandte. Sie fror, schlang ihre Arme um die mageren Hüften und spürte die Gänsehaut schmerzhaft über ihren Körper ziehen. Das dünne gewebte Kleid, das nur von einem geflochtenen Band um ihre Körpermitte gehalten wurde, bot keinerlei Schutz gegen die kühle Nachtluft. Sie hockte hinter einer gefallenen, dicken Eiche. Der uralte Baum lag schon seit vielen Jahren im Unterholz des Waldes und bot einigen kleinen Tieren Unterschlupf. Ceridwen warf einen kurzen Blick auf die knorrige Rinde des Baumes, der ihr Schutz vor dem bot, was vor ihr geschah. Die nur schwach vom Mondlicht beleuchtete Rinde bewegte sich, zumindest vermittelten dies die winzigen Bewohner des Holzes, die über ihre Heimstatt krabbelten. Ceridwen musste sich schütteln bei den Gedanken an diese Kerbtiere, doch hatte sie keinen weiteren Sinn dafür, sich darum Gedanken zu machen.

Sie wusste nicht genau, wie lange sie schon im Wald ausharrte, wenn sie jedoch an den Ritus dachte, musste es ungefähr eine Woche her sein, dass ihr geliebter Mann Gwydion gestorben war. Sie harrte so lange in diesem unheimlichen Wald aus, weil sie wusste, dass sie hier her kommen mussten, um Gwydion in seinem Hügelgrab beizusetzen.
Ceridwen verlor sich in Gedanken, an den Tag seines Todes. Er kam schwer verwundet aus einer Schlacht zurück. Sie kannte sich ein wenig aus in der Heilkunst ihres Volkes und wollte für ihn heilende Kräuter besorgen, um seine Wunden zu versorgen. Doch wurde ihr diesmal noch deutlicher klar gemacht, dass ihre Künste nicht erwünscht seien. Jetzt, in einem Zustand der Ohnmacht Gwydions, zeigten die anderen Dorfbewohner ihren blanken Hass Ceridwen gegenüber. Sie war keine von ihnen.
Gwydion hatte sie von einem Eroberungszug mitgebracht. Seine Männer fielen brandschatzend und laut brüllend in das Dorf ein, in dem sich zu diesem Zeitpunkt nur Frauen, Kinder und Alte aufhielten. Ihre Männer waren ebenfalls unterwegs, um Beute zu machen. Sie würden vor Wut beben, wenn sie von diesem Zug zurückkämen.
Gwydion entdeckte Ceridwen in einer Hütte, die dem Häuptling des Dorfes gehörte. Stolz, als Tochter des Dorffürsten, stand sie ihm gegenüber und zeigte unerschrocken ihre geballte Faust, als er laut lachend auf sie zuschritt, mit seinen kräftigen Pranken ihre schmale Taille umfasste und sie sich über die Schulter warf. Sie schrie laut, hämmerte mit ihren Fäusten auf den breiten Rücken, der unter einem dicken Fell verborgen war und gab jedoch rasch auf, als sie merkte, dass ihre Attacken nutzlos waren.

Anfangs hielt sie es aus, ihren Trotz und ihre Wut aufrecht zu halten, doch Gwydion behandelte sie ausgesprochen höflich und zuvorkommend, was sie nicht verstehen konnte. Die Anfeindungen der anderen Dorfbewohner, besonders der jüngeren Frauen hingegen, konnte sie sehr gut nachvollziehen. Damit konnte sie leben, mochte sie doch niemanden aus dieser Sippe. Am schlimmsten war der Druide. Mit seinem stechenden Blick schien er tief in ihre Seele einzutauchen, schnitt ihr mit jedem seiner Blicke ins Herz, so wie er die Misteln mit seiner scharfen goldenen Sichel von den Bäumen trennte. Dieser Druide schien überall zu sein. Ceridwen fühlte sich stets beobachtet, wenn sie im Dorf ihre Arbeiten verrichtete. Beim Wasserholen, wenn sie das Schwert Gwydions zum Schmied brachte, damit dieser es schärfte, oder wenn sie den anderen Frauen half, Nahrung zuzubereiten – immer hatte der Druide sie im Blick. Sie fand sich damit ab, Außenseiterin zu sein, vor allem, als sie merkte, dass sie sich in Gwydion verliebte. Er schien schon lange dieses Gefühl für sie zu hegen und freute sich, als er erkannte, dass seine Gefühle nun erwidert wurden. Sie fühlte sich sicher in seiner Gegenwart, niemand wagte es, gegen den Herrscher des Dorfes aufzubegehren. Somit auch nicht gegen sie. Zumindest nicht allzu offensichtlich. Gwydions Frau zu sein brachte ihr noch immer keine Sympathien ein, sie war und blieb eine Fremde. Viel lieber hätte die Sippe Eine der ihren in dieser Position gesehen. Dies spürte Ceridwen jeden Tag. Doch ihr Stolz, dass ausgerechnet sie von ihm ausgesucht worden war, half ihr über sämtliche Schwierigkeiten hinweg.

Kurz bevor Gwydion in diese schreckliche Schlacht gezogen war, stellte Ceridwen fest, dass sie ein Kind unter ihrem Herzen trug. Sie wollte es ihm jedoch erst mitteilen, wenn er wieder heimgekehrt war. Er sollte sich in der Schlacht nicht mit diesem Wissen belasten und vielleicht ablenken lassen. Damit nicht das eintrat, was nun doch geschehen war. Ceridwen sah wieder Gwydions blasses Gesicht auf dem schmalen Lager und wie sie ihre Hand unbewusst auf ihren leicht gewölbten Unterleib legte. Schweißbedeckt war Gwydions Körper, mit unregelmäßiger Atmung. Die tiefe Wunde in seiner Brust blutete und wollte sich nicht schließen, so starb Gwydion viel zu schnell mit dem Schwinden seines Lebenssaftes.
Die Kräuter, die ihr bekannt waren, die sie anwenden wollte, hätten gewiss geholfen die Blutung zu stillen, doch der Druide, der sie genauestens beobachtet hatte, packte sie hart am Arm, zog sie vom Lager weg und verbot ihr jegliche Einmischung in seine Künste. Er flüsterte ihr zu, sie solle nur nicht glauben, jetzt, da sie die Frucht des Anführers in sich trug, dass sie und das Kind hier im Dorf sicher seien. Sobald Gwydion bestattet sei, würde ein neuer Anführer gewählt werden und sie hätte niemanden mehr, der sich um sie kümmern würde. Und ihr Bastard würde nie ein Anrecht auf die Stellung seines Vaters haben.
Ceridwen verspürte Schwindel bei den hart gezischten Worten des Druiden, drehte sich wortlos um, blickte noch einmal über ihre Schulter auf ihren toten Mann und rannte aus ihrem Haus, hinaus in den Wald. Sie hatte dort eine Stelle entdeckt, an die sie sich zurückzog, wenn ihr alles zu viel wurde. Wenn Gwydion auf Beutezügen war, kam sie oft hierher. Sie lehnte sich an die alte Eiche, weinte um ihren Liebsten, um ihr Leben und das Leben ihres Kindes, das nun völlig unsicher war.

Diese Eiche war die, hinter der sie nun in der Dunkelheit kniete, gegenüber des Hügelgrabes, welches in wenigen Momenten Gwydion für immer von ihr nehmen sollte. Eine lange Prozession, mit Klageweibern und Fackelträgern brachte den vorbereiteten Leichnam ihres Mannes, verschwand in dem riesigen Hügel und übergab den toten Körper Gwydions den Göttern. Ceridwen wurde bewusst, dass sie nun für immer von hier verschwinden musste. Konnte sie in den letzten Tagen im Dorf immer wieder etwas zu Essen stehlen, würde ihr dies ab jetzt nicht mehr möglich sein. Würde sie entdeckt, bedeutete dies ihren sofortigen Tod. Wieder strich sie über ihren Leib, hoffte dem Kind ginge es gut und es fand die Wärme, die sie selbst so sehr vermisste. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Zurück in ihr altes Dorf konnte sie nicht. Wusste sie doch nicht, ob überhaupt noch jemand lebte, der sie kannte und falls ja, würden sie nicht auch Hass ihr gegenüber empfinden, da sie mit dem Anführer der Mörder verheiratet war? Nein, sie würde gehen. Weit weg würde sie laufen, in den Süden, wo es warm war, dort wo sie ihr Kind gebären und aufziehen konnte. Und sei es allein, im Wald. Sie würde es schaffen. Sie wollte es schaffen. Gwydion hatte ihr gezeigt, wie stark sie sein konnte und dies wollte sie weiterführen, wollte sein Erbe nicht entweihen.
Sie hörte das monotone Singen des Fackelzuges, der aus dem Grabhügel herauskroch und, bis auf wenige Männer, den Weg zurück ins Dorf einschlug. Ein paar kräftige Krieger verschlossen den Eingang des Grabes, Gwydion war nun endgültig in der Welt der Götter. Ceridwen weinte erneut, kauerte sich hinter ihre Eiche um zu warten, bis der letzte Dorfbewohner verschwunden war.

Warme Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht weckten sie. Ceridwen war eingeschlafen und blickte sich rasch um, ob sie unentdeckt geblieben war. Nichts Ungewöhnliches war zu hören, nur das leise Rascheln des Windes in den Wipfeln der Bäume, einige vorlaute Vögel begrüßten zwitschernd den neuen Tag. Ceridwen atmete tief ein, sog die moosige Luft in ihre Lungen, spürte wie sich ihre Wangen spannten, auf der ihre Tränen getrocknet waren. Ihr Magen knurrte laut, Durst hatte sich auch. Sie musste aufstehen und ihr neues Leben beginnen. Vorsichtig erhob sie sich, noch immer gebeugt, bis sie sich sicher fühlte und sich aufrichtete.
Vor sich auf dem Laubboden lag ihr langer Schatten. Ihr einziger Begleiter von nun an, der das Licht fürchtete und sich doch in der Dunkelheit davon stahl, in die unbekannte Welt des Schattenreiches. Er glitt vor ihr her, auf dem Weg zu Gwydions Hügelgrab. Sie wollte sich wenigstens hier von ihm verabschieden, wenn es ihr an seinem Todestag schon nicht erlaubt war. Sie lief um das kuppelförmige Gebilde herum, stoppte an der Stelle, die von den Männern des Dorfes mit zwei übermannsgroßen Steinplatten verschlossen worden war.
Ceridwen fühlte ein Kribbeln in ihrem Nacken, drehte sich blitzschnell um, weil sie fürchtete, jemand stünde hinter ihr. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte niemanden entdecken. Es wäre ihr unmöglich gewesen, im dichten Unterholz überhaupt jemanden zu erkennen. Mit einem unguten Gefühl drehte sie sich wieder der Grabtür zu und legte ihre Wange an die kühlen Steine. Ihre blonden Haare fielen über den Rücken und hüllten sie ein. Sie spürte ihr Herz schlagen, stellte sich vor, dass ihr Herzschlag diese steinernen Hindernisse überwinden konnte, tief in das Grab hinein flog und für Gwydion die Musik ihres Herzens und das seines Kindes spielte. Für alle Ewigkeiten sollte dieses Pochen Gwydion an ihre Liebe erinnern. Ceridwen legte ihre Lippen auf den Spalt zwischen den Steinen, hauchte einen Kuss hinein, stricht noch einmal über die rauen Wände und verließ den Ort, der ihren Liebsten beherbergte. Ceridwen blickte in den Himmel, orientierte sich am Stand der Sonne und lief los. Dorthin wo Süden sein musste. Ihre zierlichen Füße in den geflochtenen Ledersandalen schritten leicht über den weichen Waldboden, leise knackten Äste unter ihren Sohlen, dann verschwand sie im aufsteigenden Frühnebel des Waldes.

Jemand mit stechendem Blick beobachtete sie ganz genau. Er hatte sie schlafend hinter der Eiche entdeckt, als er seine Misteln schneiden wollte. Er wusste genau, sie würde nicht einfach so verschwinden. Nun konnte er sich um sie kümmern, sein Werk zu Ende bringen. Er war wütend, als sie nach Gwydions Tod im Dorf nicht zu finden war, wusste er doch, sie durfte nicht weiterleben, niemand aus ihrem Dorf hatte damals überlebt, das Blut des Dorfes durfte nicht weiterleben. Dafür würde er jetzt sorgen. Seine Hand glitt in den Gürtel seines Gewandes, fand den Griff seiner Sichel, zog diese aus dem Bund und blickte sie an. Sein Daumen strich prüfend über die frisch geschärfte Klinge und als ein dünner Blutfaden aus seiner Haut quoll, lächelte er zufrieden. Mit diesem grausamen Lächeln auf dem Gesicht hetzte er los, auf der Jagd nach seinem nächsten Opfer.
*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Boah wie fies *oh*

Gut ge- und beschrieben, auch die dauernde Missgunst. Wenn man erst mal angefangen hat, hört man nicht mehr auf trotz der Länge.

Was gäbs zu meckern? Ein paar mehr Details würden das Ganze noch keltischer machen, zB zu Kleidung, Hausformen oder ein paar Utensilien.

Der letzte Satz sitzt irgendwie nicht hundertprozentig, finde ich. Die Formulierung

… auf der Jagd nach seinem nächsten Opfer.

ließ mich kurz denken »Welches nächste Opfer? War dieser Sith-Miraculix nicht hinter Ceridwen her?«. Da ist auf einmal die Nähe verschwunden, die du mit der Beschreibung seines Auflauerns erzeugt hast.
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Ich danke Dir christian. Du hast mich genau da erwischt, wo ich selbst haderte.

Die Details lagen schon bereit, standen schon in Sätzen, doch als ich merkte, der Text wurde so lang, was gar nicht geplant war, hab ich sie weggelassen, was mich jetzt selbst ärgert, denn nun ist diese Geschichte fast übertragbar. Ich wollte vor allem das Zwischenmenschliche hervorheben, doch hab ich jetzt gesehen, dass die Details, die nicht erwähnt wurden, darunter litten.

und genau dieser letzte Satz, an dem hab ich hin und her gewerkelt und passt immer noch nicht *headcrash*. Die Aussage sollte sein, dass der Druide eben nicht nur sie auf dem Kerbholz hat(te), sondern wollte auch dem Leser offen lassen, ob er eine Verbindung zum Tod Gwydions knüpfen will.

Lys, die sich entschlossen hat, mitten in der Nacht keine Geschichten mehr zu tippen, bzw. lieber vor dem Einstellen nochmal drüber zu schlafen *g*
erotische Vorliebe
******_bl Frau
396 Beiträge
Ein so umfassendes Thema ist fast nicht in einer Kurzgeschichte unter zu bringen. Daraus könnte man problemlos ein Buch schreiben. Dein Text könnte die Zusammenfassung - der Klappentext sein.

Den Hass des Druiden hast du gut rüber gebracht. Gerne hätte ich gewusst, woher dieser Hass kam.

Bonnie
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Ich hätte auch gerne noch mehr über den Druiden und das Dorf und seine Bewohner erfahren. Halte dich nicht zurück bei solchen Themen, auch wenn es dann keine Kurzgeschichte mehr ist.
Du erzählst sehr lebendig. *top*

Liebe Grüße
Herta
Da möchte ich gerne wissen, wie es weiter geht!

Ein interessanter Anfang für eine lange, lange Geschichte voller Liebe und Hass, Verfolgung und Heimfinden, Rache wird wohl noch folgen ...

Ein klein wenig noch auf die Zeitformen achten, es ist ja richtig, dass du aus der Gegenwart heraus die Vergangenheit beschreibst. Aber manchmal gerät das durcheinander.

Und ich glaube, das:
Viel lieber hätte die Sippe Eine der ihren in dieser Position gesehen.

Müsste heißen:
Viel lieber hätte die Sippe eine der Ihren in dieser Position gesehen.

Es wäre schön, eventuelle Fortsetzungen hier lesen zu dürfen.
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Bonnie - ich wusste vor lauter Ideen gar nicht mehr, wo ich was kürzen konnte. War dann letztendlich wohl ZU eifrig gewesen *g*

danke Herta *herz* weißt ja wie es ist.... *gg* wenn frau einmal anfängt....

Gud_Rune, ich hoffe, ich hab das mit den Zeiten im jetzigen Teil besser im Griff (bin eben ein unverbesserlicher Fall für einen Lektoren *g* )
und freue mich, dass ich Euch eine Fortsetzung, bzw. eine Rückblende präsentieren kann.

Lys
die hofft, dass es nicht ausartet in einen erneuten Mehrteiler *rotwerd*
muss doch erst noch Balthasar erlösen....
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Keltenblut 2

Nathair hetzte durch das Unterholz, das sich immer wieder in seinem schwarzen Leinenumhang verfing. Ungeduldig zerrte er an dem Stoff und wickelte sich fester darin ein. Die Sichel in seiner Hand leuchtete auf, sobald einer der ersten Sonnenstrahlen, die es schafften durch die Baumkronen zu brechen, auf das Metall traf. Sein Atem ging nur wenig schneller, war er es doch von jeher gewohnt, lange Märsche durch die Keita, die Wälder rund um sein Dorf, zu bewältigen. Die Wälder waren geschützte Orte, voller Geheimnisse und verborgenen Wissen.
Er musste Ceridwen einholen, sie durfte ihrem Schicksal nicht entkommen. Er selbst hatte für dieses Schicksal gesorgt – damals, als sein Bruder Muirfinn heiratete. Die wunderschöne, elfengleiche Vika. Wieder schoben sich die Bilder der damaligen Hochzeit vor Nathairs Erinnerungen, die er für immer verdrängt geglaubt hatte. Doch dann kam sie - Ceridwen - und die Erinnerung kehrte wieder. Ausgerechnet sie musste Gwydion mitbringen, von dem Beutezug in das Dorf Akena, das Reich Muirfinns. Nathair schwieg, als die Krieger des Dorfes im größten Rundhaus zusammenkamen und den Plan für den Überfall ausheckten. Er wollte sich nicht die Schwäche leisten, um Gnade zu bitten für das Dorf seines Bruders, seiner Schwägerin und deren gemeinsame Tochter Ceridwen. Nathair musste dem Schicksal erneut seinen Lauf lassen. Überschäumende Wut überkam ihn, Wut auf Gwydion, weshalb er sich ausgerechnet dieses Dorf ausgesucht hatte. Es gab keinen Grund, keine Feindschaften unter den Dorffürsten. Das Dorf lag nur einen Tag entfernt, somit diente es als erreichbares Ziel. Allerdings verspürte er ein wenig Genugtuung seinem Bruder gegenüber. Hatte Muirfinn ihm, Nathair, doch etwas genommen, was ihm alles bedeutete, und dieser Verlust ließ sein Herz für immer versteinern.

Nathair kniff seine Augen zusammen, als er das golden glänzende Haar Ceridwens im dunklen Grün des Waldes erkannte, die Bäume umrahmten sie wie Beschützer, die sie auch waren. Sie und ihr Kind würden den morgigen Tag nicht mehr überleben und Nathair hatte seine Rache. Endlich.

Er sah Muirfinn, der während des Hochzeitsrituals Hand in Hand mit Vika verbunden war. Für immer. Für alle Ewigkeiten. Nathair presste seine Kiefer bei diesem Anblick so fest zusammen, dass ihm ein Backenzahn brach, der ihm noch lange Schmerzen bereitete. Diese nahm er jedoch willig hin, als Erinnerung des Hasses auf seinen Bruder. Er betrachtete die zeremonielle Schwertübergabe, als Vika ihrem Angetrauten dieses Symbol überreichte, mit dem er ihre Liebe beschützen und verteidigen solle. Dann zerrissen sie das Brot, teilten es ebenso wie den Wein, um ihr Zusammenleben zu symbolisieren. Nach der Zeremonie sprangen beide noch über den Besen und pflanzten ein Bäumchen, an das die Wunschbänder, die den Gästen vorher ausgeteilt wurden, gebunden wurden, versehen mit vielen guten Wünschen. Nathair lächelte für die Anwesenden, doch sein Wunsch bestand aus einem Fluch. Dem Fluch, dass das Kind, das Vika ihrem Mann, seinem Bruder, schenken würde, ewiges Unglück auf sich ziehen solle.
Die Feier dauerte zwei volle Tage, so wie es sich für einen Stammesfürsten gehörte. Kurze Zeit später wurde die freudige Nachricht verkündet, dass Vika ein Kind erwartete. Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich Nathair, das Dorf Akena für immer zu verlassen. Er wollte bei diesem vermeintlichen Familienglück nicht mehr Zuschauer sein müssen. So kam er in das Dorf Athol, bot sich dem Häuptling, Gwydion, als weiser Druide an. Der Zufall wollte es, dass der alte Druide des Dorfes vor kurzem in die Anderswelt eingetreten war, somit war er erfreut, so schnell Ersatz gefunden zu haben. Gwydions Zweifel über Nathairs Namen, der so viel wie „Schlange“ bedeutete, verteilten sich rasch, als er mit ansehen konnte, wie talentiert Nathair als Heiler war. Die schlimmsten Wunden der Krieger konnte er heilen. Keiner der verletzten und von Nathair behandelten Krieger starb an seinen Kampfwunden. So stand Nathair hoch im Ansehen des Dorfes. Das jedoch sank bei Gwydion, als dieser Ceridwen, diese Unglückselige, in das Dorf brachte. Sein eigener Fluch wirkte, doch mehr auf ihn, Nathair, als auf Ceridwen. Seine Gunst schwand, als Gwydion nur noch Augen für seine junge, hübsche Frau hatte. Jeden Abend opferte Nathair dem Gott Cromm Cruach, im Kreis der dreizehn Steine und bot ihm die Seele Ceridwens an. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann Cromm Cruach sie sich holen würde. Doch verging Nathair zu viel Zeit bis dahin.
An dem Tage, als Gwydion verletzt aus dem Kampf kam, der Tag, als das Dorf seines Bruders überfallen wurde, wusste Nathair, dass der Tag endlich gekommen war, Rache zu nehmen. Ceridwen wollte ihre Kräuter für die schrecklichen Wunden im Körper ihres Mannes einsetzen, und diese hätten womöglich noch Heilung verschafft.
Dies ließ Nathair nicht zu. Nathair sorgte dafür, dass sich die Wunden des Fürsten nicht mehr schlossen. Schnell floss das Leben aus dem kräftigen Mann, der ihm einst ein neues Leben in seinem Dorf ermöglichte. Nathair packte Ceridwen, als er bestürzt ihre unbedachte Handbewegung bemerkte. Sie strich über ihren Leib, wie es nur Schwangere taten. Das war zuviel für ihn. Er zischte ihr harte Worte ins Ohr, sah wie sie erbleichte und aus dem Rundhaus eilte, das das Heim der beiden darstellte. Doch nicht mehr für lange.

Er tat vor den treuen Kriegern des Fürsten betrübt, deutete Trauer an, doch in seinem Herzen frohlockte die Rache. Das Getuschel der Dorbewohner über das Verschwinden Ceridwens überhörte er geflissentlich, niemand würde es wagen, ihn danach zu fragen, geschweige denn, ihn damit wirklich in Verbindung zu bringen.
Er kümmerte sich fürsorglich um den Leichnam seines Fürsten, damit er in einer Woche seine ewige Ruhe bei den Göttern finden konnte. Er besorgte sich bei den Weibern im Dorf ordentliches Leinen, in das er den Toten sorgsam einwickelte, orderte beim Schmied, dessen offenes Haus mit dem ewig brennenden Glutfeuer nur wenige Schritte vom Heim des Fürsten lag, ein prunkvolles Schwert als Grabbeigabe, wie es für einen Mann seines Standes gemäß war.
Nathair hörte mehrere Tage das metallische Hämmern aus der Schmiede. Ab und zu lief er durch das Dorf, das kreisförmig angeordnet und durch eine hohe Mauer eingefriedet war. Die Häuser bestanden fast ausschließlich aus den üblichen Grubenhäusern mit den tief gezogenen Dächern. Es wirkte, als würden sie sich gegenseitig aneinanderlehnen, zum Schutz vor eventuellen Angriffen. Soweit Nathair wusste, wurde dieses Dorf noch nie überfallen. Im Gegensatz zu dem seines Bruders. Alle Frauen und Kinder wurden damals ermordet. Nathair konnte sich den Zorn der heimkehrenden Männer und seines Bruders vorstellen, als diese ihre Familien nur noch tot auffanden. Er wünschte sich, sein Bruder würde sich dafür rächen. Jetzt wäre ein geeigneter Zeitpunkt dafür, ein Dorf ohne Fürsten war verwundbar. Nathair würde dafür sorgen, dass Muirfinn davon erfahren würde.

Am Tag der letzten Zeremonie für Gwydion nahm Nathair morgens einen Gerstenbrei zu sich, der ihm jedoch wie ein Stein im Magen lag. Er war angespannt, hoffte, das alles schnell hinter sich zu bringen. Die kräftigsten der Krieger betraten mit gesenktem Haupt das Haus des Fürsten. Es waren große Kerle, mit langen Haaren, tiefen Furchen in den Gesichtern, die durch lederne Haut gezeichnet waren. Dunkle Felle lagen um die breiten Schultern, die die Männer noch massiger wirken ließen, lange Schwerter hingen seitlich ihrer Hüften an Gurten. Sie hatten grobe Hände, mit denen sie nun nach dem fertig präparierten Leichnam griffen, um ihn auf ihren Schultern zu Grabe zu tragen. Diese letzte Ehre wollten sie ihm erweisen und nicht wie üblich, den Toten auf einem Wagen zu transportieren. Nathair trat hinter den Kriegern aus dem Haus. Sämtliche Bewohner des Dorfes schienen versammelt zu sein. Klageweiber stimmten in das typische Geheul für die Zeremonie ein und dieses begleitete den Zug hinaus in den Wald. Gwydion hatte schon lange angeordnet, nachdem er Fürst geworden war, dass ein prächtiger Hügel für ihn erbaut werden sollte, in dem er einst den Göttern gegenüber treten wollte. Nun war es so weit.
Majestätisch erhob sich die Kuppel vor ihnen, die inzwischen mit saftigem Gras bewachsen war. Die schweren Steinplatten waren zur Seite geschoben und gaben den Eingang in das Dunkel des Grabes preis. Nur langsam gewöhnten sich die Augen der Träger an das Dunkel im Inneren, doch führten sie ihren Gang unbeirrt fort. Langsam schälten sich Einzelheiten, wie die gemalten Symbole an den Wänden, aus der Dunkelheit. Nathair erkannte einen Eber, der als Gott des Waldes verehrt wurde und ein Kriegssymbol darstellte, an anderer Stelle waren Knoten abgebildet, die dafür standen, dass sich die Seele vervollkommnen sollte. Nathair war oft während der Erbauung in diesem Grab gewesen. Gwydion bat um seinen Rat, mit welchen Zeichen er sich umgeben sollte, damit die Götter gnädig gestimmt wurden. Die Stirnseite des Grabes tat sich vor ihnen auf. Der Zug stoppte, die Krieger setzten ihren Fürsten vorsichtig auf ein hölzernes, mannshohes Gestell ab, bahrten ihn hier zur letzten Ruhe auf. Sein Kopf wies auf ein riesiges Keltenkreuz mit dem Kreis, das die Brücke zu den anderen Welten darstellte. Es sollte Gwydions Geist zu größerer Weisheit führen. Nathair platzierte das riesige, goldene Schwert, das der Schmied in einer Perfektion geschaffen hatte, auf die dieser sehr stolz sein konnte, auf dem Leichnam, so dass es wirkte, als würde das Schwert ein weiteres Kreuz dem Verstorbenen bilden.
Das Singen der Weiber war leiser geworden, andächtig blickten sich die verschreckten Dorfbewohner in diesem mächtigen Bauwerk um. Auf ein Zeichen Nathairs drehten sich alle gleichzeitig um, kehrten ihrem Fürsten den Rücken und verließen das Grab. Seine Krieger blieben zurück, um die schweren Steinplatten vor die Öffnung zu schieben, damit das Grab für immer versiegelt war. Während die Steine sich knirschend über den Boden bewegten, murmelte Nathair uralte Schwüre, mit denen die Götter wohlwollend gestimmt werden sollten. Mit schweren Schritten und hängenden Schultern traten die Krieger schweigend ihren Heimweg an. Sie mussten sich in den nächsten Tagen und Wochen damit beschäftigen, einen neuen Fürsten zu bestimmen, doch mit dem Herzen waren sie noch nicht dabei, waren noch nicht bereit dazu.

Nathair blickte ihnen nach und schlug selbst einen anderen Weg ein. Das Dorf seines Bruders lag in östlicher Richtung, am Meer, wie es der Name seines Bruders Muirfinn, bedeutete: wohnt am glänzenden Meer. Nathair brauchte nicht den ganzen Weg auf sich zu nehmen. Nach wenigen Stunden nur begegnete ihm einer der Alten des Dorfes, der wohl den Angriff Gwydions überlebt hatte. Dieser erkannte Nathair noch, zeigte sich ihm gegenüber jedoch misstrauisch. Dass Nathair damals ohne Abschied sein Heimatdorf verlassen hatte, machte ihn verdächtig. Doch Nathair wusste damit umzugehen. Mit schmeichelnder Stimme, gespielter Trauer und vermeintlichem schlechten Gewissen seines damaligen Verhaltens gegenüber, kam er wie beiläufig auf den Tod Gwydions zu sprechen. Er plapperte vor sich hin und bemerkte, wie auf dem Gesicht des Alten langsam der Ausdruck einsetzte, der von Nathair beabsichtigt war. Jetzt konnte Nathair gehen. Er wusste, der Alte würde Muirfinn sofort davon berichten, dass der verhasste Angreifer tot war, das Dorf nun herrenlos war.
Nathair verabschiedete sich beschwingt vom Alten und trat seinen Heimweg an. Die Nacht dunkelte als er sich dem Grabhügel näherte, doch der Vollmond wies ihm den Weg. Nathair begab sich zu einer Gruppe Laubbäume, von der er wusste, dass diese Misteln trugen. Außerdem waren diese Bäume leicht zu besteigen, daher fiel seine Wahl auf sie. Kaum hatte er die raue Rinde unter seinen Händen, hangelte er sich behände hinauf bis zur Krone. Hier hingen in prallen Büschen die Misteln, die er brauchte für seine Gebräue. Vorsichtig schnitt er mit seiner goldenen Sichel ein kleines Bündel ab, band es an seinem Gürtel fest und wollte den Abstieg beginnen, als im Mondlicht etwas Helles seine Aufmerksamkeit bannte. Er begab sich auf halbe Baumhöhe und konnte sein Glück kaum fassen. Tatsächlich. Dort lag sie und schlief. Ceridwen lehnte an der umgestürzten Eiche. Langsam kletterte er vom Baum herunter und überlegte. Er könnte sie hier sofort töten. Sie würde vom Schlaf in den Tod übergehen, er hätte erreicht, nach dem er sich so lange sehnte.
Doch die Mistel, geschnitten im Vollmondlicht, musste er in Sicherheit bringen. Sie durfte nicht mit dem Boden in Berührung kommen, sonst wäre sie unbrauchbar für das, wofür er sie benötigte. Daher eilte er zurück ins Dorf. Es war still und wirkte wie ausgestorben. Die trauernden Bewohner lagen sicher bereits in tiefem Schlaf. Das glimmende Feuer der Schmiede erhellte ein wenig die hölzernen Balken des Hauses und warf einen halbrunden Bogen in die Mitte des Platzes davor. Das Rufen einer Eule hallte über die hohe Mauer des Dorfes und drang ungehindert in Nathairs Ohren. Der Führer zur Unterwelt, die Eule. Nathair fand es äußerst passend, diesen Ruf hier und jetzt zu vernehmen.

Nachdem er seine Mistel in seinem etwas abseits gelegenen Haus verstaut hatte, machte er sich erneut auf dem Weg zum Grab des verstorbenen Stammesfürsten. Er würde dort warten, bis Ceridwen erwachte. Er wollte nichts überstürzen, sie sollte es wissen, wem sie ihr baldiges Ableben verdankte. Nathair kaute ein paar Blätter, denen nachgesagt wurde, sie hielten den Schlaf fern und er spürte die Wirkung fast sofort einsetzen. Er hockte im Unterholz, gegenüber des Einganges zum Hügelgrab Gwydions. Sein Hinterkopf lehnte an einem Baumstamm, sein Blick fixierte den Himmel. Das glitzernde Sternenzelt, von dem er hoffte, es würde ihm nie auf den Kopf fallen. Nach einiger Zeit hellte sich das Schwarz auf, wurde grau, dunkelblau dann klarte es auf. Der Tag erwachte. Nathair streckte sich und seine knackenden Gelenke, als er eine Bewegung vor dem Grab ausmachte. Es war Ceridwen. Leichtfüßig schritt sie auf die Steinplatten des Eingangs zu, lehnte sich dagegen und hielt inne. Nathair konnte sich nicht gegen einen gewissen Zauber wehren, der von ihr ausging. Ihr langes Haar, das wie fließendes Gold ihren Körper umrahmte, zeugte von Unschuld und Reinheit. Kurz flammte Zweifel in ihm auf, doch dann dachte er an das Dorf seines Bruders, an Vika und der bekannte Hass loderte erneut auf. Er duckte sich rasch, als Ceridwen sich schnell umdrehte, sich scheinbar beobachtet fühlte. Kurz darauf verließ sie den Hügel und Nathair sah ihren schmalen Körper, der ihre Leibesfrucht beherbergte, im Frühnebel verschwinden.


Nun war er hier, sie in greifbarer Nähe direkt vor ihm. Er konnte bereits ihren Geruch wahr nehmen. Schwangere rochen immer anders, daher konnten Heiler und weise Frauen sofort erkennen, ob eine Frau empfangen hatte oder nicht. Ceridwen setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, sie fühlte sich sicher und hatte ein Ziel vor Augen, was ihm jedoch verborgen blieb. Lautlos schlich er sich an sie heran. Ahnungslos lief Ceridwen über den noch feuchten Boden auf eine Lichtung zu. Nathair fasste den Entschluss, ihrem Leben noch vor der Lichtung ein Ende zu setzen. Er schritt weiter aus. Er brauchte nur noch seinen Arm ausstrecken, dann konnte er sie berühren. Ceridwen stockte, als spürte sie nun, dass sie nicht allein war. Sie drehte sich auf ihren Fersen um die eigene Achse und erschrak so heftig, dass sie begann laut aufzuschreien. Ihr gellender Hilferuf hallte in den Bäumen wider.
Nathair packte Ceridwen brutal im Nacken, zog sie an sich heran, hob seine Sichel und hielt die scharfe Klinge an die zarte Haut ihrer Kehle. Er blickte ihr in die Augen, erkannte die Angst in ihnen schimmern und genoss seine Macht. Seine Rache. Ceridwen wimmerte nur noch leise, als sie den Hass in seinem Gesicht wahrnahm. Er drückte die Sichel in die Haut Ceridwens und ergötzte sich an dem hellen Blut, das zu Tage trat. Jetzt, jetzt würde er es vollenden. Dafür, dass sein Bruder die Frau geheiratet hatte, die er, Nathair, begehrte wie noch nie zuvor einen Menschen. Dafür, dass Muirfinn dieser Frau, Vika, ein Kind in den Leib gepflanzt hatte, was seines hätte sein sollen. Die Wut in ihm brodelte und ließ ihn kraftvoll die Klinge in das zarte Gewebe der jungen Frau pressen. Ein goldener Halsreif stellte sich der Klinge in den Weg. Der schwere Reif, ein Hochzeitsgeschenk Gwydions, war vorne offen, die seitlichen Enden jeweils von Tierköpfen geziert. Diese Unterbrechung brachte Nathair an den Rand der Raserei. Er stieß einen unbeherrschten Schrei aus und setzte die blutige Klinge ein wenig höher an. In dem Moment, als er erneut die Sichel in das weiche Fleisch drücken wollte, erklang sein Name. Nathair erstarrte in dem Moment, als er die Stimme seines Bruders erkannte, die ihm mit einem harschen Befehl die Handlungsfähigkeit raubte.

© Lys 12/2010
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Der erste Teil, liebe Lys, war unfertig - man kann in dieser Kürze solch ein Thema kaum wirklich gut auf den Punkt bringen.

Aber es ist, wie auch GudRune es sieht, ein denkbarer Anfang für ein größeres Werk. Und mir scheint, da hast Du kraftvoll weitergemacht.

Jetzt will ich mehr ...

(Der Antaghar)
Genau so habe ich mir das vorgestellt. Und gern auch noch MEHR davon ...

*ja*
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Ich bin auch für das Weitermachen.
Heinrich
Mehr davon
Liebe Lys,

das ist fantastisch! Mach ein Buch draus- ich kauf es!
Mir gefällt neben Deinem fesselnden Schreibstil das vermittelte Hintergrundwissen sehr gut. Wäre für mich sehr spannend, wo in Europa und in welcher Zeit (Hallstatt oder La Téne Zeit) Deine Geschichte spielt... aber vielleicht finden sich ja in der Fortsetzung (oder im Buch *zwinker* ) noch Hinweise darauf?
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Liebe Freya, ich orientiere mich ein wenig an der Hallstattkultur, nehme mir aber einige künstlerische Freiheiten heraus, da ja leider viel zu wenig über dieses mysteriöse, mich faszinierendes Volk erhalten blieb. *g*

der nächste Teil folgt hier, und ich kann Euch sagen, dies sind nur die ersten drei Zeilen meines Notizzettels, auf dem ich Gedanken zusammenschreibe.
Der Zettel hat DIN A4-Größe....
es geht also noch weiter.
*tipp*
Lys
****ra Frau
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Keltenblut 3

Mit dem Rücken stand Nathair seinem Bruder zugewandt, hörte den Ruf Muirfinns und war für wenige Augenblicke wie versteinert. Dieser Moment verging jedoch rasch und ein grausames Lächeln überzog Nathairs Gesicht. Er zog Ceridwen fester an seinen Körper, presst die Klinge an ihre Kehle und drehte sich langsam um. Er war überrascht, als er sah, wie viele Krieger sich um seinen Bruder scharten und er in seiner Raserei nichts von deren Ankunft mitbekommen hatte. Auf dem Gesicht seines Bruders stand maßlose Wut und als sein Blick auf Ceridwen fiel, erblasste er. Erkennen ließ die Wut weichen. „Ceridwen“ flüsterte Muirfinn und sprang von seinem Pferd. Im Gegensatz zu seinen Kriegern stand ihm als einzigem ein Reittier zu. Muirfinn überragte seinen Bruder um Haupteslänge und wirkte bedrohlich, als er mit wutverzerrtem Gesicht auf Nathair zustürmte. Seine blonden Haare lagen in wilden Locken um seinen Kopf, der gleichfarbige Schnurrbart wirkte strohig und zog sich über seine Mundwinkel bis hinab zum Kinn. Er trug ein braungefärbtes Gewand, das aus Hose und einem langen Hemd bestand, beides um die Körpermitte mit einem Gürtel zusammengehalten. Am Gürtel war das übliche Schlachtschwert befestigt, über seinen Schultern hing ein leinenfarbiger Umhang, der auf der Vorderseite von einer runden, ziselierten Fibel zusammengehalten wurde.
Schnaubend stand Muirfinn vor seinem Bruder, der noch immer das irre Lächeln auf seinem Gesicht zeigte. Ceridwen begann unruhig zu zappeln, als sie ihrem Vater gegenüber stand, doch angesichts der Klinge an ihrer Kehle wagte sie sich nicht zu weiteren Bewegungen. Sie spürte warmes Blut, das aus der Wunde an ihrem Hals hinab lief. In ihren Ohren vibrierte Nathairs irres Kichern.
„Nun, Bruder“ stieß er verächtlich hervor. „Was hast du vor? Ich glaube, ich habe die besseren Argumente“ höhnte Nathair und schnitt mit der Sichelklinge eine tiefe Wunde in Ceridwens Hals. Diese sackte augenblicklich in seinen Armen zusammen, doch war sie leicht wie eine Feder, so dass er sie mühelos aufrecht halten konnte. Muirfinns Kiefermuskeln mahlten und er musste sich beherrschen, nicht sofort auf seinen Bruder loszugehen. „Das wirst du bereuen, Bruder. Wenn ihr etwas geschieht, dann bete zu den Göttern, dass ich dir nicht das Zehnfache dessen zufüge, was du ihr zufügst“ knurrte Muirfinn und das war das letzte was Nathair zu hören bekam, als er mit einem leichten Stöhnen zu Boden sackte.
Hinter ihm stand Eanruig, der mit einem dicken Ast Nathair durch einen harten Schlag auf den Schädel ins Land der Träume geschickt hatte. Muirfinn fing die bewusstlose Ceridwen auf, bevor sie auf dem Boden aufschlagen konnte. Warmes Blut sprudelte unaufhörlich aus dem präzisen Schnitt in ihrem Hals. Muirfinn presste seine riesige Hand auf den Hals seiner Tochter, um die Wunde abzudecken. „Nimm diesen Bastard, fessle ihn und bring ihn zurück ins Dorf“ befahl er Eanruig. Dieser Hüne, der seinem Fürsten zutiefst ergeben war, nickte kurz, schnürte Nathair wie ein Bündel zusammen und warf ihn über seine Schulter. Mit großen Schritten stapfte er davon in Richtung Akena.
Besorgt blickte Muirfinn auf seine Tochter, deren Haut bereits grau wurde. Er flehte Belenus an, seine Tochter zu beschützen, sie noch nicht in die Anderswelt geben zu müssen. Er bestieg sein Pferd, hielt Ceridwen auf dem Ritt ins Dorf eng an sich gedrückt. Sein Pferd hatte bereits Schaum vorm Maul, als er durch das hölzerne Tor ritt und vorsichtig vom Pferd stieg. Er rief nach Wynda, der alten Heilerin, die sich die Wunde seiner Tochter ansehen sollte.

Wynda stand auf einem knorrigen Ast gestützt vor ihrer verwitterten Hütte und winkte Muirfinn in ihre Hütte. Er legte Ceridwen auf eine Lagerstatt aus Stroh und schürte danach die kleine Feuerstelle, während sich Wynda bereits der Verletzten annahm. „Herr, geht jetzt. Ich werde mich um sie kümmern“ krächzte sie mit ihrer alten Stimme. Muirfinn warf einen letzten Blick auf Ceridwen, legte seine große Hand auf die knochige Schulter von Wynda, um ihr damit zu sagen, dass er ihr vertraute. Wynda griff nach ihrer kleinen Sichel, schnitt ein paar Kräuter von den Bündeln, die zum Trocknen unter dem niedrigen Dach hingen und warf diese in den Kessel, der über der Feuerstelle hing. Das Wasser darin kochte und nahm die Wirkstoffe der Kräuter bereits auf.
Wynda strich mit ihren krummen Fingern über das hervorquellende Blut der Schnittwunde, verteilte es über ihre Lippen und schon versiegte der rote Strom. Unter einer durchsichtigen Schicht konnte Wynda noch immer das Lebenselixier pulsieren sehen, die Heilung war noch lange nicht abgeschlossen, doch vorerst die größte Gefahr gebannt. Sie nahm einen kleinen irdenen Tiegel, der in einer dunklen Ecke lagerte, drückte ihren Mittelfinger tief in das weiche Schmalz, in das sie eine geheimnisvolle Mischung aus Kräutern und Tierextrakten eingearbeitet hatte. Diese Paste verteilte sie auf der Wunde am Hals Ceridwens, wickelte saubere Leinenstreifen darüber und deckte die Tochter des Fürsten sorgsam zu, damit sie nicht noch mehr Lebenswärme verlor.
Nun wandte sie sich dem Kräutersud zu. Wynda hatte bereits erkannt, noch bevor Muirfinn sie auf das Lager gebettet hatte: Ceridwen erwartete ein Kind. Der Geruch war unverkennbar. Sie musste vorsichtig bei der Zusammensetzung der Kräuter sein. Konnte doch die falsche Mischung dafür sorgen, dass das Kind sich aus dem Körper löste. Oft war diese Mischung von untreuen Frauen gefragt, doch nicht hier, nicht bei Ceridwen. Wynda wusste, das Kind, das Ceridwen unter ihrem Herzen trug, würde das Schicksal ihres Volkes bestimmen. Mit einem hölzernen Trinkbecher schöpfte sie den Schaum des Sudes ab, blies in die dunkelgrüne Flüssigkeit, bis sie mundwarm war. Wynda kniete sich ächzend neben Ceridwen, neigte deren Kopf etwas, um ihr den warmen Trank in den Mund laufen zu lassen. Leise stöhnend leckte Ceridwen die wenigen Tropfen gierig von ihren ausgedörrten Lippen. Wynda spürte, wie Ceridwen in ihren Armen entspannte und in einen heilsamen Schlaf versank. Wynda legte vorsichtig eine Hand auf den bereits leicht gewölbten Leib der Schlafenden. ‚Ja, es geht ihm gut. Das Kind hat nicht gelitten. Ich werde dafür sorgen, dass es überlebt‘ schwor Wynda bei Rigani, der großen Muttergöttin.

Wynda trat aus ihrer Hütte und ein Schauer jagte ihr über den Rücken, als sie erkannte, wen Eanruig über der Schulter trug. Der Krieger lief auf die Hütte zu, in der sie sonst gefangene Tiere unterbrachten. Dort waren Gelegenheiten, die Tiere anzubinden, somit wäre dort auch Nathair sicher verwahrt. ‚Ausgerechnet er. Dieser Verräter!‘ dachte Wynda wütend. Sie hatte nicht vergessen, dass der Druide das Dorf damals Hals über Kopf verlassen hatte. Sie war erleichtert, als er verschwand, war er immer schon ein unangenehmer Genosse gewesen. Sie spürte, dass Nathair etwas mit dem schrecklichen Überfall zu tun haben musste. Damals, als die Horde unter Gwydion in das Dorf einfiel und die Weiber und Kinder meuchelten, Ceridwen entführten. Vika, die Frau Muirfinns, Ceridwens Mutter, starb mit einem Speer im Herzen. Nie würde Wynda das Brüllen Muirfinns vergessen, das er ausstieß, als er mit seinen Kriegern in das zerstörte Dorf zurückkehrte und die Hinterlassenschaften der brutalen Tat vorfand.

© Lys 12/2010
****ra Frau
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Keltenblut 4

Muirfinn war beruhigt, als er aus der Behausung der alten Wynda trat. Er vertraute der Alten und ihre Worte klangen wahr. Jetzt konnten nur noch sie und die Götter helfen. Er hoffte, sie waren gnädig gestimmt. Er blieb wenige Schritte vor seinem eigenen Haus stehen und sah sich im Dorf um. Nichts war mehr zu erkennen von dem Überfall, der nur wenige Jahre zuvor stattgefunden hatte. Muirfinn wollte nicht mehr an diesen schrecklichen Tag denken, doch jetzt, da er seine Ceridwen, seine geliebte Tochter wieder hatte, kamen die Erinnerungen zurück. Er glaubte auch sie verloren, so wie er Vika, seine Frau verloren hatte.
Er sah sich selbst zu Pferde in seine brennende Hütte stürmen. Das Tier stoppte vor dem, was in der Mitte der Hütte auf dem Boden lag. Ein langer Speer ragte in die Höhe. Vika röchelte noch. Ihre schmalen Finger umkrallten den dicken Holzstab des Speeres. Sie hatte versucht, die scharfe Metallspitze aus ihrer Brust zu ziehen und hatte damit noch mehr Verheerung in ihrem Fleisch verursacht. Sie lag in einer sich schnell vergrößernden Lache aus dunkelrotem Blut. Muirfinn beugte sich über sie. Sein Blick war getrübt von zurückgehaltenen Tränen, als er das Haar seiner sterbenden Frau aus ihrem Gesicht strich. Blut verklebte die einzelnen Strähnen, es roch nach Tod. Muirfinn küsste die eiskalten Lippen seiner Frau, die bereits am Eingang der Anderswelt stand. Vika bäumte sich noch einmal auf, spuckte, hustete und ein dicker Schwall geronnenen Blutes spritzte auf Muirfinns Brust, dann brach ihr letzter Blick, der auf ihren Mann gerichtet war. Dieser legte seinen Kopf in den Nacken und brüllte seinen Schmerz hinaus. Seine Krieger kamen angerannt und erstarrten, als sie ihn erreichten. Auch sie hatten ähnliches in ihren zerstörten Hütten vorgefunden, waren voller Trauer und Zorn. Muirfinn erhob sich, wandte sich an seine Männer und forderte sie auf, in der Dorfmitte ein Feuer zu entzünden, vor dem sich die Überlebenden versammeln sollten. Er gab Anweisungen, dass die Toten ehrwürdig begraben werden sollten.

Ceridwen jedoch blieb verschwunden. Die Suche nach ihr wurde erst drei Tage später abgebrochen. Es war üblich, dass sich der Anführer der Krieger ein Andenken an seine Beutezüge mitnahm. Muirfinn vermutete, dass dies wohl seine Tochter gewesen sein musste. Die Verwüstung im Dorf und an den Häusern war unbeschreiblich. Er fragte sich, wer mit einem solchen Hass in sein Dorf eingefallen war, und vor allem weshalb. Er traute es keinem der umliegenden Dorffürsten zu, daher ergab er sich dem Schicksal, dass es umherwandernde Krieger gewesen sein mussten. Die nächsten Monate verbrachten er und seine Männer damit, das Dorf neu zu errichten und sich nach neuen Weibern umzusehen. Für ihn jedoch gab es keine neue Frau. Noch für lange Zeit nicht.
Er glaubte auch Ceridwen für immer verloren. Nie hätte er gedacht, dass Gwydion, der Fürst eines der nächsten Dörfer dafür verantwortlich war. Als der Alte ihm vor einem Tag von seiner Begegnung im Wald mit dem Druiden Nathair berichtete , dass Gwydion, der am Tod Vikas und vieler anderer Frauen und Kinder seines Dorfes schuld war, selbst verstorben war, rief er sofort seine Krieger zusammen und machte sich unverzüglich auf den Weg, um Rache zu nehmen. Dort, in der Nähe Athols entdeckte er seinen Bruder Nathair, mit der Sichel bereit, seine eigene Nichte zu den Göttern zu schicken.

Muirfinn betrat seine Hütte und setzte sich ans Feuer. Er musste nachdenken. So viele Fragen, die in ihm aufstiegen. Doch musste er warten, bis Ceridwen wieder gesund war, um sie nach den letzten Jahren zu befragen. Er starrte ins Feuer, der Rest der großen Hütte lag im Dunkeln. Muirfinn fühlte sich allein und gleichzeitig glücklich, dass seine Tochter lebte, die hoffentlich ihre Verletzung auch überlebte. Er hörte feste Schritte und wusste, wer die Hütte betreten hatte, ohne dass er seinen Blick heben musste. „Setz dich zu mir, Eanruig“ sprach er leise und beobachtete, wie der riesige Krieger in die Knie ging, sein Schwert, das am Gürtel hing nach hinten schob, sich vor das Feuer hockte und seine Hände daran wärmte.
Die zuckenden Flammen warfen Schatten auf das grobe Gesicht des Kriegers. Eanruig hatte rötliches Haar, das er mit einem langen geflochtenen Zopf auf seinem Hinterkopf zähmte. Die hellen Augen waren der Kontrast zu seiner braunen, sonnengegerbten Gesichtsfarbe. „Herr, ich habe diese Ratte in die Hütte der Tiere gebracht. Ihn mit dicken Seilen an die Wand gebunden, er kann sich nicht rühren. Alle Viere habe ich einzeln gefesselt, er kann sich nicht mal mehr an der Nase kratzen“ knurrte Eanruig. „Was hast du nun vor mit ihm? Du wirst ihn doch nicht hier behalten?“ fragte er weiter. Muirfinn dachte nach. „Ich kann es dir noch nicht sagen. Auch er hat mir noch einige Fragen zu beantworten. Weshalb er damals verschwand und weshalb er Ceridwen umbringen wollte, das sind die wichtigsten für mich im Augenblick“ antwortete Muirfinn. „Ich muss wissen, wie es Ceridwen in den letzten Jahren erging und inwieweit Nathair mit ihrem Schicksal zu tun hat. Ich will ihn hier nicht länger im Dorf haben, als es nötig ist. Wir haben zwar keinen Druiden, doch Wynda erfüllt fast alles, was ein Druide vollbringen kann, daher sehe ich auch keinen Grund, einen weiteren im Dorf aufzunehmen. Wir werden sehen, was er zu berichten hat.“
„Herr!! Du weißt, dieser….. „ Eanruig schluckte schwer und sprach verächtlich weiter „dieser Druide wird lügen, dass sich Teutates für ihn schämen wird. Wir werden nie die Wahrheit von ihm erfahren.“ Muirfinn nickte zustimmend und strich sich mit der Handfläche über seinen Bart. „Er wird für die Dauer seines Aufenthaltes hier in meinem Dorf angebunden in der Tierhütte bleiben. Er wird gefüttert und seine Notdurft hat er im Stroh zu verrichten. Er wird keinerlei Vergünstigungen erhalten. Nathair kann froh sein, dass wir ihn nicht sofort töten. Erst will ich Ceridwen gesprochen haben. Dann sehen wir weiter. So sei es!“ Eanruig wusste, damit war das Gespräch beendet und er musste die Hütte des Fürsten verlassen. Er erhob sich, drehte seinem Anführer den breiten Rücken zu und ließ ihn allein.

© Lys 12/2010
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Liebe Lys,
die Geschichte ist spannend und aufregend.
Die Gefühle der Menschen beschreibst Du auch sehr eindringlich.

Was mich persönlich ein wenig stört, ist die Recherche, was die Kelten betrifft.
Besonders, wenn Du Dich an der Hallstatt-Kultur orientierst, sind da so ein paar Fehler im Detail, die den Lesegenuss stören. Z.B. das Keltenkreuz, das erst mit den späten Kelten Irlands aufkam. Ähnlich wie die Flechtbandmuster, bekannt z.B. aus dem Book-of-Kells. Auch Ceridwen und Gwydion sind eher den Iren zuzuordnen, etc.pp.

Ansonsten verfolge ich die Geschichte gebannt!

Liebe Grüße
Rhabia
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Ich würde die Geschichte einfach von der Hallstatt-Kultur lösen und zeitlich unbestimmt stattfinden lassen (zumindest versuche ich, sie so zu lesen) - dann stören diese Kleinigkeiten nicht mehr.

Ansonsten pflichte ich Dir, liebe Rhabia, natürlich bei - auch wenn ich glaube, dass die meisten Leser das gar nicht merken, weil sie sich darin überhaupt nicht auskennen. Dennoch gehört es natürlich zum guten Handwerk einer Autorin, möglichst korrekt zu recherchieren.

Was mich weit mehr "verwundert" und erfreut: Diese Geschichte ist wirklich gut und mitreißend erzählt!

(Der Antaghar)
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Würde die Geschichte nicht "Keltenblut" heißen, sondern würde einfach nur eine gute Fantasygeschichte sein wollen, würden mich die historischen Ungereimtheiten kein bisschen stören.

Zwischen der Blüte der Hallstattzeit und der Entstehung des Book of Kells liegen aber immerhin über tausend Jahre der geschichtlichen und geistigen Entwicklung (einschließlich Christianisierung) der Kelten. Ich finde es halt immer ein bisschen schade, wenn Fehlinformationen beim unbeleckten Leser die Gewissheit hervorrufen "aha, so war das damals also".

Aber Klasse ist die Geschichte auf jeden Fall!

LG
Rhabia
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Liebe Rhabia, lieber Antaghar, danke für Eure Antworten.

Für mich ist es schwer, mich an eine Kultur zu halten, da mich viele Details interessieren und ich sie einfach mische - möglich dass dies geschichtlich ein absoluter Stilbruch ist und hoffe, es stört nicht wirklich allzu sehr.


Erst im Laufe des Schreibens habe ich mich ein wenig (für mich) festlegen wollen - die Geschichte war ja gar nicht als Lang-Geschichte geplant *rotwerd* - und zwar in Richtung Wales und Irland.
Wenn es ein wirklich historischer Roman sein sollte, hätte ich die Geschichte bestimmt anders aufgezogen. Ich wollte eigentlich "nur" den Rahmen der Keltenzeit, und nicht unbedingt zu sehr ins Detail gehen.
Wie immer jedoch, geht es mir vordergründig um die Personen.
Völlig falsch und unpassend sollte das Drumherum dennoch nicht sein, daher bin ich derzeit dabei, mich tief in die Geschichte der Kelten einzulesen und muß wieder gestehen: es ist faszinierend.

bitte um Blindheit für meine bisherigen Zeitverschiebungen. *g*

Lys

PS - werde es nach meiner Überlegung unter Fantasy laufen lassen, da ich mehr freien Rahmen brauche *g*, dennoch halte ich mich jetzt etwas enger an die bekannten Tatsachen.
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Letztlich, liebe Lys, kann man das ja trotzdem unter Fantasy einordnen und Dir eine gewisse dichterische Freiheit gewähren, finde ich. Das machen viele Autoren so, auch in manchen großen historischen Romanen, die sich in der Bestsellerliste tummeln. Da darf man oft gar nicht so genau hingucken ...

Ich muss Rhabia in der Sache an sich recht geben, aber mir trüben diese "Ungereimtheiten" keineswegs den Lesegenuß. Also lass Dich bitte nicht beirren oder Dir gar die Freude am Fabulieren nehmen! Bitte weiter so!

(Der Antaghar)
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Ich hab die Ungereintheiten gar nicht gemerkt.
Ich finde sie auch nicht so wichtig für mich, weil ich das Seelenleben und die Gedanken der Protagonisten viel interessanter finde.

Und natürlich, wie's weitergeht...

Der nächste Gang im Menü bitte! *essen* *peitsche*
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Keltenblut 5

Heiß! Ihr war unendlich heiß. Ceridwen wusste sie war in Sicherheit. Ihr Vater hatte sie in seinen Armen gehalten. In ihrer Ohnmacht drang seine Stimme zu ihr. Dann die einer Frau. Ceridwen war nicht in der Lage, ihre Lider zu heben, doch spürte sie die Anwesenheit der Frau. Kühle Finger legten sich hin und wieder auf ihre glühende Haut, kühlendes Nass benetzte ihre Lippen und immer wieder fiel sie in tiefen Schlaf, in dem wirre Träume vorherrschten. Sie träumte von kleinen Wesen, die um sie herumschwirrten, winzige Gesichtchen und Finger, die ihr über den Körper strichen. Dabei Worte flüsterten, die Ceridwen nicht verstand. Dies wechselte sich ab mit tiefem, traumlosen Schlaf.

„Wasser“ stieß Ceridwen hervor. Es war kaum mehr als ein Flüstern, doch die aufmerksame Alte hatte es vernommen. Wynda trat leise an Ceridwen heran, deren Augenlider zu flattern begannen. „Hier“ sprach die Alte leise und griff unter Ceridwens Schultern, hob sie etwas an und setzte eine Trinkschale an Ceridwens Lippen. Durch einen schmalen Spalt ihrer Lider nahm sie verschwommen wahr, dass sie in einer kleinen Hütte lag. Gierig trank sie von der kühlen Flüssigkeit, verschluckte sich und begann zu husten. Wynda richtete Ceridwen schnell auf, so dass sie sitzen konnte. Der Hustenanfall legte sich, Ceridwen griff nach dem Arm der alten Heilerin, um den Schwindel vergehen zu lassen, er sie gepackt hatte. „Atme tief ein, dann wird es dir gleich besser gehen“ riet ihr die Alte und Ceridwen folgte gehorsam.
Langsam klarte ihr Blick auf, sie erkannte die einzelnen, roh behauenen Holzbalken, aus denen die Hütte erreichtet worden war, kleine Holzgegenstände standen ordentlich in Ecken und dann blickte erstmals ihrer Pflegerin ins Gesicht. Wynda schien uralt zu sein. Ihre wässrigen Augen jedoch erfassten mit scharfem Blick jede Einzelheit Ceridwens. Tiefe Furchen zeugten von einem langen, bewegten Leben, der kleine, doch drahtige Körper, der im typischen Leinengewand steckte war gebeugt von der Last der Jahrzehnte. Ceridwen empfand keine Angst. Hätte die Alte doch genug Möglichkeiten gehabt, ihr zu schaden.

‚Mein Kind’ schoss Ceridwen durch den Kopf und sie richtete sich so grade auf, wie es ihr geschwächter Körper vermochte. „Es geht ihm gut, Ceridwen. Vertrau mir. Ich habe mich um euch beide gut gekümmert. Leg deine Hand auf deinen Leib, du kannst es inzwischen spüren. Du hast viele Wochen geschlafen. Ich habe dafür gesorgt, dass sich dein Körper von den Anstrengungen der letzten Zeit erholen konnte“ kam Wynda der Frage Ceridwens zuvor. Wynda nahm Ceridwens rechte Hand und legte sie auf die Wölbung unter dem groben Leinen. Ceridwen blickte an sich hinab und staunte über ihren Leib, der mächtig angewachsen war, während sie geschlafen hatte. Vorsichtig legte sie ihre linke Hand unter die Wölbung und hielt so ihr Kind in Armen. Tatsächlich! Es bewegte sich. Als wollte es seiner Mutter beweisen, dass es ihm gut ginge. Leichte Tritte gegen ihre Bauchdecke ließen Ceridwen Lächeln. Das Lächeln, das nur werdende Mütter auf ihren Gesichtern trugen. Die um das Mysterium der Schwangerschaft wussten.
„Was ist mit meinem Vater“ fragte Ceridwen nun besorgt. Trug sie doch das Kind des Mannes unter dem Herzen, der für den Tod ihrer Mutter und ihres Volkes verantwortlich war. „Mein Kind, er weiß es, dass du eine Leibesfrucht in dir trägst. Lange konnte ich es nicht vor ihm geheim halten. Dein Leib schwoll rasch an unter meiner Fürsorge. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis sich dein Kind auf die Welt drängen wird. Vor Samuin noch, wirst du es in deinen Armen halten“. Ceridwen versank in Gedanken. Ja, sie hatte es ungefähr geahnt, dass es um diese Zeit geboren werden sollte. Samuin, das Fest, das das Ende des Sommers verkündete und damit den Beginn des Winters. Die Zeit, zu der sich die Tore zur Unterwelt in den Sidhe, den Feenhügeln, öffneten. Ceridwen zitterte, als sie an Cromm Cruach dachte, den Gott der Unterwelt und des Todes. Dieser Gott erwartete als Opfer das Erstgeborene von Tieren, oft auch von Menschen. Meist während Missernten wurde zahlreiche Neugeborene geopfert. Es wurde versucht, möglichst die Erstgeborenen der Tiere zu opfern, doch brauchte man das Nutzvieh, um selbst überleben zu können. So gab es viele Opfer unter den Nachkommen des Volkes.

‚Nein. Nicht du!’ schickte Ceridwen ihre Gedanken zu dem strampelnden Kind in ihrem Leib. Ceridwen hob ihren Blick und erkannte, dass Wynda wusste, was ihr durch den Kopf ging. „Ich werde dir und einem Kind helfen, dass dies nie passieren wird. Wir müssen aufpassen, Nathair wird alles dafür tun, dass dein Kind den Tod finden wird. Auch du bist nicht sicher vor seinem Hass“.
„Er lebt noch?“ stieß Ceridwen bestürzt hervor. Fester umschlang sie ihren Bauch und lauschte ihrem heftig schlagenden Herz. „Dein Vater hat ihn in unser Dorf bringen lassen. Allerdings ist Nathair ein Gefangener. Ihm steht noch eine Strafe bevor, für den Versuch des Mordes an dir. Doch nun steht es erst einmal an, dass du deinem Vater berichtest, wie es dir in den letzten Jahren ergangen ist. Über dein Kind und weshalb Nathair dich töten wollte.“
Das alles war zuviel für Ceridwen. Sie begann zu weinen, hatte sie doch große Angst um ihr Kind, das Kind des Mörders ihres Volkes. Wynda strich ihr über die zuckenden Schultern, reichte ihr einen Becher mit Kräutersud, den Ceridwen dankbar annahm. Der warme Sud wirkte schnell und Ceridwen beruhigte sich zusehends. „Ich werde deinem Vater Bescheid geben, dass du erwacht bist. Er hat jeden Tag nach dir gesehen und bat mich, ihn sofort zu rufen, wenn du aus deinem tiefen Schlaf zurückgekehrt bist.“
Ceridwen umschloss das dürre Handgelenk der weisen Frau, hielt sie zurück. Angst schimmerte in Ceridwens Augen, doch die Alte tätschelte Ceridwens Hand und lächelte nur. „Es wird alles gut werden. Vertrau dem Schicksal, Kind“ damit strich sie Ceridwen zärtlich über das zerzauste Haar und verließ die Hütte. Ceridwen sank zurück auf ihr Strohlager und schloss die Augen. Wild strampelte nun das Kind in ihr und machte sich so auf sich aufmerksam. Langsam festigte sich in Ceridwen die Gewissheit, dass sie ihr Kind nicht im Stich lassen würde. Notfalls, sollte sich ihr Vater sich gegen sie und das Kind entscheiden, würde sie fliehen. Gwydions Kind hatte das Recht zu leben und niemand würde es ihr nehmen können. Mit diesen Gedanken und einer inneren Sicherheit erwartete sie die Ankunft ihres Vaters.

© Lys 12/2010
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