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Graue Strähnen im Haar sind sexy! Zeigt Euch, Ladies.43
Verehrte Damen der joyclub-welt. Ich finde ergrauendes Haar sehr sexy.
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Teresa

****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Teresa
Die Sonne fiel auf ihr schimmerndes, helles Haar. Feine Strähnen lagen über ihrer Stirn, die sie in tiefe Falten gelegt hatte. Angestrengt blickte sie auf das kleine Büchlein, das vor ihr lag. Ihre Zunge lugte ein klein wenig aus dem Mundwinkel, was ihre Anspannung noch verdeutlichte. Ihr Rücken war gekrümmt, das dünne Sommerkleid umwehte ihren dürren, schlaksigen Körper, während sie so am offenen Fenster saß. Das beruhigende Rauschen des Windes, der durch die saftig grünen Baumwipfel fuhr drang jedoch nicht in ihr Bewusstsein. Auch nicht die hin und her huschenden Schatten, die das Sonnenlicht warf, das durch die wankenden Äste gefiltert wurde.

Ungelenk bewegte sie ihren Stift über das kleine Buch, setzte die Mine auf die erste Linie und begann zu schreiben:
„Ich will nicht vergessen!
Nicht wie ich heiße, nicht wie alt ich bin, nicht das, was ich alles erlebt habe, nicht die Menschen, die mich viele Jahre begleiteten. Und doch schreitet der Verfall in meinem Kopf unaufhaltsam fort. Er nimmt keine Rücksicht auf meinen Willen, wird dieser doch bald diesem Monster der Vergessenheit Untertan sein.
Vvieles habe ich bereits vergessen, bitte meine Freunde und Verwandten, mir immer wieder zu erzählen, was sie erlebten, was sie vorhaben und auch von meiner Vergangenheit. Oft spüre ich die Tränen unendlicher Trauer in meinen Augen stehen, wenn sie mir von Ereignissen erzählen, die sich so wundervoll anhören, und ich mich dennoch nicht an sie erinnern kann. Ich grabe tief in meinen Erinnerungen, wende mich nach innen um danach zu suchen. Sie müssen doch Spuren hinterlassen haben. Empfindungen oder Bilder. Doch da ist nichts. Ein Nichts, das sich immer gieriger durch meinen Schatz der Vergangenheit frisst. Ohne zu sortieren verschlingt es hier einen Happen Kindheitserinnerung, dort die grauenvolle Zeit des Krieges. Eigentlich sollte ich für dieses Ausradieren dankbar sein, doch ist der Preis dafür viel zu hoch. Kostet es wertvolle, wundervolle Gedanken, von denen ich dachte, sie würden mich bis ans Ende meiner Tage begleiten. Mein ganzes Leben lang vertraute ich darauf, im Alter mich mit meinen Erinnerungen glücklich zur Ruhe setzen zu können. Dann, wenn der Körper nicht mehr in der Lage sein würde, die Unternehmungen, die ich als junge Frau erlebte, auszuführen. Doch nun ist es anders, als ich es mir je vorstellen konnte. Meinem Körper geht es gut, er ist gesund, soweit es möglich ist für mein jetziges Alter, agil und nur wenige Beschwerden, die so typisch für mein Alter wären….“

Teresa hob den Kopf, blinzelte in einen Streifen Sonnenlicht, auf dem feiner Staub silbrig tanzte. Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, die sie mit ihrer faltigen Hand vorsichtig abtupfte. Sie blickte wieder auf ihre Worte hinab. Die Handschrift kam ihr fremd vor, unbekannt, und doch, als sie weiter schrieb erkannte sie, dass diese aus ihrer Hand entsprang:
„Ich weiß es einfach nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr an mein Alter erinnern. War ich mir eben noch sicher, dies niemals zu vergessen, scheint mir jetzt, eine endlose Zeit vergangen zu sein, in der alles im Nichts verschwinden konnte. Unbemerkt, heimlich, still und leise.
Woran könnte ich mich festhalten, wie es wieder zurückholen, mich erinnern, wie alt meine Kinder sind und deren Kinder. Könnte ich es so ausrechnen, wie alt ich in etwa sein könnte? Es erschreckt mich, dieser innere Verfall, der sich lautlos und schmerzlos vollzieht. Manchmal scheine ich Schmerz in den Augen meiner Besucher zu erkennen. Leiden sie, wenn sie mich derart vergesslich erleben? Wenn sie mein Gesicht betrachten, nachdem sie mir von jemandem erzählten, der vor kurzem gestorben ist? Was verrät mein Gesicht, wenn ich die Übermacht des Vergessens spüre?
Wohin sind die Verknüpfungen verschwunden, die Fähigkeit einen Namen einem Gesicht zuzuordnen? Emotionen zu Erlebnissen? Wie kann sich dies einfach auflösen? Ausgelöscht werden, als wären diese niemals vorhanden gewesen? Sind sie vielleicht alle doch noch irgendwo, doch habe ich keinen Zugang mehr zu diesem Bereich, den ein tollwütiges Tier eisern bewacht? Habe ich den Schlüssel zu meinem Erinnern verloren?
Manchmal sehe ich meine Eltern in Gedanken vor mir. Uralte Erinnerungen sind dies, und doch sind sie noch da. Wie ein verstaubtes Familienfoto, das man auf einem spinnwebverhangenen Speicher wiedergefunden hat. Ich freue mich darüber, hoffe, das gierige Tier hat es nicht mitbekommen, wie ich mich in diese Nische meiner Gedanken schlich. Ich möchte sie noch lange festhalten.
Doch werde ich es irgendwann überhaupt noch bemerken, WAS ich vergessen habe?“

Erneut hob Teresa ihren Kopf, fuhr sich mit zitternder Hand durch das graue Haar, das eine Pflegerin, an deren Namen sie sich nicht mehr erinnern konnte, heute morgen sorgfältig gekämmt hatte. ‚Warum passiert das mir‘ flüsterte Teresa leise und blätterte die beschriebene Seite ihres Büchleins um. Sie beobachtete ein kastanienbraunes Eichhörnchen, das mit einem Haselnusszweig im Mund, hastig den rauen Stamm eines uralten Baumes hinaufkraxelte. Teresa lächelte und ihr Blick sank zurück auf das Buch. Überrascht betrachtete sie es, strich über die leere Seite, atmete einmal tief ein.
Ungelenk bewegte Teresa ihren Stift über das kleine Buch, setzte die Mine auf die erste Linie und begann zu schreiben:
„Ich will nicht vergessen…..
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Eine bewegende Momentaufnahme eines Menschen mit Demenz. Nur leben die Demenzkranken in der Vergangenheit - sie wissen nicht, dass sie im Jahre 20.. leben - das wäre ihnen zu weit weg. Sie sind in ihrer Jungend, im Krieg, in der Nachkriegszeit ... meistens. Wenn sie dann in der - also in unserer Gegenwart sind, dann finden sie sich nicht zurecht und sind oft sehr - nun ja, uns gegenüber aggressiv - wäre ich auch, wenn ständig jemand was von mir will, den ich nicht kenne, wiel ich ihn von einer Minute auf die andere vergesse.

Das Aufschreiben der Vergangenheit ...

Wenn ich nur wüsste, wie schreiben geht.
Aber Madame, Sie haben eben geschrieben.
Wie?
Aber natürlich.
Mach dich nicht lustig über mich. Ich komm doch erst in die Schule.
Entschuldige Gretel. Heute bin ich wieder blöd
Macht nichts.
Sag mal, was magst du denn heute essen?
Was steht denn auf dem Plan, Schwester?
Frau F. heute gibt es Grammelknödel mit Sauerkraut.
Na, a Blunzn warat ma lieba.
Ich werde sehen, was sich machen lässt, Frau F.
Hören Sie, ich bin Madame F. für Sie!
Natürlich, Madame, verzeihen Sie den Fehler.
....

Eine Stunde Arbeit, dann hatte sie gegessen, war zufrieden und begab sich mit folgenden Worten zur Ruhe:

"Herta, Se sans doch, guat woars, oba jetzt wirds Zeit."
"Natürlich, ich kann Ihnen abr nur ein bisschen geben."
"Is scho recht. Pfiat di."
"Auf wiedersehen."

Danke für diese Geschichte.

Liebe Grüße
Herta ... die sich mit Demenzkranken aller Art herumschlägt *motz* , sich aber für deine Geschichte bedankt *danke*
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
Herta, und ich bewundere Dich für Deine Kraft, dies täglich durchzustehen.

Mir ging es vor allem um das Vergessen, das so gnadenlos zuschlagen kann, keinen Halt vor jeglicher Gesellschaftsschicht macht.

*bussi*
Traurig. Dramatisch. Aber leider wahr. Und niemand ist dagegen immun. Bleibt die Hoffnung das es einem selbst nie so ergehen möge.

Sehr dicht und intensiv vermittelt. Danke.

P.S. Jüngstes Opfer dieser gemeinen Krankheit ist ausgerechnet einer meiner Lieblingautoren, der kleine Mann mit dem großen Hut.
Er schreibt wohl gerade an seinem letzten Buch - wenn er es den zu Ende bringen kann.

Traurig.
Joe
Das ist ein toller Text! Sehr gefühlvoll hineingeschrieben in einen Menschen, der auf seinem unaufhaltsamen Weg hinaus aus seinem Leben sich selbst zuschauen muss. Die vielen Fragen, aus denen er besteht, fließen in eine Verzweiflung, die hier sehr nah zu spüren ist
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
mir ging Peter Falk (Columbo) durch den Sinn..... es erschüttert mich jedesmal, ich finde es unheimlich und sehr erschreckend, die Tatsache, dass ein ganzes Leben gelöscht werden kann...
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Für mich und aus meiner persönlichen Sicht vielleicht einer der berührendsten und ergreifendsten Texte hier in den letzten Monaten. Eine großartige und verdammt ans Herz gehende Schilderung!

(Der Antaghar)
Oh ja, sehr berührend. Und niemand von uns kann sich wohl wirklich in die Betroffenen hineinversetzten, spüren, wie es sich anfühlen mag: heute so und morgen wieder anders, mal »da« zu sein, mal wie »entrückt«, aber nicht verrückt ...

Danke Lysira!
Ich muss gestehen, mir standen Tränen in den Augen beim Lesen *heul2*
Es ist sehr einfühlsam geschrieben und ich habe jeden einzelnen Satz mitgefühlt!

Da ich auch 20 Jahre mit Demenzkranken zusammen gearbeitet habe, kann ich das alles sehr gut nachempfinden.

Meine Uroma, die mich großgezogen hat war auch dement und es ist schon schlimm zu sehen, wie ein geliebter Mensch die Erinnerungen blokiert!

Luna
****ra Frau
2.916 Beiträge
Themenersteller 
vielen vielen Dank für Eure Kommentare und Euer Empfinden

*blume*

Lys
Oh Mann,
bei mir kommt das anfallsweise schon das ganze Leben vor. Namen, Gefühle, Zusammenhänge - einfach weg! Das ist da schon ganz schön peinlich. Wie soll das erst im Alter werden?
Nun ja, ich hoffe ja noch immer, dass ich schon genug vorvergessen habe und deshalb weitestgehend verschont bleibe.
Ansonsten geh ich in einen Chor. Gesungenes wird ein Leben lang gemerkt. Merkwürdig.

*top*laf
*******ose Frau
793 Beiträge
Danke Lysira, auch wenn diejenigen, die mit dieser Krankheit ständig in Berührung kommen, hier das eine oder andere "richtig gestellt" haben, so hat mich deine Geschichte doch sehr bewegt. Ich weiss nicht, wo genau dieser Punkt liegt, an dem man nicht mehr merkt, dass man vergisst. Aber das ist sicherlich etwas, wovor jeder Mensch Angst hat. Wer lässt schon die Erinnerung gerne los, den reichen Schatz vieler Erfahrungen und Erlebnisse, wohl das, was wir Leben nennen. Unser Gehirn ist ständig in Aktion, kaum vorstellbar, dass da so etwas wie ein "Vakuum" sein soll - mir fällt gerade kein passenderes Wort dafür ein.

Irgendwann können sich die Betroffenen nicht mehr mitteilen und das, was uns Mitmenschen bleibt, ist die Interpretation dessen, was wir sehen, hören, wahrnehmen. Wer weiss schon, was in den Köpfen vor sich geht? Und unsere Interpretation ist sicher stark geprägt von der Hoffnung, der Suche nach einem Strohhalm, nach einer Bestätigung, dass der Mensch, an den wir nicht mehr herankommen, wenigstens noch etwas mitkriegt. Kaum vorstellbar, dass einem selber so etwas passieren könnte.

Sehr bewegend...
*******ose Frau
793 Beiträge
@Olove
Auszüge zum Thema "Musik und Demenz" aus der Schrift "Musik macht geistig fit" sind zu finden auf: weh weh weh Punkt Alzheimerforum Punkt de
Ein paar Zitate:
"Durch und während Musik verbessern sich verbale und vokale Verhaltensauffälligkeiten bei dementen Menschen um ca. 30%."
"Bei leichten Demenzen wird durch bekannte Musik die Erinnerung an frühere Ereignisse (Langzeitgedächtnis) erleichtert."
"Auch vibroakustische Tontherapie verbessert bei Personen in Pflegeheimen die Sprachfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit."
"Wenn Pflegeperson singen, verbessert sich bei den dementen Menschen die Körperhaltung. Ihre Bewegungen werden kontrollierter und symmetrischer."

...also weitersingen... hilft vielleicht auch vorbeugend... dazu gibt's auch Studien...
Ich habe Demenzkranke eigentlich nur als glückliche Menschen kennen gelernt.

Sie entdecken sich und die Welt jeden Tag aufs Neue!

Richtig schlimm ist es in meinen Augen nur füe die Angehörigen, die damit umgehen müssen.

Da Teresa sich noch teilweise erinnert oder noch merkt, dass sie vergisst, würde ich eher sagen, sie ist nicht dement, sondern es ist die natürliche "Altersvergesslichkeit"!

Ich glaube, das ist schlimmer als Demenz!

Luna
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Wir wollen hier doch keine Diagnosen über eine fiktive Persönlichkeit anstellen, das wäre wohl etwas zu hoch gegriffen *g*

Das Krankheitsbild der Demenz kann so viele Ursachen wie Ausprägungsformen haben, dass sie oft schwer einzuschätzen ist. Ich kenne Demenzkranke, denen ich mich nur unter "schwerster Bewaffnung" nähere (oh, einige meiner Klienten sind so) und dann gibt es wieder die anderen, die mich bei jeder Begegnung neu kennen lernen wollen und wir jeden Tag "Bruderschaft trinken" ...

...

und ehrlich gesagt, manchmal ist Vergessen ein Segen *zwinker*


Herta


PS.: Leider werden die alten Erinnerungen zuletzt gelöscht und das sind zumeist die wirklich tragischen Dinge, die belastenden Sachen, die der Geist noch aufarbeiten will, während der Körper schon sagt: "Jetzt reichts, ich will mich verpissen."
Es sollte auch keine Diagnosestellung sein, sondern nur ein Einbringen meiner Gedanken zu dem Thema!

Luna
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Es las sich für mich so ... ich wollte dir keinesfalls zu Nahe treten, wahrscheinlich habe ich diese Woche eine Ferndiagnose zu viel gehört.

*blumenschenk*

Herta
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