Summerfeeling

22.40 Uhr und noch immer ist es warm. Sommerwarm. Wundervoll sommerwarm.
Ich liebe diese schwülen sommerwarmen Nächte - wenn ich wie jetzt Urlaub habe und nicht schlafen muss. Wenn ich mich einfach treiben lassen kann, in die Unendlichkeit des Seins.
Wenn die Haut klebt, das dünne, kleine Stückchen Stoff an meinem Oberkörper zu einer zweiten Haut wird. Darunter nur einen kleinen, leichten Slip. Nein, ich möchte nicht gänzlich nackt sein, ich genieße dieses kleine Stückchen Stoff, das ab und zu an meinen Brustwarzen kleben bleibt. Es fühlt sich so lebendig an.
Wenn ich Eiswürfel in meine Weinschorle gebe, damit sie nicht so warm wird. Wenn sich auf dem Tisch ein Wasserring bildet, an der Stelle, an der das Glas steht.
Wenn ich auf meinem Balkon sitze, den Sternenhimmel betrachte, mich eins mit dieser Unendlichkeit fühle. Verbunden. Unendlich. Ja, unendliche Weiten da draußen, unendliche Weiten in mir.
Sinnliche Musik im Hintergrund, sinnliche Gedanken und Gefühle in mir.
Ach, ich liebe diese schwülen sommerwarmen Nächte. Habe ich es schon erwähnt?
Sie wecken Sinnlichkeit in mir, sie wecken mich in mir.

Ich sollte duschen... ich kann mich riechen. Aber einerseits kommt ja heute kein Besuch mehr und andererseits rieche ich mich gerne. Sehr gerne. Ja, in diesen Nächten kann ich mich selbst wirklich gut riechen! Ich rieche nicht nach Schweiß, ich rieche einfach nur nach mir.
Schwitzende Haut.
Ich wollte bei diesen Temperaturen nicht wirklich Sex. Naja... unter der Dusche vielleicht, das hätte dann doch wieder was. Oder auf dem Balkon. Ganz leise und versteckt, damit die Nachbarn nicht alles mitbekommen.
Jedoch fühle ich in diesen sommerwarmen Nächten die Sinnlichkeit und den Sex in mir. In jeder Körperzelle. Und ich genieße es unendlich. Für mich. Alleine.
Ich habe Sex mit mir, ohne mich anzufassen. Und ich sage euch, das ist unglaublich toll!

Ich hasse es, wenn die Eiswürfel nicht gleich aus dem Behälter fallen, nachdem ich ihn mühsam in alle Richtungen gebogen habe.
Aber ich liebe es, wenn ich die Türe zum kleinen Gefrierschrank öffne und die Kälte meinen feuchten, verschwitzten Körper überzieht. Ein sinnlicher, lustvoller und sanfter Schock.

Im Wohnzimmer läuft der Fernseher. Deluxe Music. Genau die richtige Mischung an Musik für die heutige sommerwarme Nacht.
Als ich gerade auf dem regelmäßigen Gang auf den Balkon daran vorbeikomme, läuft "Viva Las Vegas". Mit den entsprechenden Bildern dazu. Und sofort springt mein inneres Kino an und ein Lächeln umspielt meine Lippen. Las Vegas... Erinnerungen drängen sich nach oben, füllen meinen Kopf, mein ganzes Fühlen. Wieviele Jahre ist es her? Ich weiß es nicht und habe auch keine Lust, nachzurechnen. Was sind schon Jahre? Sie helfen uns nur, in unserer linearen Welt irgendwie zurecht zu kommen. Aber ich lebe eigentlich zeitlos. Für mich ist es einfach schon sehr lange her, es war in einem anderen Leben. Dennoch ist alles so präsent, als wäre es gestern gewesen. Es war ein wundervoller, unvergesslicher Urlaub mit einer wundervollen, unvergesslichen Liebe. Ich danke dem Schicksal dafür, dass ich dies erleben durfte. Selten war ich so glücklich und mit all meinen Sinnen so tief berührt.

Meine Eltern meinten damals, ob ich denn wirklich mein erspartes Geld dafür verwenden wolle. Man wisse doch nicht, ob ich danach noch mit "dem Typen" zusammen wäre. Meine Antwort: "Na und? Wenn nicht, dann habe ich wenigstens etwas erlebt, das ich niemals vergessen werde."
Und so war es dann auch. Es hielt noch eine Weile, ging aber leider dann doch zu Ende. Aber noch heute denke ich liebend gerne daran zurück und bin überglücklich, dies erlebt zu haben.
Ich habe sogar ein Autogramm von Siegfried und Roy! Jaja, und ein Foto mit Siegfried - ich habe ihn tatsächlich persönlich kennengelernt. Wow...
Wie kann ich nur manchmal denken, ich hätte bisher ein langweiliges Leben gehabt. Ein Leben mit Fehlentscheidungen und mit nichts, das gelungen wäre. Ich sollte mich wohl öfter mal an die tollen Dinge erinnern. Da gab es schon so vieles.

Schwüle sommerwarme Nächte.
Dies wird wohl die letzte Nacht dieser Art sein für die nächsten Tage. Oder womöglich für dieses Jahr? Ich hoffe nicht. Ich hasse den Winter und die Kälte. Allles unter 20 Grad ist für mich Winter und eklig.

Auf meinem Balkon beobachtete ich am frühen Abend noch die dunklen Wolken um uns herum, die aufzogen und Abkühlung versprachen. Als es dunkel wurde, waren ringsum aufregende, an die Macht der Natur erinnernde Blitze zu sehen. Ein leises Grollen in der Ferne. Aber außer einem sanften Lufthauch war hier nichts davon angekommen. Und ich bin froh darüber! Denn - erwähnte ich dies schon? - ich liebe diese schwülen sommerwarmen Nächte!

Ich sitze gerne in diesen Nächten auf meinem Balkon. Ich schaue in den Sternenhimmel, schaue, ob noch alle Sterne vom letzten Jahr da sind und ob noch alle Satelliten vom letzten Jahr ihre Kreise ziehen. Ja, ich kenne sie schon sehr gut. Diese Art der allmächtigen Beständigkeit beruhigt mich irgendwie. Wenn die Sterne nach einem Jahr noch immer an der gleichen Stelle sind, wenn sie noch alle da sind.

Ich wohne in einer Dachwohnung, über mir ist nichts mehr außer dem unendlichen Himmel. Und je später die Stunde, umso stiller wird es. Und umso stiller wird es in mir. Ich schaue in "meinen" Himmel und auch ab und zu in die Fenster der benachbarten Häuser. Denke mir ihre Geschichten dazu aus, wenn ich die Menschen darin sehe.
Diese Frau da drüben zum Beispiel. Sie steht zu dieser späten Zeit noch in der Küche und kocht irgendetwas. Sie rührt in Töpfen, probiert und probiert, spült den Löffel ab und rührt wieder und probiert wieder. Irgendwann scheint sie zufrieden, löscht das Licht und geht. Hat sie für die Familie vorgekocht? Weil es abends kühler ist (naja, heute wohl nicht), als tagsüber um die Mittagszeit? Oder erwartet sie morgen ihren Liebsten und hat etwas Wundervolles vorbereitet, um ihn zu verzaubern? Oder hat sie sich gequält und für ihre Plagen das Mittagessen vorbereitet, das diese sich nach der Schule dann selbst warm machen können, da sie noch bei der Arbeit ist?
Ganz ehrlich, mir ist die Variante mit dem Liebsten doch die bevorzugte Möglichkeit. Ich werde es wohl nie erfahren.

Schwüle sommerwarme Nächte. In der Ferne sind noch vereinzelte Blitze zu sehen. Die Luft trägt ein wenig Frische mit zu mir. Wohltuend.
Die Eiswürfel in der Weinschorle sind schon wieder geschmolzen und ich genieße diese Nacht, meine Gedanken, meine Gefühle - und mich.

Klar, es wäre natürlich auch wunderschön, wäre mein Liebster bei mir und wir könnten gemeinsam diese Nacht genießen. Jedoch genieße ich sie auch ganz alleine mit mir und dies ist etwas wunderschönes, das wir uns alle erhalten sollten.

Ich liebe diese schwülen sommerwarmen Nächte.

... und im Hintergrund läuft ein uralter Schmusesong von Georg Michael.

Ja, summerfeeling.

(Und ich habe während des Schreibens völlig versäumt, dass es inzwischen regnet. Byebye summerfeeling...)