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Träumer

*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
Träumer
Langsam, jede Bewegung akzentuierend, setzte Dr. Scherflein seine goldgerandete Brille ab. Sorgsam faltete er die Bügel zusammen und legte sie auf einen der unzähligen Stapel Schnellhefter und gebundener Kopien, mit denen der Labortisch übersät war. Dann legte er die Fingerspitzen aneinander und fragte: »Ist das Ihr Ernst?«

Er sah in die angespannten Gesichter vor sich. Drei angehende Doktoranden der Physik. Raman Khadrapoor, ein mathematisch äußerst talentierter britischer Student mit indischen Wurzeln von der Partner-Universität Oxford, Yee-Tsun Park aus Seoul, begabt mit einem tiefgehenden Verständnis physikalischer Zusammenhänge und Daniela-Franziska Volkhagen-Meyerink aus Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern, die abgesehen von der beeindruckenden Ansammlung von Bindestrichen in ihrer Vita (sie hatte am Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gymnasium ihr Abitur als Jahrgangsbeste bestanden) einen außerordentlichen analytischen Verstand besaß.

»Ist das wirklich Ihr Ernst?« wiederholte Dr. Scherflein seine Frage, »Dieses Zeug hier …« er suchte nach Worten und deutete auf die vor ihm ausgebreiteten Papiere »dafür investieren wir Millionen von Euro?«
Er griff wahllos nach einem etwa fingerdicken Packen gebundener Kopien, blätterte darin, »Ein Komposter? Warum nicht gleich einen Zimmerspringbrunnen, der Volkslieder plätschert – obwohl, das könnte man ja vielleicht noch verkaufen …«
»Es ist ein reaktiver Schnellkomposter, der zersetzt Verbundstoffe aus organischem und anorganischem Material und …« begann Yee-Tsun vorsichtig.
»Junger Mann, wollen Sie die Abfallentsorger arbeitslos machen?« fiel ihm Scherflein ins Wort, »Und egal wie Sie es nennen – es ist ein Komposter. Gibts in jedem Baumarkt. Ich hab auch einen im Garten.«
»Aber …« begann Daniela, doch Scherflein nahm seine Brille und stand auf.
»Nichts aber!« schnitt er ihr das Wort ab. Er nahm sich ein Bündel Kopien von der Dicke des Kölner Telefonbuches und begann langsam durch das Labor zu wandern. Dabei sah er sich mit einer Miene deutlichen Missfallens um.
»Was denken Sie, wie ich das dem Board of Directors klarmachen soll? Oder den Shareholdern?« fuhr er fort »Die lachen mich doch aus!«

Er nahm ein Reagenzglas aus einem Drahtgestell, hob es in die Höhe und besah sich den Inhalt mit zusammengezogenen Brauen. Verwundert sah er eine rote Waldameise. Das Insekt schien ihn anzustarren, so als wüsste es etwas, das er nicht wusste. Irritiert stellte er das Reagenzglas wieder an seinen Platz.

Über den Tisch voller Apparaturen und Messinstrumenten hinweg sah er zurück zu den drei Studenten, die ihn immer noch ängstlich ansahen und sich nicht zu rühren wagten. Park mit seinem typisch asiatischen, schwarzen Bürstenhaarschnitt, der dunkle Indo-Brite in seinem bunten, großkarierten Hemd, der einfachen schwarzen Plastikbrille, daneben Volkhagen-Meyerink, eine attraktive junge Frau mit sportlicher Figur einer struppigen blonden Kurzhaarfrisur.
So viel Brainpower …, dachte er, und was kommt dabei heraus? Er schüttelte missmutig den Kopf.

»Aber der Gipfel ist ja das hier«, er blätterte in dem dicken Packen Kopien, »dieser Quanten-Effekt, den Sie beobachtet haben wollen. Ich zitiere: Blablabla … ist es möglich, dass durch das Triggern des Effektes alternative Erscheinungsformen der umgebenden Realität lokal und temporär begrenzt in physische Phänomene überführt werden. Haben Sie den Effekt denn getriggert, wie ich sie gebeten habe?«
»Gebeten?« fragte Daniela-Franziska mit kaum verhohlenem Ärger in der Stimme, »Sie haben uns die Pistole auf die Brust gesetzt! Sie haben gedroht, unsere Stipendien einzufrieren!«
»Genau!« warf Yee-Tsun ein »Und das würde bedeuten, dass ich meine Aufenthaltsgenehmigung verliere!«
Raman setzte nach: »Außerdem haben wir Ihnen ausführlich erklärt, dass das sogar gefährlich sein könnte!« Er deutete auf einen anderen Stapel Kopien auf dem Tisch.
»Peanuts,« entgegnete Scherflein lächelnd, »haben Sie das nun ausgelöst oder nicht?«
»Was blieb uns denn anderes übrig?« sagte Daniela-Franziska.
»Haben Sie denn die Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen, die ich vorgeschlagen habe?«
»Ein Quanten-Effekt läßt sich prinzipiell nicht begrenzen. Schon gar nicht durch Magnetfelder, wie Sie vorgeschlagen haben. Das ist Science-Fiction, sonst nichts«, auch in Yee-Tsun begannen Angst und Frustration sich in Verärgerung zu wandeln.
»Und?« Scherflein breitete die Arme aus, »Es ist noch alles da. Also?«
»Der Effekt muss nicht unbedingt alles zerstören …«
»Ja, der Effekt« fiel ihm Dr. Scherflein ins Wort, »dessen Form auf lokaler Ebene von den Determinenten bestimmt wird –Determinenten sind Menschen, wenn ich das richtig verstehe – auf globaler Ebene durch das Kontinuum welches durch die Gesamtheit aller Determinenten gebildet wird, begrenzt und gegebenfalls sogar ausgesetzt werden kann.« Er unterbrach sich, zog seine Brille auf die Nasenspitze und sah die drei über die Gläser hinweg an.
»Im Ernst. Wie muss ich mir das vorstellen? Weltfrieden? Friede, Freude, Eierkuchen? Das, was die Menschen wollen, geschieht plötzlich? Einfach so?«
»Kann, muss aber nicht.«
»Richtig. Ich vergaß. Da ist ja noch das Kontinuum, die Gedanken und Wünsche, der Common Sense der gesamten Menschheit, der das Ganze zuläßt wenn er es richtig findet, oder auch nicht«, meinte er spöttisch, »Leute! Wacht auf! Das sind Träumereien! Weltverbessern ist Achtziger! Das war gestern! Jetzt ist 2010! Es ist Business!«
»Wir haben den Effekt getriggert, das läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Keine Ahnung, was jetzt passieren wird.«
Scherflein lachte.
»Ich habe mir gerade gewünscht, dass Hexen in einem Birnbaum einfliegen und allen goldener Thymian aus den Ohren wächst. Und? Sehen Sie was?«
Raman verdrehte die Augen »So funktioniert das nicht, Herr Dr. Scherflein«.

Scherflein drehte sich um, nahm seine Wanderung durch das Labor wieder auf. Er bereitete sich darauf vor, den jungen Leuten zu sagen, was er nun tun musste. Beinahe tat es ihm leid, aber nur beinahe, schließlich war das Leben kein Ponyhof.

»Wissen Sie was ich hier sehe?«, fragte er und blieb stehen. Es kam keine Antwort, er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet, also antwortete er selbst: »Einen Kindergarten. Einen Spielplatz für Träumer.«
»Das hier ist eine Universität!« rief Daniela, »Wir forschen, wir produzieren Wissen und Erkenntnisse, keine Gewinne! Das geht ja auch gar nicht!«
»Whatever. Ich schließe dieses Labor. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, wieder wie normale Studenten zu forschen«, er machte sogar Anführungszeichen mit den Fingern, als er das sagte, »Gegebenenfalls mit BAFöG und gegebenenfalls in einem anderen Land.«

Stille.

Er dachte daran, sich in einer dramatischen Geste umzudrehen, da spürte er etwas hinter sich. Da waren keine Schritte gewesen und außerdem würden sie sich nicht wagen, ihn tätlich anzugreifen, egal wie sehr es in ihnen brodelte. Doch da war etwas. Er drehte sich um – weit weniger dramatisch und würdevoll als beabsichtigt. Seine Gesichtszüge erstarrten.
Vor ihm stand eine Frau. Gut einen Meter achtzig groß, Breite Schultern und Arme, so muskulös, dass es gerade noch als weiblich gelten konnte. Zwei dicke, blonde Zöpfe fielen auf ihren gewaltigen Busen. Auf dem Kopf trug sie einen Helm mit ausladenden Hörnern. Die Gestalt wäre problemlos als Wagnersche Walküre durchgegangen – wenn sie denn bekleideter gewesen wäre. Sie trug etwas, das wie ein Bikini aussah, allerdings schien es aus Wolfsfellen gemacht zu sein. Das Material stand in krassem Gegensatz zur spärlichen Ausführung der Kleidung – gegen Kälte würde das nicht viel nützen. Zwei knappe Stücke, die von einem Eisenring zusammengehalten wurden, hoben Dr. Scherflein zwei wassermelonengroße Brüste entgegen.

Sie sagte etwas, als sie ihm die riesige Streitaxt in die Brust rammte. Er hätte sowas erwartet wie Odin möge deine erbärmliche Seele zerreißen! womöglich auf schwedisch, doch sie sagte klar und deutlich – wenn auch mit sächsischem Akzent, wie er verwundert bemerkte: »Sie sind ein kleingeistiges, profitgieriges Arschloch ohne Visionen!«

Trotzdem konnte er nicht aufhören zu starren. Hätte er den Blick gehoben, wäre ihm aufgefallen, dass das Gesicht der Walküre eine verblüffende Ähnlichkeit mit Daniela-Franziska Volkhagen-Meyerink hatte. So aber war sein letzter Gedanke: Mama! Was für Mörder-Titten!
Das brachte ihn wieder zu den gut zehn Pfund blankem Stahl, die aus seinem Brustkorb ragten.
Entlang des Blattes, das tief in seiner Brust steckte, färbte sich das Business-Hemd rot. Er schwankte, taumelte rückwärts, riss Geräte, Reagenzgläser und Papiere von den Tischen. Als er auf dem Boden aufschlug, sein Kopf zur Seite sank, sah er wieder die Waldameise. Ihre hunderte Facettenaugen schienen zu blinzeln, als wolle sie sagen: »Siehste?«

Das Telefon klingelte. Ohne die weit aufgerissenen Augen vom sterbenden Dr. Scherflein losreißen zu können, tastete Yee-Tsun, der dem Apparat am nächsten war, nach dem Hörer.
»Ja …« sagte er mit trockener Stimme.
»Yee-Tsun?« kam es aus dem Hörer, »Sylvia hier, aus dem Sekretariat. Hör mal, unser Sponsor hat angerufen …« wie alle auf dem Campus sprach sie das Wort Sponsor mit größtmöglicher Geringschätzung aus. Der Milliardenkonzern war der Universität mit dem großmütigen Gestus eines Retters zur Seite gesprungen, als die Finanzkrise auch sie erreicht hatte. Seitdem versuchte er immer unverhohlener auf Lehrpläne und Personalentscheidungen Einfluss zu nehmen.
Sylvia fuhr fort: »Sie wollten jemanden vorbeischicken, irgendsoeinen Winkeladvokaten aus dem Vorstand. Ein Dr. Schäfchen, Schäflein, oder so. Ist der bei euch aufgekreuzt?«
Er sah auf Dr. Scherflein am Boden, die Blutlache um ihn herum, das große, jetzt leere Loch in dessen Brustkorb und dann zu seinen Kommilitonen, die hilflos zurückblickten.
»Öh … der liegt hier in seinem Blut …«
Sylvia lachte »Ach, du hast ihn auch schon mal live erlebt? Okay, wenn er auftaucht, sagt Bescheid. Tschöö.«
Wortlos legte er auf.
»Wir … wir könnten den Schnellkomposter ausprobieren«, sagte Daniela und schluckte.

*

Als sie sich aus ihrer Erstarrung gelöst hatten und sich daran machten, das Labor aufzuräumen, sagte Daniela: »Jungs, wir drei und anscheinend viele andere auf dem Campus hatten zwar den selben Wunsch und das Kontinuum war wohl auch einverstanden, aber über die Form müssen wir echt mal reden.«
*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
Tsss, gerade erst hochgeladen und schon kann ich nichts mehr korrigieren, dabei gibts noch nicht mal einen Kommentar *motz* – gerade sind mir nämlich noch ein paar Leerzeichen und Kommafehler aufgefallen. Ich hoffe es gefällt euch auch so *g*

Vielleicht fällt noch jemandem auf, dass das ein Beitrag zu den letzten 8 Worten von Olaf sein sollte …
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
*haumichwech* Ist die gut geworden. Ich hab das mit den acht Worten sofort bemerkt, war ja auch nicht zu schwierig - zumindest ab der Waldameise *g*

Aber so ein Komposter wäre schon eine gute Sache, natürlich ohne die Nebenwirkungen. Wer weiß, dann steht plötzlich hinter mir so eine Walküre *angsthab**gg*



*top* Herta
Oh toooolll, was für eine geistreiche Geschichte, visionär, mit Witz, Pointe, Intelligenz inklusive sehr guter Orthographie!

Und die Personen sind so lebendig beschrieben, Dr. Schäflein, der die seinigen ins Trockene bringen will - wie der so geht und schaut und denkt und Brille handhabt ...

Gefällt mir außerordentlich. 100 Punkte!

Danke sagt Gudrune
*******an_m Mann
3.834 Beiträge
Themenersteller 
DankeDankeDanke *freu2*

wie der so geht und schaut und denkt und Brille handhabt ...

Schon komisch, gerade darüber habe ich mir die wenigsten Gedanken gemacht, dabei ist mir die Geschichte schon am Mittwoch nach Olafs 8 Worten eingefallen
*haumichwech* *bravo*


wunderbarfandesev
Köstlich!
Beilscharf! Es wird wirklich Zeit für ein paar Quantensprünge - und Arbeit für deinen Komposter gäbe es reichich....
lautklatscholaf
****ra Frau
2.916 Beiträge
und Arbeit für deinen Komposter gäbe es reichich

hätte auch reichlich Ideen *fiesgrins* nur ob genug Hirnströme von anderen sich dazugesellen??? *gruebel*
schon die Namen-Bindestrich-Orgie ein köstlicher Genuss -
böse, und dadurch sehr gut! *g*
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