Kerker der Dunkelheit
Die Ohrfeigen waren nicht das schlimmste, das ich verspürte. Viel schlimmer waren die Fausthiebe tief in meine Magengegend, die mir die Luft raubten, während ich verzweifelt versuchte, keuchend den notwendigen Sauerstoff in mich zu ziehen. Die gezielten Tritte gegen meine Knie brachten mich dann endgültig zu Fall. Brutale Griffe, die mich packten und ins Dunkel zerrten.Hineingestoßen in die Dunkelheit, in das schwarze Nichts. Greifbare Einsamkeit umhüllte mich in dieser Unendlichkeit. Verschreckt zog ich mich zurück in diesem Verlies, das mich die nächste unabsehbare Zeit umgeben sollte. Die feuchte, raue Wand, deren Kühle in meinen Rücken floss, mich unbeweglich machte, war mein ständiger Begleiter. Die Einsamkeit war noch zu ertragen, doch meine ungehörten Schreie, die durch das kleine Gitterfenster drangen, erstickten mich. Halb dem Wahnsinn nahe fixierte ich den winzigen, flackernden Stern, dort oben, am samtig schwarzen Himmel.
Es wurde nie hell, ich war umgeben von einer tintenfarbenen Hölle. Meine Knie, so nah an meinen Körper gezogen, wie es mir möglich war, um ein wenig Körperkontakt, ein wenig Wärme, überhaupt eine Berührung noch zu spüren. Ich wiegte mich hin und her, versuchte die Gedanken an mein unerkennbares Umfeld zu vertreiben, doch war es körperlich spürbar. So wie die Male der Schläge, die einfach nicht heilen wollten, in dieser unwirtlichen Umgebung. In meinen kurzen unruhigen Träumen, die ich ungewollt zulassen musste, durchlebte ich mein erlittenes Martyrium wieder und wieder, nur um erschrocken zusammenzuzucken und aufzuwachen, um mich im nächsten Kerker wiederzufinden. Mein Körper krampfte bereits, ich wollte meine Arme und Beine jedoch um keinen Zentimeter ausstrecken in dieses Unbekannte, mir nicht die Freiheit geben zu fühlen. Die Übelkeit meines nüchternen Magens spürte ich schon lange nicht mehr. Dafür umso mehr meine Knochen, die durch meine Haut hervorstachen. Unwichtig erschien mir diese Tatsache. Das wenige Wasser, das an den Wänden herunterlief war genug für mich, mehr brauchte ich nicht, mehr wollte ich nicht.
Noch immer flackerte der winzige Himmelskörper dort oben, unbeirrbar leuchtete er nur für mich. Mein Hirn sehnte sich nach dieser Hoffnung, er würde nur für mich da sein. Ich stand im Bann dieses einen Lichtes. Kalt, es wurde so kalt und ich immer unbeweglicher. Die eisige Steinmauer, an die ich meinen Rücken gepresst hatte, hinterließ weitere schmerzhafte Spuren in meiner Haut, so dass ich begann, mich zusammenzukrümmen, um dem Schmerz zu entgehen und mir die noch vielleicht letzte Wärme, die ich in Herzhöhe glimmen spürte, zu schenken. Bleierne Müdigkeit hatte mich in eisernem Griff, doch wollte ich nicht in ihr versinken. Meine Augen brannten, während sie ihn weiter fixierten, den hellen Stern, dort oben, unerreichbar für mich, und doch ist er da. Ich begann zu halluzinieren, spürte sanfte Hände, die mich streichelten, eine sanfte Stimme, die mich umfing und mir Sicherheit gab, ich würde bald erlöst werden.
Die unerbittliche Taubheit stieg aufwärts in mir. Unfähig den unteren Teil meines Körpers zu bewegen, starrte ich in den Himmel. Mein Hinterkopf stur nach oben gerichtet, fest an die Wand gepresst, mit feuchtem Haar im Nacken, das ich langsam nicht mehr bemerkte. Meine Lippen stießen Worte der Sehnsucht aus, ein Gefühl, das so unendlich tief in mir verborgen war, suchte sich seinen Weg aus der Vergangenheit ins Jetzt. Der Horizont verschob sich in meinem Blickfeld, als mein steifer Körper zur Seite kippte, ich auf dem modrigen Boden zu liegen kam. Der Stern, noch immer war er da. Gleichgroß, gleichrund, obwohl ich ihn nun aus einer anderen Position aus betrachte. Er leuchtete für mich, unermüdlich.
Sanfte Worte drangen an meine Ohren, ein weicher Mantel legte sich um meinen Körper. Ich schrie und weinte, als das Gefühl in mich zurückkehrte. ‚Nein, nein ich will das nicht, es tut weh, es tut so verdammt weh‘ und ich ließ meinen Schmerz mit meinen Tränen aus mir fließen. Eine warme Hand ergriff mich, führte mich auf meinen wackeligen Beinen zu einer Tür, die ich vorher nie bemerkt hatte. Ich streckte meinen mageren Arm nach vorne, legte die zitternden Finger auf die Klinke, drückte sie vorsichtig nach unten und stieß die Tür mit einem kräftigen Stoß nach außen auf. Ich sank zu Boden, als mich die Helligkeit traf. Geblendet schloss ich meine Augen, atmete das Licht, das mich durchflutete, tief ein und erhob mich unendlich langsam. Noch waren meine Schultern gebeugt, doch mein Kopf erhob sich stetig weiter und ich stand grade auf einem neuen Weg. Ich setzte meinen Fuß zum ersten unsicheren Schritt auf diesem neuen Weg nach vorn. Der nächste Schritt, noch schwer, doch jeder weitere der folgte, erschien leichter. Ich begann zu laufen, sicherer und bewusster. Nach vorn auf diesem Weg, der hell sich mir eröffnete. Ich lief in die neue Freiheit, blickte kein einziges Mal mehr zurück, dorthin woraus ich mich befreit hatte. Mein Blick glitt nach oben, an den Himmel bestätigte mein Gefühl – er ist noch da – mein Stern.
Er wird immer bei mir sein.