Jedem Ende wohnt ein Anfang inne
»Doktor Mabhari erwartet Sie schon,« sagte der Pförtner, »Sie kennen sich aus?«
»Ja, Danke, ich weiß, wo er arbeitet,« antwortete Kommissar Schmidt.
Kurz darauf begrüßten sich die beiden: »Hallo Dr. Mabuse, mein Lieblingspathologe!«
»Grüß dich, Michael.«
Schmidt sah zu dem Fleischberg auf dem Stahltisch.
»Du hast ihn noch nicht zugemacht? Ich dachte du wärst fertig.«
»Im Prinzip bin ich fertig, aber das ist so abgefahren, dass ich ihn erstmal offen gelassen habe.«
»Was ist denn so abgefahren?«
»Hier, schau mal«, Mabhari reichte ihm einen Fadenzähler und eine Petrischale mit einem unappetitlich aussehenden Klecks, der irgendwie organisch aussah und in einer ölig schillernden, zähen Flüssigkeit lag. Schmidt sah durch die Linse.
»Irre« sagte er erstaunt.
»Genau.«
»Und was ist das?«
»Diese messingfarbenen Würfel, die aussehen wie Borg-Raumschiffe und die an dem Gewebe knabbern, scheinen zu groß geratene Nano-Roboter zu sein.«
»Was? Du verarschst mich.«
»Nein, im Ernst.«
»Und die haben ihn umgebracht?«
»Sieht ganz danach aus«, antwortete Mabhari.
Schmidt sah ihn entgeistert an.
»Ich sag doch, es ist abgefahren.«
»Allerdings … Wie in aller Welt ist das passiert? Eine Invasion? Das hier ist nicht Star Trek.«
»Neinein, alles ganz banal – und auch wieder nicht.«
»Spann' mich nicht auf die Folter.«
»Also, wie es aussieht, hat der arme Pechvogel versucht, sich das hier rektal einzuführen,« er deutete auf einen zylinderförmigen Gegenstand in einer stählernen Schale, verschmiert mit Blut, der öligen Flüssigkeit und einer weißen, schaumigen Substanz.
»Das ist doch nicht etwa …«
»Doch, eine Dose Rasierschaum, mit ›25% Extra‹. Und
irgendwie – weiß der Geier, wie er das hingekriegt hat – ist der Deckel abgegangen und das Ventil hat sich geöffnet.«
»Hör mal, Rasierschaum frisst niemanden auf.«
»Normal nicht. Aber das hier war
[Namhafter Hersteller von Herren-Pflege-Produkten] Foam sensitive mit pflegenden Nano-Partikeln.«
Ungläubig starrte Schmidt ihn an.
»[Namhafter Hersteller von Herren-Pflege-Produkten] streitet natürlich jegliche Verantwortung ab und beruft sich darauf, dass seine Produkte nach geltenden EU-Normen hergestellt werden und die Nano-Partikel völlig harmlos sind.«
»War klar.«
»Vor seinem Tod war der Pechvogel übrigens beim Chinesen am Bahnhof.«
»Bei ›Glutamat-Guang-Chen‹.«
»Genau, er hatte den Kassenzettel noch in der Hosentasche.«
»Und der Geschacksverstärker hat mit diesen Nano-Partikeln reagiert und ihn umgebracht …«
»Fast.«
»Fast?«
»Ja, habe ich nicht gesagt, dass er ein unglaublicher Pechvogel gewesen sein muss? Da war nämlich noch ein Stück Lippenstift im Magen, sowas Billiges aus Osteuropa, mit Chemikalien, die im Rest der Welt verboten sind.«
»
Lippenstift? Im
Magen?«
»Ja, guck nach wenn dus nicht glaubst.«
»Neenee, schon gut.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass das mit dem Abdruck der Frauenhand auf seiner Wange zusammenhängt. Hat aber nichts mit der Todesursache zu tun. Jedenfalls – das alles zusammen hat dann innerhalb kurzer Zeit zur Entstehung dieser Dinger geführt, die haben sich vermehrt wie die Karnickel und ihn dann von innen heraus massakriert.«
»Mann-Oh-Mann …«
»Das kannst du laut sagen. Überleg' mal was da an Wahrscheinlichkeiten zusammenkommen muss.«
»Ich versuchs mir gerade auszumalen …«
»Nicht zu bildlich«, sagte Mabhari grinsend.
»Keine Sorge«, sagte Schmidt »Also … unser Pechvogel – hat der eigentlich einen Namen?«
Mabhari reichte ihm eine Klarsichthülle mit dem vorläufigen Bericht.
»Kalle irgendwas, da klebte ein Kaugummi auf seinem Perso, ich hab den so zur Spurensicherung geschickt. Die haben angerufen, kurz bevor du gekommen bist und haben gesagt, sie hätten seine Mutter gefunden, eine Lysira irgendwas.«
»Dieser Pechvogel, dieser Kalle, geht also zu Glutamat-Guang-Chen. Nachdem er die 47 süß-sauer verputzt hat, will er sich zum Dessert was Besonderes zu gönnen und geht zu einer der Nutten am Bahnhof. Er beißt ihr den Lippenstift ab und fängt sich dafür eine. Wieder zu Hause hat er immer noch Druck und legt selbst Hand an. Die zum Freudenspender umgewidmete Rasierschaumdose geht auf und er beißt ins Gras, weil sich in seinem Darm kosmetische Nano-Partikel zusammen mit billigen Schminkutensilien und chinesischem Fast-Food zu einer neuen Lebensform entwickeln, die ihn auffrisst.«
»So wirds gewesen sein.«
»Wenn ich das jemandem erzähle – das glaubt mir kein Schwein.«
Mabhari zuckte mit den Schultern »Ach weißt du, Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde …«.