Captain's Dinner
Herzlichen Glückwunsch zum Abitur, Annika, wir haben eine Überraschung für Dich!
Ihre Eltern strahlten und überreichten ihr einen Umschlag.
Was konnte das schon sein!
Annika verdrehte die Augen. Den Mercedes A-Klasse hatten sie ihr doch schon geschenkt, als es ihr gelungen war, nach einer Ehrenrunde die Oberstufe zu erreichen.
Und die Wohnung, in der sie während ihres Studiums in München wohnen würde, hatten ihre besorgten Eltern für sie erworben. Das Appartement musste nur noch mit den passenden Möbeln ausgestattet werden.
Sie öffnete den Umschlag: Eine Kreuzfahrt. Auf dem Luxusliner „
Engel der Karibik“.
Entscheidender Nachteil war, dass ihre Eltern mit ihr zusammen reisten.
Ihre Vorstellungen von einer Kreuzfahrt waren gespickt mit Horrorvorstellungen.
Zähneknirschend trat sie die Reise an, in Erwartung von Langeweile pur, einer Armada von älteren Herrschaften, langweiligen Dinners mit langweiligen Leuten und ständiger totaler Überwachung.
Sie hatte zwar die Junior-Suite für sich allein, diese befand sich jedoch unmittelbar neben der Superior Balkonkabine ihrer Eltern.
Der Flug von Frankfurt nach Fort Lauderdale verlief ohne Zwischenfälle. Annika hatte endlich Gelegenheit ihr spannendes
Buch von Simon Beckett zu Ende zu lesen.
Das Kreuzfahrtschiff war ein echtes Traumschiff, wunderschön anzusehen und riesengroß.
Ihre Laune besserte sich zusehends.
Entgegen ihrer Befürchtungen war der Aufenthalt an Bord mehr als kurzweilig.
Es gab Fitness-Räume, eine
Sauna, einen Pool und eine Clique netter junger Leute.
Die Disco Abende waren unterhaltsam und die Kleiderordnung nicht so streng, wie sie zuvor befürchtet hatte.
Die Landgänge waren traumhaft, ebenso wie das Karibik-Wetter.
Heute Abend stand für die Passagiere aus ihrem Decksbereich das Captain’s Dinner bevor.
Annika kam vom Pool in Flip-Flops, Bikini, nur mit einem Pareo um die Hüften.
Sie hatte bereits echte Karibik Bräune erlangt.
Verträumt stieg sie aus dem Aufzug, bog wie gewohnt nach links ab.
Irgendwo im Labyrinth der Gänge hatte sie sich plötzlich verlaufen.
War sie zu spät ausgestiegen?
Die Decks sahen alle gleich aus.
Wie war noch die Nummer ihrer Suite?
Sie irrte umher und wusste bald nicht mehr, ob sie überhaupt noch in die richtige Richtung lief.
Die Maschinengeräusche schienen immer lauter zu ertönen.
Im Halbdunkel des schmalen Ganges prallte sie plötzlich an die breite Brust eines Mat
rosen.
Ölige Hände umfingen ihre Handgelenke wie Schraubstöcke.
Wen haben wir denn da?
Seine Stimme klang angenehm, einschmeichelnd. Trotzdem war Annika schreckensstarr, jedoch nur wenige Sekunden.
Sie spannte ihren Körper an, hob ihren Kopf und blickte in ein ölverschmiertes, wenngleich sympathisches Gesicht, aus dem sie strahlend weiße Zähne anblitzten.
Sein intensiver Geruch nach maskulinem Schweiß und Schmieröl stieß sie in gleichem Maße ab, wie es sie erregte.
Irritiert riss sie sich los, wandte sich um und rannte, so schnell es ihre Flip-Flops zuließen, wie von Furien gehetzt, den Gang entlang.
Nach der nächsten Biegung konnte sie am Ende des Ganges hellere Beleuchtung ausmachen.
Gott sei Dank, der Aufzug, nun fand sie sich wieder zurecht.
Sie hatte den kleinen Schreck schnell vergessen, duschte ausgiebig und machte sich zum Captain’s Dinner zurecht.
Sie zog ihr kurzes weißes, fast durchsichtiges
Strickkleid an, das ihre gebräunten Beine besonders gut zur Geltung brachte.
In Begleitung ihrer Eltern steuerte sie den Speisesaal an.
Der Kapitän stellte seine Begleiter vor, zuletzt den vermeintlichen Matrosen:
Robert Baumann, unser Leitender Ingenieur.
Annika hatte ihn sofort wiedererkannt, obwohl er offensichtlich frisch geduscht und sein Gesicht nicht mehr ölig war. Sie errötete.
In seiner schmucken Uniform sah er umwerfend aus, deutlich besser als in seiner zuvor getragenen Arbeitsmontur.
Er lächelte sie an, zwinkerte ihr kaum wahrnehmbar zu oder bildete sie sich das etwa nur ein?
Jedenfalls ließ er sich nichts anmerken.
Als die Band aufspielte, wandte er sich galant an sie.
Mein Fräulein, darf ich Sie um diesen Tanz bitten?
Um diesen Tanz und noch viele andere an diesem Abend.
Federleicht schwebte sie in seinen starken Armen dahin.
Nachdem sie fast eine halbe
Flasche Champagner konsumiert hatte, fühlte sie sich wie auf einer Wolke aus Watte.
Er begleitete sie unter den kritischen Augen ihrer Eltern bis zu ihrer Kabine.
Sie war todtraurig, weil ihr bewusst war, dass sie in zwei Tagen Abschied nehmen mussten.
Außerdem war ihr nicht entgangen, dass er einen Ehering trug…
Also ich weiß nicht' bei Euren Wörtern kommen bei mir meist solche Schmachtfetzen heraus...