Nun ist sie fertig ... oder besser gesagt ich
Ob sie auch gut geworden ist
ich schraub schon zu lange dran herum
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Falscher Beruf
Er kauerte hinter den Kartons und zitterte vor Angst. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Schweiß stand ihm auf der Stirn und eiskalte Schauer jagten über den Rücken. Er fühlte sich hundeelend. Den Typ an der Tür konnte er nur als Schemen wahrnehmen. Lukas war sich nicht sicher, wie es weitergehen sollte. Eigentlich hatte er gedacht, das hier wäre ein ganz normaler Routinebesuch, und dann war er in so eine Situation geraten.
Er hatte von seinem Boss den Auftrag erhalten, diese Firma zu überprüfen. Also schlich er sich in einem unbeobachteten Moment herein, und begann sich umzusehen. Die Umsätze deckten sich nicht gerade mit dem, was er da an Material in der Halle entdeckte. Er hatte auch keinerlei Erfahrung mit direkter Ermittlung. Aber noch hatte er nicht alles inspiziert. Als er Stimmen hörte, versteckte er sich zwischen den Kartons.
Die Angst saß ihm im Nacken und biss in seine Gesäßmuskeln. Lukas versuchte einen Ausweg zu finden. Er drehte sich herum, und stieß dabei an einen Reihe Kartons.
„Scheiße“, rief er, und rannte los. Einfach gerade aus, über die Kartons weg. Er wusste nicht, wohin – es war ihm egal. Hauptsache weg. Die Angst trieb ihn, und die nahen Schritte hinter ihm. Als er einen Blick zurück wagte, übersah er einen Stützpfeiler und prallte dagegen. Benommen fiel er um. Noch bevor er sich aufrappeln konnte, packten ihn zwei kräftige Arme und zogen ihn mit. Sein Kopf schmerzte vom Aufprall. Noch immer hatte er Sternenblitze vor Augen und ein Dröhnen in den Ohren. Ein Eisenring schien sich um seine Schläfen gewunden zu haben und drückte das Hirn bei den Ohren heraus. Er hätte seine Seele verkauft, nur um hier wieder heil raus zu kommen. Die Angst und der Kraftprotz hatten ihn fest im Griff.
Lukas wurde in die Mitte der Halle gebracht. Dort kippte er einfach um und kotze vor ein schwarzes Sofa. Im Schatten saß jemand. Er erkannte ein fein gearbeitetes Schuhpaar und Anzughosen. Die menschliche Schraub(en)zwinge zog Lukas wieder in die Höhe. Dann richtete jemand einen Lichtstrahl auf sein Gesicht. Der Schmerz im Kopf nahm an Intensität zu. Er schien sich durch die Augen direkt ins Gehirn zu bohren und dort alles zu verbrennen.
Kraftlos stand er da, kniff die Augen zu und wartete. Endlich sprach der Mann im Anzug: „Na, was haben wir denn da?“ Die Stimme klang leicht amüsiert. „Hast du dich hierher verirrt, oder waren wir verabredet?“
Lukas wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Er wollte schreien, dass alles bloß ein Irrtum sei und sie ihn gehen lassen sollen. Alles was aus seinem Mund kam, war ein leises Stöhnen.
„Sprachverlust – wahrscheinlich vom Schlag auf die Birne“, meinte eine tiefe Stimme im Hintergrund.
„Mach dich nicht lustig, Matt. – Komm her und bring die Schüssel mit den Erdnüssen mit. Ich denke, das hier könnte eventuell länger dauern und interessant werden.“ Lukas begann zu zittern. ‚Länger dauern’, dachte er verzweifelt. ‚Was soll das bedeuten?’
„Was wollt ihr von mir?“, wagte er zu fragen. Seine Stimme gehorchte ihm kaum, er versuchte auch nicht, seine Angst zu verbergen, es hätte ohnehin keinen Sinn gehabt. Er strömte sie nahezu aus. Sie schien ein eigenständiges Wesen zu sein, das ihn übernommen hatte.
Der Mann am Sofa stand auf. Lukas konnte ihn nur als Schatten erkennen, der sich kurz vor die Lampe schob. Eine weiche Hand hob sein Kinn an. Ein unzufriedenes Brummen folgte. Dann eine nüchterne Feststellung: „Der ist ja noch grün hinter den Ohren.“ Sein Kinn wurde wieder losgelassen. Dann landete klatschend eine Hand auf seiner Wange und hinterließ einen roten Abdruck. Lukas schrie kurz auf, mehr vor Schreck als vor Schmerz. Ein verächtliches „Tztz“ war die Folge, und eine weitere Ohrfeige.
Der Mann nahm wieder auf dem Sofa platz.
Lukas dachte, er würde gleich kotzen müssen. Die Schläge ins Gesicht hatten seine Kopfschmerzen noch verstärkt. Sein Hirn schien hinter der Stirn zu kochen. Er schloss die Augen und versuchte nicht mehr so panische Angst zu haben, und die Vibrationen im Kopf zu unterdrücken. ‚Die Agentur hat mich hergeschickt’, sagte er sich vor. ‚Da hat jemand einen großen Fehler gemacht, und ich darf ihn jetzt ausbaden.’
Während er das dachte, schob sich ein weiterer Schatten vor das Licht. Lukas brauchte die Augen nicht zu öffnen um zu wissen, dass es dieser Matt sein musste. Der Mann hinter ihm verstärkte den Griff. Er versuchte den Typ vor ihm zu treten, der wich aber gekonnt aus. Dann traf ihn eine Faust in der Magengegend und ließ ihn zusammenklappen. Noch ein Treffer und noch einer … Lukas hörte auf zu zählen.
Plötzlich hörten die Schläge auf. Lukas wurde aufgerichtet. Sein Kopf nach hinten gezogen, sodass der Lichtstrahl wieder direkt auf sein Gesicht fiel. Den Körper nahm er nur mehr als Schmerz wahr.
‚Warum tun die mir das an? Ich habe denen doch nichts getan? Hab’ noch nicht mal mit der Überprüfung angefangen.’ Er war verzweifelt, verängstigt und am Ende seiner Kräfte.
„Wer hat dich geschickt? Was willst du hier?“, der Tonfall des Mannes am Sofa war jetzt schärfer geworden.
„Agentur … Buchprüfung“, brachte er mühevoll hervor.
„Diese verdammte Agentur! Jetzt kontrollieren die UNS! Wie heißt du?“
„Lukas … Lander.“
„Lander? Du bist doch nicht der Zuständige Scheißer für uns!“ Jetzt redete ein anderer.
Statt einer Antwort schüttelte er den Kopf.
„Warum bist du hier und nicht dieser verdammte Fischkopf.“
Lukas war verwirrt. Fischkopf hieß keiner bei ihnen in der Abteilung.
„Berner“, half ihm der Mann am Sofa auf die Sprünge.
Jetzt nickte Lukas. Berner kannte er. Er war sein Boss.
„Sag diesem Fischkopf, er soll das nächste Mal selber kommen, wenn er was wissen will, oder einen besseren Schnüffler schicken. – Wahrscheinlich hat dich der Mistkerl nur los werden wollen.“
Matt grinste teuflisch und rieb sich die Hände.
„Nein, Matt, den Handlanger lassen wir für heute in Ruhe. Wir werden uns mal an den anderen wenden. – Du kennst nicht zufällig die Chaos-Theorie?“, fragte er im Plauderton. „Nein? Schade, ich habe es auch nicht erwartet.“
An die beiden anderen Männer gewandt, sagte er: „Los geht’s. Lasst den Kleinen hier, der hat sicher die Hosen gestrichen voll, der wird nicht plaudern. Oder, Kleiner? Matt hier wäre sicher gerne bereit, für dein immer währendes Schweigen zu sorgen.“
Lukas räusperte sich, bevor er sagte: „Ich weiß doch nicht mal, wer Sie sind. Ich bin eigentlich gar nicht hier. Alles nur Einbildung.“
Er redete drauflos, die Hoffnung auf ein Entkommen keimte und begann bereits zu blühen.
„Na also … und ein Prinzip der Chaos-Theorie hast du auch erfasst. – Lass ihn los Bernd.“
Der Griff hinter ihm lockerte sich und Lukas plumpste zu Boden.
Das Licht ging aus. Er lag da und fragte sich, was das für ein seltsamer Vormittag war, und ob ihn nicht doch der Berner los werden wollte.
‚Ich sollte mir einen anderen Job suchen. Buchprüfung ist zu gefährlich. Vielleicht Blumenverkäufer, oder so was in der Art.’
(c) Herta 8/2009