Rechtzeitig? Checked. Alle Worte? Checked.
… und jetzt freue ich mich auf eure Kommentare
Der Käpten hatte wieder mal gerufen. Nach und nach trudelten wir in kleinen Grüppchen am Strand ein, versammelten uns am Wrack des Starliners.
Wie gewöhnlich stand der Käpten bewegungslos abwartend auf einem der Triebwerke das halb im bläulichen Sand eingesunken war. Wow, mit jedem Mal sieht er beeindruckender aus, dachte ich.
Er hatte inzwischen einen mächtigen Bart, ebenso weiß und fast so lang wie sein Haupthaar, das in der leichten Brise wehte.
Eine dieser Kreaturen, die sich im Sand eingraben, hatte ihn vor Kurzem in den Knöchel gebissen und die Schwellung war noch nicht ganz abgeklungen, deshalb stützte er sich auf einen langen, knorrigen Stock.
Hinter ihm ging am Horizont die erste der beiden Sonnen unter und umgab ihn mit einer orangeroten Aura. Dieses Bild packte mich wie auch alle Anderen am Kragen einer tief im kollektiven Unterbewusstsein begrabenen, archaischen Erinnerung.
Er begann eine seiner üblichen Ansprachen, doch diesmal lag eine Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit in seiner Stimme wie ich es bisher noch nicht gehört hatte.
»… Es ist kein Zufall, dass der Eiskomet unsere Titania an die Gestade dieses abgelegenen Planeten geworfen hat, liebe VIPs, liebe Passagiere der Ersten, der Business- und Zweiten Klasse!« rief er gerade.
Er war schnell zu Höchstform aufgelaufen, seine Worte hämmerten in einem mitreißenden Rhythmus auf uns ein.
»Aber selbstverständlich vergesse ich auch unsere zahlreichen Reisenden der Economy-Klasse nicht, wenn ich euch zurufe: Vergesst die Panstellar Lines! Sie haben uns verlassen!«
Es gab etwas Gemurre unter den Passagieren, das aber wesentlich ruhiger ausfiel, als noch vor einigen Wochen.
»Aber was sollen wir tun, Käpten? Unsere Vorräte gehen zur Neige und die Nutritionssynthesizer funktionieren nicht!« rief eine füllige Frau verzweifelt in seine flammende Rede hinein. Zustimmendes Geflüster schwoll an.
»Hört mich an!« unterbrach der Käpten donnernd das Gemurmel.
»Wir tun, was der Mensch seit Anbeginn aller Zeit getan hat! Wir werden hier siedeln! Wurzeln schlagen! Ein neues Leben beginnen!«
Atemlose Stille. Bisher hatten seine Ansprachen immer einen Schimmer Hoffnung enthalten. Nicht dieses Mal, doch er war so eindringlich wie nie zuvor. Dazu lag eine Entschlossenheit in seiner Stimme, die uns in ihren Bann schlug.
Zunehmend überwältigt hörten wir, wie er davon sprach Felder anzulegen, feste Hütten zu bauen, Bindungen einzugehen, uns fortzupflanzen …
Da zupfte etwas an meinen löchrigen Shorts. Ich wandte mich um, da war niemand. Wieder das Zupfen, ich sah hinunter, da stand ein untersetzter Passagier der Businessklasse. Er grinste breit und hielt mir eine Tüte Ingwer-Bonbons hin. Der hatte mich schon im Warteraum des Spaceports angestarrt und auch hier immer wieder versucht, mit mir anzubandeln.
»Hör mal, du Gnom!« fuhr ich ihn an, »das hier ist nicht wie zu Hause – poppen nur zum Spaß, mal eben Eizellen oder Sperma im Public Procreation Center abgeben!«
Er machte eine peinlich betretene Grimasse, ließ langsam die Hand sinken.
»Hier gehts ums Überleben! Jawohl, vögeln um zu überleben!«
Ich riss ihm die Bonbontüte aus der Hand und wandte mich wieder dem Käpten zu, der gerade davon sprach eine neue, eine bessere Welt zu errichten, in der Zucht und Ordnung die Korruption und Dekadenz unserer Heimat ersetzen sollten, in der es keinen Platz für Ruchlosigkeit und Eigennutz geben würde.
»Der Odem der Rechtschaffenheit wird diesem Außenposten der Menschheit die Kraft geben zu wachsen, zu gedeihen…« rief er gerade.
Ich sah wie der rundliche Businessklassen-Passagier einen der VIPs ansprach. Der Typ war nicht so groß wie ich aber deutlich muskulöser, vielleicht ein Sportler.
Da fiel mein Blick auf eine der Stewardessen, mit der ich auf dem Flug ein paar Worte gewechselt hatte. Hier hatte ich sie aus den Augen verloren. Sie hatte schöne Beine, nicht zu große, gut geformte Brüste, lange schwarze Haare. Aus den Resten ihrer Uniform hatte sie etwas atemberaubend kurzes, bauchfreies gezaubert. Ich stellte mich unauffällig neben sie. Seite an Seite lauschten wir dem Käpten, dann hielt ich ihr die Tüte hin – »Bonbon?«