Das Klapprad
Hier nochmal was Altes. Immer noch nichts erotisches, aber das kommt noch, versprochen Das Klapprad
Es ist unerträglich heiß während der nicht mal halbvolle Bus uns durch die Stadt schaukelt. Ich sitze in Fahrtrichtung auf dem Platz am Gang des rechten Kleeblattes im hinteren Teil. Hier sind die einzigen beiden Fenster mit Klappen die man öffnen kann. Die Deckenklappen werden schon seit vielen Jahren so winzig gebaut, dass sie nicht mehr taugen, um während der Fahrt einen schönen kräftigen Luftschwall durch den Bus zu pusten.
An der Haltestelle hinter der Brücke stellt der Fahrer den Motor ab und beginnt seine Sachen aus dem Fahrerstand zusammenzusuchen und in einen Rucksack zu packen. Der Kollege, der ihn ablöst kommt herein, die beiden reden kurz miteinander und lachen. Sie geben sich die Hand und verabschieden sich. Der erste Fahrer setzt einen Fahrradhelm auf während er nach hinten geht. Im mittleren, leeren Teil des Busses, in dem die Fahrgäste stehen, oder schweres Gepäck abstellen können, geht er in die Knie. Er zieht ein Klappfahrrad hervor, das er hinter einer Sitzbank festgeklemmt hatte, sein Ehering schlägt auf den metallenen Rahmen, und er trägt es aus dem Bus.
Wegen der Hitze werde ich ungeduldig, der neue Fahrer läßt sich viel zu viel Zeit, seine Sachen auszupacken, seinen Münzzähler in die Kasse einzusetzen, seine Tasche hinter dem Sitz zu verstauen...
Da merke ich dass der Fahrgast vor mir verwundert aus dem Fenster schaut. Der Mann wendet mir den Rücken zu, über die Lehnen der beiden leeren Plätze vor mir sehe ich nur seinen Hinterkopf und seine Schultern. Als er einstieg, habe ich gesehen, dass er vielleicht sechzig Jahre alt ist, kleiner als ich, nicht dick aber kräftig. Er ist Türke, oder aus einem arabischen Land, sieht gepflegt aus und hat eine Halbglatze. Sein kurzgeschnittenes Haar ist schon grau bis weiß, ebenso wie sein Schnauzbart. Er trägt ein unaufällig gemustertes kurzärmeliges Hemd und eine graue Hose.
Ich frage mich noch was er gesehen haben könnte das ihn so fesselt, da wird mir klar, dass dort wo er hinsieht, der Fahrer mit seinem Klapprad sein müßte.
Ich schaue nicht hin, aber ich höre durch die offenen Türen und das gekippte Fenster das Schnappen und Klacken von Metall neben dem Bus. Der ältere Mann beobachtet gebannt wie der Fahrer aus dem Bündel von Stahlrohren, Gummi und Plastik wieder ein Fahrrad macht.
Es ist mit einem mal sehr spannend diesem Fahrgast zuzusehen und ich vergesse für ein paar Augenblicke die Hitze. Er schaut aus dem Fenster wendet mir dabei die rechte Seite zu. Er hat den Oberkörper halb gedreht, seine Nasenspitze berührt fast die Scheibe. Er lächelt, hat die Augen weit geöffnet und merkt nicht dass ich ihn beobachte. Offensichtlich hat er noch nie ein Klapprad gesehen und sein Gesichtsausdruck sagt belustigt »diese Deutschen und ihre Technik«...
Ich hatte heute das Glück, meinen Alltag mit den Augen eines Anderen sehen zu können.
Der Tag, vielleicht sogar die restliche Woche ist gerettet...
Taugt das was?
Gruß,
Christian