692 qm
Vorwort: Namen, Orte, Handlungen sind frei erfunden! Jedwede Beziehung zu echten Personen oder ihren Ansichten sind nicht frei erfunden, sondern recherchiert.
„Was machen sie hier?“, fragte der Mann. Sein Ton war herrisch-unfreundlich und passte zu seinem Äußeren. An die 170 cm lang, normale Klamotten, eine sich abzeichnende Stirnglatze. Das Alter mochte so um die Vierzig liegen, war aber schwer einzuschätzen. Ein Mann, der eigentlich im Strom der Massen unterging, weil: Durchschnitt. Und vielleicht war eben das sein Problem. Das einzig beunruhigende an seiner Erscheinung waren seine Augen. Der Blick schien unstet, flackernd, allzeit bereit. Wie ein in die Enge getriebenes Tier und damit brandgefährlich. Sein Konterpart, ein Soldat in kompletter Kampfausrüstung, an der Eingangspforte des baufälligen Hauses mit gerade einmal 692qm Grundstück, war ein paar Zentimeter länger. Durch seine Kampfstiefel und die Ausrüstung inklusive Splitterschutzweste, P12 und G36 wirkte er allerdings bedeutend gefährlicher. Insbesondere sein wettergegerbtes Gesicht mit zahlreichen Falten und Furchen, die, wenn er streng guckte, was gerade der Fall war, eine echte Welle des Eindruckes hervorrief. Auf der Weste prangten zwei wichtige Dinge. Die Dienstgradabzeichen wiesen ihn als Major aus und der Name war Hartmann. Das passte hervorragend zusammen.
„Ich stelle hiermit förmlich und in Persona ein Schriftstück des BAMF zu“, sagte der Soldat, „sie sind doch Erwin Oppermann?“
„Das geht sie garnichts an!“, entführ es dem Angesprochenen entrüstet, „ wer sind sie denn überhaupt?“
„Major Hartmann, Heimatschutzkommando 52, Dienstnummer 211259H21014.“
„Noch einmal, was wollen sie?“, Oppermann begann, sich aufzuregen. Aber Hartmann wusste vom Briefing, dass er zu cholerischem Verhalten neigte und zwar nicht nur aufgrund der Sommerhitze.
„Ich stelle Erwin Oppermann eine Urkunde des BAMF zu. Falls sie nicht Erwin Oppermann sind, darf ich keine weiteren Auskünfte geben.“
„Ich bin Erwin Oppermann. Und jetzt her mit dem Brief.“
„Ich muss erst ihre Identität überprüfen. Bitte weisen sie sich aus.", Der Major war von ausgesuchter Intelligenz. Sein Ton war kalt, aber nicht unfreundlich. Dominant, aber nicht herrisch. Wohl die richtige Wahl für Oppermann, denn er nestelte sein Portemonnaie hervor und zog ein scheckkartengroßes Kärtchen hervor. Dort stand:
Personenausweis für
Erwin Oppermann
Caprivistraße 152
49078 Osnabrück
ausgestellt vom Reichskanzler Norbert Schittke im Namen der Weimarer Republik.
Hartmann musste sich beherrschen.
„Gut“, sagte Hartmann, „Laut dieses Papieres sind sie Herr Oppermann. Allerdings kann ich die Existenz der Weimarer Republik nicht anerkennen, somit ist dies kein gültiges Dokument im Sinne der Bundesrepublik Deutschland.“
„Hören sie, sie….“
„Allerdings bin ich befugt“, fuhr der Major unbeirrt fort, „eine gewisse Milde walten zu lassen, das heißt, ich habe Spielraum für Gnade. Aus diesem Grunde glaube ich ihnen, dass sie Erwin Oppermann sind. Hier, ihre förmliche Zustellung.“ Hartmann war durch nichts zu erschüttern und schien die Situation zu genießen.
Oppermann schnappte sich wutentbrannt den recht dicken Brief und verzog sich in sein Haus. Hartmann drehte sich mit dem Rücken zur Pforte und erst, als er sicher war, dass es niemand bemerkte, setzte er sein breitestes Grinsen auf. Diese Sache machte ihm Spaß. Daher hatte er sich freiwillig gemeldet. Bedeutungsvoll sah er zu seinem Kameraden, Hauptmann Weber, der vor der Garagenausfahrt Position bezogen hatte und zog eine Braue hoch.
„Meinste, jetzt schon?“ fragte Hauptmann Weber.
„Neiiin, gib ihm eine Chance“, erwiderte Hartmann, woraufhin Weber mit einem „Pffft“ antwortete.
Eine ganze Stunde war vergangen. Weber und Hartmann bedauerten, dass ihre Ausrüstung keine Klimaanlage aufwies oder dass sie Marinesoldaten waren. Die Schifffahrt war immer mit einer kühlen Brise ausgestattet, wenn es zu warm wurde.
„Hauptmann Weber?“
„Aye“, antwortete der.
„Plan Eins. Jetzt.“
Weber nahm das Funkgerät und sprach ein paar knappe Kommandos. In Hörweite wurden Motoren gestartet und näherten sich mit lautem Brummen. Das konnte von Oppermann nicht überhört werden. Ein paar Sekunden später bewegten sich die Vorhänge im ersten Stock. Der Major grinste wiederum, als der Bagger vorfuhr. Er dachte: „Keine zwölf Sekunden und der Kerl regt sich auf!“
Und tatsächlich, als der kleine Bobcat-Bagger begann, die Erde vor Oppermanns Grundstück, dass von einem 2 Meter hohen, weißen Metallzaun umgeben war, aufzureißen, stürmte der Mann aus dem Haus. Er nahm die Klinke der Pforte in die Hand und das war ein Fehler. Major Hartmann, ausgestattet mit extrem guten Reflexen, fuhr herum. Noch während der Drehung hatte er sein Gewehr mit einer fließenden Bewegung von der Schulter genommen, entsichert und auf Oppermann gerichtet.
„Vorsicht, Herr Oppermann, sie beabsichtigen gerade, illegal Staatsgebiet der BRD zu betreten!“
„WAS?!?“, entrüstete sich Oppermann, „das ist ungeheuerlich!“
„Laut meinen Informationen“, begann der Major, „haben sie oder haben sie nicht der Stadt ihren Personalausweis zurückgegeben und ihren eigenen ausgerufen?“
„Natürlich habe ich das, weil…“
„Haben oder haben sie nicht die BRD abgelehnt und auch ihren Reisepass zurück gegeben?“ Hartmanns Stimme war eisenhart und ließ keinen Widerspruch zu.
„Ja klar, aber es gibt dafür….“
„Die Gründe gehen mich nichts an, Herr Oppermann. Einzig die Konsequenz dessen. Und dafür sind wir hier.“
„Konsequenz? Was für eine Konsequenz?“
Major Hartmann nickte Hauptmann Weber zu. Der sprach erneut in sein Funkgerät. „Phase 2, jetzt.“
Wieder hörte man einen Motor starten. Allerdings um ein vielfaches lauter, schwerer und ungeheuer beeindruckend. Oppermann zog die Stirn in Falten und staunte, denn nach ein paar Sekunden kam ein Leopard 2 den Feldweg herauf und stellte sich direkt vor die Garagenauffahrt.
„Was zum Teufel…“, begann der Besitzer.
„Herr Oppermann, ich mache sie darauf aufmerksam, dass sie dem deutschen Staat entsagt haben. Sie haben ferner ihr Grundstück der Weimarer Republik zugeordnet, erkennen die Hoheitsrechte der BRD nicht an. Das BAMF hat entschieden, diese Sache ernst zu nehmen, das bedeutet: Sie befinden sich derzeit auf dem Hoheitsgebiet ihrer Selbstverwaltung, genannt Weimarer Republik. Damit sind sie vollständig autonom. Der Staat Bundesrepublik Deutschland entzieht sie hiermit vollständig ihrer Rechte. Das bedeutet im Einzelnen: Sie werden von Energie, Kabelfernsehen, Telefon, Internet, Zuwasser und Abwasser getrennt. Da sie keinerlei Verträge mit Deutschland oder der EU haben, weder ein Betritt oder ein Zutritt zu Schengen, werden sie ab sofort als exterritoriales Gebiet gewertet. Das bedeutet, sie haben eine Visums-Pflicht und dürfen ihr Staatsgebiet nicht verlassen. Innerhalb ihres Staatsgebietes können sie allerdings schalten und walten. Übrigens wurde ihre Sozialhilfe eingestellt und ihre Mitgliedschaft der AOK wurde entzogen, weil sie kein deutscher Staatsbürger mehr sind. Aus demselben Grund sind ihre WBKs unwirksam, ihr Führerschein ungültig und die Kennzeichen ihres Fahrzeige dürfen auf deutschem Staatsgebiet nicht verwendet werden. Klar soweit?“
„Das können sie nicht machen!“
„Wie bitte? Sie haben das allein zu verantworten.“
„Und wie soll ich jetzt einkaufen? Sie lassen mich im Regen stehen!“
„Entschuldigung, SIE haben damit angefangen, Herr Nachbar.“
„Aber aber….“, sagte Oppermann und griff beherzt zur Klinke.
Hartmann hatte in einer Millisekunde sein Gewehr im Anschlag. Sein Ausdruck war der kompromissloser Härte.
„Lassen sie das! Ich bin befugt, widerrechtliche Grenzübertritte mit aller Macht zu verhindern. Noch einen Schritt….“ Hartmann ließ den Satz offen und Oppermann war kreidebleich. Es war allzu offensichtlich, dass er als so genannter Reichsbürger das Ganze nur für ein dämliches Kinderspiel hielt, um seinen kümmerlichen Geist durchzusetzen. Konfrontierte man ihn allerdings mit der Wucht der bestehenden Gesetze, sah die Sache anders aus.
„Warten sie nur ab, wenn die anderen….“
„Keine Sorge, Herr Oppermann, um die anderen „Kollegen“ wird sich zeitgleich gekümmert. Aber hey“, sagte der Major mit vor Hohn triefender Stimme, „sie haben immerhin 692 qm eigenes Staatsgebiet, können säen, ernten, eigene Zeitungen schreiben, eigene Fernsehprogramm machen, eigene Politik und so weiter und so weiter. Nur den Zugang zur BRD muss ich leider verwehren, solange sie kein Visum haben.“
„Und wo verdammt soll ich das herbekommen???“
„Sie sind doch Souverän der Weimarer Republik? Die werden doch eine Botschaft in der BRD haben?“
„Nein, haben sie nicht! Wie auch, die BRD gibt es nicht!“
„Ach… ja, wie blöd, gell?