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Geschichtenspiel Teil 44

Muttertag
Es geht nicht um die Lamellenvorhangsreinigungsfirma. Obwohl ich mir schon überlegt habe, eine solche zu beauftragen. Der Lamellenvorhang am Fenster sieht unsäglich aus.
Es geht auch nicht darum, dass das Bachbett neben dem Garten komplett ausgetrocknet ist. Jetzt soll es ja endlich bald regnen. Das erzähle ich ihr und fühle mich unsicher dabei.
Es geht darum, dass meine Tochter da ist und ich nach Worten ringe. Sie hat mir einen wunderschönene Blumenstrauß, bunt gemischt, sogar mit Dahlien, meiner Lieblingsblume, vorbei gebracht. Heute ist Muttertag.
Erst plappert sie drauf los. Ich stelle meine Themen hintenan und bin ihr dankbar dafür. Dass sie sich im Sport beinahe verhoben hätte, dass der Tankwart bei ihr um die Ecke total daneben sei, und sie dort bestimmt nicht mehr tanken will. Dass ansonsten alles super läuft. Na ja, fast alles. Aber sie kriegt es hin. "Mach dir keine Sorgen, Mama."

Sie ist eine junge Erwachsene, die den Schritt ins eigenständige Leben erfolgreich gemeistert hat.

Ich schaue mir meine erwachsene Tochter an. Schön, dass Sie an den Muttertag gedacht hat und vorbei kommt. Aber die Zeit, sie in Sachen Leben zu unterweisen, ist vorbei. Das Leben lehrt sie nun. Ich habe damit nichts mehr zu tun.

Sie ist mir fast fremd. So ganz anders als ich, nicht kratzbürstig, nicht gartensüchtig, nicht so oft am Anschlag, oder doch? Nein. Sie ist einfach entspannt und isabellenfarbig. Meine Tochter eben. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.

Das anfängliche Eis bricht, wir schwimmen und frieren doch nicht. Wärmen uns an der Gegenwart und finden Worte. Es dauert halt jedesmal eine Weile, bis wir wieder zueinander finden.


Als sie geht, bleibt bei mir das Gefühl von Großartigkeit. Was für ein toller Mensch. Und das entstand vor so vielen Jahren aus meinem Bauch?

Unglaublich!
*****div Frau
7.980 Beiträge
*****ica:
Was für ein toller Mensch. Und das entstand vor so vielen Jahren aus meinem Bauch?

Unglaublich!

Unglaublich, wie rasch Du aus den Wörtern eine Liebeserklärung an Deine Tochter gebastelt hast. *blumenschenk*
Ich bin überwältigt von Eurem Zuspruch. Vielen Dank.

*danke*
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
GEBURTSTAG
Morgen ist mein Geburtstag. Seit meinem Siebzigsten feiere ich nur noch im kleinen Kreis. Doch diesmal könnte der Tag Überraschungen bringen.

Bereits um 8 Uhr will Isabelle n-farbige Muffins vorbeibringen. Ihr Lebensraum sind die Dimensionen der höheren Mathematik und der Wissenschaft. Mit x-Dahlien könne ich auch rechnen, liess sie gerade per Messenger verlauten.
Gut, eine kleine Unterweisung ist bei ihr auch immer dabei. Über die beruflichen Risiken des Tankwartes und der Veränderung von Berufsbildern in der Mineralölbranche referierte sie bereits am Telefon. Schwerpunkt hierbei war natürlich der aktuelle Kraftstoffpreis und die von ihr zitierte Gewinnmarge der Saudis. Da musste ich durch.

Später dann, gegen 13 Uhr, ist die Lammellenreinigungsfirma angemeldet ( UND DAS IST KEIN WITZ UND KEINE GESCHICHTE!!). Endlich werden meine grossen Dachgiebelfenster mit frischen Lammellenstores wieder verschattet und die täglich verglühenden Insekten minimiert. Auch die japanischen Nachbarn hängen mir dann nicht mehr täglich in Wohn-und Schlafzimmer mit ihren Blicken.
Ich erinnere mich noch gut wie sie schrien, als ich kürzlich die Peitsche schwang und es meinem kratzbürstigen Fensterputzer ordentlich gab. Da waren sie dicht gedrängt hinter den herabgelassenen Rolläden, die aber durch kleine Schlitze jegliche Beobachtung zuliessen. Sie schrien so laut, dass mein Fensterputzer fast den eigenen Spass verlor und von grosser Erregung nicht mehr die Rede sein konnte.

Gegen 16 Uhr wird der traditionelle Himbeerkuchen aufgetischt. Ob ich ihn alleine esse?
Wichtig ist, dass die Himbeeren noch ganz prall in ihrer Form sind. Lassen sie sich noch mit der Zunge im Mund in ihrem Innern erkunden, dann ist es perfekt. Bei den kleinen Explosionen, die durch leichten Druck auf die einzelnen Fruchtwaben entstehen, spritzen die aromatischen roten Säfte kreuz und quer.
Sollte Stefan um 16 Uhr vorbeikommen, so kann er mir wieder die Himbeersafttropfen von der Brust schlecken, falls er dies schafft, ohne sich zu verheben und zu verrenken in seinem Rollstuhl.

Später dann werde ich, wie immer an meinem Geburtstag, hinaus auf die Wiese laufen bis zum Wasser und im schmalen Bachbett meine Füsse kühlen.
Es wird ein schöner Tag.
*****ree Frau
21.398 Beiträge
Wie schön, der Geburtstag der "alten Dame"
Mal anders *g*
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
....und in Realität, fern der Geschichte, ist zu berichten, dass die Lamellenreinigungsfirma die Lamellen geschrottet hat und diese nun neu hergestellt werden müssen und die Japaner weiterhin ins Fenster schauen.....

OMG!

Stoff für weitere Geschichten!

Aber Himbeerkuchen gab es dann schon *lol*

LG und danke an alle für die Resonanz.
Insektoid
Die Lamellenvorhangreinigungsfirmafensterscheibenreinigung muss ungefähr so lange her sein, wie das Wort selbst es ist.

Zumindest kündet eine dicke Schicht undefinierbarer Herkunft von einer nicht unerheblichen Zeitspanne, in der die ursprünglich durchsichtige Front Wasser nur in Form von Regentropfen erdulden musste. An das Wörtchen Reinigungsmittel erinnert sie sich sicher genauso wenig wie an die Bedeutung von Putzlumpen oder Gummilippe. Ganz objektiv gesehen, interessierten sich Glasfronten sowieso nicht für ihre Durchsichtigkeit oder das was im Inneren oder am Außen an ihnen klebt. Seien es nun Kalkreste, Fettschlieren oder naseweise Menschengesichter.

Auch für das kleine Insektoid ist der Zustand der siliziumhaltigen Barriere nur von geringerem Interesse. Wäre seine Funktionseinheit noch aus minderwertiger Biomasse gefertigt und seine Sensoren deshalb regelmäßig Täuschungen unterworfen, könnte es eventuell das Schicksal der hier angesiedelten verwandten Arten teilen, die es in Fragmenten schon auf mehreren Silikatflächen auf diesem Planeten wahrgenommen hatte. Allerdings bewegten sich diese Flächen mit einer weitaus höheren Geschwindigkeit relativ zur Umgebung, als diese stationäre Großbarriere. Sicherlich ist sie ein Sicherheitsbestandteil der darin sich bewegenden ungelenken Riesenwesen, damit deren instabilen und verletzungsgefärdeten Hüllen nicht aus dem Stock fallen können und zu Bruch gehen.

Diese Wesen, die den Himmelskörper über und über mit toter Materie überzogen haben, sind wegen einer kratzbürstigen Unbelehrbarkeit trotz ihrer scheinbaren Intelligenz durch keine Weisheit der Galaxis zu unterweisen und somit der Grund für die Operation "Sauberes Bachbett" der intergalaktischen Union.

Insektoid Rob Ant ist genau deshalb hier. Er sucht im Auftrag der Union nach erhaltenswertem Erbgut, das den noch auf Biomasse angewiesenen Arten der Galaxis zu Nahrung, Fortpflanzung und Erbauung dienen kann. Deshalb - und nur deshalb ist Rob vor dieser Silikatwand und scannt das Dahlienbeet davor, das im Übrigen auch schon länger kein Wasser mehr gesehen hat. Isabellenfarben ist eines der Hauptkriterien, nach denen es geduldig Ausschau hält. Zumindest soweit Insektoide mit der Bedeutung des Wortes Geduld überhaupt etwas anfangen können.

Für die hinzugeschalteten Zuschauer der intergalaktischen Liveübertragung sind diese Überlegungen aber eher untergeordneter Natur. Ihr Interesse richtet sich eher auf den Tankwart gegenüber, der sich gerade angeregt mit der in seinen Augen wohlproportionierten Frau (eingeschränkt reproduktionsfähige Unterart der diesen Planeten überwuchernden minderbemittelten Biomassewesen) unterhält und nicht bemerkt, dass das leichtentzündliche Erdölprodukt aus seinem Schlauch schon länger nicht mehr in den Tank des dafür vorgesehenen Fahrzeugs läuft, sondern mittlerweile durch sein anhaltend unachtsames Verheben die nächsstliegende Fahrbahn überquert hat. Dort stehen Lösungsmittelwaggons neben schwer bewachten Castorbehältern und einer der zur Bewachung abgestellten Soldaten hat soeben seine fast fertig gerauchte Zigarette hinter sich geschnippt.

Das ganze Universum ist höchst gespannt, ob es die für unberechebare Kettenreaktionen bekannte Menschheit noch hinbekommt, sich selbst auszulöschen, bevor die globale Genrettung abgeschlossen ist oder die Anullierungsflotte der galaktischen Union noch das befallenene Sonnensystem erreicht, um die nötige Reinigung zu vollenden.
@
@ odette
Oma Otti for President!!!!!! *zugabe*
@*****ica
Nichts besser, als gartensüchtige Mütter für Söhne und Töchter! *dafuer*
@****ie
Die dahlienfarbige Arabella könnte wirklich vom Salvador sein ... *ja*
@****div
Reinigungskräfte entwickelndes Benzin entflammen alles! *schock*
*****div Frau
7.980 Beiträge
***ve:
Ganz objektiv gesehen, interessierten sich Glasfronten sowieso nicht für ihre Durchsichtigkeit oder das was im Inneren oder am Außen an ihnen klebt.

*oh2* Glasfronten nicht. Aber ich habe schuldbewusst gleich mal mein Display vom Handy sauber gewischt. Weil - das musste ich unbedingt ohne Schlieren lesen.
*bravo*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Meine kleine Story ist auch schon fertig, mal schauen wies gefällt. Die Gruppe hat ja schon sehr schöne Geschichten vorgelegt. *wink*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
"Out of Order"
Karlchen Schmidtgruber steht am Abgrund, seine Konten sind ausgetrocknet wie das dürre Bachbett , welches seitlich seines kleinen, herunter gewirtschafteten Firmengeländes entlang führt. Die isabellenfarbenen Vorhänge des Büros bauschen sich im leichten Durchzug, auf dem alten Schreibtisch türmen sich letzte Akten. Im Grund genommen gehört der ganze Mist in den Reißwolf und Karlchen kann sich das alte Blechschild mit der treffenden Inschrift "Out of Order" um den dünnen Hals hängen. Dieses Schild ist ein verletzendes Geschenk seines Bruders, aber irgendwie hat Karlchen es nie weggeworfen. Der 63jährige Unternehmer wirkt ausgemergelt und niedergeschlagen. Wieder einmal pleite, wieder einmal einen Job vermasselt, bzw. eine Selbstständigkeit vergeigt. Vom Tankwart bis zum Friedhofsgärtner, vom Kioskinhaber bis zum Automatenaufsteller, vom Taxifahrer bis zum Lagerarbeiter. Allesmögliche an abhängigen Arbeitsverhältnissen und gescheiterten Selbstständigkeiten liegt hinter Karlchen.
Und nun ist auch noch seine letzte Geschäftsidee im Konkurrenzkampf auf der Strecke geblieben. Die Lamellenvorhangreinigungsfirma , mit der er vor knapp zwei Jahren frohgemut an den Start gegangen war. Pleite und insolvent vom feinsten.

Seine, etwas verwelkte, Lebensabschnittgefährtin, Eufonia Grünsattel hatte ihm vor einigen Wochen kratzbürstig erklärt, dass ihre eigene Zukunft als selbstständige Raumpflegefachkraft ohne Karlchen besser aufgestellt sei und ihn schwuppdiwupp verlassen. Die letzten beiden Arbeiter waren auch schon fort und Familie gab es keine, außer einem mürrischen, jüngerem Bruder, der sich aber schon vor Jahrzehnten von Karlchen losgesagt und irgendwo in Ossiland sein Auskommen gefunden hatte.

Morgen wird der Gerichtsvollzieher kommen, die letzten Arbeitsbühnen und Reinigungsgeräte von etwas Wert mit seinen bunten Aufklebern verzieren und Karlchen mal wieder unterweisen . Als ob Karlchen nicht schon die Bestimmungen auswendig kennen würde. Aber Vorschrift ist Vorschrift pflegt der knochentrocken wirkende Beamte zu sagen.

Einsam wirkt der bunte Farbklecks der Dahlien , letzte Erinnerung an bessere Zeiten. Die Pflanzkübel neben der Eingangstür, die möchte Karlchen gerne mitnehmen und in seinem Vorgarten unterbringen. Aber Achtung, bloß nicht verheben , beim Aufladen mit der Sackkarre. Karlchen beschließt das Blumenkübelproblem auf den morgigen Tag zu verlegen und zählt nervös das Kleingeld in seiner Hosentasche. 5,82 Euro, naja für eine Currywurst mit Pommes und eine Dose Bier beim Heinz wird's noch reichen.
Achtlos zieht Karlchen die Tür hinter sich zu, schlurft müden Schrittes zur Imbissbude um die Ecke. Anschließend wird er nachhause gehen, noch läuft der Fernseher und sich irgendeinen alten Schinken anschauen. Die hämisch, mitleidigen Blicke am Imbiss missachtet Karlchen. Die Kundschaft hier ist nicht gerade vornehm, aber das Essen ist gut. In Karlchens rechter Jackett Tasche verkrümelt das letzte, angebrochene Päckchen Reval ohne.

"Und vielleicht gibt es ja hier die Eintrittskarten für den Ball der Gescheiterten", denkt Karlchen in einem Anflug von Ironie und ein bitteres Lächeln spielt um seine schmalen Lippen.

Kamasutra 14.05.2018
**********henke Mann
9.638 Beiträge
Grange - Das Klavier
Wieso hatte er jetzt Appetit auf Ceviche? Sein Angreifer lag tot auf dem Boden, Streissler war vermutlich schwer verletzt oder ebenso tot wie dieser Volontär des Ninjagewerbes. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, sich als Mitarbeiter einer Lamellenvorhangreinigungsfirma getarnt Zutritt zur Pension zu verschaffen und auszukundschaften, wo er, der Kommissar mit den unerschütterlichen Fähigkeiten eines Präsidenten der Bluthunde sein Zimmer hatte. Vermutlich wurde Pablos harte Ausbildung nicht von einem Intelligenztraining begleitet.

Die Tür zu Streisslers Zimmer stand offen, und im Schein der MagLite sah der jetzt gar nicht kratzbürstige Grange seinen Assistenten auf der isabellenfarbenen Bettwäsche liegen. Schnell war er bei ihm und fühlte am Hals den Puls, der schwach unter seinen Fingerspitzen strömte. Der Kommissar assoziierte bei dem Gefühl ein Bachbett mit einem schwachen Rinnsal, im Augenwinkel nahm er das Zucken der blauen Lichter wahr und trat ans Fenster, das sich schwer öffnen ließ.

„Schickt den Elektriker zu den Sicherungen und schafft einen Arzt in Zimmer 11. In die zwölf kann der Pathologe kommen, da ist nichts mehr zu retten!“

Paul Furt, der Chef des Einsatzkommandos, den seine Männer liebevoll-respektlos Tankwart nannten, nachdem bei einer Betriebsfeier von seinem Schülerjob geplaudert hatte, schickte sie im Schein der gleißenden Einsatzlampen mit Handzeichen in alle Richtungen, bald hallten Rufe wie „Raum sicher!“ und „Angreifer neutralisiert!“ durch die sonst nachtstille Pension.

Das hier war definitiv nicht pazifistisch, und als das Licht wieder erglimmte, sah Grange das gesamte Ausmaß des Gemetzels, das Pablo angerichtet hatte. Sogar die Dahlien aus der Blumenvase im Foyer hatten dran glauben müssen! Auch das Klavier war umgestürzt und lag auf der drallen Pensionswirtin. Sie stöhnte leise. Tausendjährige Verdammnis über den Ninjalehrling!

Grange hatte sich schnell gefangen. Er winkte zwei MEK-Leute zu sich heran und versuchte es in lockerer Manier: „Ich werde sie jetzt im Umgang mit umgestürzten Klavieren unterweisen, damit sie sich nicht verheben!“

Beide grinsten und wuchteten das Instrument von der schönen Frau, Grange kniete sich neben sie und befreite sie von der engen Kleidung an ihren geschwollenen Gliedern. Äußerlich schien sie weitgehend unversehrt, bis auf ein paar Kratzer und der Kommissar flüsterte ihr zu: „Sie haben meinem Kollegen das Leben gerettet!“
*****div Frau
7.980 Beiträge
Ob das Elend von Insolvenzen oder die Freude aus lauter Menschenfreundlichkeit eine Frau aus ihrer zu engen Kleidung zu schälen - Kamasutra2016 und Kamelienschenke, ihr seid Klasse!

Irgendwie verführen die Wörter zu etwas schwärzerer Schreibe. Mir ging es nicht besser.
*****div Frau
7.980 Beiträge
Die Kaktus-Dahlie
Leise fluchte sie vor sich hin. Vier Stunden gab es nur isabellenfarbene Aussicht zu beiden Seiten des Highways. Sie hasste jetzt schon den Auftraggeber ihres neuen Chefs. Der alte Ford mit dem Logo der Lamellenvorhangreinigungsfirma in Form einer stilisierten Kaktus-Dahlie auf der Seite brummte leise über den leeren Highway. Ihr Kopf brummte ebenso und ihre Zunge war mittlerweile staubtrocken. Klimaanlage hatte der Firmenwagen nicht. Das Einzige, von dem sie sich Kühlung versprach war der Fahrtwind. Sie fuhr mit heruntergelassenen Seitenfenstern. Schweißperlen suchten bereits länger den Weg von ihrer Stirn rinnend nach unten. Zum Glück war ihr Makeup wasserfest. Ihr dunkles Haar sah zu ihrem bleichem Teint allerdings irgendwie merkwürdig aus. Der Firmenkittel lag auf dem Rücksitz, dass sie bereits bei der Ankunft einen adretten Eindruck hinterlassen konnte. Aktuell lugte ihr BH aus dem knappen Top. Dieser Anblick hatte ihr morgens bereits einen Strafzettel erspart, glaubte sie.

Kurz nach der letzten Ortschaft hatte sie die Sirene gehört und war sofort brav zur Seite gefahren. Bis der Officer neben ihr am herunter gekurbelten Fenster stand, lagen ihre Hände längst auf dem Lenkrad und sie saß mit durchgestrecktem Rücken und vorgereckten Brüsten bereit.
"Führerschein und Wagenpapiere!"
Vorsichtig langte sie an die Sonnenblende, um die dort festgeklemmten Papiere zu pflücken. Sie nahm den rechten Arm, lehnte sich ein wenig nach vorn, bevor sie sich zum Fenster drehte und das Verlangte langsam in die behandschuhte Hand legte.
"M'am, wissen Sie, wieviel Sie gefahren sind?"
Sie legte sich scheinbar erschrocken die rechte Hand aufs Dekolleté. Sie spürte förmlich seinen Blick, der, eingefangen von glitzerroten Fingernägeln, langsam tiefer sank.
"Nein, Officer..."
Langsam hob sie ihren Kopf und sah dem Motorradpolizisten direkt ins Gesicht. Sie blinzelte geschickt ein hervorgepresstes Tränchen aus dem Augenwinkel. Das war ihre Spezialität bereits in der Theater-AG in der Highshool gewesen. Würde es hier auch funktionieren? Jetzt nur nicht nachlassen.
"Hab ich etwas falsch gemacht?"
In breitestem Südstaatenakzent sprechend, setzte sie zwei unglaublich blaue, erschrockene Augen ein, versteckte geschickt ihr eigentlich gern kratzbürstiges Ich.
Der Officer seufzte, ihre Augen erreichten tatsächlich eine Aufweichung der strengen Paragraphen, die dem Polizisten als Richtschnur für die Ausübung seines Berufes dienten.
"Sie müssen langsamer fahren, M'am."

Genaugenommen sah er gar nicht schlecht aus. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen. Tatsächlich dürfte er an die 20 Jahre jünger als sie sein. Frischfleisch? Hier allerdings verfehlte die kleine verführerische Geste seine Wirkung. Sein Blick sprach seine eigene Sprache. Sie hasste diesen Blick, las im Hintergrund Mitleid mit heraus. Zuletzt…
Nein, sie musste weiter. Nicht aufhalten lassen. Er dachte gar nicht daran, sie aufzuhalten. Gab ihr belehrend noch den Rat, die Brille, die vorn auf der Ablage in einem Staubmantel gefangen schien, zur Kontrolle über das Tachometer zu nutzen und ließ sie weiterfahren.

Ein paar Meilen schimpfte sie lauthals vor sich hin. Dann begann sie ihre Lage realistischer einzuschätzen. Mitte 50, ihr letzter Freund hatte sich vor drei Jahren aus dem Staub gemacht. Sex hatte sie trotzdem - viel, oft, wie Hochleistungssport. Sie war mit ganzem Leib dabei; die Männer wurden indes immer jünger. Sie glaubte, die gleichaltrigen oder gar älteren Männer könnten nicht mithalten. Ein Drink, ein Burger, mehr brauchte sie zumeist nicht zum Entscheiden. Wäre ihr Gegenüber der Richtige? Ein paar Stunden später, verschwitzt, besudelt mit seinen Säften - genau so sah sie das - musste sie sich jedes Mal aufs Neue eingestehen: er war es nicht. Dann war Dave in ihr Leben getreten. Der neue Tankwart bei ihrer Stammtankstelle. Mitte 20. Er hatte sie gepackt, nicht nur im Bett, auch emotional. Ihn hatte sie unterwiesen, meinte sie, wie Sex zu Liebe werden könnte. Ein Irrtum, das zu glauben.

Jetzt rann eine echte Träne aus ihren Augenwinkeln. Rasch griff sie in Richtung des Autoradios, drehte sekundenlang daran, bis aus den Lautsprechern ein trauriger Blues das Wageninnere flutete. Sie lenkte gerade noch das Fahrzeug an den Straßenrand, bevor sie schluchzend über dem Lenkrad zusammen brach. Vielleicht fünf Minuten brauchte sie, sich wieder zu fangen. Ein menschliches Verlangen brachte sie dazu, die Türe zu öffnen und ihre immer noch schlanken Beine in schwindelerregend hohen Highheels aus dem Wagen zu schwingen. Bis sie im Straßengraben - oder eher ausgetrockneten Bachbett - hockte, hatte sie den Weg mit einem Absatz bezahlt. Sie schniefte. Ein Bild des Jammers, wer sie so zu sehen bekommen hätte.

Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Von keinem. Auch nicht von dem Motel mit 100 Fenstern mitten in der Wüste, deren Lamellen seit 30 Jahren angeblich verzweifelt auf Reinigung warteten. Sie würde in korrekt gebügelter, unbefleckter Dienstkleidung zum Empfang gehen. Sie würde um den Generalschlüssel bitten, einfach anfangen. 99 Zimmer abarbeiten. Vor dem letzten Zimmer würde ihr Wagen stehen. Rückwärts eingeparkt. Bis dahin wusste sie, wie weit das Bett von der Türe weg stand. Sie wollte sich nicht verheben. Dave hatte gut im Training gestanden. Muskulöse 185 cm Mann. Sein einziger Fehler war die Kleine von der Bar gegenüber gewesen. Sein letzter Fehler.

Die kaputten Heels legte sie sorgfältig neben die Leiche im Kofferraum und schloss ihn wieder leise und behutsam. Sie musste wirklich mehr aufs Tacho achten, sonst würde ihr Plan nicht aufgehen. Akribisch befolgte sie genau ihre selbstauferlegten Aufgaben. Eine Nacht schlief sie darüber in dem Motel, zum letzten Zimmer würde sie gleich morgens kommen. Der Generalschlüssel lag bereit, dass niemand das Zimmer gebucht hatte, hatte sie abgecheckt.

Dave lächelte, wie im Schlaf. Einer von Roses verflossenen Freunde war ein Bestattungsunternehmer gewesen. Sie hatte ihm geholfen, die Leichen für die trauernden Angehörigen vorzeigbar herzurichten. Dave wurde ihr Meisterstück. Seine durch die Schrotmunition zerfetzte Brust blieb vorerst versteckt unter Hemd und rustikalem Blazer. Selbst an ein passendes Bolotie hatte sie gedacht. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Die Lamellen waren geputzt. Die Leiche war aufgebahrt. Zeit zu gehen.

Eine attraktive lebenserfahrene Frau betrat etwas später mehrere Meilen entfernt ein kleines Diner und ging gleich durch, um sich anscheinend frisch zu machen. Keiner achtete darauf, als aus der Toilette ein aschblondes Mäuschen heraustrat: ausgewaschene Jeans, unscheinbares Shirt, Flip-Flops an den Füßen, mit zurückhaltend gestylten Haaren, in der Hand eine prall gefüllte Walmart-Tüte. Sie ließ den draußen geparkten Ford mit der Dahlie unbeachtet stehen und lief an der Straße entlang. Beim ersten an ihr vorbeifahrenden Auto streckte sie den Daumen hoch. Der Wagen hielt.

© mariediv 05/2018
It´s me!
*********ld63 Frau
8.139 Beiträge
Wow!
Ich lese gerade begeistert alle Geschichten nach - ihr seid der Hammer! *top*

Aber Marie - deine Geschichte hat mich wirklich tief berührt. Danke dir! *roseschenk*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Marie
Wunderschöne und berührende Geschichte *blume*
Ich danke dir von *herz*
Marie,
ich sehe den Leichnam im Kofferraum ... und dann aufgebahrt in diesem Zimmer des Hostels ... großes Kino.

*danke*
**********Engel Frau
25.297 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Nur kurz eine pauschale, aber ehrlich gemeinte Meldung:
Ich seid alle super!! Herrlich, was ich da heute alles nachlesen konnte. *top*

Sorry, aber das reale Leben hält mich momentan mit absolut gar nicht angenehmen Dingen in Trab, von daher bin ich gerade etwas seltener zu lesen.
*******tia Mann
5.067 Beiträge
Stereotypisches Thekenmännergespräch (Part 31)
Ich habe den Hexenschuss nicht gehört

Die letzten Monate hatte mich eine tiefe Depression durch das Leben begleitet. Zuerst bemerkt man das nicht selbst, aber spätestens wenn man mit einem Hexenschuss vor Schmerz schreiend im Bett erwacht, sollte man erkennen, dass das Leben nicht rund läuft. Würde jemand mit mir in einem Haushalt leben, hätte er oder sie, sich oder mich, besorgt gefragt, was denn los sei. So aber verhallte mein Schmerzensschrei im leeren Nichts, als ich heute morgen versuchte, mich aus dem Bett zu erheben.

Durch eine Furt aus körperlichem Schmerz, der in völlig überraschenden Momenten zuschlug, quälte ich mich durch den Morgen. Schnell waren die Information gesammelt: Geh nicht in eine Schonhaltung. Arbeite gegen den Schmerz. Bewege Dich, auch wenn es weh tut. Lass dich nicht von schmerzhaften Stichen im Rückenmark erschüttern. Mit kurzen Schritten verließ ich also Bett, Arbeitsplatz und Wohnung und tatsächlich: Eine einstündige Wanderung machte mich wieder beweglich und beinahe schmerzfrei. Beinahe – eine halbe Stunde E-Mails checken danach brachte mich schon wieder an den Rand des körperlichen Wahnsinns. Der Weg vom Bürostuhl zur Kaffeemaschine erschien mir weiter als die lange Erfolgsleiter des TV-Redaktions-Volontärs zum Grimme-Preisträger.

Zwischendurch hatte ich seit dem schmutzigen November helle Momente. In einem Rausch von Mut griff ich zum Telefon, um mit Paula zu telefonieren. Mein Herz schlug immer noch für sie, als wäre es ein Pumpwerk zur Versorgung einer ganzen Stadt mit sauberem Trinkwasser. Das Gespräch verlief leider wenig zielführend. Sie fand meine Gartenparty-Aktion, die zum Absturz von Arno am Rande der Bierbank führte, nach wie vor unangemessen, wenn nicht sogar verletzend. Ich verlor im Telefongespräch schnell die Lust, mich zu rechtfertigen, denn nach wie vor fand ich es sehr geschickt, jemanden so abzuservieren, ohne die eigene, pazifistische Überzeugung verletzten zu müssen. Niemand musste sich prügeln. Trotzdem fiel der Konkurrent im Buhlen um Paulas Aufmerksamkeit ordentlich auf die Schnauze.

Eigentlich gab mir das Leben keinen Grund zu Depression und Rückenschmerzen. Ich hatte meine Arbeit, Einkommen und Freunde.
Freunde? Was sind Freunde eigentlich? Hätte ich heute morgen einen meiner Herrenrunden-Theken-Partner anrufen können, wenn ich es wirklich nicht aus dem Bett geschafft hätte? Oder wäre ich jämmerlich auf meiner Matratze verdurstet, während die Kameraden bei Helga an der Theke hockten und sich gelegentlich fragten, was eigentlich aus dem Peter wurde und wieso er sich nicht mehr blicken ließ? Was, wenn ich nicht mehr hoch komme? Würde sich meine Ex Silvia um mich kümmern?

Ich sollte das überprüfen. Ich war lange nicht in Helgas Kneipe. Vielleicht war mir das zu viel Veränderung und frischer Aufschwung der anderen, während ich sesselfurzend auf dem Sofa vergammelte, bis sich die lahmgelegte Muskulatur mit einem Hexenschuss rächte. Nur noch unter die Dusche, um die steifen Muskeln mit heißem Wasser zu lockern, um die paare Schritte zur Theke meistern zu können.

„Ceviche hab´ ich gegessen beim Präsidenten unserer Maklergruppe, komische Fischwürfel mit Zitronengeschmack. Eine echte Bratwurst wäre mir lieber gewesen ...“ erzählte der stumme Olli jovial in der Männerrunde. Ich trat von hinten ran und gab ihm einen Klaps auf die Schulter:
„Olli, Ceviche klingt klingt für mich eher wie ein fieses, orientalisches Zuckergebäck.“
Die Jungs drehten sich zu mir um und freuten sich aufrichtig:
„Schau mal an, der Peter, er lebt noch!“
„Hey, lange nicht gesehen, setzt dich zu uns!“
„Na, hast du deinen alten Arsch endlich mal wieder vom Sofa hochbekommen?“
„Ja, habe ich, und das war wegen Hexenschuss gar nicht so einfach“, freute ich mich mit ihnen, und es folgte ein langes Fachsimpeln über die Volkskrankheit mit ihrer scheinbar tausendjährigen Geschichte.

„Wie auch immer, so ein Barhocker ist genau das richtige für mich, da muss man so schön gerade sitzen und kann nicht in die Schonhaltung gehen“, erklärte ich und bestellte die nächste Runde für alle, was moralische Pflicht eines Säufers bleibt nach langer Abwesenheit an der Stamm-Theke.
Die nächste Runde spendierte Olli, der tatsächlich etwas zu feiern hatte: Er hatte als selbständiger Immobilien-Makler sein erstes Objekt verkauft.
„Wie hast du das nur geschafft?“, zog ihn Klaus auf, „hast du so lange bei der Besichtigung geschwiegen, bis die Käufer entnervt jeden Preis akzeptierten?“
Der stumme Olli grinste nur süffisant und erhob das Glas zum Anstoßen.

Ich fühlte mich wieder wohl in der Runde. Alle dunklen Wolken waren wie weggeblasen und die körperlichen Schmerzen vergessen. Es gab witzige Wortgefechte, herrliche Anekdoten und feucht-fröhliche Würfelspiele.
„Jungs, ich geh mal pinkeln“, flötete ich. Irre, fünf Bier und noch nicht einmal zur Toilette, das muss an den Schmerzmitteln liegen.

Der Schmerzensschrei hallte durch die gesamte Kneipe und Helga fiel ein Glas aus der Hand, als ich vom Barhocker abstieg und unvermittelt in die Knie ging.

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Für all die Neuen hier: Das ist endlich mal wieder ein weiterer Teil einer inzwischen langen Serie.
Für Serien-Fans: Hier entlang: Homepage "Kurzgeschichten" von impotentia
*******tia Mann
5.067 Beiträge
8 Worte - 20.05.18
Jedes Wort doppeldeutig oder mehr, darum viel Spaß beim kreativen Schreiben:

• Akt
• Bienenstich
• Dom
• Erde
• Feder
• Lösung
• Messe
• Zylinder
**********henke Mann
9.638 Beiträge
Vielleicht kommt...
... der Kommissar mit diesen Worten ja aus seiner Pension raus und in der Handlung weiter *g*
*****div Frau
7.980 Beiträge
@impotentia
*bravo* Die Wörter haben mir gleich einen Stich versetzt, ganz ohne Bienen.
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
GLAUBENSKAMPF
Aktuell domestizieren Bienenstiche die Bevölkerung von Northern Cross. So die Headline der heutigen Tageszeitung.

Seit die Plage über den Ort hereingebrochen ist, zeigt sich kaum ein Bürger auf der Strasse. Selbst in der Messe trat der Prediger im Schutzanzug auf. Dabei hatte er über die weisse Kapuze noch einen Zylinder gestülpt. Ob dies besondere Wirkung haben konnte würde sich zeigen, liess er von der Kanzel verkünden. Die Frage eines Gemeindemitgliedes, ob es sich vielleicht um eine biblische Plage handelte, machte ihn zunächst scheinbar sprachlos. Doch nach einigem Stirnrunzeln wies er auf Jesus hin. Jesus sei die Lösung. Und damit begann er wie schon so oft Ängste zu schüren. Trachtet als erstes nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, pflegte er einleitend zu predigen und dann kamen die Beschwörungen und Schilderungen vom neuen Himmel und der neuen Erde und der ewigen Verdammnis.

Nach dem gemeinsamen Vater Unser, das mit laut flehenden Stimmen durch das Kirchenschiff dröhnte, verliessen die Besucher zumeist in tief gebückter Haltung den heiligen Ort, aber nie ohne vorher ihren Obulus ins Kollektenkörbchen zu legen.
Der Priester schmunzelte beim Klang der Münzen und Rascheln der Scheine.
Es war eine gute Idee, die Bienenstöcke nachts mit einem Mix aus Babypuder und Cannabis zu besprühen. So schürte er Ängste und das zahlte sich in Barem aus.

Er schlug die Bibel auf und las in 3.Mose 1,16:
„Und seinen Kropf mit seinen Federn, soll man neben den Altar gegen Morgen auf den Aschehaufen werfen....“

Wunderbar! Jetzt wusste er wie er künftig zu schmackhaftem Hühnerfleisch kam.
*********ynter Frau
9.559 Beiträge
Endlich hatte sie für einen Moment den Kopf frei für ihn. So lange hatte sie ihn nicht gesehen. Imposant wie immer stand er direkt vor ihr. Sie war sichtlich von seiner äußeren Erscheinung beeindruckt und dem, was er ausstrahlte. Eine unvergleichliche Würde, kompromisslose Dominanz und sein Alter erst. Respekt, wie gut er noch immer aussah. Die vielen Jahre schienen spurlos an ihm vorbeigegangen zu sein. Ihr gefiel sehr, was sie sah und ihr wurde bewusst, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Sie genoss das Kribbeln und das Herzklopfen, welches ihren Körper durchströmte. Himmel und Erde umarmten sich in diesem Moment, ein Gefühl wie Nachhause kommen nach langer Zeit. Durchaus konnte sie sich vorstellen heute länger bei ihm zu verweilen. Doch wie würde es nach all den Jahren in seinem Inneren aussehen? Kalt und abweisend oder herzerwärmend?

Während sie noch sinnierte und versuchte ihre Gedanken zu ordnen, nahm seine Ausstrahlung sie derart gefangen, dass sie vergaß in ihr Stück Bienenstich zu beißen. Auch der Kaffee in ihrer Tasse erkaltete unberührt. Stattdessen betrachtete sie ihn ausgiebig, zärtlich strich ihr Blick über jedes Detail seines Äußeren. Wie ein Fels in der Brandung wirkte er, strahlte Sicherheit und Vertrautheit aus. Doch auch noch etwas anderes. Ein wenig Leid, ob so mancher quälend langer Stunde, welches sich aber im Nachhinein betrachtet, als nicht so schlimm darstellte.

Ein Lächeln erhellte ihre Züge als sie sich an ihre früheren Besuche bei ihm erinnerte. Manchmal hatte sie sich zwingen müssen, zu ihm zu gehen. Doch stets hatte sie bei ihm die Lösung für ein sie bedrückendes Problem gefunden, seine Anwesenheit hatte alle ihre Zweifel und Ängste vertreiben. Zurückgeblieben war von seinem Akt ihrer inneren Reinigung zumeist Erfüllung und tiefer Frieden.
Worauf wartete sie noch und warum zögerte sie, sich ihm erneut hinzugeben?

Das Aufheulen eines Achtzylinders ließ sie aufschrecken und riss sie aus ihren Gedanken. Eine kleine weiße Feder schwebte durch die Luft und landete sanft neben ihrem Teller. War dies das Zeichen? Eine Aufforderung von ihm geschickt?
Mit einem Ruck erhob sie sich, auf einmal war alles klar, nichts trübte mehr ihren Blick. Sie klemmte einen Schein unter den Teller und schritt erst in seine Richtung, doch nach wenigen Metern rannte sie. Immer schneller – hin zu ihm. Die Sehnsucht trieb sie an.
Sie durchschritt das Portal, fühlte Kühle und Wärme zugleich in seinen Mauern, die sie zu umarmen schienen. Die Orgel spielte auf, sie nahm Platz und die Messe begann – in ihrem Wormser Dom. Zurückgekehrt an den Ort, der ihr bei allen Katastrophen ihres Lebens immer Trost gespendet hatte. Sie fühlte sich in das alte Gemäuer und dieses füllte sie.
Seit Tausend Jahren – ungebrochen.
*****e_M Frau
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Hach! Wunderschön! Grosses Kompliment!
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