Mama hat Urlaub?
Eigentlich fing es doch gut an. Freitag war sonniges Wetter und ich wollte mich auf eine Woche freier Tage einstimmen. Das Wochenende verlief dann ruhig, verdächtig ZU ruhig. Wenn man vom Anruf der Oma absieht, die enthusiastisch fast eine Stunde lang von ihrer Mittelmeerkreuzfahrt schwärmte, von der sie eben zurückkam.Am Montag dann – Mama, wie kannst du nur – um 10 Uhr morgens einen Termin beim Zahnarzt. Es sind doch Ferien, und ich hab endlich mal frei, also dachte ich, es wäre praktisch, dies in meiner freien Woche abzuhaken. Oh man, eine Tortour im Wartezimmer. Zum Glück kennen wir den Zahnarzt schon seit Jahren, bzw. ER uns. Meine Tochter, Teenie in vollster Manier der zweiten Trotzphase: nö, ich mach den Mund net auf, der Arzt ist hässlich……. usw. Meine beiden Jungs, präpubertär der Meinung, die Welt gehört ihnen, müssten sie dieses der Welt bekunden und unter die Leute bringen.
Als die Sprechstundenhilfe dann einen von uns mit ins Behandlungszimmer nehmen wollte, stand ich (vielleicht etwas zu eifrig) auf und ging mit ihr. Herrlich entspannend kann so ein Zahnarztstuhl sein. Im Wartezimmer wurde es etwas ruhiger, normalerweise kann ich mich auch auf die Rasselbande verlassen.
Igitt, Zahnsteinentfernung, also da kenn ich auch angenehmeres, als dieses hohe piepsende Kreischen, das sich direkt in den Schädel bohrt und dort Pingpong spielt. Nachdem ich es hinter mir hatte, waren die kids dran. Es verlief überraschend reibungslos, denn auf diesem Stuhl scheint jeglicher Trotz flöten zu gehen, vor allem beim Anblick der Bohrer und sonstiger Teile, deren Anwendung man nur erahnen kann.
Nachmittags musste ich dann aber raus, einfach an die Luft bummeln. Die kids waren sowieso alle ausgeflogen, da kann ich das auch. Das Paket noch schnell zur Post bringen, der Käufer, der bei mir etwas über ebay ersteigerte, hatte bezahlt, und nun ging das auf Reisen. Umständlich, weil unhandlich, schleppte ich das Paket zur Post. -HÄÄÄ?? Wo ist die Post?- War ich schon so lang nicht mehr hier? „Wir sind umgezogen – Sie finden uns in der XXgasse.“ Na super – und vor allem, dies ist genau um die Ecke von meiner Straße. Leicht genervt stakste ich zurück in die neue Filiale. Ok, wieder was Neues.
Eine Speicherkarte brauchte mein älterer Sohn. Im Geschäft stand ich vor einem Regal, das bis unter die Decke reichte – Auswahl massenhaft – Handy schnappen, Sohn anrufen, Antwort holen, ok, ich fand dann glücklicherweise die passende. Das wäre auch erledigt, nachdem ich ihm dies schon lange versprochen hatte.
Abends dann gab es wieder einen Moment, in dem mir bewusst wurde, daß nur eine Mutter solche Wesen lieben könne: zwei schweißgebadete, dreckverkrustete Gesichter mit weißen, breit grinsenden Gebissen strahlten mich an, den Fußball unterm Arm geklemmt, einen Duft ausströmend, den man nur noch als „Eau de nasses Stinktier“ beschreiben würde. Schuhe hatten sie doch auch an, als ich sie rausschickte – zurück kommen sie immer in Lehmkrusten.
Gestern stand nachmittags ein Termin beim Kieferorthopäden meiner Tochter an – uuhh, also so schnell mach ich das nicht mehr, in den Ferien solche Termine. Schon morgens ging der Zickenterror los. „MAMAAAAAAAAAAAAA, das Wasser in der Dusche wird nicht heiß und das Waschbecken läuft nicht mehr ab“ die Therme brauchte nur einen kleinen Schubser dann lief zumindest das heiße Wasser wieder. Doch der Abfluss des Waschbeckens war heillos verstopft. Es schüttelt mich jedes Mal, wenn es passiert. Normalerweise geh ich da ökomässig ran, Backpulver und Essig. Die kids amüsieren sich dann prächtig über dieses sprudelnde Inferno. Diesmal nutzte es aber nichts. Knirschend löste ich vorsichtig drehend die Verschraubung des Syphons und natürlich ich stand in der spritzenden Brühe.
Was da alles rauskommt – naja, das was man eben reinschüttet: Plastikstäbchen (woher sind die eigentlich??) Hamsterstreu, Ohrenstäbchen, Verschlüsse von Ohrringen, Legosteine, Gummibärchen, Haarknäule. Das Übliche halt.
Jedenfalls rauscht das Wasser nun wieder durch blitzblank gespülte Rohre. Meine Tochter konnte endlich stundenlang das Bad belegen um nachmittags dann um 14 Uhr fertig zu sein.
Schon auf dem Weg zur Praxis zickte sie wieder. Seufzend sagte ich mir, daß dies nur eine Form ist, mit der sie ihre Anspannung abbaut. Doch warum immer bei mir?
Am Empfangstresen der Kieferorthopädin saß diese persönlich, zog die Versicherungskarte durch das Lesegerät und schickte uns kurz ins Wartezimmer. Meine kleine Zicke legte sofort wieder flüsternd los: „Iiiih, Mama, haste das gesehen? Die hat Hängetitten, bis hiiiiierhin“ und damit hielt sie ihre Hand in die Höhe ihres Nabels. Ich musste einfach grinsen, sie hatte ja Recht – daß im Alter die Schwerkraft wirkt, ist nun mal bekannt, doch könnte man wirklich mit einem BH dagegen arbeiten.
Vor allem unter einem dünnen, weißen T-Shirt. Naja, was soll man machen. Weggucken geht manchmal nicht immer.
Kurz darauf war auch dieser Termin erledigt. „Mama, isch braurrrch unpedinksscht neue Hoschen, isch hap nuar norrch tschwei“ uff, also an der Aussprache mit Zahnspange muß meine Tochter noch arbeiten. Leichter Schweiß brach mir aus, als ich an meinen Kontostand dachte, gleichzeitig wusste ich aber, ich käme nicht drumrum, sie brauchte wirklich neue Hosen. Also rein in den von ihr gewollten Laden. Pubertät in Reinform die sich hier rumtrieb.
Mönsch, bin ich alt – drei dieser kichernden wandelnden Pickelfabriken hätte ich locker ersetzen können, von der Anzahl der Jahre her….
Als ich ihr zusah beim Suchen, schweiften meine Gedanken leicht ab. Wie war das bei mir damals? Ich hätte nie so einfach neue Hosen bekommen. Noch immer bin ich leicht traumatisiert von den für uns selbstgenähten Hosen meiner Mutter, die sie aus den Stoffresten der Vorhänge für unseren damaligen VW-Bus schneiderte. Unverkennbar für alle anderen, welche Kinder zusammengehörten und in welches Auto sie passten, und ich spüre noch immer dieses kratzige Leinengewebe auf meiner Haut. Gruseliges hellbeige mit bunten Streifen, während die anderen Kinder schon Jeans tragen durften. Dieses Bild müsste Freud mal analysieren.
Und jetzt weiß ich, warum Männer nie mit ihren Frauen einkaufen gehen wollen. Dieses kleine Weib rannte von einem Ständer zum anderen, Hose hoch, -nää, die hat hier was, die andere hatte da was, was ihr nicht gefiel. Jede der vier Umkleidekabinen hatte sie letztendlich von innen betrachtet, und die Ausbeute waren dann zwei Jeans. Ächzend hoffte ich, nun fertig zu sein. Zum Glück fing sie nicht mehr von den Schuhen an, die sie noch wollte.
Daß die Pizzeria zu hatte, bei der ich mir einen Salat holen wollte, erwähn ich mal nur so nebenbei. Mit knurrendem Magen ging ich dann müde heim. Genug für heute.
Schlaftrunken ignorierte ich das Klingeln des Telefons. Drehte mich um, zog die Decke über den Kopf und hoffte, es würde aufhören. Dann fiel mir ein, daß meine Tochter das Mobilteil oben in ihrem Zimmer hatte. Mist –das gäb mal wieder seine Salve von Schimpfwörtern. So hoffte ich nur, daß es eine ihrer Freundinnen wäre. Doch ein Blick auf die Uhr verriet mir die Unmöglichkeit dieser Hoffnung. ACHT Uhr morgens – geht’s noch?? Und schon stand meine Tochter vor der Tür. Ein Gesicht das Bände sprach, wortlos streckte sie mir den Hörer hin nuschelte ein „Gute Nacht“ und verschwand. Während den Ferien pennt sie mindestens bis 10 Uhr. Uff, noch mal Glück gehabt, daß ich so einfach davon gekommen bin.
„Hallooo?? Spreche ich mit Frau K.?“ diese fröhlich-schwingende gutgelaunte Stimme trieb mir schon die ersten Hassgefühle in den Kopf. „Ja“ hauchte ich mit heißerer Stimme. „Oh, ich hoffe ich habe Sie nicht geweckt?“
„DOOOCH“ raunzte ich nur zurück. Die Verlegenheit am anderen Ende der Leitung war spürbar, doch mir war das mal echt egal. „ähm, also, das tut mir ja echt leid, es ist auch nur ganz kurz, eine Umfrage, ok?“
Mein Blick aus einem mühsam aufgerissenen Auge nach draussen in den Hinterhof, zeigte trübes Wetter. Menno, wieder nichts mit draussen sitzen…. „Halloooo?“ hörte ich diese lästige Stimme in meinem Ohr, und ich antwortete kurz mit „ja“. Sie begann erneut:" es geht um ein vööllllig neues Produkt, rein pflanzlich zur Fettverbrennung (man müsste hier was anderes verbrennen, dachte ich inquisitorisch), unschädlich für den Körper und effektiv, schon nach wenigen Wochen spürbare Wirkung…………“ erneut flogen meine Gedanken in eine andere Richtung. Ich zuckte leicht zusammen, als ich mein Spiegelbild beim Betreten des Bades betrachtete: sind Pickel ansteckend? Da leuchtete einer frech aus meinem Gesicht – mensch, immer wenn ich ein Date habe. Und hatte ich nicht gestern abend meinen Kajal sorgfältig entfernt? Sondert meine Haut das inzwischen selbst ab? Schwarzumrandet leuchtete das Blau meiner Iris mir entgegen. Vielleicht könnte ich einen Nebenjob in der Geisterbahn annehmen, dann könnte ich auch meiner Tochter mehr Hosen kaufen…. „HAlloooo?“ schon wieder diese Stimme in meinem Ohr. „Nun, was sagen Sie dazu? Ist das nicht für Sie interessant?“ Ächz, um was ging es nochmal? Irgendwas mit Abnehmen? „Nein, tut mir leid, bei mir sind alle dünn“ krächzte ich in den Hörer. „oh, wie machen Sie das denn?“ kam die dämliche Frage. Muß ich echt um 8 Uhr morgens solche Fragen beantworten? Irgendwas von gesunder Ernährung und Sport schickte ich durch die Leitung. Sie entschuldigte sich nochmals für die Störung und legte auf.
SO, und ich ging in meine Küche, schmiß die Kaffeemaschine an und trank einen Cappuccino mit dicker fetter Sahne oben drauf. Soll die doch diesen reinpflanzlicheneffektivenKram schlucken und daran ersticken – grummelte ich vor mich hin.
Was fing ich nun mit diesem Tag an? Hmmm, soll ich mir mal wieder die Haare tönen? Obwohl, um diese Uhrzeit auch nicht ratsam, denn normalerweise (warum auch immer die genau diesen Zeitpunkt erwischen) schocke ich mit diesem Anblick die Briefträger oder Paketzusteller. Also ließ ich es lieber und verschieb das auf Sonntag. Soooo schlimm, seh ich ja nun doch nicht aus. Noch mal richtig heiß duschen, dann passt das schon.
Beseitigen des Schlachtfeldes in der Küche nach der Mahlzeit die sich Frühstück der Kinder nannte, den Job einer Ringrichterin ausüben während der verbalen Ringkämpfe dreier Teenies, Waschmaschine anschmeissen (Mama ich brauch dringend das T-Shirt morgen) - dann flüchtete ich wieder in die Stadt. Nahm mir vor, die Zeit nur für mich zu genießen, Gedanken schweifen zu lassen, an mein Date, die Vorfreude genießen.
„Hallooo“ sprach mich ein junger Kerl von der Seite an, den ich leider nicht rechtzeitig bemerkte, um noch rechtzeitig auszuweichen. „Hätten Sie kurz Zeit, um mit Ihrer Unterschrift und Spende für mehr Gerechtigkeit einzutreten?“ Mein Blick fiel auf den gespannten, blauen Schirm mit weißer Schrift *Helft den Kindern*……………….