Frank
Just in dem Moment, als mir klar wurde, wie befreiend es ist, Single zu sein und meine Zeit mit mir selbst zu genießen, trat er in mein Leben. Wobei…
Er trat nicht ein. Er marschierte auch nicht ein und platzte nicht hinein, wie irgendein tölpelhafter Trampel. Er schlich sich auch nicht durch die Hintertür, wie ein Dieb in der Nacht.
Er kam in mein Leben, mit einer fast tänzerischen Leichtigkeit. Dabei ist er ein ganz bodenständiger Mann, der aber das Träumen noch nicht ganz verlernt hat.
Seitdem reden wir fast jeden Tag stundelang miteinander.
Wir führen heiße Debatten über Sinn und Unsinn des deutschen Bildungssystems, kommen darüber auf Goethe zu sprechen, was natürlich unweigerlich zum faden Gretchen und folglich auch zum Thema Sex führt und mich bei Walther von der Vogelweide ankommen lässt, dessen Lieder ich dann vorsinge.
Er träumt davon, mit mir Waller fangen zu gehen, an meinem Fluss. Und dabei gerät er ins Schwärmen über das Angeln mit alten, schweren Ruten. Am frühen Morgen will er das mit mir tun, wenn sich die anderen Menschen noch in ihren Betten zusammenrollen während die Ratten am Flussufer fröhliche Urständ feiern und der Nebel von den Bäumen tropft.
Ich träume davon, ihm mein Land zu zeigen. Das Land, das ich liebe wie kein Zweites und nach dem ich immer Fernweh habe. Ich will ihm meinen Strand zeigen und meine Wellen und meinen Wind, will gemeinsam mit ihm Bilder mit Worten malen, über den schönsten Flecken Erde der Welt.
Wir lesen uns aus Büchern vor, zitieren Gedichte, singen Kanons und erzählen von unserem Alltag.
Ich lache wieder viel. Viel mehr als sonst in der letzten Zeit. Und ich träume wieder viel mehr. Ich schreibe wieder. Ich lebe wieder intensiver.
Manchmal wird er melancholisch.
Er weiß, dass er mich nie lieben wird. Jedenfalls nicht so lieben, wie er sich das Lieben vorstellt. Weil sein Herz besetzt ist, mit der ganz großen, der einzigen, der wahren, der hoffnungslosen Liebe.
Er glaubt das sei mir gegenüber nicht fair. Er will mich nicht verletzen. Weil er mich mag, oder lieb hat, oder als „kleine“ Liebe liebt, oder was auch immer.
Ich, für meinen Teil, genieße einfach nur das kleine Glück, dass dieser Mann in mein Leben trat und mich zum Lachen, zum Singen, zum Tanzen, zum Schreiben und zum Träumen bringt.
© Rhabia 01-2018