Eine weitere "Kürzestgeschichte"
Die Frau auf dem Fahrrad Sie trägt einen kurzen hellen Rock und ein enges, ärmelloses Top, denn die Sonne brennt vom Himmel herunter, dass man schon im Sitzen schwitzt. Sie fährt zügig. Fahrtwind ist das einzige, was in dieser Sommerhitze kühlt.
Die Muskeln in ihrem Rücken bewegen sich rhythmisch. Spiele eines Körpers unter gebräunter Haut. Sie fährt ein modernes Sportrad, das offensichtlich noch sehr neu ist. Poliertes Aluminium und Edelstahl blitzen, wenn die Sonnenstrahlen darauf fallen.
Sie fährt ungefähr mein Tempo, und ich genieße den Anblick ihres Körpers, der sich vor mir bewegt. Lange, schlanke Beine in Regelmäßigkeit, Pobacken, die sich bei jedem Tritt in die Pedale straffen und wieder entspannen.
"Woran denkt sie gerade", geht es mir durch den Kopf. An ihre Kinder, ihre Familie, ihren Mann? Nein, die wären jetzt mit ihr zusammen unterwegs, bestimmt ist sie "Single". Oder warum fährt sie sonst alleine Fahrrad?
An einer kurzen Steigung geht sie aus dem Sattel, fegt wie der Wind darüber hinweg. Ein Anblick, der mir ins Herz fährt. "Meine Herren!": sie ist bestimmt Ende Vierzig, aber ihre schlanke Figur und die Ästhetik in ihren Bewegungen nehmen mir für einen kurzen Moment mein Hirn weg.
Und der Sattel ihres Fahrrades lassen meine Gedanken vom Weg abkommen...
Wie sie sich beim Fahren wohl so fühlt, auf diesem schmalen Sattel mit dem harten Horn?
Hat das etwas Erotisches für sie?
Reibt sie sich vielleicht gerade ganz bewusst an diesem Sattel und empfindet es als Genuss?
Es kommt mir vor, als bewegte sich ihr Hintern mittlerweile etwas ausladender auf diesem Ding, das mittlerweile in meinen Gedanken gar kein Sattel mehr ist. Es sieht fast so aus, als würde die mattschwarze Oberfläche dieses schnöden Bauteils mittlerweile feucht glänzen. Immer wenn die Frau auf dem Fahrrad vor mir einen Augenblick aus dem Sattel geht, kann man es kurz sehen. Oder täuscht mich mein Gesichtssinn?
Nein, ich habe es genau gesehen: ihr Sattel ist nass!
Sie vermindert ihr Tempo ein wenig. Irgendwie wirkt sie "abgelenkt", fährt nicht mehr so "rund" wie vorher. Ihr Oberkörper neigt sich stärker auf den Lenker, sie hört mitunter auf zu treten. Ist sie erschöpft oder warum ändert sich ihr Fahrstil so deutlich?
Ihre Bewegungen werden regelrecht "eckig", geradezu verkrampft.......
Das will ich mir nicht länger "geben"!
Ich überhole die schöne Frau auf dem Fahrrad vor mir.
An der nächsten Abzweigung muss ich ohnehin umdrehen, weil ich irgendwann ja auch einmal nach Hause muss. Schließlich kann ich nicht ewig hinter dieser Frau herfahren.
Ich wende und fahre heimwärts.
Als ich in Höhe der Frau ankomme, hinter der ich hergefahren bin, ist sie bereits von ihrem Rad abgestiegen. Schwer atmend stützt sie sich auf den Lenker ihres Fahrrads und schaut mich an, als ich ihr im Vorbeifahren kurz zunicke.
Ich bilde mir heute noch ein, sie hätte dazu gelächelt.