Jovo's Brasserie
Wen interessiert es schon, dass Matariki in der Sprache der neuseeländischen Māori die Bezeichnung für das Sternbild der Plejaden ist? Ich lebe nicht in Neuseeland, also ist es mir schlichtweg egal. Ich weiß aber von Shirley MacLaine, dass schon seit ewigen Zeiten Außerirdische immer wieder in den Anden landen (dort gibt es wohl sogar ein Schild "Ufo-Sichtstelle") und diese von den Plejaden kommen. Anscheinend. Meine Hirnwindungen winden sich ab und an in einer gewissen Ekliptik, die mich solche Dinge glauben lässt. Wirklich!
Ob diese Außerirdischen wohl auch schon die Atlantiden besucht haben? Gab es Atlantis überhaupt wirklich? Auch hier neige ich dazu, es zu glauben.
So sitze ich hier am Bodensee in Jovo's Brasserie, genieße die wundervolle Abendstimmung mit Blick auf den kleinen Hafen und den See und lasse meinen Gedanken freien Flug.
An der Ecke schräg gegenüber steht eine kleine Familie, junge Eltern mit Tochter, ca. 8-10 Jahre alt, und sie spielen spanische oder brasilianische Musik und singen wunderschön dazu. Ja, jetzt bin ich angekommen, das ist Urlaubsfeeling. Meine Augen werden feucht, ein Kloß sitzt mir im Hals. Ich könnte weinen, so schön ist diese Stimmung.
Der Kellner ist der Unterhalter in diesem Lokal. Er mutet französisch an - vermutlich auch, weil ich in einer Brasserie sitze. Er könnte aber auch von den Assyrern abstammen, seinem kantigen Gesicht nach zu urteilen. "Hallo, nette Dame, was darf es denn sein?", ist seine Begrüßung, die mich natürlich sofort lächeln lässt. So wird er mich auch an den kommenden Abenden begrüßen, denn dieses Lokal wird sofort mein Stammlokal für die abendliche Weinschorle und eine leichte Mahlzeit. Natürlich bemerke ich im Laufe des Abends, dass er alle Damen so nett begrüßt und bei jedem Gast einen lockeren Spruch auf den Lippen trägt. Er belebt diese Außenterrasse, bringt liebevollen Charme in diese Szenerie. Es tut gut.
Und ich beobachte die Menschen um mich. Da ist dieses junge Paar, das seit ca. einer Stunde nur mit den Handys beschäftigt ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie dazwischen auch nur ein Wort miteinander gewechselt haben.
An einem anderen Tisch, zwei Männer und eine Frau. Sie starren mich unverhohlen an, als ich mich an meinen Tisch setze. Ich nehme meine Sonnenbrille ab, starre zurück und sage laut "Guten Abend!". Sie murmeln "Guten Abend" zurück und starren weiter. Ich ignoriere sie.
Kurz darauf setzt sich eine etwas jüngere Frau an den Tisch rechts vor mir. Locker gekleidet, mit Rucksack. Sie scheint alleine zu reisen, so wie ich. Endlich. Ich fühle mich erleichtert und nicht mehr als Ausnahmefall. Sie schaut mich an, lächelt offen und verschworen und wirft mir ein freundliches "Hallo" zu, das ich gerne erwidere. Unsere Blicke verbinden sich in einem verstehenden "ja, ich auch", wie noch öfter an diesem Abend, fast schon verspielt. Als würden wir gerade unseren eigenen Roman erfinden. Eine stille Gemeinschaft hat sich gebildet. Ich denke noch kurz darüber nach, ob wir nicht gemeinsam an einem Tisch sitzen sollten, aber ich verwerfe diesen Gedanken recht schnell. Wir sind Schwestern im Geiste, ohne uns zu kennen. Genießen diese positive Einsamkeit in der Abendstimmung. Gemeinsam. Eine wundervolle Momentaufnahme, die mir immer in Erinnerung bleiben wird.
"Darf es noch etwas sein, nette Dame?", taucht plötzlich der Kellner vor mir auf und lächelt mich an. Hallo Realität. "Ja, gerne, einen Espresso bitte". "Aber gerne, meine nette Dame, sofort."
Ich lächle, er macht wirklich einen guten Job.
Oh, weiter rechts von mir neue Gäste. Eine junge Frau mit Kind im Buggy und ein Mann. Das Kind quängelt und jammert die ganze Zeit. Meckert, weint, ist unzufrieden. Die Mutter versucht, es mit Keksen zu beruhigen - die nach kurzer Zeit auf dem Boden landen. Der Mann sagt, "ich hoffe, sie hat das nicht öfters". Die beiden unterhalten sich angeregt, aber ich klinke mich aus diesem Szenario aus und denke für mich, "vergiss es Mädel, das wird nichts mit dem Kerl".
Ich werfe einen flüchtigen Blick auf ein gerade einparkendes Auto gegenüber. Ein Angeberauto. Marke? Keine Ahnung. Der Fahrer steigt aus, gut gekleidet, ein wenig schickimicki, mit gut trainiertem Körper, was man alles hier auch ab und zu antrifft, und ich amüsiert beobachte. Nun bin ich neugierig. Die Beifahrertüre öffnet sich. Wird es eine Nymphe sein, die hier aussteigt, passend zu dem Auto und diesem Fahrer? Ein Bein mit Highheels tritt in Erscheinung. Es folgt eine etwas mollige junge Frau mit kurzem Glockenrock, hinten kürzer als vorne. Wodurch die etwas fülligeren Oberschenkel in der Rückansicht deutlich zur Geltung kommen. Ich denke, naja, das würde auch in schöner gehen. Da bemerke ich das Paar links vorne von mir, die darüber diskutieren. Die Frau ist meiner Meinung, der Mann findet es toll. Ja ... das wundert mich nun nicht wirklich.
Ich klinke mich aus und bezahle. Die Sehnsucht treibt mich an meinen Strand, meinen See, meine Stille mit den Wellen, die heute sanft plätschern.
Am nächsten Tag gehe ich meinen üblichen Weg am Strand entlang bis zum Schloss Montfort, stehe an einer kleinen Mauer, die als Umfriedung des Schlossparks dient, und schaue auf diese unendliche Weite des Sees. Die Sonne wirft ihren silbrigen Schimmer auf das Wasser. Das Leben ist wunderschön.