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Tiergeschichten

Tiergeschichten
Maruka döste im Halbschatten der Veranda zwischen den violetten Bougainvilleas und den rosafarbenen Oleanderbüschen. An diesem Platz konnte man sie um diese Tageszeit immer anfinden, denn von hier aus hatte sie den perfekten Überblick über die mit weißem Rieselkies gestreute Zufahrt zum Anwesen der Baxters ...


Es ist mir bekannt, dass viele Tierfreunde unter uns weilen.
Unsere lieben Fellnasen, Fusselbürsten, Stubentiger und all' die anderen lieben Tiere sind in der Literatur immer wieder ein wundervolles Thema.

Ich finde, sie haben hier bei uns eine Wertschätzung verdient.

Lasst uns hier unsere schönsten Tiergeschichten niederschreiben bzw. veröffentlichen.

Viel Freude und Spaß dabei wünscht uns allen

Tom (the Sun)
Küsse in der Nacht
... und das war sie, meine allererste Tiergeschichte:

In jener Nacht im Frühjahr des Jahres 1998 war es frostig. Ich war mit Holger und Mikey unterwegs zu an einem See, ganz in der Nähe von Paris. Wir hatten spontan entschieden, ein paar Tage auf den Spuren der „ganz ganz Dicken“ zu wandeln. Beherrscht von dieser fixen Idee waren die nötigsten Informationen über die örtlichen Begebenheiten und das Gewässer eingeholt und mein Vehikel bis in den letzten Winkel mit allem, was man so für 5 Tage zum Angeln und Zelten braucht, vollgestopft. Mit „Tobacco Road“, „Vive le Rouge“ und „Allez les Bleus“ am Start flogen wir Drei der Ile de France entgegen und waren nach kaum einer Zeit an unserem Reiseziel angelangt. Wir begrüßten das kleine verschlafene Nest stürmisch mit einem freundlichen und schallenden „ Freres Jaques, freres Jaques“. Dafür gab es als Gage beim Boulanger zwei ofenfrische Baguettes und eine Tüte der besten Croissants, die ich je in meinem Leben genießen durfte. Er war selbst ein begeisterter Angler und beschrieb uns bei einem „Petit Noir“ den aus unserer Sicht ein klein wenig komplizierten Weg zum See.
Die anschließende halbstündige Irrfahrt beendeten wir nach einer Stunde damit, dass wir unser Auto am Straßenrand abstellten und die letzten paar Meter zum See zu Fuß bewältigen wollten. Bepackt wie ein Esel kann ich mich nur noch daran erinnern, dass es fünf oder sechs Kuhzäune waren, über die ich steigen musste, bevor ich den dunklen See vor mir erblicken durfte. Der Erschöpfung nahe stellte ich mein Schirmzelt und meine Liege auf, krabbelte in meine Tüte und verabschiedete mich von meinen Gefährten, um auf der Stelle ins Reich der Träume zu verschwinden. Oh, wie wurde ich geküsst in jener Nacht! Solche Küsse hatte ich nie zuvor erlebt. So weich, so warm, so feucht. Einfach traumhaft schön. Und dazu die wärmenden Strahlen der Morgensonne, die mein Gesicht streichelten. Als ich meine Augen öffnete, stand sie vor mir. Mit ihren riesigen Augen starrte sie mich, ihren Auserwählten, liebevoll und anmutig an. Ihre raue und feuchte Zunge glitt mir immer wieder über mein Gesicht. So weich, so warm, so feucht.

Tomboy, im September 2002
Hihi,
warm weich feucht ist klasse - doch Schmirgelpapier, noch dazu in der Masse ... hua!

Schöne Geschichte , tolle Idee! Mal sehen, was mir dazu einfällt ...

*bravo* laf
eyes002
******ace Mann
15.954 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ooh
da habe ich viel zu tun. Paps hat einen Hund, wir haben Miezekatzen.... okay, das dauert jetzt. Aber ich mache mit *freu*

Tom
******s23 Frau
12.703 Beiträge
SAM Teil 1
Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens trafen auf meine Nase und verursachten ein Kribbeln, das mich träge blinzeln ließ. Ich freute mich immer auf den Frühling, aber das dauerte noch einige Zeit. Noch war es so kalt, dass mein Atem kleine graue Wolken in die Luft steigen ließ. Der nächste Schnee kam sicher bald, das konnte ich förmlich riechen.

Aber noch ein anderer Geruch stieg in meine Nase und verursachte ein vernehmliches Knurren in meinem Magen. Langsam erhob ich mich, streckte meine Beine und schüttelte den gefrorenen Schnee so heftig aus meinem Fell, dass die Flöckchen nur so flogen und ein Glitzern die Luft um mich erfüllte.

Die Reste des Hasen, den ich am Vortag erwischt hatte, waren nur wenig mehr als ein Happen für einen so großen Kerl wie mich. Immerhin reichte es, das Knurren zu besänftigen. Ich trat nun ganz aus meiner kleinen Höhle hinaus, fraß etwas Schnee, und machte mich auf den Weg zu einem nahe gelegenen See, der zu dieser Jahreszeit oft schon gefroren war.

Es war fast immer etwas los dort. Spaziergänger und häufig spielende Kinder, die manchmal auch mit Schlittschuhen auf dem Eis ihren Spaß hatten. Vor allem aber gab es oft Menschen, die Essbares dort liegen ließen oder mir ein Leckerli abgaben, das sie für ihre Hunde dabei hatten.

Gemächlich schritt ich durch den Schnee des Waldes, der an einigen sonnigen Stellen anfing zu schmelzen. Es war ganz ruhig, außer dem Zwitschern der Vögel hörte ich nur das Knirschen des Schnees unter meinen Pfoten. Ich dachte an diejenigen meiner Artgenossen, die, ihren Menschen hörig, an der Leine liefen und scheinbar keinen eigenen Willen mehr besaßen, die ihre Freiheit gegen Futter und einen warmen Platz zum Schlafen eingetauscht hatten. Oft stieß ich auf Unverständnis wenn ich von meinem Leben erzählte, denn sie kannten es nicht. Immerhin respektierten sie meine Anwesenheit, schließlich war ich größer und stärker als die meisten.

Einmal hörte ich einen der Menschen sagen, ich sähe aus wie ein schwarzer Bernhardiner. Möglich war das. Ich konnte mich vage an meine Mutter erinnern, auf die seine Beschreibung passte. Meinen Vater kannte ich nicht. Interessiert hatte ich der Unterhaltung gelauscht, auch wenn ich nicht alles verstanden hatte. Es ging um Rassen und darum, dass ich ein Mischling sei. Die Blicke dazu waren wenig freundlich, fast verächtlich, so dass ich vermutete, dass sie mich nicht mochten, aber das war mir egal. Ich beschloss einfach sie auch nicht zu mögen, zumal auch ihre Hunde mich oft ignorierten.

Als ich das Seeufer erreichte, stand die Sonne schon ein wenig höher. Ich betrat das vom Schnee bedeckte Eis um den See zu überqueren, drehte aber nach wenigen Schritten wieder um. Mein Instinkt schlug Alarm, denn es knackte unter meinen Pfoten und machte mir ein unangenehmes Gefühl. Gemächlich trottete ich also am Ufer entlang um den See.

Es spielten ein paar Kinder auf dem Eis, ansonsten waren nur wenige Menschen zu sehen. Die Sonne war herrlich und ich genoß die Strahlen, die mein schwarzes Fell schnell aufwärmten. Eine alte Dame saß warm eingekuschelt auf einer der Holzbänke, die um den See verteilt waren. Sie erfreute sich daran, die Vögel mit Brotkrumen zu füttern. Ich blieb stehen, setzte mich artig und schaute sie mit großen Augen einfach an. Sie roch "freundlich" fand ich. Richtig, als sie mich bemerkte, lächelte sie und wühlte in ihrem Beutel. Sie zog eine ganze Semmel hervor und warf sie zu mir herüber. Ich schnappte sie geschickt bevor sie den Schnee berührte und wedelte einen "Dankesgruß", bevor ich ihn mit wenigen Bissen verschluckte. Abwartend blieb ich sitzen - vielleicht gab es ja noch einen?

Während die Frau noch einmal ihre Hand in den Beutel steckte, schaute ich mir den Mann näher an, der ein Stück weiter auf einer anderen Bank saß und völlig in ein Gespräch vertieft zu sein schien. Sein vierbeiniger Begleiter lag neben ihm, döste und blinzelte ab und zu.

Ich legte den Kopf schief um zu schauen, mit wem der Mann sprach, konnte aber niemanden sehen. Die schwarzweiß gefleckte Dogge schien das nicht weiter zu irritieren. Manche Menschen sind wirklich komisch, dachte ich, und schnappte schnell nach der zweiten Semmel, die heran flog. Dieses Mal kaute ich langsam und genussvoll. Leider stand meine Gönnerin nun auf, kraulte mich noch zwischen den Ohren und ging dann fort. Bedauernd schaute ich ihr hinterher, bis sie nicht mehr zu erkennen war.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann und versuchte sein Geheimnis zu ergründen. Er hatte mich nicht mal bemerkt, auch nicht, dass die alte Frau gegangen war. Der große Hund hatte nur kurz und träge geblinzelt, mich aber nicht begrüßt. Mit einem letzten Blick auf die beiden beschloss ich weiterzugehen, denn in einiger Entfernung hatte ich noch andere Menschen entdeckt.

In diesem Augenblick kreischten die spielenden Kinder lautstark. Es klang anders als vorher - bedrohlich statt fröhlich und es wurde immer lauter.

Auch die Dogge war aufgesprungen, und durch den Ruck an der Leine wurde nun auch der Mann aufmerksam. Sein Blick fixierte mich, dann herrschte er die Dogge an: "Platz, das ist nur ein streunender Mischling!" gleichzeitig zerrte er seinen Hund an der Leine zurück. Es war zu erkennen, wie das Halsband sich zuzog und den großen Burschen würgte. Kläglich winselnd legte er sich wieder hin, den Blick auf die Kinder gerichtet. Der Mann redete einfach weiter mit seinem unsichtbaren Gesprächspartner, während ich schon unterwegs war auf das Eis, das an dieser Stelle scheinbar in Ordnung war.

Schnell, aber mit höchster Vorsicht lief ich auf die Kinder zu und erkannte im Näherkommen, dass ein kleineres Mädchen ins Eis eingebrochen war. Die anderen fuchtelten und kreischten. Ich bellte sie laut an, dass sie vom Eis gehen sollten und versuchte auf dem Bauch kriechend das panisch zappelnde Mädchen zu erreichen.

Das Eis unter mir ächzte bedrohlich, aber irgendwie gelang es mir trotzdem nahe genug heranzukommen, um ein Stück der Anorakkapuze zu schnappen. Stück für Stück zog ich das nun weinende Kind aufs Eis zurück an eine Stelle, die mir sicher schien.

Am Ufer, durch die anderen Kinder alarmiert, hatte nun endlich auch der Mann bemerkt was vorging, und lief aufgeregt hin und her. Weitere Menschen näherten sich, und die Dogge bellte laut. Ich stupste die Kleine an, leckte ihr aufmunternd durchs Gesicht, aber sie konnte wohl vor Kälte und Schreck nicht aufstehen. Sie lächelte mich mit leicht blauen Lippen an und sagte bibbernd: "Sam! Du schaust aus wie ein Sam..."

Kurzerhand nahm ich wieder die Kapuze ins Maul und fing an, sie langsam zum Ufer zu ziehen. Vorsichtig prüfte ich jeden meiner Schritte, und je näher ich dem Ufer kam, desto mehr knackte das Eis unter uns.

Endlich am Ziel und heilfroh wieder festen Boden unter den Pfoten zu haben, machte ich den Menschen Platz, die sofort das Mädchen umringten, blieb aber abwartend in der Nähe stehen.

Der Mann mit der Dogge schien sehr besorgt und aufgeregt. Er zog seinen Mantel aus, wickelte das Mädchen hinein und nahm es auf die Arme. Ich hörte wie er rief: "Bei Fuß, Zorro!" Die Dogge, die inzwischen nicht mehr angeleint war, sprang auf und ich konnte sehen, dass sie um einiges größer war als ich. Im Gehen wandte sie sich zu mir um und bellte mir zu: "Danke, du hast was gut bei mir!" Dann folgte sie ihrem Herrn, der schon schnellen Schrittes in Richtung der Autos lief, die in einiger Entfernung parkten.

Für diesen Tag war es genug Aufregung, fand ich.
Ein Weilchen verharrte ich noch, in Erwartung sitzend, vielleicht gab es ja noch ein Leckerchen? Nein! Niemand schaute mehr nach mir. So machte ich mich dann, auf den Rückweg zu meiner Höhle, um ein wenig zu schlafen und aufzuwärmen.

----------*****----------
@****ris
Herzlichen Dank für die aufmunternden Leiks.
Ich bin begeistert, dass das Thema euer Interesse geweckt hat und freue mich auf viele spannende Geschichten.

@ Damaris23

Ich habe Fido den ersten Teil deiner wundervollen Geschichte gleich zweimal vorlesen müssen.
Als hättest du über ihn geschrieben hat er mich schwanzwedelnd mit seinen großen und treublickenden Augen
angeguckt und mir zu verstehen gegeben, dass er nicht lange auf die Fortsetzung von "SAM" warten will.

Auf jeden Fall bekommst du von ihm aber einen herzlichen:
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Ist das lieb *freu* Danke dir @**********heSun
und Knuddel Fido mal ganz herzhaft von mir *knuddel2*
Bei Gelegenheit revanchiere ich mich mit Leckerlies *zwinker*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.132 Beiträge
Sehr, sehr schöne, ergreifende Geschichte, liebe Damaris23! *love*

Bin auch gespannt auf die Fortsetzung... *ungeduldig*
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Danke liebe Into 💐 *knuddel* bissle dauert das aber *liebguck*


@*********hesun
Ich hoffe Fido war nicht vergrämt, dass die Dame dir ein feuchtes Erwachen beschert hat *zwinker* klasse *lach* Danke für diese schöne Thema:-)
**********henke Mann
9.638 Beiträge
Reiten
Sie heißt Mareile und ist ein altes Turnierpferd. Also nicht Ritterturniere, sondern Springreiten. Ich darf auf ihr das Reiten lernen.

Mareile ist ein Mecklenburger Warmblut, Fell und Mähne braun, der Schweif dunkel, Fuchs oder Brauner, ich weiß es nicht genau. Auf der Stirn hat sie eine weiße Blesse. Sie mag mich, ihre Augen strahlen, wenn ich auf die Koppel komme, um sie für die Stunde zu holen. Vielleicht aber mag sie die Möhren, die ich in den Jackentaschen versteckt habe, noch viel lieber? Willig steht sie am Rand der Rotunde und lässt sich von mir mit Striegel und Kardätsche das Fell pflegen, die Hufe auskratzen und zäumen.

Ich sitze auf, und sogleich spüre ich die Energie meiner Lehrmeisterin. Mit sanftem Druck meiner Waden treibe ich sie, ohne schnalzen, ohne „Hüh“ geht sie in den Schritt und trägt mich Runde um Runde im Kreis, ich brauche keine Zügel, ich lenke, bremse, beschleunige allein mit meinen Schenkeln. Während ich fliege – denn es ist wie fliegen – bin ich Indianer, Ritter, Edelmann, unbewusst greife sogar einmal nach dem Knauf meines Degens, nur um zu schauen, das ich ihn nicht verlor...

Mareile verhofft kurz, die Meisen, die hereinflattern und unter der Dachkante ihre Nester flicken, haben sie irritiert, ich nehme die Rechte vom Zügel und tätschle ihren Hals, sage beruhigende Worte. Sie schnaubt, und in der nächsten Runde wechseln wir in den Trab, ich entlaste ihren Rücken, indem ich bei jedem ihrer rechten Schritte die Knie durchdrücke und mich aus dem Sattel hebe. Nach zwei Runden geht es wie von allein, ich brauche nicht mehr auf Mareiles Schulter schauen, um den richtigen Zeitpunkt zu wissen. Ich sehe nach vorn und kann wieder fliegen, warum nur flattert dieses Mal ein schwarzer Umhang an meinen Schultern und wo sind die Satteltaschen mit den Pistolen?

Wir halten. Mareile findet, dass wir genug geübt haben, sie will die Möhren. Könnte ich in diesem Moment in ihre Augen schauen, dann sähe ich durch die Sanftheit ein klein wenig Widerborstigkeit blitzen. Ich sitze ab, nein, nach einer Stunde im Sattel nicht elegant, ich rutsche nach unten und stehe auf wackligen Beinen neben Mareile, tätschle ihren Hals und halte ihr auf der flachen Hand die Möhren hin. Es ist wie ein sanfter Kuss als sie sie nimmt.
Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.
Da werden Kindheitserinnerungen wach!
Vielen Dank für deine Geschichte, lieber Kamelienschenke.

Fido findet Mareile' s weiße Blesse ganz besonders schön und schickt ihr einen herzlichen Fidolinski. *g*

Tom (the Sun)
*****477 Frau
507 Beiträge
Wenn Tiere sich ihre Stadt zurück erobern
Berlin ist eine große Stadt, mit vielen Menschen. Aktuell sollen es wohl 3 52 0031 Menschen sein. Wie wohl Besucher meine Stadt erleben? Groß, laut, schnell, grau, voller Beton und Stahl, mit einigen bunten Farbklecksen. Die Farbkleckse sind (nach dem Frühjahrsputz) die Autos, die Kleidungsstücke, die Leuchtreklamen, die gelben Busse, die beige-roten S-Bahnen, das Rote Rathaus. Wahrscheinlich ist Berlin an sich so spannend und schnell, dass man keine Zeit für die andere Seite von Berlin hat.

Aber nehmt einmal das Tempo raus. Bleibt stehen und schaut. Da gibt es etwas wundervolles in Berlin. Ich möchte von den Tieren berichten die sich hier klammheimlich ihren Lebensraum zurückerobert haben. Natürlich kennt jedes Stadtkind Spatzen und Tauben und auch die lustigen Dinger, die an Leinen mit den beleuchteten Halsbändern von einem Baum zum nächsten schnüffeln und ihre Besitzer hinter sich herziehen oder sich wahlweise auch ziehen lassen. Sie werden wohl immer noch Hunde genannt. Wir wissen von Ratten im Berliner Untergrund, die mindestens so viele sein sollen, wie die Menschen auf den Straßen von Berlin. Aber die meine ich nicht.

Morgens um 6.45 Uhr stand ich jahrelang in einem kleinen Park, hab eine Zigarette geraucht und Tiere gesehen. Der Park befindet sich im Stadtteil Steglitz, direkt hinter einer belebten Einkaufsstraße. Er wurde vor wenigen Jahren von Menschenhand umgegraben, geebnet und für viel Geld „schöner gemacht“. Dort wo es vorher viele Bäume zum Klettern gab, stehen nun Kinderspielplatzgeräte (TÜV geprüft) die, wenn sie gut sind, zwei verschiedene Möglichkeiten bieten sich als Kind auszuprobieren. Gebüsche zum Verstecken wurden durch kleine Häuschen ersetzt. Wege wurden angelegt und trotzdem gibt es im Rasen, von vielen Füssen ausgetretene Pfade, die die kürzeren Wege zum Ziel zeigen, denn eilig haben wir es alle.

Bleibt man nun stehen, dann kann man sie sehen, die Tiere der Stadt.
Im Park lebt ein Fuchs. Immer mal wieder erscheint er. Seine Beine sind für einen Fuchs viel zu lang. Ob seine Mutter mit einem der gassigehenden Hunde Spaß hatte? Man weiß es nicht. Wohl aber weiß ich, warum er gar nicht daran denkt sich eine neue Heimat zu suchen. In dem Park wohnen unzählige Hasen, die sich vermehren wie die Karnickel. Sie essen sich von den Gemüseresten satt, die ihnen die Berliner hinlegen. In kleinen Gruppen sitzen sie morgens auf der Wiese, lassen sich von den Hunden aufschrecken, hoppeln sonst nur von einem saftigem Grashalm zum Nächsten. Am Tage sind sie verschwunden, dann wird es zu laut, dann wird ihr Zuhause von Menschen bevölkert, die sich vom anstrengenden Shoppen erholen müssen. Außerdem gibt es noch Eichelhäher, wunderschöne Vögel, die leider so gar nicht singen können, gehören sie doch zu den Rabenarten. Eine Bachstelze hat letzten Sommer im Park gewohnt. Warum hat sie sich hierher verirrt? Hier ist ja nichteinmal ein Bach. Eine kleine Maus, die quietschend ein Stück in die Luft hopste, als ich mich bewegte. Himmel, sie hatte mich nicht gesehen und wohl den Schreck ihres Lebens bekommen.
Besonders schön anzusehen sind die vielen roten Eichhörnchen, die durch die Äste flitzen und scheinbar immer irgendetwas zu tun haben. Sei es mit Nestbau oder mit Nahrungssuche. Aber ich habe sie auch oft schon beobachten dürfen, wie sie einfach nur verspielt miteinander durch die Äste tobten und sich zankten. Oder war es ein Vorspiel am frühen Morgen? Eines davon wohnt im Blumenkasten am Küchenfenster meines Vaters. Dort hat es sich einen Kobel gebaut. Es sah nicht sehr professionell aus, war wohl sein erstes Nest, dass er seiner Freundin zu Verfügung stellte. Nun gut, während der Brutzeit wurde in der Küche nur gelüftet, wenn das Eichhörnchen mal nicht zu Hause war, statt Blumen liegt nun ein alter Lappen im Blumenkasten neben einer Kiste mit Nüssen, die mein Vater dorthin gestellt hat. Für die Abwechslung selbstverständlich verschiedene Nussarten.

Gehen wir nun ein bisschen mehr in die Richtung meines Zuhauses, mitten in Wilmersdorf, also gar nicht weit weg vom Ku`damm. Hier gibt es einen kleinen See, Teich, Tümpel, wie auch immer man das Stückchen Wasser nennen mag. Früher soll es ein großer See gewesen sein, auf dem sogar kleine Dampfer fuhren. Der Großteil des Sees wurde zugeschüttet, um Platz für die großen Straßen zu machen. Ein Karree weiter befindet sich ein kleiner Platz, direkt an einer dieser Hauptstraßen, dort wohnt seit einigen Jahren im Sommer ein Entenehepaar. Sie sitzen in der Nähe von einem Gebüsch und bekommen ihr Wasser vom gegenüberliegenden Bäcker aus einer flachen Plastikschüssel. Die beleinten Hunde stören sie nicht die Bohne und die ganze Ausstrahlung zeigt an, „das hier ist unser Platz, hier wohnen wir“. Das wird auch von niemanden in Frage gestellt. Nicht von den Krähen, nicht von den Kindern und auch nicht von den Hunden.
Und noch eine komische Ente gibt es bei uns. Jedes Jahr aufs Neue brütet sie ihre Eier auf unserem Hinterhof aus. Ist ja auch schön sicher. Um dann aber voller Erstaunen festzustellen, dass sie den Hof mit ihren Küken nicht zu Fuß verlassen kann. Vielleicht ist sie auch besonders schlau, denn irgendwann erbarmt sich immer ein Hausbewohner und sammelt den Großteil der Babys mit dicken Handschuhen in eine Kiste ein. Wenn es genug sind wird die hysterische Entenmutter durch den Hausflur gelockt und die restlichen Küken folgen ihr auf den Schritt. Die vierspurige Hauptstraße wird zur Entenrettung kurzfristig gesperrt und auch die dicken gelben Busse müssen einen Moment warten. Was für ein Anblick: Stau in Berlin wegen einer Frau mit Gartenarbeitshandschuhen und einer Pappkiste, gefolgt von einer wild schnatternden Ente und ein paar Küken, die es kaum schaffen die Bordsteine zu überwinden. Schlau oder dumm? Ich möchte doch bitte für überaus schlau plädieren. Hat doch anscheinend jedes Tier sich hier in Berlin seinen eigenen persönlichen Helfer gesucht.

Von der Tiervielfalt in unserem Grunewald möchte ich hier erst gar nicht berichten, denn das würde den Rahmen einer Kurzgeschichte endgültig sprengen. Nur kurz, dass sich auch ganz offensichtlich die Wildschweine mit diesen seltsamen Wesen auf zwei Beinen und ihren vierrädrigen Metallkisten abgefunden haben und munterfröhlich die Vorgärten der gutbetuchten Zehlendorfer und Wilmersdorfer nach Leckereien durchwühlen.

Aber am Schluss darf ich nicht vergessen, die von Kindern entdeckten Ameisenstraßen auf denen es niemals einen Stau gibt zu erwähnen. Von den dicken Hummeln, die sich brummend über die Blumen in den Blumenkästen der Balkone hermachen. Die Fledermäuse, die geräuschlos und blitzschnell von einem Altbaudachboden zum nächsten fliegen, wenn man abends bei einem Wein auf seinem Balkon sitzt. Und die Schwalben, die manchmal viel zu tief fliegen und uns einen Wetterumschwung mitteilen wollen.

In Berlin haben sich schon komische Vögel nieder gelassen, der vorwiegend respektvolle Umgang miteinander (es sein denn natürlich jemand hat Hunger) und diese Artenvielfalt machen es so schön in Berlin, dass sich eine Reise und eine Pause in Berlin immer mal wieder lohnt.
**********henke Mann
9.638 Beiträge
Was für ...
... eine wunderbare Geschichte.

Füchse scheinen sich Berlin ausgesucht zu haben, als ich in Lichterfelde wohnte, gab es einen Viertelfuchs, der auch immer am Morgen ganz unerschrocken durch die Straßen lief.
eyes002
******ace Mann
15.954 Beiträge
Gruppen-Mod 
Marie
Kapitel 1: Himmelszeichen

Marie. Eine große, alte Graue mit spitzem Gesicht und eng zusammen stehenden Augen. Sie wartete immer mit hoch erhobenem, zitterndem Schwanz ganz leise und verhalten maunzend an dem Punkt, wo der Mann mitten in der Nacht mit seinem knatternden Roller zu stehen kam.

Der Zeitungsmann hatte immer warme Worte für sie. Er sprach gern zu ihr und sie hörte gern zu. Er nannte sie Marie, weil sie wie eine Marie aussah. Und er lief langsam, denn Marie humpelte ein wenig, wenn sie ihm hinterher lief. Er langte immer in seine Jackentasche und kramte ein paar Krümelchen Katzenfutter hervor, wenn Marie miaute. Und immer, wenn Marie sich nieder hockte, um die Krümel gierig zu verzehren, streichelte der Mann die alte Katze. Mit einer Hingabe und Zärtlichkeit, die, würde man sein Leben kennen, ihm niemals zugetraut hätte. Dieser Mann, der sich hasste für das, was er war. Der verfluchte, was aus ihm geworden war. Was er aus sich selbst gemacht hatte. Aus falsch verstandener Loyalität. Aus Verblendung. Aus Lug und Trug die falschen Ideale verehrte und Menschen vertraut hatte, denen man nicht trauen konnte. Der gegen seine Instinkte gehandelt hatte. Und der deshalb die unterste der Lebensstufen gewählt hatte. Es war leicht hier. Einfach, klar und durchschaubar. Keine Intrigen, kein Verrat, keine Meuchelmörder. Kein Halbschlaf mehr, keine Augen am Hinterkopf und keine Waffe unter dem Kopfkissen.

Vor ein paar Tagen verweigerte Marie das erste Mal ihr Geschenk und maunzte nur leise. Der Mann musste aber die Tageszeitungen verteilen und dachte, sie sei satt oder das heute eingepackte Katzenfutter sei irgendwie nicht schmackhaft. Katzen sind Feinschmecker und alles andere als wahllos, daher überging der Zeitungsmann das zunächst.
Er erinnerte sich. An diesem Tag war er spät dran. Die Zeitungen waren wegen der Olympiade spät angedruckt worden, deshalb kam er erst gegen 2:30 Uhr bei Marie an. Sie wartete schon und er lächelte zufrieden. Seine Freundin war verlässlich. Da war es wieder, dieses verhaltene, zaghafte, beinahe entschuldigende Maunzen der alten Katze. Heftig rieb sie ihr Köpfchen an seinem Knie, als er sich auf die Bordsteinkante setzte und in seiner Jackentasche die Tüte suchte.

Der Mann liebte die Nacht. Diese Stille, dieser Frieden, diese selbstzufriedene, wattierte Pause im Strom des Lebens ließen ihn eine tiefe Ruhe erfahren, die er sonst nur meditativ erreichte. Keine Autos, keine Hektik, kein Licht, kein Druck und vor allem: keine Menschen. Er mochte Menschen. Ja. Auf Distanz. Nur ganz wenige Menschen erreichten ihn. Nur eine Handvoll Menschen konnte er permanent ertragen und noch weniger ließ er nah an sich heran. Sowohl körperlich als auch gefühlsmäßig. Und das hatte gute Gründe. Menschen machten ihm Angst. Katzen sind ehrlicher. Sie mögen einen, oder nicht. Keine Bigotterie, keine Schleimerei, keine Lüge, keine Verräter. Bei Katzen weiß man immer, woran man ist.
„Na Marie, meine Süße? Wartest du schon auf den dicken Mann?“
Er nannte sich selbst dick. Und ja, irgendwie kokettierte er auch damit. Indem er sein Übergewicht ins Lächerliche zog, täuschte er sich selbst darüber hinweg, dass er im Grunde recht traurig war, dass sein einst von Training und Askese gestählter Körper weicher, runder und wabbeliger wurde. Heute mit über 50 fehlten ihm aber die Kraft und der Wille, das zu ändern. Mit gut 100 Kilogramm und 174 cm Länge über Puffer war er tatsächlich dick. Was seine Figur halbwegs rettete, war sein muskulöser Körperbau, der vom Kampfsport herrührte. Wären seine Schultern nicht breiter als die Hüfte, würde er aussehen wie jeder x-beliebige, wohlgenährte Mann zwischen 40 und 60, der sowohl gerne kocht als auch das Ergebnis ausführlichen Geschmackstests unterzieht.

Marie rieb ihr Köpfchen immer noch am Knie des Mannes und holte ihn aus seinen Grübeleien. Entschuldigend legte er ein paar Krümel Futter auf den Bürgersteig. Marie jedoch kümmerte sich gar nicht darum, sondern kroch immer wieder zwischen seinen Beinen hindurch, rieb ihr Köpfchen und klagte ihr Lied. Ganz offensichtlich hatte sie keinen Hunger, dachte der Mann, stand unter protestierenden Blicken der alten Katze auf und ging seiner Arbeit nach.

Marie maunzte auch heute Morgen kaum hörbar. Wiederum würdigte sie die mitgebrachten Felix- Krümelchen, die der Mann extra für seine pelzigen, nächtlichen Freunde eingekauft hatte, keines Blickes. Marie rieb nur kurz ihr Köpfchen am Schienbein ihres nächtlichen Besuchers, denn ihr Blick schweifte immer wieder in den sternenklaren Himmel.
Der Blick des Mannes folgte dem der grauen Katze. Seine Brauen zogen sich zusammen und er wurde unruhig, als er den Lichtfleck links oberhalb des Polarsterns erblickte.
„Hey, Kleines, keine Sorge, das ist bestimmt nur die ISS, die soll ja zu sehen sein diese Tage.“ murmelte der Mann eher zu sich selbst und strich der Katze zärtlich durchs Fell. Marie gab einen leisen, klagenden Ton von sich, drehte sich um und verschwand in der nächsten Hecke.

Sein Blick wanderte wieder zu dem kleinen Lichtfleck am sommerlichen Nachtimmel. Er schüttelte leicht den Kopf, riss sich dann aber aus seinen Gedanken und setzte seinen Weg fort. Ein paar Straßenzüge weiter musste er wieder lächeln. Er fuhr nachts ohne Helm, wer würde es schon anmahnen? Gegen 3 Uhr war niemand hier, außer Peterle. Er sah aus wie ein Peterle aus der Werbung und bewachte die Möbelfabrik. Peterle war relativ stabil gebaut, schneeweiß mit einem grauen Rücken und wartete immer sitzend an der Straße. Der schlaue Kater wusste genau, dass der Mann zuerst 2 Zeitungen in den Briefschlitz der Johanniter steckte und erst dann zu ihm kam. Auch mit ihm sprach der Mann und Peterle antwortete ihm mit seiner unnachahmlichen, heiseren Stimme. Sein Schwanz war hoch erhoben und er rieb beinahe aggressiv sein Köpfchen am Bein des Mannes, weil der immer erst die Zeitungen in die Briefschlitze steckte, anstatt das Futter aus der Jacke zu holen.
Doch auch Peterle hatte in dieser Nacht keinerlei Interesse an den Krümelchen des Mannes. Er rieb sein Köpfchen zwar am Bein des Mannes, verschmähte aber das mitgebrachte Futter. Auch Peterle maunzte in den Himmel und das war das erste Mal, dass dem Mann ein leiser Schauer über den Rücken lief.

Peterle verschwand schimpfend zwischen Holzpaletten und Bretterstapeln. Der Mann riss sich wiederum aus seinen Gedanken und sah dem Kater noch einen Moment nach, bevor er seine Tour fortsetzte.
Doch das Licht am Himmel schien ihn zu verfolgen. Immer wieder sah er es, egal in welcher Straße er sich befand. Gegen 5 Uhr begann es zu dämmern. Ein fahler, stahlblauer Schimmer zeigte sich am Horizont und hob das Hafengebiet in ein unnatürliches, fehlfarbenes Licht. Die Wände der Getreidesilos schienen zu erglühen, die Stahlträger der großen Kräne funkelten, weil sich das Licht des werdenden Tages im kondensierten Morgentau brach, der sich auf alle Oberflächen zog wie ein schimmernder Film. Das Wasser spiegelte sich glatt und irgendwie träge und ölig in den Hafenbecken und der Mann gewann den Eindruck, man könne über das Wasser laufen wie über einen klebrigen Teppich.
Wieder schien das Licht ihn zu rufen. Unwillig sah er hoch und war zufrieden, dass der beginnende Tag dieses Licht verdrängen würde. Er fragte sich still, warum das Licht ihn so beunruhigte. Band er sich selbst einen Bären auf? Hatte er zu viele Gespenstergeschichten gelesen im Forum? Von diesem Geistergesicht vielleicht? Nun, dann wären die Geschichten von diesem Waldheini ausnahmsweise einmal gut.
Prustend schüttelte er den Kopf, um diese wirr werdenden Gedanken zu vertreiben und fuhr heim.
Der Bote hatte schon die Post- Container gebracht. 2 waren es heute. Die Briefe waren schnell sortiert und eingepackt.
Erneut zog er auf seinem Roller los. Diesmal, um Post zu verteilen. Das Licht jedoch war fort. Hatte sich davongestohlen. Getarnt hinter dem Tag, und dennoch wusste er, dass er kommende Nacht bestimmt wieder daran erinnert würde. Oder auch nicht. Aber eigentlich… wenn man es logisch betrachtete… musste man sich doch keine Sorgen machen? Wenn dort draußen etwas Bedrohliches wäre, hätten doch alle Medien, alle Militärs und Regierungen längst Alarm geschlagen, nicht wahr?

In der nächsten Nacht war seine Tour nicht wie sonst. Zwischen dem Bordell und der Großbäckerei hatten mehrere Polizeiwagen ein paar junge Männer gestellt, die gegen Mitternacht in den großen Edeka- Markt eingebrochen waren. Eine Sekunde lang fuhr dem Mann der Schreck durch die Glieder, aber dass er ohne Helm unterwegs war, schien niemandem aufzufallen.
„Fahren Sie! Weiter, nicht anhalten“ ranzte ihn ein junger Polizist an.
„Du solltest dich mal sehen, du Spinner“ antwortete er im Geiste „wer eine Sonnenbrille nachts um 3 in den Haaren hat, sollte lieber die Schnauze halten.“
Aber er grinste nur und freute sich, dass der Polizist die Helmpflicht gerade vergessen hatte. Als er flugs einen Bogen um den Ort des Geschehens machte, musste er unwillkürlich laut auflachen, denn im vorbeifahren sah er, dass sich einer der jungen Männer in hohem Bogen auf die Hose eines Polizisten erbrach. Jede Menge Alkohol und eine Pizza. Der Mann beeilte sich, seine Tour fort zu setzten, bevor die Beamten auf die Idee kamen, den laut lachenden Zeitungsmann zu verfolgen.
Die treue Marie wartete schon. Das Schwänzchen hoch erhoben sang sie ihr bekanntes, leises, klagendes Lied. Der Mann, der immer in dunkelblau oder schwarz durch die Nacht fuhr, stellte den Roller aus und setzte sich zu Marie.
„Na Kleines, bist du hungrig?“
Er brauchte nicht laut zu sprechen, auch ein Murmeln hätte Marie gut verstanden. Er nestelte eine Tüte mit Carny aus der Tasche. Extraportion mit viel Fleisch. Aber Marie starrte nur in den Himmel. Doch heute reichte ein Starren nicht, Marie sah in den Himmel, riss ihr Maul mit den schneeweißen, dolchartigen Zähnen auf und fauchte in den Nachthimmel. Der Mann traute seinen Augen nicht, das hatte er noch nicht erlebt, dass diese alte, friedfertige Dame fauchte! Und dann auch noch in den Himmel zu einem kleinen…

Irrte er sich gerade? Erst gestern noch war es nur ein weiterer, leuchtender Punkt. Ein Stern unter vielen am nächtlichen Firmament. Innerhalb oder außerhalb der Milchstraße wusste der untersetzte Mann nicht zu sagen. Bis gestern hatte es ihn auch nicht interessiert. Doch heute reagierte Marie aggressiv auf den verwaschenen, leuchtenden Punkt, der scheinbar größer geworden war. Und sah es nicht so aus, als hätte das Licht eine Art Korona bekommen? Täuschte er sich? Bildete er sich Dinge ein oder gaukelte ihm sein Verstand etwas vor? Marie verschwand fauchend in ihrer Hecke und ließ einen verdutzten Mann zurück.

Peterle war heute nicht da. Das war nicht ungewöhnlich. Ab und an ging er irgendwelchem Katzenbusiness nach und verpasste das knatternde Fanal für das Frühstück. Dafür traf der Mann Blacky. Eigentlich eine sehr junge Wohnungskatze, aber der kleine, pechschwarze Kerl schaffte es wohl immer wieder, auszubüchsen. Dann lag er gegen 4 Uhr vor der Haustüre und kam nicht mehr herein.
Heute wollte der Mann die Zeitung in den Briefschlitz stecken und bemerkte den kleinen, zitternden, zusammengerollten Kater im Hauseingang. Blacky´s Augen waren groß und geweitet, als ob er Angst hätte. Sein peitschender Schwanz verhieß nichts Gutes und der Mann beschloss, den kleinen Kerl in Ruhe zu lassen.
„Was ist hier eigentlich los? Drehen alle durch oder liegt was in der Luft?“ murmelte er, Blacky beobachtend. In gebührendem Abstand legte er ein paar Krümelchen auf die unterste Stufe des Hauses. Beunruhigt verließ er das Grundstück.
Unwillkürlich wanderte sein Blick gen Himmel. War es das Licht, das die feinen Sinne der Tiere durcheinander brachte? Bildete er sich das alles nur ein? Wurde er verrückt und die Tiere reagierten auf ihn?

Die nächste Nacht war wiederum seltsam. Es war kühler geworden. Marie war nicht da. Peterle war nicht da und Blacky hatte wohl Hausarrest. Aber auch die scheue „Rote“ bei Helmsieck´s, Tabby und die sehr junge, weibliche Katze, die um die Kläranlagen schlich und für die er keinen Namen fand, waren nicht zu sehen. Dafür war der Fleck am Himmel anders. Dachte er gestern noch, der Lichtfleck hätte eine Korona, war sie heute deutlich zu sehen. Diese neblige Aura um den, ja was war es eigentlich?, war doppelt so groß wie der leuchtende Punkt selbst. Die ISS konnte das nicht sein, bestimmt nicht. Die Venus dominiert üblicherweise den Osthimmel. Dieses Objekt, was immer es auch war, stand 20° links über dem Polarstern, also im Norden.
Eigentlich musste der Mann dringend schlafen, wenn er gegen 9 Uhr heim kam. Heute jedoch musste er dringend im Internet nach dem Phänomen suchen, das so deutlich zu sehen war und den Katzen offensichtlich Angst machte. Aber er fand nichts. Sogar die Nachtbilder der Sternwarten erklärten unisono, am Himmel seien Beteigeuze zu sehen, Alpha Carinae und der Jupiter. Allerdings nur mit Spektiven. Er fand ein aktuelles Bild des nächtlichen Nord- Himmels und lehnte sich überrascht zurück. Der so deutliche Fleck war nicht zu sehen. Mit Strg, Alt und Druck kopierte er das Bild in Corel. Das wollte er doch erst einmal sehen. Mit der Vergrößerungsfunktion blies er das Bild auf. Weiter und weiter. Und dann sah er es! Ein kleiner Teil des Bildes war ersetzt worden. Und zwar sehr schlecht ersetzt, denn die Markierungstrennlinie des Ausschneidewerkzeuges ging direkt durch einen Stern. Und halbe Sterne hat das Universum nicht vorgesehen. Er zoomte leicht heraus und entdeckte, dass der halbe Stern und seine Nebensterne direkt neben der überdeckten Zone schon einmal vorhanden waren.
Lange saß der Mann da und starrte auf den Monitor. Sein Blick wanderte zwischen dem Handy und dem Monitor hin und her. Zögerlich wählte er, die Sorgenfalten auf seiner Stirn vertieften sich mit jeder Sekunde. Wie in Trance wählte er eine Nummer.
„Leitstelle“ knurrte eine unfreundliche Stimme.
„Einundzwanzigzwölfneunundfünfzig“B“einundzwanzignulleinsvier“ sagte der Mann beinahe tonlos und man konnte ihm ansehen, dass er sich mehr als unwohl fühlte. Seit 12 Jahren hatte er sich vor der Meute verborgen und sie hatten ihn in Ruhe gelassen. Und jetzt fühlte er sich, als würfe er sich selbst den Hunden zum Fraße vor die Füße.
„Identifizierung!“
Diese Stimme war nicht nur unfreundlich sondern herrisch unverschämt.
„Kranich“
Schweigen. Der Mann wusste, dass jetzt eine Maschinerie anlief. GPS- Ortung, Bänder liefen mit und eine zweite Person wurde in die Leitung beordert. Gleichzeitig wurde das SIG alarmiert, die schnelle Interventions- Gruppe.
„Hallo Kranich“ antwortete die Stimme weicher und nur scheinbar versöhnlicher „lange nichts von Ihnen gehört.“
„Was ist das für ein Ding am Himmel? Wisst ihr was darüber?“
Das war der Knackpunkt. Eine Organisation innerhalb einer Organisation aus Deutschland, deren Lebensversicherung darin bestand, immer alles über alles und alle zu wissen, konnte das Phänomen gar nicht ignoriert haben. Selbst wenn es ein abstürzender Satellit war, wüssten die das. Das bedeutete, antwortete der Sektionsleiter abwiegelnd oder ausweichend, bestand keine Gefahr. Würde er ausschweifend und detailliert auf das Phänomen eingehen, wusste er selbst nichts davon und musste Zeit schinden, um seinem Stab, der garantiert mit mindestens 6 Mann um ihn herum wimmelte, Zeit zu verschaffen.
Und je kategorischer er das Phänomen negierte, desto höher war das Gefahrenpotenzial.
„Was für ein Ding, Kranich? Wir wissen von Nichts!“
Liebe Juli7477,

du gehst mit offenen Augen durch deine Stadt, mit genauem Blick für die "kleinen" Dinge des Lebens.

Kompliment für deine feinen Beobachtungen und deinen Respekt gegenüber den Tieren, die dort leben.

Ich habe Fido gefragt, "was meinst du dazu?"

"Nach Berlin ist es doch nur ein Katzensprung, lass uns diese Reise machen", war seine klare Ansage.

Einen Fidolinski für deine Tiere der Stadt!

Liebe Grüße
Tom (the Sun)
******s23 Frau
12.703 Beiträge
@*****477

Was für eine wundervolle Erzählung 👍🏻
Das Bild der Enten, die einen Stau verursachen ist einfach entzückend 💕
******s23 Frau
12.703 Beiträge
@******ace
Boah *3tagewach* bitte ganz flux weiterschreiben...👍🏻👍🏻👍🏻 superspannend *ja*
*ungeduldig*
Lieber Tom Ghostface,

Marie, Peterle und all' die anderen Katzis haben ihn, den 6. Sinn. Im Prinzip wohnt er in uns allen, aber viele Menschen scheinen ihn verloren zu haben. An Spannung kaum zu übertreffen hast du das in deine Story gepackt. Jetzt wollen Fido und ich natürlich wissen, wie es weitergeht und was wirklich los ist, da oben am Firmament.

Während ich mir das Hirn zermartere hat Fido einen pragmatischeren Weg gewählt. Auf leisen Pfoten tippelt er durch die Nacht und frisst die liegen gebliebenen Leckerlis allesamt auf.

Und zum Dank für diese Sonderbelohnung schickt er dir für deine spannende Geschichte einen Fidolinski.

Kompliment, mein Lieber!

Tom (the Sun)
It´s me!
*********ld63 Frau
8.132 Beiträge
Oh! Liebe...
.... Juli7477, was für eine schöne Geschichte!! *love*

Und das Eichhörnchen!! *love5*
Ich habe auch lange in Berlin gelebt und hatte auch immer ein Eichhörnchen im Baum vor meinem Balkon, das mich morgens besuchen kam... So nahe ist es aber nie gekommen!

Und Füchse! Beim Joggen durch den schmalen Park hinter dem Schöneberger Rathaus habe ich auch regelmäßig einen langbeinigen Fuchs gesehen, der kein bißchen scheu war... *ggg*

Superschöne Einstandsgeschichte, liebe Juli, und sie hat gleichzeitig soviel Berliner Flair! *blumenschenk*

Lieber Tom, deine Geschichte genieß ich später nochmal ganz in Ruhe... *kaffee*

*wink* aus Berlin! *freu*
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Es ist schon ein paar Jahre her, da erschien als "Experiment" das erste und bisher einzige eBook von mir im Frankfurter Belletris-Verlag, eine Tiergeschichte mit dem Titel "Traumfell".

Und heute möchte ich diese kleine Geschichte mit Euch teilen, auch wenn ich sie nicht extra für diesen Thread geschrieben hab (dafür würde mir momentan einfach die Zeit fehlen).


*


Drei Tage waren es, die ich kürzlich auf der Schwäbischen Alb verbrachte. Ich hatte mich in einem einsam gelegenen, aber lauschigen und sehr gemütlichen Gasthof einquartiert, um in aller Ruhe und in der Abgeschiedenheit dieser kargen und dennoch so reizvollen Landschaft mein neues Buch zu überarbeiten.
Man kann nicht stundenlang über einem Manuskript sitzen und dann noch einen klaren Kopf bewahren. So unternahm ich immer wieder ausgedehnte Spaziergänge und genoss die herrliche Luft, ließ mir den Wind ins Gesicht blasen und durch die Haare fahren – und hing meinen Gedanken nach.

Das Buch war nicht leicht zu schreiben, denn es ging um ein heikles Thema, nämlich um einen fairen und liebevollen Umgang der Geschlechter miteinander. Nein, nicht was Sie jetzt vermutlich denken: 'Aha, ein Frauenbuch also.' Es ging um beide Seiten, um Frauen und Männer. Aber das ist eine andere Geschichte …

Bei einem dieser Spaziergänge ruhte ich mich für einen Augenblick aus, an einen herrlichen, alten Baum gelehnt. Ich glaube, es war eine Eiche, die am Wegesrand stand und mich wie magisch angezogen hatte. Mag sein, dass ich ein wenig eingenickt war, denn irgendwann blickte ich auf und sah, dass mir gegenüber ein alter Mann auf einem mit Moos bewachsenen Baumstumpf saß. Ihm zu Füßen lag ein prachtvoller Hund, so ganz nach meinem Geschmack. Eines dieser seltenen Exemplare, die fast aussehen wie Wölfe und mich immer wieder aufs Neue beeindrucken.

Jedoch will ich mich nicht über Hunde auslassen und meine geneigten Leser mit hier unangebrachten Schwärmereien langweilen. Der alte Mann bemerkte wohl meinen bewundernden Blick auf das herrliche Tier, das anscheinend ruhte und – den Kopf auf seine Pfoten gelegt – mich dennoch hellwach und sehr aufmerksam im Auge behielt.

„Ja so ist es“, sagte der Mann und kramte umständlich in einem Beutel, bis eine alte Pfeife zum Vorschein kam. Und er fügte seltsamerweise hinzu: „Tiere sind besser als Menschen.“ Dann zündete er die Pfeife an, die offenbar schon gestopft gewesen war, und tat zwei, drei genüssliche Züge. „Ach, ist das herrlich, nach Jahren mal wieder ein Pfeifchen zu schmauchen.“ Er tätschelte seinem Hund den Hals.

„Sie rauchen demnach sonst nicht?“, fragte ich verwundert.

„Schon“, gab er zur Antwort, „doch ich komme derzeit so selten dazu.“

Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf und hoffte sogleich, er habe das nicht bemerkt. Keinesfalls wollte ich ihn kränken. Aber seine Aussage verwunderte mich schon sehr, wenn ich auch nicht den Mut fand, noch einmal nachzufragen. Stattdessen gab ich mich leutselig und ging auf seine Aussage über Tiere und Menschen ein: „Manchmal scheint es so, als seien Tiere sozusagen die besseren Menschen. Ob es aber wirklich so ist?“

„Glauben Sie mir, es ist so“, sagte er mit einer erstaunlichen Bestimmtheit. „Ich muss es schließlich wissen.“

„Darf ich höflich fragen, wie Sie mit solcher Entschiedenheit darauf beharren können?“

„Aber sicher. Wissen Sie, ich brenne förmlich darauf, Ihnen eine Geschichte erzählen zu dürfen, eine wahre Geschichte, die sich hier zugetragen hat und die Ihnen zeigt, dass ich das richtig sehe. Und wenn Sie mögen – Sie sind ja schließlich Schriftsteller –, schreiben Sie meine Erzählung auf und bringen sie unter die Leute.“

„Na, dann lassen Sie mal hören!“ Für gute Geschichten bin ich immer zu begeistern. Und selten genug hat man Gelegenheit, von alten Menschen all diese Erzählungen zu hören, die in bestimmten Gegenden überliefert wurden. Ob wahr oder unwahr, meist sind es überaus interessante Begebenheiten, von denen man erfährt. Aber woher konnte der alte Mann wissen, dass ich in der Tat Schriftsteller bin? Und wieder fand ich nicht den Mut, ihn danach zu fragen, etwas hielt mich davon ab.

„Hier lebte mal vor vielen Jahren“, begann er, „es mag sicher an die fünfzig Jahre her sein, vielleicht auch mehr …“ Er ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen und murmelte: „Welches Jahr haben wir eigentlich?“ Doch auf eine Antwort wartete er nicht, sondern fuhr einfach fort, während ich noch verwirrt überlegte, was diese Frage wohl zu bedeuten hatte: „Jedenfalls lebte seinerzeit hier ein alter Schäfer. Ein herzensguter Mensch. Aber die Verbitterung hatte sein Herz versteinern lassen. Binnen weniger Jahre hatten rätselhafte Krankheiten alle ihm anvertrauten Herden dahingerafft, und so ging es ihm immer schlechter. Außerdem glaubten die Bauern, es läge ein Fluch auf ihm, keiner mehr wollte ihm seine Schafe zum Hüten geben. Zunehmend wurde er misstrauisch beäugt, und irgendwann begann man, schlecht über ihn zu reden. Sogar das höchst eigenartige und absurde Gerücht kam auf, die Schafe würden gar nicht krank, sondern von seinem Hund gefressen werden, der von den meisten als Wolf bezeichnet wurde und vielen nicht geheuer war. Tauchte der Schäfer mal in einer Gastwirtschaft auf, um in Ruhe sein Pfeifchen zu rauchen und ein Bier zu trinken, was selten genug vorkam, mieden die Leute ihn und seinen Hund immer auffälliger. Nun gut, er war ohnehin nicht sehr gesprächig, doch die Abneigung der Menschen blieb ihm auf Dauer nicht verborgen. Und man setzte ihm mit der Zeit immer heftiger zu. So beschloss er eines Tages, entweder die Gegend zu verlassen und irgendwo neu anzufangen – oder aber seinem Leben ein Ende zu setzen.“

Der Erzähler warf mir verstohlen von der Seite einen Blick zu, als wolle er meine Reaktion prüfen. Dann zündete er seine Pfeife, deren Glut offenbar erloschen war, ein weiteres Mal an, doch sie wollte wohl nicht mehr so recht brennen. Also legte er die Pfeife beiseite und blickte mir fest in die Augen. „Sie fragen sich nun, was das alles mit meiner Aussage zu tun hat?“

Ich nickte und spürte mit Freude, dass sein Hund mich zu mögen schien. Fest schmiegte er sich an meine Beine, während er seinem Herrn anscheinend ebenfalls aufmerksam zuhörte. Und ich konnte nicht anders, als mich zu ihm hinunter zu beugen und sein Fell zu streicheln.

Noch niemals hatte ich solches Fell bei einem Hund gefühlt. Es war einfach traumhaft, dieses Tier zu berühren, sein Fell zu spüren. Und es war ein verzauberter Augenblick, ein magischer Moment, der mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben wird.

„Nun gut“, fuhr der Mann währenddessen fort, „der Schäfer hatte einen ihm treu ergebenen Hund. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der Hund ihm seit jeher der beste Freund gewesen war. Aber jetzt, in seiner Verbitterung und Not, sah der Mann in dem Tier nur ein unnötiges Anhängsel, das ihm zur Last fiel. Zudem war der Hund bereits recht alt und nicht mehr allzu gut zu Fuß.“
Er schluckte und es fiel ihm auf einmal sichtlich schwer, weiter zu erzählen. Ich hatte den Eindruck, die Geschichte ging ihm doch sehr ans Herz. „Nun ja, er entschied eines Tages, seinen Hund beiseite zu schaffen. Nicht weit von hier schien ihm ein geeigneter Platz zu sein. Am Albrand, dort drüben nach etwa einhundert Metern“ – und mit diesen Worten wies er nach rechts – „waren ihm einmal zwei, drei Schafe an einem steilen Felshang abgestürzt, bevor sein Hund die Herde von dort hatte wegtreiben können. Also begab er sich mit seinem Tier auf den Weg dorthin. Oben angekommen, blickte ihn Ragnar, so war der Name des Hundes, aufmerksam an und wartete wohl auf einen Wink seines Herrn. Welche Aufgabe würde er hier, so nah am Abhang, ohne Herde und so ganz allein, wohl für ihn haben? Was es auch sein könnte, er würde es wie immer treu und zuverlässig erledigen. Aufkommende Tränen ließ der alte Schäfer nicht zu, sondern verschloss sein Herz so fest er nur konnte, als er niederkniete. Dennoch wurde ihm bewusst, dass ein Sturz hier die Felsen hinunter für seinen alten Freund ein unwürdiger Tod wäre – und er ließ von seinem Vorhaben ab.

Auf dem Rückweg durch den Wald gelangte er an einen Bach, den es jetzt wohl nicht mehr gibt, denn es muss irgendwo hier gewesen sein. Er nahm jedenfalls einen Schluck von dem klaren Wasser. Als der Schäfer sich auf einen Baumstumpf setzte, um zu überlegen, was nun zu tun sei, entdeckte er einen großen Stein. Ächzend erhob er sich und holte ihn. Nur mit Mühe konnte er den Stein heben. Dann trat er hinter Ragnar. Der hatte im Bach noch ein erfrischendes Bad genommen, schüttelte sich gerade und sah seinen Herrn verwundert an. ‚Was für ein Spiel soll das denn werden?’, dachte er vermutlich.

Da warf der alte Mann den Stein mit aller Kraft auf den Kopf des Hundes. Er konnte noch den fassungslosen Blick von Ragnar sehen, dann hörte er ein letztes Jaulen und wandte sich rasch ab. Plötzlich wurde er doch von Tränen übermannt. Torkelnd drehte er sich noch einmal um und warf einen Blick auf das Tier, das ihm stets treu ergeben gewesen war. Irgendwie drängte es ihn, sich noch mit einer kleinen Zärtlichkeit zu verabschieden, mit einem letzten Streicheln über den Kopf. Doch da stolperte er, konnte sich nicht mehr fangen und fiel in den Bach. Hart schlug sein Kopf auf einem Stein auf, und er verlor auf der Stelle das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam, befand sich sein Kopf nicht mehr im Wasser. Und direkt neben ihm lag Ragnar, tot, den Ärmel seiner zerschlissenen Jacke noch im Maul. Offenbar hatte der schwer verletzte Hund in den letzten Sekunden seines Lebens seinen Herrn aus dem Wasser gezerrt, bevor er schließlich starb. Vielleicht können Sie sich ja ausmalen, was in diesem Augenblick in dem alten Schäfer vorging.“

Ich nickte und konnte nur mit Mühe an mich halten, um nicht in Tränen auszubrechen.

„Tja, mein Lieber“, sagte der Mann, „so war das damals. Übrigens sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass der Schäfer daraufhin seinen toten Hund auf die Arme nahm und sich weinend zu dem Abgrund da drüben schleppte. Und dort, so sagt man, habe er sich hinuntergestürzt, seinen Hund fest an sich gedrückt. Man hat ihn allerdings nie gefunden und wohl auch niemals wirklich nach ihm gesucht, das Gelände ist wohl zu unwegsam und voll von dichtem, nahezu undurchdringlichem Gestrüpp. Und in den Jahren danach verirrte sich nur selten ein einsamer Wanderer an diesen Ort.“

Versonnen und zutiefst betroffen blickte ich vor mich hin und merkte nicht, wie der Erzähler sich erhob. Ich hörte wie aus weiter Ferne noch „Danke fürs Zuhören“ und dass er seinen Hund zu sich rief. Dann war er verschwunden.

Irgendwann erhob ich mich, schüttelte und streckte meine Glieder und machte mich auf den Weg zurück in das Gasthaus, in dem ich vorübergehend wohnte. Dort fragte ich die Wirtsleute, ob sie etwas von einem alten Schäfer und seinem Hund wüssten, der vor vielen Jahren hier gelebt habe und eines Tages verschwunden sei. Sie schüttelten den Kopf, doch dann sagte die Frau „Einen Moment“ und ging zum Telefon. Ich bestellte mir derweil etwas zu essen und als ich gerade mein Manuskript aus der Tasche hervorkramte, trat die Wirtin an meinen Tisch und meinte, die alte Suse aus dem nächsten Ort wisse davon. Es sei der alte Georg gewesen, ein komischer Kauz, den man Pfeifenkopf genannt hatte. Der Grund dafür sei gewesen, dass er in den Jahren vor seinem Verschwinden als Schäfer völlig versagt und außerdem immer eine Pfeife im Maul gehabt habe, und so einen nenne man hier in der Gegend auch heute noch einen Pfeifenkopf. Keiner wisse, was aus ihm geworden sei, er und sein Hund Ragnar seien eines Tages plötzlich verschwunden gewesen. Ob ich noch mehr wissen wolle?

Das genüge mir, antwortete ich freundlich und dankbar und gab an diesem Abend besonders reichlich Trinkgeld. An meinem Manuskript konnte ich allerdings nicht mehr arbeiten, mir ging die Geschichte einfach nicht aus dem Kopf. Und so verbrachte ich eine seltsam unruhige Nacht, träumte von alten Schäfern und ihren Hunden, von einem alten Mann, der Pfeife rauchte und Geschichten erzählte, und von seinem wundervollen Hund. Mitten in der Nacht saß ich nach einem dieser Träume auf einmal hellwach im Bett: Ich hatte diesen etwas sonderbaren und sehr plötzlichen Abschied des Erzählers noch einmal geträumt. Und dabei war mir etwas aufgefallen. Erst im Traum hatte ich eine Kleinigkeit bemerkt, die mir am Tag zuvor entgangen war. Also stand ich auf, machte mir ein paar Notizen und begab mich auf einen Spaziergang, bei dem ich die aufgehende Sonne genoss.

Und so suchte ich den Platz auf, an dem ich eingenickt war und den Erzähler getroffen hatte. Auf dem Baumstumpf, fast völlig mit Moos zugewachsen, lag eine uralte und beinahe verrottete Pfeife, die ich gestern gar nicht bemerkt hatte. Ich konnte mich lediglich daran erinnern, dass der alte Mann eine Pfeife geraucht und neben sich gelegt hatte. Und es war gut möglich, dass er sie hier vergessen haben könnte. Allerdings wäre sie gewiss nicht nach nur einem Tag schon beinahe zugewachsen.

Im Gestrüpp neben dem Baumstumpf fanden sich auch die Spuren eines alten, längst ausgetrockneten Bachlaufs. Und weil mir die urplötzliche Erkenntnis aus meinem Traum zu verblüffend erschien, um sie einfach zu ignorieren, beschloss ich, mich zu dem besagten Abhang zu begeben. Da stand ich nun, blickte hinunter und fragte mich, was hier wohl einst geschehen sein mochte. Konnte es sein, dass die Geschichte sich tatsächlich so zugetragen hatte?

Auf einem weiten Umweg wollte ich mich unbedingt durch das dicht wuchernde Gestrüpp kämpfen, um an die Stelle zu gelangen, an der vermutlich ein Mensch und ein Hund liegen würden, wenn sie von diesem Abhang gestürzt wären. Ohne begründen zu können, warum ich mir da so sicher war, wusste ich, dass ich dort die Überreste von zwei Skeletten finden würde. So war es dann auch. Ich sprach ein inbrünstiges Gebet und ließ sie dort ruhen, für immer vereint.

Übrigens, was mir leider zunächst nicht aufgefallen war, mir jedoch plötzlich im Traum klar geworden war: Als dieser alte Mann, der Erzähler, sich bei mir fürs Zuhören bedankt und nach seinem Hund gerufen hatte, hatte ich laut und deutlich vernommen: „Komm, Ragnar, wir müssen weiter. Es geht zurück nach Hause. Endlich haben wir es jemandem erzählen können.“

Die weiteren Worte hatte ich nicht verstanden, sie waren wohl vom Wind verweht worden ...

(Der Antaghar)
******s23 Frau
12.703 Beiträge
So traurigschön, das man Tränen in den Augen hat ..
Danke lieber Antaghar für diese bewegende Geschichte 🐾🐾💐
Lieber Antaghar,

man muss wohl nicht viel von Literatur verstehen, um zu spüren, dass dies eine besondere Geschichte ist.
Sie liest sich wie von selbst, ihre Erzählweise gleicht einer wundervollen Melodie.
Es gelingt dir, den Leser in die Handlung hineinzuziehen, so, als wäre er selbst Teil des Ganzen. Und ich denke, dass das unabhängig davon ist, ob man mit einem Hund lebt oder nicht.

Ich kann aber Ragnars Wesen und seine treue Ergebenheit nachvollziehen. Ich erlebe ähnliche Verhaltensweisen fast täglich. Und mir blutet schon heute das Herz, wenn ich daran denke, dass irgendwann die Zeit des Abschieds gekommen ist. Ich hoffe, dass ich Fido überlebe; denn es wäre unerträglich für mich, ihn nicht in guten Händen zu wissen.

Fido und ich sind jetzt ganz ruhig. Er hat sich an meine Füße gekuschelt, die er mit seinem weichen warmen Fell wärmt und hat seine Augen geschlossen. Davor allerdings hat er mich gebeten, dir in Freundschaft einen Fidolinski zu schicken.

Danke für diesen friedvollen Moment, lieber Antaghar.

Tom (the Sun)
It´s me!
*********ld63 Frau
8.132 Beiträge
Lieber Antaghar,

gerade habe ich deine wunderschöne, magische und sehr berührende Geschichte gelesen - und habe Tränen in den Augen.

Einfach nur Danke! *roseschenk*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Für gute Geschichten bin ich immer zu begeistern.

Und selten genug hat man Gelegenheit, von alten Menschen all diese Erzählungen zu hören, die in bestimmten Gegenden überliefert wurden. Ob wahr oder unwahr, meist sind es überaus interessante Begebenheiten, von denen man erfährt.

Aber woher konnte der alte Mann wissen ... ?

Nicht mein Thread eigentlich, aber diese Parabel von Dir, Antaghar, „stach” mir doch auch „ins Auge” (insider running gag ,-).

Es gibt so vieles, was man durch die Beobachtung und den Umgang mit Tieren lernen kann. Schönheit und Anmut, so oft zu bewundern, selbst in der kleinsten Kreatur. Diesen unbedingten Überlebenswilllen, die Zähigkeit eines Mistkäfers, der sich abmüht, in herabrieselnder, trockener Erde eine Steile zu erklimmen. Das „Annehmen” jeden Tages, vom Grübeln befreit, lebensbejahend und außerhalb von Zeit und Raum.

Den unbestechlichen Freiheitsdrang einer Katze, das Biegsame, ihre Fähigkeit weich abzufedern, immer wieder auf den vier Pfoten zu landen. Die Eleganz eines Vogelflugs, die fokussierte Aufmerksamkeit und das Tempo urplötzlich beim Herabstossen ...

Aber ich wollte ja keine tierische Geschichte beginnen, sondern bloß sagen, dass ich eine so gekonnte Verschränkung von Handlungsebenen sehr schätze und diese Technik der Parallelität und des „Springens” der beiden Perspektiven, die Wechsel der Protagonisten und der Zeitebenen liebe.

Und: Ein fellglänzend doppeldeutiger Traumtitel ,-).
*top*
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Ich bedanke mich für die Kommentare. *liebguck*

Diese Geschichte kennen ja die meisten hier bereits; sie stand vor etwa vier oder fünf Jahren schon mal in dieser Gruppe. Damals gab es jedoch noch kein Thema "Tiergeschichten" (warum eigentlich nicht?), weshalb ich den Text hier gerne noch mal posten wollte, natürlich auch für unsere neueren Mitglieder.

(Der Antaghar)
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