Trumpf-
Narzisst-
Vögel-
Winterkorn-
Taube-
anstellen-
kuschen-
braun-
Herz ❤️ ist Trumpf, dachte die junge Schauspielerin Sibyl, als sie sich Hals über Kopf verliebte. Es war nach einer Theateraufführung. Sie hatte "die Julia" gespielt. Es war einfach berauschend, wie sehr er sie umwarb und ihr nach allen Regeln der Kunst den Kopf verdrehte. Er hieß Dorian und sah aus wie ein Engel, der versehentlich auf Erden wandelte. Eine große Schauspielerin wollte er aus ihr machen und trotz der Bedenken ihres 16 jährigen Bruders und ihrer Mutter verlobten sie sich schon nach kurzer Zeit.
Sibyl war 17 Jahre und ihre ganze Leidenschaft waren romantische Romane. Sie lebte in dieser selbst aufgebauten, heilen Welt. Sah in jedem Mann den ritterlichen Prinzen, der heldenhaft in die Bresche springt, um seine Angebetete vor dem Drachen zu retten. So vertraute sie auch darauf, dass Dorian sie freikaufte aus ihrem Knebelvertrag am Theater.
Es war die Zeit des Winterkorns, an einem sonnigen Morgen. Eine braune Taube hatte sich auf dem Fenstersims niedergelassen und schaute ihr zu. Wie ungewöhnlich, dachte sie noch, zumal die Vögel allgemein nicht so zutraulich waren. War das ein Zeichen?
Sie hatte am Abend einen Auftritt und war sehr aufgeregt, denn ihr Liebster und auch sein Freund, Lord Henry, würden sie vom Zuschauerraum aus spielen sehen.
Seit sie Dorian liebte, sah sie die Welt, die sie bisher nur aus Romanen kannte, ganz anders, realer und tiefer. Sie fing auch an zu zweifeln, was ihre Darstellung in dem Stück anging. Das war nicht real, nur ein Abklatsch der Wirklichkeit.
Diese Gedanken breiteten sich aus und der Auftritt am Abend wurde zum Debakel. Es hagelte "Buhrufe" und das Publikum musste sich anstellen, da so viele Menschen gleichzeitig den Saal verließen.
Nachdem der Vorhang gefallen war, kam ihr Geliebter Engel hinter die Bühne und sie warf sich weinend in seine Arme. Aber anstatt sie zu trösten und ihr Mut zu machen, stieß er sie brutal zurück. "Sie sei eine Enttäuschung für ihn und solle sich kuschen. Er könne sie nicht mehr brauchen und würde sich schämen, sich mit ihr sehen zu lassen!"
Als er sich nach weiteren Schmähungen endlich abwandte und ging, hatte er den Geist des Mädchens unwiderruflich zerstört.
Dorian aber durchzechte die Nacht, ließ sich von seinen Freunden, vor allem aber von Lord Henry, bewundern für seine Entscheidung, die "kleine Sibyl" verlassen zu haben.
Sie war ihm nicht mehr dienlich, denn sie würde schließlich nie eine große Schauspielerin werden! Er verdiente in seiner Großartigkeit etwas Besseres! Er musste ja nur sein gemaltes Bildnis betrachten, um zu sehen, wie einzigartig und besonders er war!
Zuhause angekommen bewunderte er wie jeden Tag sein Porträt, betrachtete seine eigene Schönheit und bemerkte überrascht, dass es sich verändert hatte. Ein grausamer Zug lag plötzlich um seine Mundwinkel.
Als am nächsten Morgen die Nachricht kam, dass Sibyl den Freitod gewählt hatte, war er nur kurz geschockt. Die wahre Natur des Narzissten zeigte sich in aller Klarheit: "Wie konnte Sibyl nur so dermaßen rücksichtslos sein, ihn in Verruf zu bringen?!" Sie hatte kein Recht darauf gehabt, so etwas zu tun. Welche Selbstsucht, sich selber zu töten und überhaupt, wie furchtbar pathetisch sie gewesen war. Das war seiner nicht würdig und er würde ihr das niemals verzeihen.
So beschloss er dann am Abend, mit Lord Henry in die Oper zu gehen, um sich eine 'echte' Tragödie anzusehen ....
Damaris 07/02/17
(frei nach Oscar Wildes Geschichte um Dorian Gray)