Türchen 14
Die Nacht vor Weihnachten
Es ist dunkel. Dunkel wie im Bärenarsch, wie Unteroffizier Janz immer sagt. Ich stehe Wache, und es ist kalt.
Morgen ist Weihnachten. Urlaub haben nur die bekommen, die Frau und Kind haben. Aber was soll ich Weihnachten zuhause, und ist es noch mein zuhause, jetzt, wo ich 18 bin und erwachsen? Seit ich 12 bin, wollte ich 18 sein, ausziehen, mein eigener Herr. Jetzt bin ich mein eigener Herr und stehe am 23. Dezember Wache. Es ist kalt, aber nur im Gesicht und am Zeigefinger – das nächste Mal ziehe ich die Fausthandschuhe an, schießen muss ich hier sowieso nicht, mitten im Frieden, mitten in Europa. Außerdem haben wir sie an den Verhandlungstisch gezwungen, und solange verhandelt wird, wird nicht geschossen, das ist schon richtig. Hoffentlich kommt kein besoffener Resi aus dem Dorf zurück, aber hier hinten an der Panzerschießanlage werden sie nicht über den Zaun klettern. Wildschweine sollen manchmal kommen, aber die haben jetzt keine Frischlinge. Sie laufen bestimmt weg, vielleicht sollte ich einfach grunzen, wenn sie kommen. Die Kindergartenkinder im Wald sind ja weggelaufen, als wir, eine Kompanie, mit Schutzmaske auf, weil Blecho wieder sein Maul nicht halten konnte, durch die zerfurchte Panzerbahn stolperten und sie uns sahen. Gut, Kinder sind keine Wildschweine, oder doch? Essen, was ihnen schmeckt und nehmen auf nichts Rücksicht, Kinder würden auch die jungen Schösslinge verbeißen, von wegen Kinder an die Macht, auf so was kann nur einer aus dem Westen kommen, obwohl singen kann er besser als Klaus Lage.
Nichts. Es ist windstill, und es ist kalt. Über der langen Unterwäsche trage ich wider jeder Vorschrift den Trainingsanzug, den Pullover, darüber die Dienstuniform, und die Felddienst Winter. Meine Füße stecken in Filzstiefeln und Dienstsocken und Wollsocken. Um den Hals habe ich die „Oma“ geschlungen und die Ohrenklappen der Winterfeldmütze dürfen wir runterklappen. Ob es jetzt gut wäre, eine zu rauchen? Besser ist es, die Schritte zu zählen auf meinem Wachabschnitt. Hin und zurück sind es zweihundert Schritte, wenn ich Doppelschritte mache, kann ich die Meter ausrechnen und meine Geschwindigkeit. 1m sind 0,6 Doppelschritte, dann sind 10 m 6 Doppelschritte, 100 m 60 und 1000 600..... 125 Doppelschritte, doch, also 200 m und ein bisschen. Jetzt die Zeit. Nein, ich schaue jetzt nicht auf die Uhr, es ist viel zu kalt und die kleinen Knöpfe für die Stoppuhr.. Ich zähle lieber ab 21 und mache einen Finger krumm, wenn ich bei 30 bin. 21, 22, 23,....120 Sekunden für 200 m, 2 Minuten für 200 und 5 für 1000. Allerdings bin ich schnell gegangen, langsam kriecht die Scheißkälte von den Handgelenken nach oben. Ich muss die Manschetten enger stellen, oder sollte ich die Stulpe des Handschuhes in die Ärmel ziehen? Das nächste mal nehme ich mir Weck-Gummis mit, dann kann die Kälte nicht in die Stulpen und über die Naht an die Haut...
Hat da was geknackt? Angst muss ich nicht haben, ich habe meine Waffe, Nr. 726 und 60 Schuß Munition. Auf 50 m treffe ich die Zehn und die Laternen senden taghelles Licht aus. Wenn ich mich in den Schatten stelle und ins Helle schieße? Wenn ich noch etwas höre, dann rufe ich: „Halt, wer da?“ Ohne Antwort folgt ein „Halt, wer da? Stehenbleiben!“ Bei „Halt, wer da? Stehenbleiben oder ich schieße!“ lade ich durch. In dieser stillen kalten Nacht hört man es besser als dieses blöde Knacken, sicher ein Zweig, in den der Frost gekrochen war. Aber vielleicht war es die Postenkontrolle?
„Halt, wer da?“ Keine Antwort? Leutnant Lau tritt in den Lichtkegel der Lampe am Beginn meines Postenbereiches. Noch ist die Zeit nicht rum, und der lange Leutnant ist Wachhabender, nicht der Aufführende.
Er muss jetzt antworten: „Hier Wachhabender!“ Warum sagt er nichts? Ich habe ihn erkannt, und deswegen denkt er sich, dass er sich die Antwort sparen kann? Aber man muss auch nicht übertreiben. „Wachhabender zu mir, die anderen stehen bleiben!“ Ich trete aus dem Schatten der Hallenwand und gehe langsam ins Helle, die Waffe wieder geschultert. Fünf Schritte vor dem Leutnant verharre ich, stoße dumpf klackend die Filzhacken zusammen und melde stramm: „Genosse Leutnant, Gefreiter B., Postenbereich fünf, keine besonderen Vorkommnisse!“
Der Leutnant nimmt die Hand von der Mütze, er trägt eine Pistole am Gurtzeug und hat beide Hände frei. „Kalt, nicht? Rauchen Sie?“ Rauchen ist auf der Wache verboten, aber vermutlich nur, wenn der Posten allein ist, damit er sich nicht durch das Glimmen der Glut verrät. Hier im Lichtkegel von tausend Watt... „Nein, ich bin Nichtraucher, Genosse Leutnant.“ Er puhlt sich eine Karo aus der Schachtel und zündet sie mit einem Wegwerffeuerzeug an. Stumm nimmt er einen ersten tiefen Zug und als er ihn ausbläst, setzt er an:
„Wie sieht’s denn so mit der Liebe aus? Haben sie eine Freundin?“
Soll ich ihm von Agnes erzählen, die in der Kirche ist und meine Rehaugen mag, die aber sonst auf Jungs mit Motorrad und Geld steht, wie Thomas und das ich mir nicht wirklich Chancen ausrechne, auch wenn sie mir auf jeden meiner vorsichtigen Briefe antwortet – manchmal sachlich, manchmal lustig, aber nie so, dass ich vermuten könnte, dass ich etwas anderes als ihre Hände oder Gesicht nackt zu sehen bekommen würde. Ich sage: „Es ist mehr so im Schillerschen Sinne!“ Er schaut mich an, und sein Blick sagt, dass sein Matheabitur besser als sein Deutschabitur war. Bei mir ist es umgekehrt. „So wie in der ,Bürgschaft’...“
Der gleiche Blick. Ich gebe es auf. „Nein, nicht wirklich.“
„Wird sich das ändern?“ Natürlich hoffe ich, dass sich das ändern wird, aber wann? Sicher werde ich mir deswegen keine Kugel durch den Kopf schießen, deswegen haben sie mich doch andauernd zum Küchendienst eingeteilt und mich jetzt auf Wache geschickt, weil einmal Wachestehen Bestandteil der Ausbildung ist! Außerdem möchte ich niemand den Schreibkram für so ein besonderes Vorkommnis zumuten, auch dem Hauptfeldwebel nicht, auch wenn unsere Abneigung gegenseitig ist. Meine Antwort ist ein zögerliches: „Vielleicht, wenn ich in die Truppe versetzt werde?“ Wobei ich nicht weiß, wo ich hinkommen werde, das ist geheim und geheim ist auch, welche Truppenteile unsere Schützenpanzer haben, so dass ich nicht mal raten kann.
„Sie werden sicherlich häufiger in den Urlaub fahren können. Wo wohnen ihre Eltern? In G.?“ Woher weiß er das alles? Gut, von ihm wissen wir auch, dass er aus Berlin kommt, das hat er uns neulich auf dem Schießplatz in der Pause.... Richtig, da habe ich auch erzählt, dass ich aus G. komme und dass ich in der Singegruppe gesungen habe.
„Das mit der Silberhochzeit ihrer Eltern tut mir leid.“ Er ist der einzige, dem ich es glaube, gesoffen haben sie auf ihre Beförderungen und meinen „Sonderurlaub aus familiärem Anlass vergessen. Natürlich stelle ich deswegen nicht den Sozialismus in Frage, so wie es andere tun, das sind Einzelfälle, Menschen, die sich Kommunisten nennen und nicht wirklich treu und kühn wie Thälmann sind.
Der Leutnant hat aufgeraucht. Lässig schnippt er die Karo ins geharkte am Zaun und brummt in den aufsteigenden Nebel: „Das sieht nach Sonne für morgen aus.“
Es ist kalt, und morgen ist Weihnachten.
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Vielleicht hört mein Bauch dann auf zu grummeln!
Vielleicht hört mein Bauch dann auf zu grummeln!
Kaffee jemand? Ich wollte doch noch mal meinen Tipp ändern. Habe gehört, dass Indi heute schon kurz vor 6 den Sieger verkündet. Wollt nicht zu spät kommen und mir anschauen, was hier morgens um 6:00 so los ist. 
Kanne Kaffee steht für alle Frühaufsteher und Spättipper bereit. 
, moin, Ihr Lieben! 
Nyx.xe 
