Blümchensex
Acht vorgegebene Begriffe: Liebesdienst, aufprallen, Schockstarre, Kandiszucker, gelb, Säugetier, Wasseroberfläche und offen, schlugen geschlossen zu und Wurzeln in meinem Kopf, trieben es bunt und wie die Blüten.
Blümchensex
Diese Frau macht mich wahnsinnig. Wie sie da sitzt an ihrem Schreibtisch, so konzentriert. Den Kopf leicht in meine Richtung dreht, wenn ich eine Bemerkung mache. Sie schaut dann kurz über den Rand ihrer Nerdbrille, die zu dunkel ist zu ihrem hellen Haar, besonders wenn die Abendsonne durch die Flügelfenster fällt und ihrem Kopf Goldsträhnchen verpasst, so wie jetzt. Sie antwortet dann mal mehr, mal weniger deutlich. Je nachdem, wie sehr ich sie aus ihrer Arbeit oder ihren Gedanken aufgescheucht habe. Sie streicht mit ihrer Hand mit den kurzen Fingernägeln, die meist ein wenig schmutzrandig sind, eine lose Haarsträhne zurück.
Ich wuchte mich vom Sofa und spreize meine Beinschiene so weit wie möglich ab. Versuche hüpfend den Tisch zu erreichen. Ich fluche: „Verdammt, ich fühle mich wie ein gestrandeter Walfisch!”
Jetzt ist es wieder soweit. Sie neigt den Kopf, nimmt sogar die Brille ab und gibt dem alten Nussbaumdrehstuhl Schwung für einen Drittelkreis. Sie schaut mich an. Ganz ohne Mitleid. Ich bin irritiert. Sie sieht mir zu und hat diese Sachlichkeit in den Augen. Jetzt folgt die Haarsträhne. Es ist immer der Mittelfinger mit dem sie diese eine lose Strähne hinters Ohr bugsiert. Sie sagt: „Wusstest du, das es Carl von Linné war, der erkannt hat, dass die Walfische zur Gruppe der Säugetiere gehören? Das war 1758.”
Ich bin so verdutzt, dass ich ins Wanken gerate und mich in den nächstbesten Sessel plumpsen lasse. Dabei kenne ich sie und müsste mich nach 26 Jahren auch daran gewöhnt haben, dass sie mich regelmäßig mit der Welt ihrer bunten Gedanken überrascht und ich nie sicher sein kann, was in ihrem Kopf gerade so vor sich geht. Oft verblüfft sie mich so sehr, dass ich bei ihrer Antwort schon meine Frage vergessen habe.
Sie steht auf und tritt vors Bücherregal, das wie der Nussbaumstuhl aus einem Hamburger Kontor stammt, steigt auf der Leiter bis Stufe drei und zieht zwei Schriften heraus. Sie setzt sich zu mir auf die Armlehne des breiten Sessels und ich rieche diese Mischung aus Maiglöckchen, Orangenblüten und ihrer warmen Haut. Sie hält mir das kleinere der bräunlichen, antiquarischen Fundstücke unter die Nase und verkündet mit einem Lächeln und einer solchen Dreistigkeit im Blick, dass ich unweigerlich aufhorche: „
Präludia sponsaliorum plantarum, die Hochzeiten der Pflanzen.”
Ich sehe das Leuchten in ihren Augen, ignoriere den schimmelpilzigen Modergeruch, der von diesem gelblich verschossenen Papier auf meinem Schoß ausgeht und rücke mit beiden Händen die elende Schiene mitsamt meinem lädierten Knie in eine etwas bequemere Position.
„Um 1700”, sagt sie, „waren bereits 18 000 verschiedene Pflanzen bekannt, aber es herrschte Chaos. Der Überblick und die Unterscheidung waren schwierig. Wer sollte mit diesen Massen etwas anfangen? Wer sollte sie ordnen?
Es gab jemanden, der prädestiniert dafür war und der von Kindesbeinen an seine Nase mit akribischem Interesse in die Botanik steckte: Carl von Linné, wie der Schwede Carl Linnæus nach seiner Erhebung in den Adelstand später heißen sollte. Er war gerade Mitte zwanzig, als er die zündende Idee hatte und seine Methode war zudem verlockend einfach: Er ordnete alle Pflanzen nach der Anzahl und Anordnung ihrer Bestäubungsorgane in 24 Klassen. Und seine Begründung war schlüssig: Er stellte fest, dass die Sexualität der Pflanzen ein zentrales Wesensmerkmal ist. Demzufolge könne die Art ihrer geschlechtlichen Fortpflanzung auch die Grundlage für ein Klassifikationssystem sein. Ein genialer Coup, der bis heute Bestand hat.”
Sie grinst, wackelt schelmisch mit den Augenbrauen und blättert mir was vor. Auf einer Seite in der Mitte hält sie inne und sucht mit dem Finger eine bestimmte Stelle unter einem Kupferstich irgendeiner Pflanze.
„Zwanzig Männer und mehr im selben Bett mit einer Frau ...”
Sie lässt den Satz in der Luft hängen und sieht mich herausfordernd an. „So beschreibt Linné das Besondere der Klasse XIII,
Polyandria, die Klasse der Vielmännigen, ganz unschuldig und plastisch. Er meint damit natürlich die zwanzig und mehr Bestäubungsorgane, die Staubgefäße, die um eine Blüte stehen.”
„Gangbang unter Palmen”, denke ich und es entschlüpft mir auch.
Ich sehe sie schräg von der Seite an, erwarte einen Tadel, weil ich sie mal wieder nicht ernst genug nähme. Sie aber küsst mich nur auf den heute sicherlich viel zu fettigen Haaransatz und lacht: „Genau! Aber warte, es kommt noch besser. Die Blümchen haben es nämlich faustdick hinter den Blütenohren.”
Auf meiner Augenhöhe ist ihre hellblaue Bluse ein wenig verrutscht. Mein Blick rutscht hinterher, fällt in ihr Dekolleté und ich beuge mich – unmerklich wie ich finde – vor, gleite mit den Augen über die süßen Rundungen und will gerade hineintauchen, als sie nach mir schlägt und sagt:
„Er unterscheidet außer der
Polyandria, wenn über zwanzig, also viele Männer beteiligt sind, auch die
Triandria, die Dreimännigen, wie zum Beispiel bei der Pistazie oder der Feige. Die Fünfmännigen,
Pentandria, also wenn fünf Männer um eine Blüte ... Die gibt es auch, der Cannabis gehört dazu.
Decandria, wenn es zehn Kerle sind wie bei der Cassia, der Johannisbeere, und so weiter bis zu zwanzig Männern bei den Arten, die zu den
Dodecandria gehören, den Zwanzigmännigen der Klasse XI. Zu denen zählt der Populus oder auf gut deutsch, die Pappel.”
Mir steht die Kinnlade halb offen, in meinem Kopfkino startet das Abendprogramm. Die Bilder beginnen sich selbstständig zu machen. Ich sehe uns einen Joint durchziehen und am Strand in Goa vögeln. Da war ich auch noch voll im Saft, fühlte mich selber zwanzigmännig und wer zitterte wie ein Pappelblatt, das war sie. Endlos lang der Strand und voller Krabben. Schön war das. Wie verrückt wir aufeinander waren! Pfiffen einfach drauf, ob’s irgendjemand störte, ließen uns und fremde Welten aufeinanderprallen.
Triandria soso. Der flotte Dreier ... Ich denke an Joachim, kratze mich am Kinn und lege meinen Arm um ihre Hüfte.
Muss ihn mal wieder anrufen, ist Jahre her inzwischen. Dabei kennen wir uns so lange. Warum verliert man sich bloß so leicht aus den Augen? Ich schiebe vier Finger in ihre Hosentasche und spüre ihren Hintern durch die eine, dünnere Schicht. Mir ist warm und ich frage mich beim kleinen Krabbeln ob sie überhaupt ein Höschen trägt. Sie sieht mich an und ihre Augen haben diesen Glanz, als sie leise sagt und dabei jedes Wort betont: „
Gymnospermia. Die Nacktsamigen. Ginkgo oder Pinie.”
Sie zuckt ein bisschen unter meinen Fingern und zappelt auf der Armlehne des Sessels herum, stößt an mein Bein.
„Pass doch auf, autsch!”
„Oh entschuldige, ich wollte dir nicht auf die Flosse treten, mein geliebter Walfisch”, flötet sie, küsst mich diesmal auf den Mund und stellt mich mitsamt meinem Grummeln ruhig.
„Dabei war Linné für seine Zeit eigentlich ganz normal gottesfürchtig. Allerdings war er auch ein Wissenschaftler mit einem nahezu unbändigen Entdeckerdrang, dessen Spannbreite von Medizin, Botanik, Zoologie bis zur Diäthetik reichte und er wollte schlicht, dass jeder sein System verstand. Er eröffnete in Stockholm eine Arztpraxis, wurde später der Leibarzt des Königs, gründete 1739 die schwedische Akademie der Wissenschaften ... Ja, genau die, die den Nobelpreis vergibt ... und war deren erster Präsident. Er wurde Professor für Anatomie und Medizin in Uppsala und etwas später auch für Botanik. Da war er 34. Er heiratete, bekam 5 Kinder und unternahm zahlreiche Forschungsreisen. Seine Zeitgenossen kolportierten sein unermüdliches Wirbeln und seine Wirkung mit dem Spruch:
Gott hat die Welt geschaffen, Linné hat sie geordnet.
Das ist übrigens auch die Inschrift auf seiner Grabplatte im Dom zu Uppsala. Erinnerst du dich? Wir standen davor, das ist allerdings ein paar Jährchen her. Weißt du noch? Das war, als wir in diesem Kellerloch von Hotel im Bett eingebrochen sind.”
Sie zappelt wieder, kriegt gerade noch die Kurve und sieht mich an: „Zu gut, oder? Soll ich uns einen Tee machen?”
Ich vollführe eine Geste gemäßigter Zustimmung, aber sie ist ohnehin schon halb durch die Tür. Als sie zurückkommt, duftet es. Diesmal nach Tee und sie hält mir ein Holzstäbchen mit wie Bernstein glitzernden Zuckerkristallen hin. „Mineralien hat er auch untersucht, der Linné, und sortiert. Aber da war er nicht so erfolgreich, ihm fehlten die chemischen Kenntnisse.”
Ich blinzle, die Abendsonne ist so tief nun, dass sie mich blendet. Ich beuge mich vor, stecke meinen Kandiszuckerstengel in die Tasse und drehe mit ihm ein paar Runden. Gegen den Uhrzeigersinn, das mache ich immer. Ich bin auch beim Schrauben der typische „Aufschrauber”. Drehe viel lieber nach links und nur wenn ich muss, nach rechts.
„Hör zu, das ist wirklich spannend”, sagt sie.
Ich bin so mittel begeistert, meine Gedanken sind etwas ins Abseits geraten.
Sie legt das kleinere Bändchen vorsichtig aufs Sofa, stupst mich in die Seite und schlägt vor mir das größere, ziemlich abgegriffene auf. Ich komme dadurch der Bluse wieder ganz schön nah, neige den Kopf. Lasse, schlau wie ich bin, der Sonne den Vortritt in ihren Ausschnitt und folge dann mit den Augen der goldenen Spur.
„Kurz nachdem Linné in Holland promoviert und sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, veröffentlichte er seinen Geniestreich. Das „Systema naturæ”, das System der Natur. Da war er 28 und hatte nicht weniger vor als die drei Naturreiche: Mineralien, Pflanzen und Tiere, komplett zu erfassen. Er begann mit den Pflanzen und sein Ansatz, ihre Sexualität sei der Schlüssel, war mutig, wie gesagt, ja geradezu originell. Tatsächlich erwies sich seine Arbeit als so bahnbrechend, dass sie ihn von heute auf morgen berühmt, aber auch zum Ziel für massive Anfeindungen machte.
Als er sie 1735 in Holland mit 150 Exemplaren drucken ließ, schlug diese Schrift – die in der ersten Auflage aus nur wenigen Blättern bestand – ein wie eine Bombe und löste einen Sturm der Entrüstung aus. Was seine Zeitgenossen besonders echauffierte, war der Umstand, dass er das Sexualverhalten der Pflanzen analog zu dem von Mensch und Tier erklärte. Nicht wenige empfanden diese Provokation als so maßlos, dass sie Jahrzehnte brauchten, um sich von ihrer moralischen Schockstarre zu erholen. So empörte sich der deutsch-russische Botaniker Siegesbeck in einer ersten Kritik noch im selben Jahr über eine
solch verabscheuungswürdige Unzucht im Reich der Pflanzen und fragte sich, wie man ein derart
unkeusches System der akademischen Jugend zum Studium anbieten könnte. Wenig verwunderlich, dass Papst Clemens VII. das „System der Natur” auf den Index setzte und verbot.
Noch hundert Jahre später regte sich selbst Goethe darüber auf und sagte es so in seinem schönen Schwurbeldeutsch:
Wenn unschuldige Seelen ... botanische Lehrbücher in die Hand nehmen, können sie nicht verbergen, dass ihr sittliches Gefühl beleidigt sei; die ewigen Hochzeiten, die man nicht los wird, wobei die Monogamie, auf welche Sitte, Gesetz und Religion gegründet sind, ganz in vage Lüsternheit sich auflöst.”
Drei Stunden später, wir haben schon gegessen, liegt sie in der Badewanne und ich sitze auf dem blöden Plüschüberzug des Klodeckels, über den wir uns abwechselnd lustig machen und ihn trotzdem nicht ersetzen. Ich reiche ihr das Glas und bin ein bisschen neidisch, dass ich immer noch nicht mit ins Wasser kann. Schon die vierte Woche. Sie beugt sich herüber so weit sie kann und stößt mit mir an. Mein Caipirinha ist gut. Wir kommentieren ihn gleichzeitig und auch ähnlich einfallsreich mit: „Lecker.”
„Magst du noch weiter hören?”, fragt sie. Ich nicke und schlucke.
„Die aus späterer Sicht wichtigste, weil vollständige, die zehnte Auflage, erschien gut zwanzig Jahre später. Linné stellte darin alle ihm bekannten Organismen dar: 7700 Pflanzen-, 6200 Tier- und 500 Mineralienarten. Und er ersetzte sämtliche der unbrauchbaren und unhandlichen Bezeichnungen wie etwa das Wortmonster
Physalis amno ramosissime ramis angulosis glabris foliis dentoserratis durch die binäre Schreibweise einfach zu merkender Doppelnamen. Das Ungetüm von einst hieß nun ganz schlicht:
Physalia Angulata. Der erste Name der binären Nomenklatur bezeichnet immer die Gattung, der zweite die Art. Unsere Physalis draußen im Garten ist eine etwas andere Art,
Physalis alkekengi, die Lampionblume. Weißt Du welche? Die mit den leuchtend ziegelroten und hauchzarten Fruchtständen, die sie vom Spätsommer bis in den Herbst aussehen lassen wie ein japanisches Lichterfest. So hübsch! Ich liebe sie.”
Sie malt mit dem Finger eine Herzform in den Badeschaum, der die Wasseroberfläche in ein weißes Hügelland verwandelt hat, aus dem für mich besonders zwei Hügel hervorstechen. Sie haben hellbraune, vorwitzige Knospen und wenn ich darüber streiche, können sie sprechen. Sie sagen „mmh” oder „ahh” und manchmal sogar „oh ja, mach bitte weiter.”
Sie bemerkt meinen Blick und klimpert – selbst ein wenig sehnsüchtig wie mir scheint – mit den Augendeckeln.
„Erinnerst du dich noch, wie ich dich gequält habe mir zu helfen, diese uralte Zinkbadewanne aus der wilden Mülldeponie im Wald den Hang hinauf zu zerren? Wir rutschten so oft ab dabei und sahen hernach aus wie die Schweine. Und wir mussten sie anschließend ein Paar Kilometer zu uns nachhause schleifen! Das war ein echter Liebesdienst von dir, ich weiß ja, dass du dir aus meinem Krautzeugs nicht viel machst.”
Sie küsst mich durch die Luft. „Da wachsen sie nun drin unsere Lampionblumen,
Physalis alkekengi L. Der Buchstabe hinter dem botanischen Namen übrigens, ist immer der des Entdeckers. Das heißt, bei uns schlägt Linné höchstpersönlich Wurzeln in der Badewanne.”
Mitten in der Nacht hangle ich mich durchs Wohnzimmer. Ich schlafe schlecht, die Schiene juckt. Ich schaue in den Garten. Es ist still bis auf zwei fauchende Katzen, die sich durchs Gebüsch jagen. Ich stelle mein Glas ab und schiebe das bräunliche Buch zur Seite. Es hängt ein helles Stück Papier heraus. Ich knipse die Lampe an und ziehe daran.
Mir leuchtet das Wort „Polygamie” entgegen. Meine Neugier triumphiert.
In ihrer schönen, geschwungenen Handschrift lese ich: Gruppe XXIII,
Polygamia, die Vielehe. Zum Beispiel Banane,
Musa paradisiaca, wurde früher daher auch Paradiesfeige genannt. Sie gehört zu den einkeimigen Pflanzen. Ich nehme mir einen Schluck. Der Whisky ist angenehm voll und geradlinig.
„Die einkeimigen Polygamen, das sind die schlimmsten”, sage ich zu mir selbst und fasse mir unwillkürlich an den Sack. „Und meine Paradiesfeige schläft.“
Ich grinse breit und lese weiter.
Polygamia æqualis. Mariendistel,
Silybum marianum L. , auch Liebfrauendistel genannt. In der Pflanzenheilkunde ein wirksames Mittel gegen Leberbeschwerden. Ich pruste los und gönne mir einen zweiten Schluck. „Polygamie, der alles egal ist. Marias Distel und die Leber. Na denn, prost!”
So langsam finde ich Gefallen an meiner ungewöhnlichen Lektüre. Die Nächste haut mich um:
Polygamia frustranea, die fruchtlose Vielehe, die ausgerechnet
Helianthus, die Sonnenblume trifft und das bei diesen vielen Kernen immer. Bei
Polygamia superflua, zu deutsch, die „überflüssige” Vielehe, habe ich Tränen in den Augen.
Ich wische mir übers Gesicht und lese: Ein Vertreter dieser Gruppe ist der Echte Alant,
Inula helenium, Darmwurz, Edelwurz, Glockenwurz, Odinskopf oder auch Schlangenkraut genannt. Aus der Familie der Korbblütler mit zygomorphen Zungenblüten. „Zygomorphe Zungenblüten!” Ich strecke meine Zunge heraus und lasse sie kreisen. Sie ist flink, ziemlich lang und ich kann sie seitlich einrollen. Auf meine Zunge bin ich stolz seit ich in den Spiegel gucken kann.
Die Darmwurz, lese ich weiter, wird bereits in ägyptischen Papyri erwähnt, ist ein seit der Antike bekanntes Gewürz für Süßspeisen, Magenbitter und Liköre. Kandierter Alant galt lange Zeit als Leckerbissen. Aufgrund der schleimlösenden Wirkung ist die Alant-Wurzel Bestandteil einiger Hustensäfte. Im Volksglauben sagte man der Darmwurz nach, sie könne Dämonen abwehren. „Huhu”, sage ich und tu so als ob ich mir was huste.
Ich lege das Blatt zurück zwischen die Buchseiten, trinke aus, stemme mich hoch und mache mich leise auf die Socken, zurück ins Schlafzimmer. Da liegt sie im Mondlicht. Sie hat die Decke im Schlaf abgeschüttelt. „Ich bin der Dämon!” In zwei bis drei Wochen zumindest wieder. „Ich bin ein Bedecktsamer, ein
Angiospermium” Sie liegt da, atmet ganz gleichmäßig und zum Greifen nah. „Du meine
Magnolia virginiana, meine
süße Bucht.” Das habe ich eben gerade gelesen.
Ich strecke die Hände aus und weiß, dass ich es liebe, mein Blumenmädchen.
11.2016©nyx
Die Feder mit herzlichen Glückwünschen der Kurzgeschichten-Gruppe