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Geschichtenspiel_Teil_39:

****59 Frau
3.090 Beiträge
ROBERT
Eisig!
Es war so eisig arschkalt, dass Mila die Tropfen an der Nase gefroren.
Die Hände in den Taschen und die Beine gekreuzt, stand sie am Strassenrand und wartete auf den nächsten Freier, um ihren Liebesdienst anzubieten.
Lust verspürte sie nie.
Im Gegenteil – sie ekelte sich inzwischen so sehr vor den Männern, die wie Säugetiere an ihren Brustwarzen hingen, als gäbe es kein Morgen mehr! Pfui Teufel!
Sie spürte, wie die Wellen der Krämpfe in ihrem Bauch von ihr Besitz nahmen. Mila wußte, was jetzt kam. Für einen kurzen Moment verharrte sie in Schockstarre, um dann schnellstens hinter den nächsten Busch zu springen. Mit einer Hand nahm sie ihre offenen Haare zurück, bevor es hinten wie oben aus ihr herauslief! Sie hatte ihren abgemagerten Körper nicht mehr unter Kontrolle. Das Heroin hatte ihr alles genommen, was das Leben einst zu dem Mädchen Mila gemacht hatte.
Ihr Stolz, ihre Nächstenliebe, ihr Selbstwertgefühl, ihre Ehrlichkeit – alles Menschliche entwich, sobald die Wirkung der Teufelsinjektionen nachließ.

Mit Feuchttüchern versuchte sie so gut es ging sich sauber zu machen und kehrte, gelb im Gesicht und kaltschweißig am ganzen Körper, an ihren Standort zurück. Sie fühlte sich wie eine Ertrinkende, die immer wieder unter der Wasseroberfläche verschwand, bevor sie endgültig hinunter gezogen wurde...

Im trüben Nachtlicht sah sie ein Auto auf sich zukommen.
Endlich ein Freier!
Das Auto hielt und sie öffnete die Tür.
„Wieviel?“
„50 Euro.“
„Steig ein!“
Sie nahm auf dem Beifahrersitz Platz und beide begutachteten sich. Er schien nicht einmal unsympathisch.
„ Um Gottes Willen! Wie siehst du denn aus? Hat dich der Tod geküsst?“
„Ja, so könnte man es nennen!“
Mila klappte die Blende herunter und sah in den Spiegel.
Ausgemergelt, kreidebleich und mit verschmierter Wimperntusche sah sie ihrem Gesicht entgegen. Der Nasenschleim hatte sich inzwischen verflüssigt.
Und als wäre das alles nicht genug, kündigte sich die nächste Krampfwelle an!
Mila schaffte es nicht mehr rechtzeitig.
Ungehindert floss der Durchfall in ihren Slip, breitete sich schleimig und warm über ihren Po und die knöchernen Oberschenkel.
Sie war der mikrigste Wurm in dieser gottverlassenen Welt!

„Wie heisst du?“
„Mila.“ schluchzte sie.
„Also Mila, du brauchst jetzt keine 50 Euro; geschweige denn einen Freier! Wir fahren zu mir nach Hause. Dort kannst du dich erst einmal duschen, oder auch baden. Wie du willst. Okay?“
Mila nickte.
Seine Hand strich über ihr strähniges Haar.
Die Fahrt dauerte ungefähr 10 Minuten. Mila aber kam es wie eine Ewigkeit vor. Die Kacke war inzwischen kalt geworden und verstärkte ihr Zittern umso mehr.

Er hatte eine kleine, aber gemütliche Wohnung. Und sie war warm! Irgendwie fühlte sie sich auf einmal geborgen.
„Willst du duschen oder baden?“
„Baden.“
„Okay, ich lass dir das Wasser ein. Aber bitte sei so gut und setz dich jetzt nirgendwohin! Nicht böse gemeint!“
Sie versank vor Scham im Boden. Bei ihrem Zustand war das ja keine Schwierigkeit.
Das Schaumbad tat ihr vorübergehend gut und er hatte ihr eine Unterhose, T-Shirt und eine Jogginghose hingelgt. Sie verschwand zwar fast in der Kleidung, aber sie war frisch und sogar gebügelt!
Als sie in die Küche zurück kehrte, hatte er Tee zubereitet und der Tisch war mit schönem Geschirr gedeckt. Sogar Kekse gab es dazu, welche sie allerdings nicht essen konnte. Sie konnte generell kaum etwas essen.
„Wie heißt du eigentlich?“
Mila blickte ihn über den Tassenrand an, während sie schlückchenweise den Tee trank.
„Robert.“ Er rührte in seinem Tee.
„Hast du die Wäsche selbst gebügelt?“
„Ja. Ich bin ein stinknormaler Mann, der täglich arbeiten geht, Fussball sieht, kocht, und sogar seine Wäsche macht.“ Es war das erste Mal, dass er lächelte. Er rührte immer noch in seinem Tee. Anscheinend löste sich der Kandiszucker schlecht auf.
'Zwei Charaktere, die aufeinander prallen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten' dachte Mila, und wußte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dies der Anfang einer lebenslangen Freundschaft war.


Copyright Devi 15.11.2016
*********ynter Frau
9.559 Beiträge
Entrechtet
Die Schockstarre wich nur langsam von ihr. Sie hatte sich so gefreut - endlich seit Tagen eine Nachricht von ihm auf ihrem Handydisplay. Böse Vorahnungen seine Gesundheit betreffend, quälten sie schon länger und immer wieder in den letzten drei Jahren hatte sie ihm bei ihren Treffen gesagt, er solle endlich einen Arzt aufsuchen. Sie kam sich dabei schon so nervtötend wie eine überfürsorgliche Mutter und nicht wie seine sehr spezielle Geliebte vor. Es war ja kein Geheimnis, dass sie über das Spiel hinaus mehr als üblich für ihn empfand. Stets antwortete er darauf mit einem „Jaja, mach ich schon noch“ und „ Mach dir nicht so viele Sorgen um mich, ich pass schon auf mich auf!“. Auf diese Sprüche folgten sein typisch kandiszuckerartiges Lächeln und ein forderndes Verschließen ihres Mundes durch seine Lippen, welches ein Ende der Diskussion für diesen Abend bedeutet.
Sie sorgte sich trotzdem um ihn, denn wie fast alle alleinlebenden Männer lebte er eher ungesund. Mörderischer beruflichen Stress, unregelmäßige und ungesunde Mahlzeiten sowie Ketterauchen seit Jahrzehnten würden ihren Tribut früher oder später fordern. Die wenigen Stunden Erholung bei Spiel und Lust, bei denen er sich vollständig fallen ließ, schnitt er sich im wahrsten Sinne des Wortes aus den Rippen.

Mit zittrigen Fingern öffnete sie das WApp unter seinem Namen und die Kurznachricht dort verschlug ihr gleichzeitig Sprache und Atem, ihr Herz begann zu rasen und aufkommende Übelkeit ließ sie würgen. Sie musste sich setzen. Statt einem so ersehnten Lebenszeichen von ihm, stand dort eine harsche Mitteilung seiner von ihm eigentlich getrennt lebenden Ehefrau. Ihre giftigen und hämischen Worte machten ihr klar, dass diese bislang nichts von seinem Paralleluniversum gewusst hatte. Keine Ahnung von nichts, wie es unter der scheinbar harmlosen Wasseroberfläche ihres Ehemanns aussah.
Auf welche Art von Lustbefriedigung er stand und, in welchem Umfang er sie auslebte. Da prallten diametral entgegenstehende moralische Welten aufeinander. Nach ihrem engstirnigen Horizont reduzierte sie das Ganze voller Ekel auf triebgesteuerte und rudelbumsende Säugetiere ohne jeglichen Ehrencodex oder gar Gefühle.

Für die nur noch auf dem Papier stehende Ehefrau musste das Entdecken dieser ach so unmoralischen Beziehung und allem, was damit zusammenhing ein ziemlicher Schock gewesen sein. Zusätzlich zu dem, was nun – wie befürchtet - mit ihm geschehen war. Ihm, dem Menschen aus dem prallen Leben, der nun hilflos für sehr lange Zeit daniederliegen würde. Und dieser fremdgewordenen Gattin, die dennoch alle Rechte des Gesetzes genoss, in seinem Zustand völlig ausgeliefert war.
Doch statt sich zu fragen, warum er dies im Geheimen – ohne sie - gelebt hatte und diese unaussprechlichen Dinge mit richtig viel Vergnügen trieb - zumindest laut den zahlreichen Videobeweise in seinem Fotospeicher - keinerlei Verständnis für nichts, wofür er so alles offen gewesen war. Stattdessen ein erhobener Zeigefinger und nur Hass, Wut und gelber Neid auf die neue Staatsfeindin Nummer Eins vor ihren Augen, mit der sich ihr Göttergatte so leidenschaftlich amüsiert hatte während sie selbst schon lange nicht mehr in den Genuss seiner sexuellen Zuwendungen kam.

Es wurde deutlich, dass diese Ehefrau alle für ihn bestimmten Nachrichten der letzten Zeit und davor auf jedwedem Medium gelesen hatte. Sie reagierte typisch, löschte viele und sprach ein absolutes Kontaktverbot aus. Fügte zu ungeheuerlicher Letzt als klare Drohung an die vermeintliche Nebenbuhlerin ein eindeutig brisantes Foto, sowie einen Link in deren bürgerliches Leben bei. Was damit bezweckt war, verstand die so gescholtene sofort: Ich kenne nicht nur deinen Namen, auch deine Adresse und dein Leben. Solltest du dich irgendwie mucksen, dann mach ich das öffentlich und du bist erledigt!

In der Liebenden krampfte sich alles zusammen. Einer ihrer schlimmsten Albträume war nun wahr geworden. Dem Mann, der ihr so viel bedeutete, ging es furchtbar schlecht, doch wie schlimm es um ihn stand, wusste sie nicht wirklich und würde es auch nicht. Er war unerreichbar für sie, denn die rigorose Gattin würde den Teufel tun und ihr etwas zukommen lassen, außerdem überwachte sie alle seine Kontaktmedien, sein Handy, seine Emails und selbst das Gesichtsbuch. Sie schottete ihn völlig ab und ob sie Genesungswünsche und Aufmunterungen von den ihr unerwünschten Personen ausrichetet, wusste nur sie allein. Genauso gut könnte er auf einem anderen Planeten leben.

Was sollte sie als 'Nur-Geliebte' tun? Seinen geheim gehaltenen Aufenthaltsort in detektivischer Marnier herausfinden und einfach hinfahren? Oder ihm irgendwie mitteilen, was seine gehässige Gattin hinter seinem Rücken trieb, in dem sie seine Persönlichkeitsrechte genüsslich mit Füßen trat, weil sie nun endlich die totale Macht über ihn hatte ? Alles in ihr schrie laut: Ja unbedingt!
Doch die jetzt-wieder-Gattin fühlte sich offensichtlich sehr sicher und befürchtet scheinbar keine Konsequenzen ihres Handelns. Insofern stand es zweifelsohne schlecht um ihn, denn sich dem Ganzen bewusst, würde er sie ohne Rückfahrschein in die Wüste schicken.
Die Ungewissheit trieb sie zur Verzweiflung. Trost und Unterstützung fand sie bei seinen anderen Frauen, denen es ja genauso ging wie ihr. Jede noch so kleine Information wurde unter ihnen geteilt. Was würde ihm dieser Zusammenschluss seiner Geliebten gefallen, wüsste er es, sinnierten sie einhellig und überlegten, was möglich wäre.

Ein Auskunftsrecht für sie gab es nicht, denn sie war ja nur eine Geliebte. Rechtlos, eine Paria vor (Doppel)Moral und Gesetz. Selbst schuld, warum ließ sie sich auch ohne ein rechtsverbindliches Stück Papier mit einem Mann ein? Was nützte es, dass sie ihn liebte und sich schrecklich um ihn sorgte? Um ihn kämpfen? Sich mit dieser Hexe, seiner ganzen Familie und der Firma anlegen? Was würde das in seinem – wie auch immer gearteten - Zustand bewirken? Die Konsequenzen waren unabsehbar. Nie hatte sie in ihren Spielen mit ihm etwas getan, was ihn ernsthaft hätte gefährden können. Das würde sie auch weiterhin nicht tun. Es war ihr egal, ob diese giftspritzende Tussi ihr Foto öffentlich posten würde. Ihre Familie käme schon klar damit. Scheiß drauf! Es ging ihr allein um ihn.

Sie würde ihm einen (vorläufig) letzten Liebesdienst erweisen und ihm sein Leben nicht noch schwerer machen als es eh schon war. Wer wusste schon, in welcher persönlichen Hölle er gefangen war. Genesen sollte er, sofern das überhaupt möglich wäre. Verdammte Ungewissheit! Sich selbst zurücknehmen, auf ihn verzichten, ihm nur gedanklich Kraft und Zuwendung schicken auch wenn alles in ihr gequält dagegen anschrie. Wie auf dem Bild von Edvard Munch. Vielleicht und so hoffte nicht nur sie, würde er irgendwann wieder in der Lage sein, sich zu melden und sie aus ihrer Hölle erlösen.
und die Moral von der Geschicht:
heirat eine Giftspritze nicht!

Erstaunliche Geschichte!

*blume*
*******tia Mann
5.067 Beiträge
Stereotypisches Thekenmännergespräch (Part 28)
Halloween - noch Fragen?

Ich brauch keine Gründe mehr. Ich geh gern trinken und muss das vor niemandem rechtfertigen. Also genieße ich es und lasse es einfach laufen. Heute erst recht, denn der Abend bei Helga startet verheißungsvoll. Die Besetzung an der Theke ist hervorragend: Links neben mir – an seinem Stammplatz – der stumme Olli. Rechts neben mir Herbert, wohl gelaunt nach einem lukrativen Cathering-Einsatz. Klaus hat sich laut Helga auch angekündigt. Würden sich zu später Stunde noch Aaron und sein Sylvia dazu gesellen, wäre für mein Empfinden der Abend perfekt.

Helga trug Ohrringe in Form von Spinnen und auf der Tageskarte stand eine würzige Kürbissuppe. Mehr brauchte es nicht und man wollte es auf dem Land auch nicht übertreiben mit den angloamerikanischen Bräuchen im digitalen Zeitalter. Meinetwegen könnte sie auch Fledermäuse über meinem Weizenbier schweben lassen, Hauptsache es wurde frisch gezapft.
Der stumme Olli war heute gar nicht wortkarg gestimmt und fragte mich direkt nach meinem Wohlbefinden: „Ei?“
Ich hatte vergessen, wieso ich ihn schon so lange nicht mehr gesehen hatte, war da nicht was mit Reise und Urlaub und so?
Um ihm zu antworten, kratzte ich betont gelangweilt den Flugsand mit Hilfe meines Bierdeckels unter mein Fingernägeln hervor:
„Hallo Olli? Alles im Lack?“
„Bei mir ja, und bei dir?“
„Keine Problem. Aber neulich habe ich hier einen Typen gesprochen, der hatte echte Probleme. Scheidung, Kinder, Liebe und so... stimmt's, Helga?“ nickte ich der Wirtin, nach Bestätigung heischend, zu.
„Also ein weiteres Opfer der Hütten-Gesellschaft?“, grinste Olli beinahe schadenfroh, während er zu einem Schluck aus seinem Bierglas ansetzte.
„Hütten-Gesellschaft? Was soll das sein? Musst du mir erklären, mein lieber Olli!“
Wie um einen Arbeitsvertrag zu bestätigen, bestellte ich drei Schnäpse mit einem einfach Handzeichen bei Helga – drei Finger in die Höhe und eine kreisende Bewegung der Hand, die Olli und Herbert als Empfänger des hochprozentigen Gesöffs markierten.

„Hütten-Gesellschaft. Erklär' ich dir, Peter. Aber erst trinken wir den Schnaps!“
Anstoßen, Kopf in den Nacken, weg die Scheiße.
„Dann schieß´ mal los, Olli!“
„Eigentlich einfach. Über die Jahre, von der Lehre bis zum Meister über Gesellenjahre wird dir suggeriert: Junge, du brauchst ein eigenes Haus. Natürlich brauchst du das nicht für dich alleine, das macht nur Sinn mit einer Familie. Also Frau, Kinder, Schwiegereltern, das ganze Programm...“
„Aha“, starrte ich in das Gesicht vom stummen Olli, überrascht ob seines Sprechdurchfalls.
„Komm hör auf!“, mischte sich Herbert ein, „mit den Themen sind wir doch alle durch. Egal, wie es bei jedem von uns ausgegangen ist!“
„Stimmt!“ brummelte ich, „bei mir ist nicht viel übrig geblieben und den Buntstift hab ich leider auch nicht erfunden.“
„Wie kommst du jetzt auf Buntstift?“, wollte Olli wissen.
„Ich hab gerade in einer Fachzeitschrift darüber gelesen“, antwortete ich:
„Da hat eine Buntstiftfirma einen Marketing-Preis bekommen, weil sie keine klassische Werbung machten, aber dafür geschickt Bedarf an Buntstiften erschufen. Malbücher für Erwachsene und so´n Kram...“
Herbert kicherte: „Malbücher für Erwachsene? Hört sich versaut an!“
Olli konterte: „Komm weg von deinem Schweinskram, Metzger. Ich kenne das. Mandalas ausmalen und so...“
Zögerlich platzierte ich meinen Einwand:
„Nun ja, es gibt schon Malbücher für Erwachsene. So Themen wie die '20 schönsten Erektionen zum Ausmalen' oder so ...“
Allgemeines Gelächter beherrschte die Theke nach einer kurzen Schrecksekunde.
„Echt Peter? Sowas gibt’s? Das kannst du doch auch. Mach doch Schmuddelmalbücher mit den dazu passenden Farbstift-Editionen. Vielleicht solltest du mit Buntstiftherstellern zusammen arbeiten“, überlegte Herbert – ganz der Geschäftsmann – laut am Tresen.
„Fifty shades of gray – das wird aber ein dicker Malkasten!“ Die Idee hatte ihren Reiz, fand ich. Oder ein nüchterner Teil meines Stammhirns.
„Geht doch auch einfacher, wie wäre es mit den Farben eines Hämatoms?“, warf Herbert, ganz der Metzger, in die Runde ein, „für die ganzen Hauch-mich-Typen. Tag eins - rot, Tag zwei – blau, und so weiter. Alle Farben von rot bis gelb.“
„Oder ein Standard-Set für Anfänger“, grinste Olli in die Runde, „von Schamesröte bis Nillen-Blau.“

Ich lachte laut raus und Helga warf mir einen fragenden Blick zu. So ein Theken-Brainstorming hat schon echte Qualitäten. Ich musste mir das unbedingt alles merken.
„Dazu kommen die ganzen Kaviar-Freaks. Denk nur wie viele Brauntöne das generiert!“ grölte Herbert.
Mir blieb das Bier im Hals stecken. Meine Güte, man sollte das wirklich vermarkten. Werbeagenturen brauchen Monate für so ein Konzept, hier entstand es zwischen zwei Hefeweizen und ein paar Pils, gepaart mit dem einem oder anderen Schnaps.
„Vergiss nicht die 256 Farben des Chamäleons“, ertönte eine vertraute Stimme von hinten, während mir eine Hand auf den Rücken schlug und anschließend den Hals freundschaftlich massierte. Ich drehte mich um:
„Klaus, altes Sackgesicht. Schön dich hier zu treffen!“
„Was soll ich davon halten?“ begann Klaus sich zu monieren: „ihr amüsiert euch hier ohne mich?“
Olli mischte sich ein: „Du weißt doch, Klaus. Wer zu spät kommt...“
„...den bestraft der Liebesdienst, ich weiß!“
„Ich würde mich lieber von einem Liebesdienst bestrafen lassen, als von meiner Frau – ganz ehrlich, Jungs!“ warf Herbert ein.
Helga verdrehte die Augen und stöhnte auf:
„Wenn ihr immer meint, mit der Falschen verheiratet zu sein, warum seid ihr dann noch hier? Sucht das Gelbe vom Ei hat woanders, verdammt nochmal!“

Ich war erstaunt. Helga schien zu schwächeln. Sie war für mich immer die starke Wirtin, die stets über der Wasseroberfläche einer besoffenen Gesellschaft schwamm. Aber wenn geheime Wünsche auf die gnadenlose Realität aufprallen und es auf die kuschelige Zeit von Weihnachten zu geht, kann so manches verhärtete, einsame Herz in Schockstarre verfallen.

„Helga“, eröffnete ich, „früher oder später geh ich aus dem Scheißkaff weg nach Hamburg. Dann kann ich kreative Köpfe gebrauchen. Euch alle. Was für geile Ideen. Wir mieten einen Loft, stellen eine Bar rein und spinnen Ideen aus, so wie heute. Hört sich wie Blödsinn an, aber mit dem richtigen Marketing könnten das richtige Erfolgsideen sein. Der Kandiszucker auf dem aufgeschlagenen Abschaum der Milchbubis der Werbeagenturen!“

„Ich denke drüber nach, Peter. Wie soll der Laden heißen?“
„Keine Ahnung. Was erdiges. Die Städte sind ja voll von abgehobenen Namen. `Helgas´ wäre doch was...“
Klaus schüttelte den Kopf:
„Es gibt sicher tausende Kneipen in den Metropolen, die sich so nennen und das cool finden. Aber als Werbeagentur möchte ich nicht wie eine Null-Acht-Fuffzehn-Kneipe heißen.“
Helga schnaufte: „Klaus! Siehst du hier irgendwo Null-Acht-Fuffzehn?“
„Natürlich nicht, Helga. Hier nicht. Helga bleibt Helga!“

„Säugetier!“, warf Helmut ein.
„Hä?“ drehten sich alle zu ihm um.
„Na ja, ich töte täglich Säugetiere, wir sind Säugetiere, ist das nicht eine enorme Zielgruppe?“
Reizvolle Idee. Metzger sind viel geistreicher, als man sich das gemeinhin so vorstellt. Vielleicht stumpfte das Töten gar nicht ab, sondern machte wachsamer?

Gerade wollte ich zur konstruktiven Umsetzung der Ideen übergehen, als vom äußeren Thekenrand Ollis Stimme erklang:
„Trump? Du wilst das wirklich wissen?“
„Yes, my dear?“
Wo kam diese amerikanische Blondine her? Musste irgend ein Gast von Helga sein. Sie war in ein Gespräch mit dem stummen Olli verwickelt. Warum konnte er nicht die Klappe halten und seinem Kosenamen gerecht werden.

Hamburg, ich komme – dachte ich mir so, während ich trübe in mein Bierglas stierte. Dies hier ist meine Welt, aber ich will sie nicht mehr. Sie bringt mich nicht weiter. Nur: Heute werde ich nicht mehr umziehen. Die nächsten drei Tage auch nicht. Darauf einen Dujardin.
*******tia Mann
5.067 Beiträge
Tja, mein Protagonist Peter lebt noch auf seinem Dorf
und das hier waren jetzt die letzten 16 Wörter...
glaube ich... sofern ich nicht den Überblick verloren habe.
*prost*
*******tia Mann
5.067 Beiträge
Nina_de_Wynter
Woher weiß ich, oder sie, ob die Ehefrau wirklich eine Giftspritze ist?
In erster Linie ist so doch erst mal abgrundtief verletzt.
Weil er nicht ehrlich war. Weil er ein zweites (und ein drittes) Leben geführt hat, zu dem sie nicht gehörte.
Hätte sie nicht vielleicht auch Lust darauf gehabt, wäre er ehrlich gewesen?

Schuld ist ein makaberer Geselle, der uns alle in schwärzesten Tiefen versinken lässt.
Sie hatte wahrscheinlich nur die Krankheit, die anderen hatten die Lust.
Wenn soll da jetzt irgend jemand verurteilen?
Das Empfinden der Protagonistin kann ich nachvollziehen, den Hass der "Hexe" aber auch.
Darüber zu stehen - da haben wir alle noch viel an uns zu arbeiten!
****59 Frau
3.090 Beiträge
Also meine 8 Worte konnte ich alle finden. *top* Dennoch eine Anmerkung:
Catering wird ohne H geschrieben und fifty shades of grey wird mt E geschrieben. *klugscheisser*
Vielen Dank für deine Geschichte, die 16 Worte untergebracht hat. Sicher nicht einfach.

Devi
*******tia Mann
5.067 Beiträge
Ich gelobe Besserung - irgendwas überseh ich immer, trotz zwei- und dreimal lesen
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ich
mache mit *lol*

Tom
*******tia Mann
5.067 Beiträge
Devi
... und ROBERT - das ist ja schon fast ein Weihnachtsmärchen!
*g*
24 Wörter ...
ADAMS KOSTÜMVERLEIH

Steht in großen Buchstaben auf dem Schild über dem Laden.
Vor dem Schaufenster stehen zwei junge Mädchen: Moni und Helga.

# Ich trau mich nicht rein
# warum denn nicht?
# ich habe nicht so viel Geld dafür, schau mal die Preise
# ach Quatsch, dann bekommst du es von mir geliehen
# Moni das geht nicht, ich kann es dir doch nicht zurück geben
# Liebchen, pass mal auf, wenn du den Mut hast, hinein gehst und sagst, dass Du ein Göttinenkostüm für deine Abifeier brauchst, dann sind wir quitt. Es braucht doch niemand wissen, dass Du es für Deinen Auftritt bei "Bauer sucht Frau" brauchst.
# aber das Kleid wird dabei doch schmutzig
# na und, Du bekommst doch Geld für Deinen Auftritt, dann lassen wir es einfach reinigen und gut ist.
# na Du hast gut reden.
# ich versuche Dir nur Mut zu machen. Das wird bestimmt ein lustiger Streich.
# okay, dann komm aber mit rein.
# ja klar, komm …

Die beiden jungen Mädchen drehen sich um, öffnen die Ladentür und gehen hinein.
Star vor Schreck bleiben sie stehen, alles ist voller Nebel, nichts ist zu sehen oder zu erkennen. Da hören sie die schwäbelnde Stimme eines Mannes, der krampfhaft versucht hochdeutsch zu sprechen

# moine Damen, womit kann ich ihnen dienen?
# wir … wir … ich wollte ein Kostüm leihen
# ja moi, und woran hatten Sie gedacht?
# eines mit Maske
# mit Maske? Hmmm, ein Clownkostüm?
# nein, meine Freundin möchte als Venus gehen
# als Venus? Hmm, sär schwierig, da brauchen Sie doch eigentlich überhaupt nichts anzuziehen.
# aber ich kann doch nicht so ohne was zu dem Set gehen
# Set gehen? Verstoi ich Sie richtig? Sie wollten das Kostüm foa einen Dreh?
# ja, das heißt nein, ich möchte es …
# sie will damit auf einen Abiball
# wer von Ihnen Frauenzimmern will denn nun das Kostüm leihen?
# na ich, und meine Freundin gibt mir das Geld dafür.
Helga flüstert
# Moni du doofe Nuss, verplapperst dich auch noch, ich könnte dich glatt zerfleischen …

Helga dreht sich um, um zu verschwinden. Aber der Eingang ist nicht zusehen, ist verschwunden.
# Hallo, kann ich bitte mal ihre Keramikabteilung benutzen?
# Aber selbstverständlich. Gleich hinter dem Phantom finden sie es …

Tatsächlich sieht sie plötzlich zwei Phantome auftauchen. Sie schweben gerade auf sie zu. Eines sieht aus wie ein Chamäleon mit blinkenden Augen, das andere Phantom ist ein großer grinsender Kürbis, der eine Schütte in der einen Hand hält und mit der anderen Hand, wie im Flug, Sand in Richtung Helga wirft.

Helga schreit:
# Moni, er …
Ende … es kommt kein Ton mehr über ihre Lippen.

# Wois is mit iera Freundin, tut sie schwächeln?
# Nee, eigentlich nie, aber wenn Sie es hier mit ihren Kostümen so wild treiben, um nicht zu sagen, übertreiben, dann macht es mich mehr als wütend. Helfen Sie lieber, statt hier dumm rum zu stehen! Kostüme die durch die Gegend fliegen, wo gibt es denn so etwas! Haben Sie noch mehr solche Scherze auf Lager? Nein Danke!

Ihre, in eine Stockstarre gefallene Freundin Helga, wurde zusehends gelber im Gesicht. Moni schrie den Verkäufer an:
# Tun sie uns wenigstens den Liebesdienst und holen Zucker und etwas Wasser. Oberflächelich betrachtet wird sie hoffentlich schnell wieder zu sich kommen.

Der Verkäufer rannte davon um den Zucker zu holen, kam zurück mit den Worten:
# Hoffentlich geht auch Kandiszucker, anderen habe ich nicht gefunden. Und die Kostüme fliegen nicht durch die Luft, sondern sie hängen alle an einer Leine, und durch den Nebel sieht es nur so aus als ob sie fliegen. Möchten Sie auch die anderen Kostüme sehen? Ich habe da ein paar Säugetiere, die wirken wirklich wie echt.
# Nee mein Lieber, mir reicht es, und wie sie sehen, kommt meine Freundin langsam wieder in die Gegenwart zurück, Sie, Sie Säugetier!

Er merkte, wie ihre Worte ihn verletzen und bei ihm aufprallen sollten, es aber nicht taten. So beeilte er sich, rannte nach hinten und kam mit dem Kostüm der Venus zurück.
# Hier bitte, das Kostüm, und nein, kein Geld, ich schenke es ihnen.
****59 Frau
3.090 Beiträge
*lach*
Danke Ev für die amüsante Geschichte , und meine Wörter sind auch noch dabei *top*
Den ersten Teil
hatte ich schon lange geschrieben,
aber mir fehlte irgend etwas ... *nixweiss*
*gruebel*
*nachdenk*
*ungeduldig*
und heute lief es von ganz alleine,
*kopfklatsch*
nachdem ich die restlichen 16 Wörter in mich reingezogen hatte *haumichwech*

Ev
Wie das?
In die Laufmaschen? Durch die Nase? *nase*
Na, logisch .... oder

*aetsch*
******s23 Frau
12.703 Beiträge
Kicher... fliegende Kostüme .. klasse *lach*
*top*
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Blümchensex
Acht vorgegebene Begriffe: Liebesdienst, aufprallen, Schockstarre, Kandiszucker, gelb, Säugetier, Wasseroberfläche und offen, schlugen geschlossen zu und Wurzeln in meinem Kopf, trieben es bunt und wie die Blüten.
*spanner* *blume*


Blümchensex

Diese Frau macht mich wahnsinnig. Wie sie da sitzt an ihrem Schreibtisch, so konzentriert. Den Kopf leicht in meine Richtung dreht, wenn ich eine Bemerkung mache. Sie schaut dann kurz über den Rand ihrer Nerdbrille, die zu dunkel ist zu ihrem hellen Haar, besonders wenn die Abendsonne durch die Flügelfenster fällt und ihrem Kopf Goldsträhnchen verpasst, so wie jetzt. Sie antwortet dann mal mehr, mal weniger deutlich. Je nachdem, wie sehr ich sie aus ihrer Arbeit oder ihren Gedanken aufgescheucht habe. Sie streicht mit ihrer Hand mit den kurzen Fingernägeln, die meist ein wenig schmutzrandig sind, eine lose Haarsträhne zurück.

Ich wuchte mich vom Sofa und spreize meine Beinschiene so weit wie möglich ab. Versuche hüpfend den Tisch zu erreichen. Ich fluche: „Verdammt, ich fühle mich wie ein gestrandeter Walfisch!”

Jetzt ist es wieder soweit. Sie neigt den Kopf, nimmt sogar die Brille ab und gibt dem alten Nussbaumdrehstuhl Schwung für einen Drittelkreis. Sie schaut mich an. Ganz ohne Mitleid. Ich bin irritiert. Sie sieht mir zu und hat diese Sachlichkeit in den Augen. Jetzt folgt die Haarsträhne. Es ist immer der Mittelfinger mit dem sie diese eine lose Strähne hinters Ohr bugsiert. Sie sagt: „Wusstest du, das es Carl von Linné war, der erkannt hat, dass die Walfische zur Gruppe der Säugetiere gehören? Das war 1758.”

Ich bin so verdutzt, dass ich ins Wanken gerate und mich in den nächstbesten Sessel plumpsen lasse. Dabei kenne ich sie und müsste mich nach 26 Jahren auch daran gewöhnt haben, dass sie mich regelmäßig mit der Welt ihrer bunten Gedanken überrascht und ich nie sicher sein kann, was in ihrem Kopf gerade so vor sich geht. Oft verblüfft sie mich so sehr, dass ich bei ihrer Antwort schon meine Frage vergessen habe.

Sie steht auf und tritt vors Bücherregal, das wie der Nussbaumstuhl aus einem Hamburger Kontor stammt, steigt auf der Leiter bis Stufe drei und zieht zwei Schriften heraus. Sie setzt sich zu mir auf die Armlehne des breiten Sessels und ich rieche diese Mischung aus Maiglöckchen, Orangenblüten und ihrer warmen Haut. Sie hält mir das kleinere der bräunlichen, antiquarischen Fundstücke unter die Nase und verkündet mit einem Lächeln und einer solchen Dreistigkeit im Blick, dass ich unweigerlich aufhorche: „Präludia sponsaliorum plantarum, die Hochzeiten der Pflanzen.”

Ich sehe das Leuchten in ihren Augen, ignoriere den schimmelpilzigen Modergeruch, der von diesem gelblich verschossenen Papier auf meinem Schoß ausgeht und rücke mit beiden Händen die elende Schiene mitsamt meinem lädierten Knie in eine etwas bequemere Position.

„Um 1700”, sagt sie, „waren bereits 18 000 verschiedene Pflanzen bekannt, aber es herrschte Chaos. Der Überblick und die Unterscheidung waren schwierig. Wer sollte mit diesen Massen etwas anfangen? Wer sollte sie ordnen?

Es gab jemanden, der prädestiniert dafür war und der von Kindesbeinen an seine Nase mit akribischem Interesse in die Botanik steckte: Carl von Linné, wie der Schwede Carl Linnæus nach seiner Erhebung in den Adelstand später heißen sollte. Er war gerade Mitte zwanzig, als er die zündende Idee hatte und seine Methode war zudem verlockend einfach: Er ordnete alle Pflanzen nach der Anzahl und Anordnung ihrer Bestäubungsorgane in 24 Klassen. Und seine Begründung war schlüssig: Er stellte fest, dass die Sexualität der Pflanzen ein zentrales Wesensmerkmal ist. Demzufolge könne die Art ihrer geschlechtlichen Fortpflanzung auch die Grundlage für ein Klassifikationssystem sein. Ein genialer Coup, der bis heute Bestand hat.”

Sie grinst, wackelt schelmisch mit den Augenbrauen und blättert mir was vor. Auf einer Seite in der Mitte hält sie inne und sucht mit dem Finger eine bestimmte Stelle unter einem Kupferstich irgendeiner Pflanze.

„Zwanzig Männer und mehr im selben Bett mit einer Frau ...”

Sie lässt den Satz in der Luft hängen und sieht mich herausfordernd an. „So beschreibt Linné das Besondere der Klasse XIII, Polyandria, die Klasse der Vielmännigen, ganz unschuldig und plastisch. Er meint damit natürlich die zwanzig und mehr Bestäubungsorgane, die Staubgefäße, die um eine Blüte stehen.”

„Gangbang unter Palmen”, denke ich und es entschlüpft mir auch.

Ich sehe sie schräg von der Seite an, erwarte einen Tadel, weil ich sie mal wieder nicht ernst genug nähme. Sie aber küsst mich nur auf den heute sicherlich viel zu fettigen Haaransatz und lacht: „Genau! Aber warte, es kommt noch besser. Die Blümchen haben es nämlich faustdick hinter den Blütenohren.”

Auf meiner Augenhöhe ist ihre hellblaue Bluse ein wenig verrutscht. Mein Blick rutscht hinterher, fällt in ihr Dekolleté und ich beuge mich – unmerklich wie ich finde – vor, gleite mit den Augen über die süßen Rundungen und will gerade hineintauchen, als sie nach mir schlägt und sagt:

„Er unterscheidet außer der Polyandria, wenn über zwanzig, also viele Männer beteiligt sind, auch die Triandria, die Dreimännigen, wie zum Beispiel bei der Pistazie oder der Feige. Die Fünfmännigen, Pentandria, also wenn fünf Männer um eine Blüte ... Die gibt es auch, der Cannabis gehört dazu. Decandria, wenn es zehn Kerle sind wie bei der Cassia, der Johannisbeere, und so weiter bis zu zwanzig Männern bei den Arten, die zu den Dodecandria gehören, den Zwanzigmännigen der Klasse XI. Zu denen zählt der Populus oder auf gut deutsch, die Pappel.”

Mir steht die Kinnlade halb offen, in meinem Kopfkino startet das Abendprogramm. Die Bilder beginnen sich selbstständig zu machen. Ich sehe uns einen Joint durchziehen und am Strand in Goa vögeln. Da war ich auch noch voll im Saft, fühlte mich selber zwanzigmännig und wer zitterte wie ein Pappelblatt, das war sie. Endlos lang der Strand und voller Krabben. Schön war das. Wie verrückt wir aufeinander waren! Pfiffen einfach drauf, ob’s irgendjemand störte, ließen uns und fremde Welten aufeinanderprallen. Triandria soso. Der flotte Dreier ... Ich denke an Joachim, kratze mich am Kinn und lege meinen Arm um ihre Hüfte.

Muss ihn mal wieder anrufen, ist Jahre her inzwischen. Dabei kennen wir uns so lange. Warum verliert man sich bloß so leicht aus den Augen? Ich schiebe vier Finger in ihre Hosentasche und spüre ihren Hintern durch die eine, dünnere Schicht. Mir ist warm und ich frage mich beim kleinen Krabbeln ob sie überhaupt ein Höschen trägt. Sie sieht mich an und ihre Augen haben diesen Glanz, als sie leise sagt und dabei jedes Wort betont: „ Gymnospermia. Die Nacktsamigen. Ginkgo oder Pinie.”

Sie zuckt ein bisschen unter meinen Fingern und zappelt auf der Armlehne des Sessels herum, stößt an mein Bein.

„Pass doch auf, autsch!”

„Oh entschuldige, ich wollte dir nicht auf die Flosse treten, mein geliebter Walfisch”, flötet sie, küsst mich diesmal auf den Mund und stellt mich mitsamt meinem Grummeln ruhig.

„Dabei war Linné für seine Zeit eigentlich ganz normal gottesfürchtig. Allerdings war er auch ein Wissenschaftler mit einem nahezu unbändigen Entdeckerdrang, dessen Spannbreite von Medizin, Botanik, Zoologie bis zur Diäthetik reichte und er wollte schlicht, dass jeder sein System verstand. Er eröffnete in Stockholm eine Arztpraxis, wurde später der Leibarzt des Königs, gründete 1739 die schwedische Akademie der Wissenschaften ... Ja, genau die, die den Nobelpreis vergibt ... und war deren erster Präsident. Er wurde Professor für Anatomie und Medizin in Uppsala und etwas später auch für Botanik. Da war er 34. Er heiratete, bekam 5 Kinder und unternahm zahlreiche Forschungsreisen. Seine Zeitgenossen kolportierten sein unermüdliches Wirbeln und seine Wirkung mit dem Spruch:

Gott hat die Welt geschaffen, Linné hat sie geordnet.

Das ist übrigens auch die Inschrift auf seiner Grabplatte im Dom zu Uppsala. Erinnerst du dich? Wir standen davor, das ist allerdings ein paar Jährchen her. Weißt du noch? Das war, als wir in diesem Kellerloch von Hotel im Bett eingebrochen sind.”

Sie zappelt wieder, kriegt gerade noch die Kurve und sieht mich an: „Zu gut, oder? Soll ich uns einen Tee machen?”

Ich vollführe eine Geste gemäßigter Zustimmung, aber sie ist ohnehin schon halb durch die Tür. Als sie zurückkommt, duftet es. Diesmal nach Tee und sie hält mir ein Holzstäbchen mit wie Bernstein glitzernden Zuckerkristallen hin. „Mineralien hat er auch untersucht, der Linné, und sortiert. Aber da war er nicht so erfolgreich, ihm fehlten die chemischen Kenntnisse.”

Ich blinzle, die Abendsonne ist so tief nun, dass sie mich blendet. Ich beuge mich vor, stecke meinen Kandiszuckerstengel in die Tasse und drehe mit ihm ein paar Runden. Gegen den Uhrzeigersinn, das mache ich immer. Ich bin auch beim Schrauben der typische „Aufschrauber”. Drehe viel lieber nach links und nur wenn ich muss, nach rechts.

„Hör zu, das ist wirklich spannend”, sagt sie.

Ich bin so mittel begeistert, meine Gedanken sind etwas ins Abseits geraten.

Sie legt das kleinere Bändchen vorsichtig aufs Sofa, stupst mich in die Seite und schlägt vor mir das größere, ziemlich abgegriffene auf. Ich komme dadurch der Bluse wieder ganz schön nah, neige den Kopf. Lasse, schlau wie ich bin, der Sonne den Vortritt in ihren Ausschnitt und folge dann mit den Augen der goldenen Spur.

„Kurz nachdem Linné in Holland promoviert und sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, veröffentlichte er seinen Geniestreich. Das „Systema naturæ”, das System der Natur. Da war er 28 und hatte nicht weniger vor als die drei Naturreiche: Mineralien, Pflanzen und Tiere, komplett zu erfassen. Er begann mit den Pflanzen und sein Ansatz, ihre Sexualität sei der Schlüssel, war mutig, wie gesagt, ja geradezu originell. Tatsächlich erwies sich seine Arbeit als so bahnbrechend, dass sie ihn von heute auf morgen berühmt, aber auch zum Ziel für massive Anfeindungen machte.

Als er sie 1735 in Holland mit 150 Exemplaren drucken ließ, schlug diese Schrift – die in der ersten Auflage aus nur wenigen Blättern bestand – ein wie eine Bombe und löste einen Sturm der Entrüstung aus. Was seine Zeitgenossen besonders echauffierte, war der Umstand, dass er das Sexualverhalten der Pflanzen analog zu dem von Mensch und Tier erklärte. Nicht wenige empfanden diese Provokation als so maßlos, dass sie Jahrzehnte brauchten, um sich von ihrer moralischen Schockstarre zu erholen. So empörte sich der deutsch-russische Botaniker Siegesbeck in einer ersten Kritik noch im selben Jahr über eine solch verabscheuungswürdige Unzucht im Reich der Pflanzen und fragte sich, wie man ein derart unkeusches System der akademischen Jugend zum Studium anbieten könnte. Wenig verwunderlich, dass Papst Clemens VII. das „System der Natur” auf den Index setzte und verbot.

Noch hundert Jahre später regte sich selbst Goethe darüber auf und sagte es so in seinem schönen Schwurbeldeutsch: Wenn unschuldige Seelen ... botanische Lehrbücher in die Hand nehmen, können sie nicht verbergen, dass ihr sittliches Gefühl beleidigt sei; die ewigen Hochzeiten, die man nicht los wird, wobei die Monogamie, auf welche Sitte, Gesetz und Religion gegründet sind, ganz in vage Lüsternheit sich auflöst.”

Drei Stunden später, wir haben schon gegessen, liegt sie in der Badewanne und ich sitze auf dem blöden Plüschüberzug des Klodeckels, über den wir uns abwechselnd lustig machen und ihn trotzdem nicht ersetzen. Ich reiche ihr das Glas und bin ein bisschen neidisch, dass ich immer noch nicht mit ins Wasser kann. Schon die vierte Woche. Sie beugt sich herüber so weit sie kann und stößt mit mir an. Mein Caipirinha ist gut. Wir kommentieren ihn gleichzeitig und auch ähnlich einfallsreich mit: „Lecker.”

„Magst du noch weiter hören?”, fragt sie. Ich nicke und schlucke.

„Die aus späterer Sicht wichtigste, weil vollständige, die zehnte Auflage, erschien gut zwanzig Jahre später. Linné stellte darin alle ihm bekannten Organismen dar: 7700 Pflanzen-, 6200 Tier- und 500 Mineralienarten. Und er ersetzte sämtliche der unbrauchbaren und unhandlichen Bezeichnungen wie etwa das Wortmonster Physalis amno ramosissime ramis angulosis glabris foliis dentoserratis durch die binäre Schreibweise einfach zu merkender Doppelnamen. Das Ungetüm von einst hieß nun ganz schlicht: Physalia Angulata. Der erste Name der binären Nomenklatur bezeichnet immer die Gattung, der zweite die Art. Unsere Physalis draußen im Garten ist eine etwas andere Art, Physalis alkekengi, die Lampionblume. Weißt Du welche? Die mit den leuchtend ziegelroten und hauchzarten Fruchtständen, die sie vom Spätsommer bis in den Herbst aussehen lassen wie ein japanisches Lichterfest. So hübsch! Ich liebe sie.”

Sie malt mit dem Finger eine Herzform in den Badeschaum, der die Wasseroberfläche in ein weißes Hügelland verwandelt hat, aus dem für mich besonders zwei Hügel hervorstechen. Sie haben hellbraune, vorwitzige Knospen und wenn ich darüber streiche, können sie sprechen. Sie sagen „mmh” oder „ahh” und manchmal sogar „oh ja, mach bitte weiter.”

Sie bemerkt meinen Blick und klimpert – selbst ein wenig sehnsüchtig wie mir scheint – mit den Augendeckeln.

„Erinnerst du dich noch, wie ich dich gequält habe mir zu helfen, diese uralte Zinkbadewanne aus der wilden Mülldeponie im Wald den Hang hinauf zu zerren? Wir rutschten so oft ab dabei und sahen hernach aus wie die Schweine. Und wir mussten sie anschließend ein Paar Kilometer zu uns nachhause schleifen! Das war ein echter Liebesdienst von dir, ich weiß ja, dass du dir aus meinem Krautzeugs nicht viel machst.”

Sie küsst mich durch die Luft. „Da wachsen sie nun drin unsere Lampionblumen, Physalis alkekengi L. Der Buchstabe hinter dem botanischen Namen übrigens, ist immer der des Entdeckers. Das heißt, bei uns schlägt Linné höchstpersönlich Wurzeln in der Badewanne.”

Mitten in der Nacht hangle ich mich durchs Wohnzimmer. Ich schlafe schlecht, die Schiene juckt. Ich schaue in den Garten. Es ist still bis auf zwei fauchende Katzen, die sich durchs Gebüsch jagen. Ich stelle mein Glas ab und schiebe das bräunliche Buch zur Seite. Es hängt ein helles Stück Papier heraus. Ich knipse die Lampe an und ziehe daran.

Mir leuchtet das Wort „Polygamie” entgegen. Meine Neugier triumphiert.

In ihrer schönen, geschwungenen Handschrift lese ich: Gruppe XXIII, Polygamia, die Vielehe. Zum Beispiel Banane, Musa paradisiaca, wurde früher daher auch Paradiesfeige genannt. Sie gehört zu den einkeimigen Pflanzen. Ich nehme mir einen Schluck. Der Whisky ist angenehm voll und geradlinig.

„Die einkeimigen Polygamen, das sind die schlimmsten”, sage ich zu mir selbst und fasse mir unwillkürlich an den Sack. „Und meine Paradiesfeige schläft.“

Ich grinse breit und lese weiter. Polygamia æqualis. Mariendistel, Silybum marianum L. , auch Liebfrauendistel genannt. In der Pflanzenheilkunde ein wirksames Mittel gegen Leberbeschwerden. Ich pruste los und gönne mir einen zweiten Schluck. „Polygamie, der alles egal ist. Marias Distel und die Leber. Na denn, prost!”

So langsam finde ich Gefallen an meiner ungewöhnlichen Lektüre. Die Nächste haut mich um: Polygamia frustranea, die fruchtlose Vielehe, die ausgerechnet Helianthus, die Sonnenblume trifft und das bei diesen vielen Kernen immer. Bei Polygamia superflua, zu deutsch, die „überflüssige” Vielehe, habe ich Tränen in den Augen.

Ich wische mir übers Gesicht und lese: Ein Vertreter dieser Gruppe ist der Echte Alant, Inula helenium, Darmwurz, Edelwurz, Glockenwurz, Odinskopf oder auch Schlangenkraut genannt. Aus der Familie der Korbblütler mit zygomorphen Zungenblüten. „Zygomorphe Zungenblüten!” Ich strecke meine Zunge heraus und lasse sie kreisen. Sie ist flink, ziemlich lang und ich kann sie seitlich einrollen. Auf meine Zunge bin ich stolz seit ich in den Spiegel gucken kann.

Die Darmwurz, lese ich weiter, wird bereits in ägyptischen Papyri erwähnt, ist ein seit der Antike bekanntes Gewürz für Süßspeisen, Magenbitter und Liköre. Kandierter Alant galt lange Zeit als Leckerbissen. Aufgrund der schleimlösenden Wirkung ist die Alant-Wurzel Bestandteil einiger Hustensäfte. Im Volksglauben sagte man der Darmwurz nach, sie könne Dämonen abwehren. „Huhu”, sage ich und tu so als ob ich mir was huste.

Ich lege das Blatt zurück zwischen die Buchseiten, trinke aus, stemme mich hoch und mache mich leise auf die Socken, zurück ins Schlafzimmer. Da liegt sie im Mondlicht. Sie hat die Decke im Schlaf abgeschüttelt. „Ich bin der Dämon!” In zwei bis drei Wochen zumindest wieder. „Ich bin ein Bedecktsamer, ein Angiospermium” Sie liegt da, atmet ganz gleichmäßig und zum Greifen nah. „Du meine Magnolia virginiana, meine süße Bucht.” Das habe ich eben gerade gelesen.

Ich strecke die Hände aus und weiß, dass ich es liebe, mein Blumenmädchen.




11.2016©nyx


Die Feder mit herzlichen Glückwünschen der Kurzgeschichten-Gruppe
*********ynter Frau
9.559 Beiträge
Und wieder kann ich in diesen einzigartigen Thread...
...etwas lernen, diesmal in Sachen Botanik. Ja, die Pflänzchen haben es faustdick hinter den Öhrchen. *zwinker*

Wirklich sehr lehrreich, liebe anima_nyx, und dabei herrlich doppeldeutig. Exquisit!
*****002 Paar
1.330 Beiträge
Ich stehe mit einer Tasse Kaffe am Fenster,
und betrachte amüsiert das unzüchtige Treiben in meinem Garten!
Polygame Gangbang , vielmännige ...

Danke für diesen exquisiten Bio- und Botanikunterricht!
****orn Mann
11.994 Beiträge
Auch ich stehe am Fenster und schaue hinaus, nur ... mein Kaffee ist inzwischen kalt geworden. Ich bin ... gelinde gesagt: Von den Socken. Begeistert. Fasziniert! Was für eine unglaubliche Geschichte wieder. *top2* „Zygomorphe Zungenblüten!” ... auch ich lasse sie schnalzen, meine Zunge. Vor Bewunderung!
Herrlich die anzüglichen Doppeldeutigkeiten, ein tadelnder Blick zu Goethe hin. ER, der die Rosaceae liebte? Und auch die Frauen. Ja ... Plural. *zwinker* Sich zu echauffieren und die Moralvorstellung der damaligen Zeit zu benennen, galt für manch einen als Fallbeil. Ob Literat oder Wissenschaftler. Und natürlich leitet sich alles aus der Botanik ab. Mit dem einen aber feiner Unterschied, dass sie - die Botanik - nicht lang drum herum redet, sondern einfach MACHT.
*zwinker*
Vielen Dank, liebe anima_nyx , nun weiß ich, wohin mich mein Adventsspaziergang heute führen wird. *g*
*********nd_69 Frau
7.368 Beiträge
Leute, Leute....
Ich bin auch von den Socken.

Weil Ihr so großartige Ideen habt.

Weil Eure kreativen Ideen nur so aus "meinen" acht Wörtern sprudeln (nur leider nicht aus mir **zaunpfahl*-für-Adventsgeschichten-schwenk*).

Weil Eure Schreiblust einfach so, absichtslos und doch zielgerichtet, Euch übermannt und uns allen wunderbare Lesemomente schenkt.

Weil Ihr so wunderbare Geschichten zu den schnell dahingeworfenen acht Wörtern erfindet.

DANKE!
Uff!
Da hat aber jemand eine Unmenge Intelligenz investiert und dabei noch viele Begriffe eingebaut die ich g... (ich sags einfach nicht) finde. Mit 20 Männern in einem Bett...Bestäubungsorgane... Wenn ich mich da mal nicht überarbeiten würde. Jedenfalls bin ich faziniert von der Macht der Worte!

*blume*
**********Engel Frau
25.285 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ihr seid mal wieder einfach wundervoll einfallsreich!
Ganz toll, was da alles niedergeschrieben wurde. Ich bin begeistert!
*bravo*
Für diesen literarischen Meistergangbang
fordere ich mit all meinen Bestäubungsorganen eine, ach was eine ganze

Federboa!

*spitze* laf
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Nein, eine Federboa gibt es nicht. Aber selbstverständlich eine Feder.

Vielen Dank für diese großartige Geschichte (und Fleißarbeit) und Glückwunsch, liebe anima_nyx!

(Der Antaghar)
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