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Die Königin vom Westend

It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Themenersteller 
Die Königin vom Westend
Marilyn Monroe ist gar nicht tot.
Sie nennt sich jetzt Josefine und lebt in einem Altersheim im vornehmen Westen der Stadt. Dieses Jahr wird sie ihren neunzigsten Geburtstag feiern. Bei ihrem Alter zumindest hat sie also nicht geschummelt, wie man vielleicht erwartet hätte.
Noch immer hat sie diesen unnachahmlichen Blick aus himmelblauen Augen. Niemand kann wie sie so kokett den Kopf neigen, um dir dann im nächsten Moment huldvoll und anmutig die rechte Hand zu reichen, natürlich in Erwartung eines standesgemäßen Handkusses.

Wie es sich für eine Grande Dame gehört, erwartet Josefine viel Aufmerksamkeit von denjenigen, die sie umgeben und die ihr selbstverständlich zu Diensten sein sollten. Sie geht dabei soweit, dies auch lautstark einzufordern, indem sie vehement und ausdauernd mit reich beringten Händen auf den Tisch schlägt. Gewohnt, zu bestimmen, kann sie bei Ungehorsam ihres Gegenübers durchaus beleidigend werden.
Beim Anblick von Männern jedoch, egal, welchen Alters, mutiert Josefine schlagartig zur Femme Fatale. Zwar ist ihr Körper gebeugt und von Narben geprägt, ihr Gang mittlerweile unsicher.
Doch die Grandezza ihres Lächelns und ihrer Gesten ziehen fast jeden in ihren Bann.

Darüber hinaus hat Josefine eine sehr spezielle Art, sich auszudrücken. Jedes Wort wird betont, als habe alles, was sie sagt, eine besondere Bedeutung. Als sei jedes ihrer Worte eine Perle, eine ganz besondere Darbietung an ein meist leider unwürdiges Publikum.
Ihr Gedächtnis hat zwar stark nachgelassen und manche Worte entfallen ihr, noch bevor sie den Satz zu Ende sprechen kann. Trotz dieser Einschränkung ist Josefine gesegnet mit einer provokanten Schlagfertigkeit, die so manche Pflegekraft sprachlos erstarren lässt.

An diesem Morgen schläft „Ihre Majestät“ noch tief und fest. Ab und zu entfährt ihrem Mund ein leises Scharchen. Das helle Haar umgibt ihren Kopf wie eine fedrige Wolke, das Spitzennachhemd zeigt mehr, als es verhüllt.
Während ich die Vorhänge öffne, singe ich ein Lied für sie, das ich ihr zu Ehren umgetextet habe:
„Josefine, Josefine, oh du meine eine Liebe! Josefine, Josefine: Du bist so schön!“
Sie lächelt, noch bevor sie die Augen aufschlägt.
„Komm, Liebe, Zeit zum Aufstehen! Magst du mit mir einen Kaffee trinken gehen?“
Sie streckt die Arme nach mir aus, um sich aufhelfen zu lassen. Am Bettrand sitzend, reibt sie sich schlaftrunken die Augen und sieht mir schweigend dabei zu, wie ich vor ihr knieend, ihr Socken und Schuhe anziehe.
Als sie endlich anfängt, zu sprechen, ist ihr Ton ernst und bedeutungsvoll.
„Mit mir stimmt etwas nicht.“
Noch kämpfe ich mit ihren Schuhen, nestle am Verschluss, der sich wieder einmal verhakt hat.
„Was genau meinst du damit, Josefine?“
Sie macht eine Kunstpause, erwidert meinen fragenden Blick.
„Ich habe eine Bewusstseinsstörung.“

Ich stutze und halte in meiner Bewegung inne, kann kaum glauben, was ich da soeben gehört habe. Fast muss ich grinsen, verkneife es mir jedoch. Wo hat sie dieses Wort nur aufgeschnappt? Ich bin mir sicher, dass weder ich noch eine meiner Kolleginnen in ihrer Gegenwart solche Fachausdrücke benutzen.
„Aha, verstehe... sag mal, wie fühlt sich sowas an?“
Sie seufzt und sucht nach Worten. Ihre Unterlippe zittert.
„Manchmal bin ich so dumm im Kopf, und dann schäme ich mich so.“
Ich stehe auf und helfe ihr auf die Beine. Streiche besänftigend über ihren Arm.
„Ja, das verstehe ich. Aber es geht uns allen manchmal so, liebe Josefine.“
Ich hake sie unter und gehe langsam mit ihr ins Bad.
Sie schwankt ein bißchen und lehnt den Kopf an meine Schulter.
„Ach, du bist lieb. Das sagst du doch nur so.“
„Nein, das meine ich auch so. Und immerhin hast du das bemerkt. Das kann nun wirklich nicht jeder von sich behaupten, weißt du?“
Sie nickt und drückt meinen Arm.

Im Bad thront Madame vor dem Spiegel am Waschbecken. Sie überläßt mir die Körperpflege, spart dabei aber nicht mit Anweisungen:
„Das Wasser ist viel zu kalt!“
„Und jetzt die Creme, bitte schön.“
Das war keine Bitte, das war ein Befehl.
„Und wo ist eigentlich meine Perlenkette?!“
„Lass mich dir zuerst den Rücken waschen, liebe Josefine, ja? Alles der Reihe nach.“
Sie verdreht dramatisch die Augen. Lässt dann die Arme schlaff hängen, als würde sie gleich einer Ohnmacht erliegen.
„Kannst du dich bitte gerade hinsetzen? Und mir vielleicht ein wenig behilflich sein?“
Sie ignoriert mich und wischt unwillig Spuren der Gesichtscreme von ihrer Wange.
Ich greife über sie hinweg nach der Bodylotion, drehe ihr dabei halb den Rücken zu.
Kaum habe ich sie einen Moment aus den Augen gelassen, spüre ich auch schon ihre Hände auf meinem Po. Die Hände in die Hüften gestemmt, drehe ich mich zu ihr um.
„Josefine, was soll das werden?“
Sie spitzt den Mund zu einem Kuss und grinst, gibt mir aber keine Antwort.
Unsere Augen treffen sich im Spiegel. Ich lenke ein und zwinkere ihr verschwörerisch zu:
„Du weißt schon, dass das nur mein Liebhaber darf?“
Ihre Augen funkeln, als sie mit zuckersüßer Stimme sagt:
„Aber natürlich weiß ich das. Darum reizt es mich ja gerade.“

Ihr Lächeln ist einfach unwiderstehlich. Gelernt ist halt gelernt.

(C) IntoTheWild63
Bis ich unter
deine Fittiche käme, wärste schon im Zimmer nebenan. Dann täten wir halt zu zweit die Pfleger ärgern ...

*top* laf
Profilbild
****fan
2.306 Beiträge
Eine Grand Dame...
... im Seniorenheim, tolle Idee, perfekt beschreiben und amüsant. Schade, dass es nur eine Fiktion ist. Vorstellbar wäre es immerhin.

LG yogafan
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Themenersteller 
Nur eine...
Fiktion? Meinst du...? Wie in aller Welt, hätte ich mir denn sowas ausdenken können...? *liebguck*

Non, non, Monsieur! Das ist sehr nah an der Reallität.

*smile* Into
Profilbild
****fan
2.306 Beiträge
Aha, verstehe...
... du bist die Pflegerin *zwinker*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Themenersteller 
Danke...
.... für Euer Feedback! *blume*

Trotzdem habe ich ein wenig das Gefühl, dass die Geschichte nicht so richtig zündet...? *nachdenk*

Woran liegt das? Vielleicht mag ja jemand etwas dazu sagen, dem es nicht so sehr gefallen hat...? *liebguck*

Ich würde mich freuen! Auch gern per PN.

Lieber Gruß,
Into
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Norma Jeane...
Mortenson oder die göttliche Marilyn.

Aber zunächst: Herzlichen Dank *bravo*.

Deine Grundidee mag ich sehr. Diese Beobachtung, das Alter mit seinen unvermeidlichen Malaisen in einen doppelten Bezug zur Erinnerung zu stellen: einerseits ihrer nachlassenden Gedächtnisleistung und andererseits ihre gedankliche Verhaftetheit im eigenen, prallen Leben, das einmal war, jedoch nun nurmehr in Momenten aufblitzt, ist ein ganz besonderes Thema. Dein schalkhaftes Ende hat es mir ebenfalls angetan .-).

Was mir auffiel, sind zwei Dinge: Ausgerechnet Marilyn hatte eine alles andere als zu späterer Grandezza und gewohnheitsmäßigen „Grande-Dame-Gesten” einladende Kindheit und Jugend. Sie war eine herumgeschubste Sozialwaise ohne Schulabschluss und stotterte, wenn sie vor Anderen sprechen sollte. Dass sie eine „provokante Schlagfertigkeit” besessen haben soll, wäre also ganz neu. Ihr Verhalten soll oft genug genau das Gegenteil von „hochherrschaftlich” gewesen sein: sie soll sich auffällig unsicher auf gesellschaftlichem Parkett bewegt haben, was auch wenig verwunderlich ist angesichts ihrer unglaublich schwierigen Jugend. Zu Audrey Hepburn zum Beispiel, hätte Deine Schilderung sehr gepasst, deren Herkunft und Lebensverlauf gäbe diese Darstellung her.

Ein klein wenig irritierte mich auch eine gewisse „Klischeehaftigkeit” (von Ringen übersäte Hand, Spitzennachhemd, Handkuss...) und ich hätte etwas spezifischere Beobachtungen gerne zusätzlich gelesen.

Ihr Lächeln ist einfach unwiderstehlich.


Alleine die Vorstellung, dass Du recht haben könntest... ist allerdings unwiderstehlich. Wie ihr Lächeln.
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Ich hab diese kleine Geschichte mit einem Schmunzeln gelesen. Und sie gefällt mir.

Doch auch ich meine, dass sie noch nicht so richtig stimmig ist, noch nicht wirklich rund. Es fehlt da noch eine Prise, ohne dass ich nun exakt bestimmen könnte, was das genau sein könnte. Was anima_nyx über Marilyn Monroe schreibt, ist richtig; eine andere Schauspielerin würde da besser passen, z. B. Audrey Hepburn oder auch Liz Taylor. Doch ich muss zugeben, dass mich das gar nicht weiter gestört hat. Ich hab das einfach symbolisch gesehen - und auch wenn die Monroe nicht so war, so passt das für mich irgendwie trotzdem.

Aber Du hast da Anlauf zu einer geradezu hinreißenden Story genommen - und bist irgendwo unterwegs ein kleines bißchen hängen geblieben. Es ist aber auch gar nicht so einfach, solche kleinen und feinen Beobachtungen einerseits humoristisch und andererseits berührend zu schreiben.

Jedenfalls würde die Geschichte aus meiner Sicht wohl noch ein klein wenig mehr "zünden", wenn Du noch ein paar weitere augenzwinkernde und für die alte Dame typische Beobachtungen eingefügt hättest oder auch den einen oder anderen witzigen Dialog. Und vielleicht wäre ein etwas knapperer Erzählstil passend, der dann durchaus auch ein wenig lakonisch sein dürfte? Manches erscheint mir für eine solch herrliche kleine Geschichte einfach etwas zu umständlich oder ausführlich beschrieben. Hier wäre möglicherweise das Weglassen wohl die Kunst, welche die Story noch mehr zünden ließe, als sie es bereits tut.

Ich hab sie dennoch mit Vergnügen gelesen und kann mir die alte Dame so richtig leibhaftig vorstellen.

(Der Antaghar)
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Themenersteller 
Danke...
... liebe anima_nyx und lieber Antaghar, für Euer Feedback!

Das hat mir sehr weiter geholfen. Ich hab gemerkt, dass die Geschichte nicht so rüber kam, wie ich sie empfunden habe, und jetzt bin ich ein bißchen schlauer. *smile*

Ich habe lange über diesen Text nachgedacht, nachdem ich gestern auch zwei Freunden die Geschichte vorgelesen hatte, und die beiden ganz ähnlich reagiert haben wie Ihr beide: irgendetwas kommt nicht so ganz rüber.

Ich denke auch, es liegt an den Details. Und dass die Sprache noch mehr der Situation angepasst werden muss. Es ist noch nicht lebensnah genug - da gehe ich zu sehr von meiner eigenen Wahrnehmung und Alltagsrealität aus, die aber nur ich so sehe.

Allerdings, liebe anima_nyx : Es gibt wirklich Menschen, die erfüllen alle diese Klischees! *ggg* Josefine tut das auf jeden Fall! Sie hat das Aussehen einer in Würde gealterten Marilyn, vereint mit dem Habitus einer Zarah Leander. Und so spricht sie auch. *g*

Das gilt es jetzt, zu vermitteln. Ich bleibe dran. *g*
Ich hab nämlich noch sehr viele dieser Geschichten auf Lager...

Danke Euch sehr! *roseschenk*
Into
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Liebste Into
freut mich sehr, dass du es so aufgenommen hast, wie es gedacht war: als Inspiration am Rande. Habe auch nochmal nachgedacht, denn ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass es Josephines gibt, die das Klischeebild der Grande Dame ganz und gar erfüllen, ich kenne und kannte auch zwei Prachtexemplare davon.

Vollkommen erwartbare Details haben ja auch ihren Reiz geradezu und erwecken erst in uns Lesern ein solches klassisches Bild, das Du vermitteln möchtest. Mitunter würde es helfen, wenn du dort das Erwartbare durchaus beschreibst, es jedoch vielleicht dennoch ein wenig „auffütterst” ins Individuelle. Am Beispiel des Spitzennachthemd, in dem Du es mitunter stärker zu „ihrem” machst, es genauer beschreibst, wie es aussieht oder dass es in einer bestimmten Art an ihrem Hals anliegt oder ein gesticktes Monogramm trägt, irgendetwas in der Art und schon würde es spezieller und ihrer Person eine Facette zufügen und näher. Verstehst du, was ich meine?

Das Thema und Deine Idee finde ich genial und absolut beschreibenswert und wer kennt sie nicht, diese spezielle Zerbrechlichkeit des Alters, das Aufblitzen der ehemaligen Lebensfülle, den Widerspruch zwischen dem reichen Inneren und der fragilen, nun hilfsbedürftigen Hülle?

*bussi* Freue mich auf mehr von Dir!
It´s me!
*********ld63 Frau
8.191 Beiträge
Themenersteller 
Ihr Lieben...
... die Ihr die Geschichte mögt: Danke! *blumenschenk*

für Eure Worte, für die Likes - auch im Namen von Josefine, Gretel, Liesel und all den anderen.

Ich finde es wichtig, dass sie gesehen werden - und nicht sang- und klanglos verschwinden. Das Thema Demenz ist aktueller denn je, und es gibt so wenig darüber zu lesen und so viele Vorurteile, die korrigiert werden sollten.

Dafür strenge ich mich gern noch ein bißchen mehr an!
*love* Into
*******tia Mann
5.094 Beiträge
Ja, das gibt es.
Alte Menschen, runzelig und gebeugt, durch deren Erscheinung doch die kokette Jugendlichkeit hindurch schimmert...
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.308 Beiträge
Bei der Beschreibung hatte ich eher Liz Taylor im Sinn. : )

Du schreibst es selbst:

Und dass die Sprache noch mehr der Situation angepasst werden muss. Es ist noch nicht lebensnah genug - da gehe ich zu sehr von meiner eigenen Wahrnehmung und Alltagsrealität aus, die aber nur ich so sehe.

ich denke, Du bist in ihrer Beschreibung zu sehr Pflegerin. Man lernt als Pflegekraft zu beobachten und die Wahrnehmungen zu beschreiben. Vieles davon wird schriftlich niedergelegt, und im Beruf wird häufig eine einheitliche, "amtliche" Sprache bevorzugt.

Davon musst Du Dich freimachen, denn die eingängliche Beschreibung von Josefine klingt eher nach einem Zeugnis. "Darüber hinaus", "sie geht dabei so weit", "Ihr Gedächtnis hat zwar stark nachgelassen" - die Formulierungen sorgen dafür, dass gerade zu Beginn das Ganze eher wie ein Fallbeispiel klingt als die liebevolle, humorvolle Beschreibung einer alten Dame, die Dir ans Herz gewachsen ist.

Erst in dem Moment, als Du sie in Aktion treten lässt, hört das auf. Da wird aus der theoretischen Josefine eine wahre, fassbare Frau. Sie wird zu einer Persönlichkeit, zaubert mir das gleiche Lächeln ins Gesicht, das ganz sicher auch bei Dir zu sehen war, wenn Du mit ihr ihren Morgen beginnst.

Versuche, das in den Anfang mit hinein zu bekommen. Dann wird aus der schönen eine zauberhafte Geschichte.

: )
**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Endlich komme ich mal dazu, ein paar der neueren Geschichten nachzulesen.

Auch ich musste/durfte sehr schmunzeln beim Lesen Deiner Geschichte! *g*
Sehr liebevoll beschrieben.
Und klar passt das Bild nicht so ganz zu der realen Marilyn, aber daran dachte ich gar nicht. Ich sah die Film-Marilyn vor mir und da passt es gut.

Ansonsten schließe ich mich meinen Vorpostern an, da wurde bereits alles geschrieben. *g*
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