Mit Pauken und Trump.eten oder der Saumagen in Gold
Die Vorgaben für dieses Spiel mit Worten sind die folgenden 8 Begriffe:
Seidentuch, Blutsauger, kunstvoll, küssen, Kloß, Spitze, Veilchen und Hasardeur.
Daraus wurde ein Freifahrschein zur einer hanebüchenen politischen
Unkorrektheit... Und zwar über eben jenen Mit-Weltbürger, der sich dieser Glosse förmlich aufgedrängt hat.
Mit Pauken und Trump.eten oder der Saumagen in Gold
Schwupps, da lag er. Inmitten meiner Petrischale der Weltbetrachtung hatte ich ihn auf dem Labortisch des Institutes der Erkenntnis AG vor mir und stellte das Okular scharf. Die Untersuchungsreihe wurde von der EU gefördert, aus dem Topf der weltweiten Handlungsfolgen-Abschätzung bezahlt und war unmittelbar dem „Bräxit”, der Brain-Exit-Kommission, zugeordnet und auch nur ihr gegenüber berichtspflichtig.
Wohlgenährt und quietschlebendig zappelte er wie ein Käfer mit den Extremitäten. Ich hatte das Subjekt kunstvoll fixiert und mittig auf dem gläsernen Objektträger drapiert, stellte nun auf dreifache Vergrößerung – das müsste reichen, er plusterte sich wie üblich schon selbst um einige Faktoren auf – und begann mit der Untersuchung.
Er war männlich, nicht mehr jung, ziemlich blond und recht feist. Er schien gesund und machte bei der ersten Sichtung der äußeren Merkmale den Eindruck, als ginge es ihm gut. Er neigte vermutlich zu Bluthochdruck... und ich sah diese charakteristischen schweinchenfarbenen Flecken des Cholerikers auf seinen Wangen. Seine buchweizengelbe Tolle wippte und ich hielt schon die Piep.ette bereit, denn ich rechnete mit einiger Gegenwehr und wollte mir das Ergebnis der Untersuchungsreihe nicht durch halbstarkes Gepolter verderben lassen.
Als er sich etwas beruhigt hatte, trat ich einen Schritt zur Seite, schlug den asphaltgrauen Deckel der Begleitmappe mit dem roten Vermerk „Eilige Vollschuss-Sache” auf, und warf einen Blick in die Akten. Nach dem Laufzettel mit dem Strichcode der Probe, lag wie immer das Formular mit der groben Klassifikation der Spezies oben auf. Familie: Menschenaffen, Unterfamilie: Hominiden. Das war mir klar, grinste ich. Bei der Gattung war „Homo sapiens” durchgestrichen und daneben entzifferte ich einen Eintrag mit Rotstift und Fragezeichen. „Homo nonsens?” stand da und ich erkannte die schwungvolle Handschrift meiner Mentorin, Dr. Cassandra Missuse, und auch, dass sie es wohl eilig gehabt haben musste.
Ich ging die Einträge der Reihe nach durch. Verbreitung: global. Fundort: New York. Periode: „JIT”, Just In Time, stand da. Also aktuell, mhm. Das hätte ich nicht gedacht! Spezifikationsdaten des Exemplars, soweit bekannt: Donald J. Trump, Ausgabe: 4-14-1946, Verweildauer: 70 J., Restlaufzeit: unbekannt. Status: adoleszent, leicht adipös. Verdacht auf „Imperialia resistenzia” und „Chronifizierte Ego-Expansion”. Oha! Ich pfiff durch die Zähne.
Da schienen höhere politische Interessen mit im Spiel zu sein, das war mir nun klar wie Kloßbrühe und ich schluckte leicht, denn meine Anspannung hatte beim Lesen deutlich zugenommen und darauf reagieren meine Magennerven sofort. Ich schweifte ab und sah eine Handvoll Markklößchen, die mit den Fettaugen der Fleischbrühe in einem der tiefen Teller meiner Oma um die Wette tänzelten, sobald man mit dem leicht angelaufenen Silberlöffel eintauchte. Ich hatte Hunger, eindeutig.
Ich sah den Teller geradezu vor mir. Teller, die man immer von Hand spülen muss, weil der Goldrand nicht wissen konnte, dass er viel später in seinem Leben einmal der aggressiven chemischen Keule in einer Geschirrspülmaschine zu trotzen hätte. Ich hatte wirklich enormen Hunger und nur der Gedanke an das edelstahlglänzende Innere der modernen Tellerwäscher holte mich zurück in die blitzsaubere Laboratmosphäre. Ich sog die kühl klimatisierte Luft ein, der schon wieder viel zuviel des naturidentischen Veilchenöls beigemischt worden war und machte weiter. Nun kam ich zu den für mich entscheidenden Einträgen: „Genomcheck” nach WHO und „Humanismuskontrolle” nach ISO-Standard durchführen.
Das wird spannend, das wußte ich sofort, schließlich machte ich eine derartige Analyse ja nicht zum ersten Mal und kannte meine Pappenheimer. Ich nahm meine Brille ab, putzte sie und überprüfte den Durchblick, nahm den Objekträger mit meinem Subjekt vorsichtig hoch, schob ihn ins RCT und begann mit dem Tiefenscan.
Diese neue Generation der „Roots Check Tomografen” hatte es mir angetan. Er vereinfachte das Procedere ungemein, ließ sich sehr präzise einstellen und ich konnte die unterschiedlichsten Einflussfaktoren beliebig feinschichtig durchleuchten. Ich drehte alle Parameter auf Anschlag und wartete einige Sekunden bis ich die Informationsebene 1.0 klar auf dem Schirm hatte.
Als Trumps ältester bekannter Vorfahr erschien der Jurist Hanns Drumpf auf dem Screen... Ich musste so lachen, „Hans Dampf” hätte mir auch gefallen. Drumpf soll sich im pfälzischen Kallstadt angesiedelt und sich und seine Familie fortan als Weinbauer durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges gebracht haben. Der Name stand jedoch bereits im 17. Jahrhundert als „Trump” – mit reichlich Tinte um das „T” – im Kallstädter Kirchenbuch.
Sein Enkel Donald, der aus politischem Kalkül seine deutsche Abstammung bis vor kurzem noch verleugnete und steif und fest behauptete, er stamme aus Schweden, hat seine Wurzeln in Wirklichkeit ebenda, in Kallstadt nämlich, dem lieblichen Pfälzer Dorf, das sich unweit von Bad Dürckheim zur Weinstraße gesellt und gar nicht so weit von Mannheim liegt. Eine 1200-Seelen-Gemeinde, deren größte Metzgerei „Saumagenparadies” heißt und das Wirtshaus „Saumagenkeller”.
Ich zoomte mich näher heran und nahm das Opportunismus-Gen gezielt ins Visier. Sieh an! Schon Papa Fred, der sich als Einwanderer aus Deutschland Anfeindungen ausgesetzt sah, hatte sich ganz geschäftstüchtig die weit angenehmere schwedische Herkunft erfunden. Und Sohn Donald hielt das Lügenfähnchen hübsch weiter und sogar richtig ostentativ in den Wind und wurde erst durch die deutsche Dokumentarfilmerin Simone Wendel, die in ihrem Film „Kings of Kallstadt – der erschde Pälzer Blockbaschder” die Wahrheit seiner Herkunft ordentlich aufrollte, dazu genötigt, doch ein wenig umzudenken. So lässt sich Donald Trump 2014 tatsächlich hinreißen, diesen wahrlich mitreißenden Satz zu verkünden:
„Ich bin stolz, dieses deutsche Blut zu haben. Keine Frage. Tolle Sache!”
Man könnte so rot und säuerlich werden wie Tomatenketchup von Heinz, eine Familiendynastie, die ebenfalls aus Kallstadt stammt und mit den Trumps verwandt ist. Und man könnte gleich noch einmal eine Ladung Breitomate nachgurgeln bei dem Gedanken, dass ausgerechnet der Enkel des Einwanderers Friedrich Trump heute mexikanische Immigranten pauschal als „Drogendealer und Vergewaltiger” beschimpft und per Megaphon zweifelnd fragt, ob Obama überhaupt ein echter Amerikaner sei.
Ich staunte nicht schlecht und drehte ein wenig am Rad. Das musste ich mir genauer ansehen, ich schwenkte die Ansicht um 180 Grad, stellte auf „vertiefen” und ließ das System vorsorglich zu extreme Kontraste zugunsten der Glaubhaftigkeit ausgleichen.
Das Genom von Trump zeigte tatsächlich die drei deutschen Balken: Pünktlichkeit, Strebsamkeit und ... upps, Nummer drei, die Ehrlichkeit, war doch ein wenig blass und zum dünnen Strich verkümmert. Dafür saß der Frühaufsteher-Streifen fest an seinem Platz.
Auch die genetische Anlage des Feierfreudigen konnte ich gut erkennen, nur direkt daneben... Was war das denn? Eine Mutation im Bereich des Extrovertierten? Ich zog mir die Daten der topografischen Abweichungen auf den Schirm und verglich den Landstrich mit dem Strich. Da hatte ich es! Kallstädter gelten als „Brulljesmacher”, Angeber, Sprücheklopfer und Leute, die gern herzeigen, was man eben so hat.
Das passt ins Bild, dachte ich, und bemerkte nebenbei, dass die Schweinereien um das Herkunftsörtchen meinen Hunger nicht gerade abgemildert hatten. Ich beschloss, Trump auf Eis zu legen, um wenigstens ein paar Enchiladas mit Chicken und Salsa verde, eines der drei Hauptgerichte der Kantine des Instituts, zu mir zu nehmen. Gesagt, noch schnell die Vitalfunktionen gecheckt, und getan.
Als ich zurückkam, desinfizierte ich mir vorschriftsmäßig die Hände und zog den Trump aus dem Froster, denn ich wollte aus ihm ja immerhin noch ein paar Fakten und Fucktoren extrahieren. Ich stellte auf Schicht 2 der Tiefe des Informationsmaximums und ließ mir 1885 anzeigen.
Das war das Jahr, in dem die deutsche Auswandererwelle in die USA ihren Höhepunkt erreichte. Opa Friedrich war nicht besonders kräftig und wollte ums Verrecken kein Winzer werden wie seine Familie und eigentlich alle in Kallstadt. Die USA versprachen sozialen Aufstieg und so verließ der 16-Jährige das schlichte, spitzgiebelige Haus, auf das kein Schild im Ort hinweist. Auf dem Briefkasten klebt derzeit lediglich: „Gott sieht alles, mein Nachbar noch viel mehr.”
Bis 1891 arbeitete Friedrich als Friseur in New York City – er übte vermutlich schon für die Fönfrisur seines späteren Enkels – und zog dann nach Seattle, anglisierte seinen Vornamen zu Frederick und wurde Bürger der Vereinigten Staaten. Er betrieb ein Hotel und eröffnete 1897, als der Goldrausch am Klondike begann, ein Weiteres, das „Poodledog”, für all die Herbeiströmenden mit den Nuggets in den Augen. Er war sehr geschäftstüchtig, orientierte sich an den Bedürfnissen der harten Männer des Yukon, baute das Restaurant aus und vermietete kurzerhand die Hinterzimmer im „Poodles” an Prostituierte, was sich als äußerst gewinnbringend herausstellen sollte.
Um 1900 reiste Frederick in die Heimat, küsste noch einmal den Mutterboden seines Vaterlandes und heiratete Elisabeth Christ, die Tochter der Kallstädter Nachbarn. 1902 kehrten die beiden nach NYC zurück und ließen sich in Queens nieder, wo die Kinder Elizabeth, Fred und John geboren wurden. Als Frederik 1918 an der Spanischen Grippe starb, hinterließ er den Grundstock eines florierenden Immobilienunternehmens, das er zusammen mit seiner Frau aufgebaut hatte und das diese fortan unter dem Namen „Elizabeth Trump & Son” weiterführte. Als Donalds Vater Fred alt genug war, übernahm er die Geschäfte und baute das elterliche Erbe zum einem Imperium aus, das bei seinem Tod 1999, satte 300 Millionen Dollar wert sein sollte.
In Fred liefen die familiären Veranlagungen zu Hochform auf und verbanden sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu einem deutsch-amerikanischen Erfolgscocktail. Er war wie ein „Hot Dog”, dessen heißes Inneres sich vor Ehrgeiz verzehrte und der sich durch die Brotschicht deutscher Gründlichkeit nur selten die Finger verbrannte. Zudem hatte er eine Spürnase für extreme Gewinnspannen.
Er war kein Hasardeur, im Gegenteil: Er galt als solide, diszipliniert, streng und strebsam, baute zig-tausende Mietshäuser, Wohnungen und Kasernen für die Army, Apartmentblocks und Reihenhäuser. 1936 heiratete Fred die Schottin Mary MacLeod, sie bekamen fünf Kinder und sein 4. Sohn, Donald, trat Ende der 60er-Jahre in seine unternehmerischen Fußstapfen.
Anders als bei Fred, schlug bei Donald die Kallstädter „Brulljes-Mutation” auf der Gensequenz des Extrovertierten voll durch... Die Abweichungen vom Normkorridor waren so erheblich, dass ich einen Darstellungs- oder Wahrnehmungsfehler vermutete. In der Anzeige wurde ein Wert errechnet, der ihn lässig in die Kategorie der „barocken Aufschneider” schnellen ließ und den Graphen des Psychogramms mit einer zackigen Spitze versah.
Ich zog mir den Laborstuhl ganz nah heran, überprüfte Trumps Status, fand ihn etwas hitzig, öffnete ihm zur Sicherheit den Hemdkragen und entfernte sein royalblaues Seidentuch mit den geschmacklosen goldfarbenen Streifen und richtete die Düse der Frischluftzufuhr auf seinen Kopf. Dann streckte ich mich und tauchte in die Darstellung der Veranlagungen, die mit der Vielzahl von Querverweisen zu den tatsächlichen Ausprägungen etwas überfrachtet war. Ich wechselte die Ansicht und nahm mir die Schichten nacheinander und in maximaler Trennschärfe vor.
Um einen Überblick zu gewinnen, bildete ich zunächst Informationsstränge und ordnete die Informationen Grundmustern zu. Die oberste Ebene der Motiv-Cluster legte ich an, ließ sie jedoch vorerst noch offen.
Im Gegensatz zu seinem Vater stieg Donald neben den Immobiliengeschäften auch voll ins Entertainment mit ein, und führt heute unter dem Dach der „Trump Organization” eine Vielzahl von Unternehmungen, besitzt Hotelketten, Golfplätze und eine Modell-Agentur. Die Wahlen zur „Miss America” und „Miss Universe” sind ebenfalls sein Geschäft – irgendwo muss er seine potenziellen Ehefrauen ja hernehmen – ist Hauptdarsteller der Reality-Show „The Apprentice” (der Lehrling), bei der 20 Millionen Amerikaner regelmäßig vor der flachen Glotze hängen und für die er das schlappe Sümmchen von 15 Mio. Dollar pro einzelner Show kassiert. Reschbeggt.
„Alles was ich tue, verkauft sich wie warme Semmeln”, sagte er neulich und bekräftigte diese Aussage mit einem jovialen Grinsen, das allerdings leicht daneben ging, denn er fletschte dabei so betont lässig die neuen Zähne, dass man den Blutsauger in ihm für den Bruchteil einer Sekunde aufblitzen sah. Sechs Milliarden Dollar sei er schwer, behauptet Trump. Und er sitze morgens um halb sechs schon im Büro, sei ordentlich, organisiert und überkorrekt geradezu. Schon klar, denke ich.
Ab und zu bekommt der Glanzlack seines Erfolges jedoch Risse: vor 20 Jahren stand Donald Trump am Abgrund als die Immobilienkrise auch ihn an den Rand des Bankrotts getrieben hatte. Doch die Banken standen ihm damals wie heute bei... auch die Deutsche Bank, die besonders.
Und vor gut 10 Jahren, als seine Spielhöllen in Atlantic City Pleite gingen, verlor Trump die Kontrolle über sein Hotel- und Kasino-Imperium und die Aktie wurde von der New Yorker Börse gestrichen. Aber der Milliardär, Bau- und Salonlöwe Trump, der Narziss mit dem Goldwahn, war auch da noch lange nicht am Ende. Er besitzt nach wie vor tausende Wohnungen, Hotels, Hochhäuser... wobei das bekannteste sicher der „Trump Tower” an der Fifth Avenue ist. Seine royalblaue Boing parkt auf dem Flugplatz La Guardia ganz vorne und selbstverständlich so, dass niemand sie übersehen kann. Wie auch? Denn darauf prangt in versalen Lettern der Name „Trump” in Gold und Hochglanz, wie überall auf seinem irdischen Besitz.
„Mein Geschmack funktioniert. Reiche Amerikaner mögen's gerne plüschig”, sagt er. Mich juckt es und ich kratze ausgiebig.
Sein neuestes Buch „How to get rich” ist ein Bestseller, für den Hunderte in den Buchläden um ein Autogramm anstehen. Ich ziehe mir das Ding auf die Platte, zappe hinein und lande im Kapitel „Die Kunst des Frisierens”. Ich denke an Blondinen mit güldenen Schärpen und an das Frisieren roter Zahlen.
Daneben taucht eine aktuelle Annonce auf. Trump bietet ein Apartment an: Central Park West, 330 qm, fünf Bäder komplett in Carrara-Marmor, 13,4 Mio. Dollar. Ich suche etwas anderes … Ah, da ist es! Mitte der 70er-Jahre verklagte die Bürgerrechtsabteilung des Justizministeriums der Vereinigten Staaten Trump, weil er sich weigerte, Wohnungen an Schwarze zu vermieten.
Mir stößt mein Mittagessen auf... unverdauliche Kost, wie mir scheint. Mir reicht's für heute. Ich schalte die Infoebenen ab und starre in den Monitor, den Elfenbeinküstenschwarzen. Mein Zeigefinger liegt seitlich auf einem roten Feld in dem die Anzeige „Substrat verdampfen?” aufleuchtet. Mich juckt es mächtig.
„Er käme nie zu spät”, sagt er. Das werden wir sehen, denke ich.