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Begegnungen

Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
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Begegnungen
Er hätte nicht sagen können, was es genau war, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte, als er sie dort in dem kleinen Café hatte sitzen sehen. War es die Art, wie sie über den Rand ihrer Tasse mit dem Milchschaum die Leute im Raum betrachtete, waren es ihre beiläufig anmutigen Bewegungen, mit denen sie sich nach dem ersten Schluck aus der großen Tasse auf ihrem Stuhl zurück lehnte und ihre Zungenspitze den schmalen Schaumrand von ihrer Oberlippe wischte? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass da etwas war, das ihn jeden Tag in dieses Café trieb, weil sie immer um dieselbe Zeit hier saß und diesen Milchkaffee trank, vor sich das unvermeidliche Tablet, in das sie hin und wieder etwas tippte, wobei ein seltsames Lächeln ihren hübschen Mund umspielte.

Nun gut, dies hier war eine Ferieninsel und es war Saison. Die Möglichkeiten, sich über den Weg zu laufen, waren mannigfach und auch diese Begegnungen im Café hatten wenig Zufälliges. Im Übrigen nahm sie keine Notiz von ihm, wusste vermutlich nicht einmal, dass er am anderen Ende des Gastraumes in seiner Ecke saß, mit seinem kleinen Notebook Arbeit vortäuschte und sie hin und wieder eines Blickes würdigte...,
also manchmal hinüber sah...,
sie halt verstohlen beobachtete und kein Auge von ihr ließ. Ja, so hatten sich die Dinge im Verlauf der letzten Woche entwickelt. Er wollte es nicht wahr haben, aber es war so. Er schalt sich einen romantischen Narren.

Immerhin war er auf diese Insel gereist, um den Kopf frei zu bekommen, sich über gewisse Dinge in seinem Leben klar zu werden. Einer Entscheidung näher zu kommen, von der er manchmal genau wusste, dass sie nicht anders ausfallen konnte, wenn er morgens die Augen aufschlug und die letzten Krümel eines seltsamen Traums aus den Gedanken schüttelte. Schon nach dem Frühstück allerdings, wenn sein Denken durch die nötige Dosis Koffein die üblich chaotische Betriebsamkeit aufgenommen hatte, waren diese Zweifel wieder da, kleine, unangenehme Gesellen, deren Grinsen ausgefüllt war von zwei Reihen nadelspitzer Zähne, deren Hauptspaß darin bestand, seine Zuversicht bis auf die Knochen der Realität abzunagen.
Was sollte ihm in dieser Lage ein Anfall von platonischem Schmachten, das seiner Konzentration zusetzte wie das Meer der nordwestlichen Küstenlinie der Insel!
Und wem, bei Lichte besehen, galt eigentlich diese fast sehnsüchtige Aufmerksamkeit?
Einer Frau, Mitte Vierzig vielleicht, kurzes Haar von der Farbe schweren Rotweins in einem Kristallpokal. In ihrer Alltagskleidung verbarg sie geschickt und mit gekonntem Understatement ihre „Problemzonen“, wie es unsinniger Weise immer wieder hieß. Sie hatte vermutlich wunderschöne volle Brüste, aber sie hatte mit Sicherheit auch Polster an Stellen, die ihr persönlich weniger gefielen. Ob sie ihrem Mann gefielen, spielte ja oft nicht die wichtigste Rolle, egal, wie oft er es betonen mochte...
Die halbe Stunde neigte sich dem Ende. Sie hatte schon die Hand zu einer zierlichen Geste in Richtung der Bedienung gehoben.

Er klappte das Notebook zu, versuchte seinerseits, die Aufmerksamkeit der jungen Frau mit den asiatischen Gesichtszügen zu erhaschen. Sie lächelte zu ihm herüber, nickte kurz und wandte sich der Kasse zu. Gleich darauf trat sie zu ihm an den kleinen runden Tisch. Wie immer verschwendete er einen Gedanken daran, dass er unmöglich zu sagen gewusst hätte, wie alt diese kleine, zierliche Frau mit dem schwarzen Haar und den mandelförmigen Augen sein mochte. Machte dies das Geheimnis und den Reiz asiatischer Frauen aus? Diese hier stammte vermutlich von hier, denn sie sprach ein reinrassiges Platt, soweit er das beurteilen konnte.
Er bezahlte seinen Kaffee, gab ein angemessenes Trinkgeld und machte einen seiner üblichen unverbindlichen Scherze, auf den sie mit ihrem erfrischenden Lachen reagierte, von dem er nie sagen konnte, wie echt und spontan es war.

Er traf die Frau mit dem bordeauxroten Shirt und den Jeans wie zufällig an der Tür, öffnete diese und ließ der Frau galant den Vortritt. Sie sah ihm flüchtig ins Gesicht und er registrierte die Sogwirkung ihrer Augen fast mechanisch. Seine Hand lag einen Moment zu lange auf der Türklinke, als er ihr hinterher sah. Ihre Hüfte drehte sich beim Gehen auf aparte Weise um einen imaginären Mittelpunkt über dem Bund ihrer Jeans. Stämmige Beine in bequemem Schuhwerk, gemacht, viel zu laufen, die Beine wie die Schuhe.
Sie wurde unter seinen Blicken kleiner, verlor sich auf dem Weg hinunter zum Strand. Mit einem Achselzucken ließ er die Tür ins Schloss gleiten, rammte die Hände in die Taschen seiner Jacke, nahm den Weg zu seiner Pension.
It´s me!
*********ld63 Frau
8.175 Beiträge
Ich mag...
... deine detailreiche Beobachtungsgabe. Auch dieses Mal wieder ein Genuss beim Lesen, weil du damit mich - die leserin - direkt mitten in die Szene hineinziehst.

Ich mag auch diesen Hang zur nüchternen Selbstbetrachtung. *g*
Zusammen ergibt das eine sehr reizvolle kleine Alltags- bzw. Urlaubsminiatur.

Danke *blumenschenk* für diese Minuten im Cafe am Meer!
Into
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
Als Info
Dieser Text ist der Anfang einer längeren Geschichte, die ich bereits im Sommer geschrieben habe und die ich gern als Buch herausbringen möchte. Wenn sich der Weihnachtstrubel etwas gelegt hat, möchte ich gern ein paar Fortsetzungen des Buches hier posten und hoffe auf kritische Hinweise.

Liebe Grüße
Whisper
Jo,
da freu ich mich schon drauf!
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
Begegnungen 2
Teil 1 endete:
Sie wurde unter seinen Blicken kleiner, verlor sich auf dem Weg hinunter zum Strand. Mit einem Achselzucken ließ er die Tür ins Schloss gleiten, rammte die Hände in die Taschen seiner Jacke, nahm den Weg zu seiner Pension.
-------
Natürlich ist er da. Da in der Ecke sitzt er, wie immer. Man könnte meinen, er säße dort die ganze Zeit. Aber nein, heute hat er ein rotkariertes Holzfällerhemd unter der nachtblauen Cordjacke an. Gestern war das Hemd blaugrün kariert, erinnerte sie sich und lächelte amüsiert.

Er beobachtete sie. Sie würde vermutlich die Blicke wie eine leichte elektrische Spannung auf der Haut an ihrem Hals gespürt haben, wenn es nicht so offensichtlich gewesen wäre. Männer waren angeblich die besseren Spione, aber ihr Interesse verbergen, das gelang ihnen nicht wirklich gut.
Katja nahm ihren Milchkaffee entgegen, heiß, schaumgekrönt, schmeichelnd. Der Schaum war wie eine weit entfernte Erinnerung an ein leises Kribbeln, sinnlich zwischen ihren leicht geöffneten Lippen. Den ersten Schluck mit geschlossenen Augen genießen!

Sie spürte plötzlich ihren Körper mit elementarer Wucht, schön, verwirrend, beschämend fast in dieser Eindringlichkeit. Dies war eine Erfahrung, die ihr noch immer leise Glut ins Gesicht trieb. Sie lächelte ein wenig über sich selbst. Diese Reise nach so langer Zeit des bleischweren Alltags hielt eine Menge Überraschungen bereit. Nicht unangenehm, eher manchmal verstörend und lockend zugleich.
Sie lehnte sich zurück, entspannte sich, öffnet die Augen wieder. Im selben Herzschlag senkte der Mann in der Ecke den Blick auf sein kleines Notebook. Was mochte er damit machen hier in diesem kleinen Café voller plappernder Touristen, untermalt von der leisen Schlagermusik, die aus den Lautsprechern unter der Decke rieselte?

„Du bist ein neugieriges Weibsstück!“, schalt sich die Frau nicht ganz ernst. Überhaupt war sie in dieser schwebenden Stimmung, die verhinderte, dass sie etwas so ganz ernst nehmen wollte. Ein spielerisches Gefühl, fast ein wenig willkürlich, das ihr den Eindruck geben wollte, als hätte sie eine Prise Mondstaub von Peter Pan gestohlen.
Sie holte ihr Tablet hervor, schaltete es ein. Das Café bot kostenloses WLAN an. Das Icon mit dem roten M zeigte ihr fünfzehn neue Mails. Eine leise, erwartungsvolle Unruhe befiel sie.
Möglichweise hatte sie heute die erwartete Nachricht in ihrem Fach. Es dauerte, bis sich die Zeilen füllten.
Da war die Antwort von Johanna wegen des Termins zur Untersuchung; wichtig, aber im Moment eher lästig, dran erinnert zu werden.
Werbung, Werbung, eine gefakte Mahnung von einem Inkassoanwalt, die sie selbstredend ignorierte und sofort in den Müll beförderte. Sie war inzwischen schon zu lange im Web unterwegs, um sich von diesen Mails noch aus der Ruhe bringen zu lassen.
Aha, da war der gesuchte Betreff!
Sie lächelte, weil sie das Gefühl hatte, als schlüge ihr Herz in ihrem Hals. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sich der Text der Nachricht endlich aufbaute.
Sie las und nach den ersten Sätzen spürte sie die sachte Enttäuschung, die sich ihrer bemächtigen wollte. Der Ton der Nachricht mehr als ihr Inhalt, der sich alle Mühe gab, freundlich und unverbindlich nett daher zu kommen, signalisierte ihr, dass er sich drücken wollte. Trotzdem zwang sie sich, zu Ende zu lesen. Ihr Lächeln kniff inzwischen in den Mundwinkeln und ein wenig Sand rieb in ihren Augen. Sie trank von ihrem Milchkaffee, der plötzlich lauwarm und etwas fade schmeckte. Sie schaute von dem Display auf, beobachtete die Menschen um sich herum, bemühte sich, diese sachte Enttäuschung abzuschütteln.

„Das wird schon“, machte sie sich selbst auf naive Weise Mut.
Am Tisch neben ihrem war eine Oma mit ihren beiden Enkeln gestrandet. Sie wirkte etwas kurzatmig und ihre Gesichtsfarbe schien nicht ganz gesund. Ein dünner Schweißfilm bedeckte die rasierte Oberlippe unter der schmalen Nase und die Frau fächelte sich Luft zu.
Die beiden Kinder, das Mädchen dreizehn, der Junge vermutlich elf, sahen etwas gelangweilt aus. Der Junge zog einen beleidigten Flunsch, während die Dreizehnjährige für die Welt nichts als milde Verachtung zu haben schien. Trotz ihres schlaksigen Aussehens konnte Katja erkennen, dass diese junge Dame einmal hübsch und selbstbewusst genug sein würde, Scharen von pickeligen Jungs das Herz zu brechen. Katja dachte an ihre eigene Jugend und die Erinnerung zauberte ein Schmunzeln auf ihre Lippen. Sie hatte es ganz schön wild getrieben, hatte ihren Eltern mehr als nur eine schlaflose Nacht beschert und konnte eigentlich nur ihrem gnädigen Schicksal dankbar sein, dass ihre Eskapaden ohne Folgen geblieben waren.
Manchmal dachte sie, dass das, was danach kam, so etwas wie eine Strafe gewesen sein mochte für so manche Leichtfertigkeit, die sie sich als Mädchen und junge Frau geleistet hatte. Aber vielleicht verklärte die Erinnerung diese wilde Zeit nur und es war eigentlich ganz harmlos gewesen? Bei dem Gedanken schüttelte sie innerlich den Kopf.
‚Nein, die Chance bestand nicht!’, wusste sie. Sie sah auf die Uhr über dem Tresen. Es wurde Zeit für ihre Strandwanderung. Sie gab der Bedienung ein Zeichen.
Sie sah, dass auch der Fremde dort drüben zahlte und hatte das eigentümliche Gefühl, dass er dies nicht ganz zufällig tat. Sie trafen sich an der Tür und das Gefühl blieb. Er hielt ihr die Tür auf und sie bedankte sich artig aber nicht besonders herzlich. Ohne noch einmal zurück zu schauen nahm sie den Weg zum Strand. Sie spürte das leise Kribbeln im Nacken, das ihr weiß machen wollte, dass er ihr hinterher sah.

Es verging erst, als sie den Durchgang durch die Düne erreichte. Der Blick öffnete sich zum Meer und wie immer blieb Katja einen Moment stehen, hielt den Atem an und ließ das Bild auf sich wirken. Die See und Katja, das war eine besondere, eine emotionale und manchmal stürmische, sinnliche Beziehung. Sie erinnerte sich, dass sie mitten im Sturm gestanden war und die aufgewühlte See sich in ihren Gefühlen auf magische Weise gespiegelt hatte. Ihr Körper hatte mit einer Heftigkeit reagiert, die sie erschreckt und erregt hatte. Seither betrachtete sie das Meer immer ein wenig wie einen heimlichen Liebhaber.
Es ging ein frischer Wind, der feinen Sand vor sich her trieb, der ihr Gesicht streifte und ein prickelndes Gefühl auf der Haut zurück ließ. Sie würde nachher eine schöne rosige Gesichtsfarbe haben, das wusste sie und es war ihr egal. Sie überquerte die Düne, lief hinunter zum Strand. Er dehnte sich scheinbar endlos nach rechts, schwang sich im kühnen Bogen hinaus in die See. Katja lief los. Zuerst richtete sie den Blick weit nach vorn, kniff etwas die Augen zusammen. Der Strand war fast leer, nur weit hinten ließen Kinder ihre Drachen steigen und ein älteres Paar kam ihr mit ihrem Golden Retriever entgegen.
Nach einer Weile richtete sie den Blick vor sich auf den Sand, hielt Ausschau nach schön geformten Steinen und Bernstein. Manchmal hatte man selbst hier Glück und fand kleine bräunlich glitzernde Klümpchen davon. Sie hatte in ihrem Garten und auf dem einen oder anderen Fensterbrett zu Hause Andenken an solche Wanderungen in Form von Kieseln und „Hühnergöttern“, jenen schwarzweißen Steinen mit bizarren Löchern. Jedes Mal, wenn sie auf die Insel kam, hatte sie sich vorgenommen, diesmal keine Klamotten mehr mit zu schleppen und jedes Mal vergaß sie diesen Vorsatz, sobald sie eine Form im Sand entdeckte, die ihr interessant vorkam und ihre Fantasie in Gang setzte. Auch heute hatte sie einen kleinen Beutel in ihrer Tasche.

Der Golden Retriever kam zu ihr heran, begann zuerst an ihrer Umhängetasche und dann an ihr zu schnüffeln. Katja streichelte das weiche Fell des großen Tieres und ertappte sich bei dem Gedanken, dass der Hund eine sehr feine Nase hätte. Ihr stieg kurz Röte ins Gesicht, aber das würde nicht auffallen, wusste sie.
„Bine, komm! Lass’ die Frau in Frieden!“, rief die Frau mit heller Stimme. Die Hündin reagierte sofort, sah kurz zu Katja auf, fast als wollte sie sich für ihre Zudringlichkeit entschuldigen, dann rannte sie mit heraushängender Zunge auf ihr Frauchen zu.
„Entschuldigen Sie bitte. Sie ist am Strand immer außer Rand und Band!“, erklärte die Frau.
„Gar kein Problem, wirklich!“, beteuerte Katja und hob abwehrend eine Hand.
Dann war sie wieder allein mit ihren Gedanken, ihrem Gefühl von Leichtigkeit und Frieden und mit ihrem kaum wahrnehmbaren Gefühl von Erwartung, das sich zwischen ihre Schenkel geschlichen hatte. Plötzlich nahm sie auch die Berührung ihrer Brustwarzen durch den Stoff des BHs wahr. Sie waren auf dem besten Weg, hart zu werden. Katja schickte einen bittenden Blick gen Himmel: das war kein gutes Timing, ganz und gar nicht!
Das aufgeregte Geschrei von Kinderstimmen riss sie aus ihren Gedanken. Zwei Jungen und ein kleines rothaariges Mädchen mit einem von Sommersprossen übersäten Gesicht trabten an ihr vorbei, wobei sie sich alle drei aufgeregt versuchten zu überschreien.
Das Mädchen gestikulierte besonders lebhaft und ihr Gesicht war ein Spiegel ihrer kleinen unschuldigen und dennoch sehr gewitzten Seele. Katja blieb stehen und sah den Kinder hinterher, ein fast seliges Lächeln um die Lippen. Dann wurde sie sich dessen bewusst und sie setzte kopfschüttelnd ihren Weg fort.

„Was ist los mit dir? Alles um dich herum versetzt dich in emotionales Chaos!“, überlegte sie und kickte ein angeschwemmtes Stück Holz zur Seite. Darunter ragte der verschlossene Hals einer hellgrünen Flasche aus dem Sand. Einer Eingebung folgend bückte sich Katja und zog das Gefäß aus dem Sand. Im Innern entdeckte Katja ein zusammengerolltes Stück Papier.
Konnte das wirklich eine Flaschenpost sein? Ihre Hände begannen vor Aufregung zu zittern. Sie inspizierte den Verschluss der Flasche sorgfältig. Offenbar war der Korken irgendwie versiegelt worden, damit er sich nicht so leicht lösen ließ. Da hatte sich jemand wirklich Mühe gemacht!
Hilfesuchend sah sie sich auf dem Strandabschnitt um auf der Suche nach etwas, das ihr behilflich sein könnte, die Flasche zu öffnen. Angesichts einiger etwas größerer Steine war sie kurz versucht, die Flasche einfach zu zerschlagen, aber dann besann sie sich der Scherben, die es wahrscheinlich geben würde und entschloss sich, den seltsamen Fund in ihrer Tasche zu verstauen, bis sie ins Hotel zurück gekehrt war.
Der Wind frischte auf und es begann, etwas ungemütlich zu werden. Katja spürte plötzlich ein leichtes Ziehen in den Waden und als sie sich umwandte, wurde sie sich bewusst, dass die Sonne bereits weit im Westen stand. Sie beschloss umzukehren.
Spannend!
Demnächst sollte aber etwas passieren, der ein oder andere Spannungsbogen geschlossen werden.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
Begegnungen 3
Der Teil 2 schloss:
Der Wind frischte auf und es begann, etwas ungemütlich zu werden. Katja spürte plötzlich ein leichtes Ziehen in den Waden und als sie sich umwandte, wurde sie sich bewusst, dass die Sonne bereits weit im Westen stand. Sie beschloss umzukehren.

Die Sonne stand tief über der glitzernden See, als er das Restaurant betrat. Er aß jeden Abend hier, denn der Fisch war frisch und die Küche ausgezeichnet. Es war nicht ganz billig, aber der Aufenthalt auf dieser Insel stand unter dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts!
Rechts am Fenster ganz hinten saß eine Frau mit kurzem rotem Haar an einem Tisch für zwei Personen mit dem Rücken zum Eingang. Markus zögerte. Er hatte das bestimmte Gefühl, dass dies seine unbekannte Bekannte aus dem Café sein konnte. War sie vielleicht verabredet? Konnte er es wagen, sich zu ihr zu setzen? Was, wenn sie ablehnte? Er spürte bei dem Gedanken das unangenehme Gefühl der Zurückweisung, das ihm das Blut ins Gesicht trieb. Er biss die Zähne kurz auf einander, um das hässliche Gefühl los zu werden.
„Wünschen Sie einen Tisch?“, erkundigte sich die hübsche Kellnerin mit dem Grübchen im Kinn und den dunklen Augen. Er sah sie ratlos an, drehte sich einmal nach rechts, einmal nach links. Sie lächelte ihn geduldig an. Er fasste sich ein Herz und beugte sich zu der jungen Frau vor.
„Wissen Sie zufällig, ob die Dame dort hinten jemanden zum Essen erwartet?“, raunte er ihr halblaut zu.
„Ich glaube nicht“, sagte sie gedehnt und zuckte die Schultern, „Soll ich sie fragen, ob es ihr recht wäre, wenn Sie...“ Markus schüttelte den Kopf. Soweit kam es noch, dass er Bedienungen vorschickte!

Er trat an den Tisch. Natürlich hatte er sich nicht getäuscht; die Frau war die Milchkaffeedame, die er seit fast einer Woche beobachtete. Sie war offenbar sehr beschäftigt, denn sie bemerkte ihn nicht sogleich. Vielmehr starrte sie auf ein verblichenes Stück Papier, das mit fast nicht mehr lesbaren handschriftlichen Notizen bedeckt war.
Markus räusperte sich vorsichtig und endlich sah die Frau zu ihm auf.
‚Diese Augen!’, rief es in ihm erstaunt aus. Warum waren ihm die nicht schon früher aufgefallen?
„Ja bitte?“, fragte sie freundlich. Er spürte förmlich, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.
„Verzeihung. Warten Sie noch auf jemanden oder hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen..., also wenn ich mich an ihren Tisch setze?“
„Nein und Nein“, sagte sie mit einem leicht spöttischen Lächeln. Sie wies mit der Hand auf den Stuhl ihr gegenüber. Er sah sie kurz irritiert an, weil die beiden Neins offenbar nicht zu der Geste passen wollten.
Er nahm Platz und sie widmete sich wieder ihrem Blatt Papier.
Er sah aus dem Fenster, wo der Sonnenuntergang das Meer in Flammen gesetzt hatte. Was für ein Schauspiel!
Er verschränkte die Hände auf dem Tisch in einander und vermied es, sein Gegenüber anzusehen.
Die Bedienung trat an den Tisch mit den Speisenkarten, erkundigte sich nach Getränkewünschen. Sie schien zu glauben, dass sie beide zusammen gehörten, denn sie wandte sich mehr an ihn als an die Dame gegenüber in dem cremefarbenen Shirt, in dessen Ausschnitt ein kleiner silberner Engel an einer dünnen Kette baumelte.
Markus wies über den Tisch.
„Die Dame war schon vor mir hier“, sagte er. Die Kellnerin hob erstaunt eine Augenbraue, entschuldigte sich knapp. Die Frau winkte nur ebenso knapp mit der Hand und bestellte ein stilles Wasser. Ihr Gesicht sah ratlos und etwas frustriert aus und über ihrer Nasenwurzel kerbte eine steile Falte. Schließlich kramte sie in der Umhängetasche, die über ihre Stuhllehne hing und brachte ein Brillenetui zum Vorschein. Die randlose Brille gab ihrem Gesicht beinahe etwas Intellektuelles.
Markus bestellte ein kleines Bier und widmete sich der Speisekarte. Eigentlich wusste er schon, was er essen würde, aber er war dankbar, etwas in der Hand zu haben und beschäftigt zu wirken. Irgendwie begann er leise zu bereuen, dass er sich an diesen Tisch gesetzt hatte. Warum, um alles in der Welt, fühlte er sich so unsicher?

„Ich geb’s auf!“, sagte die Frau dann halblaut und entnervt, nahm die Brille von der Nase und massierte sich den Nasenrücken. Die Kellnerin kam mit den Getränken und sie prosteten sich über den Tisch hinweg zu.
„Können Sie das hier lesen?“, fragte sie dann plötzlich und schob ihm das Blatt Papier hinüber. Ihr Zeigefinger mit dem kurz geschnittenen Nagel tippte auf eine Stelle in dem nur noch schattenhaft erkennbaren Text. Markus nahm das Blatt mit spitzen Fingern und kniff die Augen zusammen. Er versuchte, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. In der rechten oberen Ecke des Blattes war ein verblasstes Logo gerade noch zu erkennen. Es schien zu einer Reederei zu gehören.
Die Handschrift schien mit einem schwarzen Kugelschreiber geschrieben worden zu sein und das schon vor einiger Zeit. Markus konnte das meiste nur mit Mühe entziffern.
„Sie meinen diese Adresse und die Telefonnummer?“, fragte er gedankenverloren und sah zu der Frau hinüber. Diese nickte, das Kinn in die Hände gestützt. Ihr Gesicht sah besorgt aus.
„Woher haben Sie das, wenn ich fragen darf? Es scheint schon etwas älter zu sein und hat eine ganze Weile in der Sonne gelegen. Schwer zu sagen, ob das eine Eins oder eine Sieben ist, da am Ende.“
Er legte das Blatt vor sie hin und tippte seinerseits auf die Zahlenfolge, die kaum erkennbar am Ende des Textes stand.
„Und der Name?“, fragte sie und hob das Blatt wieder dicht vor ihre Augen.
„Da müsste ich raten, ehrlich gestanden. Ich vermute Nadine Schröder oder Schröter. Schwören würde ich nicht drauf.“
Sie nickte und ließ das Schriftstück sinken.
„Ist eine Flaschenpost. Die habe ich heute Nachmittag am Strand gefunden, halb im Sand vergraben.“
Er sah sie skeptisch an.
„Glauben Sie, die ist echt?“
„Haben Sie den Text gelesen? Meinen Sie wirklich, so etwas denkt sich jemand aus?“ Ihre Frage klang ein wenig ungeduldig.
„Naja“, sagte er vage. ‚Manche leben sogar davon, sich so etwas auszudenken!’, dachte er leicht amüsiert. Sie registrierte das Zucken um seinen Mund und die Falte über ihrer Nase vertiefte sich kurz.

„Vielleicht haben Sie recht, ich hab’ den Text nur überflogen“, gab er nach.
Die Kellnerin trat an den Tisch und erfragte die Essensbestellung. Wie sich heraus stellte, hatten sie beide den gleichen Geschmack, was Fisch anging. Das Gespräch wechselte zu Matjes und Bratkartoffeln und als die Teller dampfend auf dem Tisch standen, tranken sie sich zu und Markus nahm sich ein Herz und stellte sich ihr vor.
„Katja Riemer“, entgegnete sie mit leichtem Lächeln, „sehr angenehm.“
Sie aßen schweigend, aber ihre Blicke trafen sich ein oder zweimal und in ihren Augen spiegelte sich das kleine Lächeln des anderen. Markus stellte erstaunt fest, dass seine Unsicherheit einer gewissen Leichtigkeit gewichen war.
‚Vorsicht, mein Freund’, meldete sich vorwitzig und ungefragt seine unvermeidliche Stimme der Vernunft, ‚wer am Morgen singt, den holt am Abend die Katze!’
Manchmal hasste er sich für diese Art von Kalendersprüchen.
Die Kellnerin kam und erkundigte sich nach dem Befinden, fand die Gläser der beiden leer und fragte nach. Katja schien etwas unschlüssig.
„Darf ich Sie einladen?“, schlug er spontan vor und wenig später standen zwei Viertel gut temperierten Weißweins vor ihnen. Sie stießen an, die Gläser erlaubten sich einen sauberen Ton und irgendwie schienen Katjas Augen von innen ein wenig zu leuchten.
Dann, die Teller waren abgeräumt und die Espresso-Tassen geleert, kamen sie wieder auf die Flaschenpost zu sprechen.
„Das klingt wirklich sehr dramatisch, was da steht. Ich dachte eigentlich immer, dass Flaschenpost immer etwas Schönes enthält, Grüße aus fremden Ländern und von interessanten Menschen. Das hier“, Katja wies auf den zusammengefalteten Zettel, „liest sich wie der Abschiedsbrief eines Sterbenden. Will man diese Botschaft wirklich weitergeben?“ Sie sah Markus fragend und eine Spur betroffen an.
„Das will wirklich gut überlegt sein. Was, wenn wir uns bei der Adresse irren und jemanden falsches mit dieser Nachricht konfrontieren? Und dann ist auch nicht klar, wie lange die Botschaft schon in der Flasche gesteckt hat. Ich wäre an Ihrer Stelle sehr vorsichtig.“
„Das versteht sich doch!“, sagte Katja mit einigem Nachdruck. Markus schalt sich selbst einen Besserwisser und hielt lieber den Mund.
„Ich kann ja mal versuchen, herauszufinden, zu welcher Reederei das Logo dort gehört. Vielleicht ergibt sich ein Hinweis darauf, wer der Unglückliche war, dem nichts Besseres eingefallen ist, als diese schlimme Nachricht in eine leere Schnapsflasche zu stecken und der See anzuvertrauen.“
„Das kann ich ja eigentlich auch selbst machen. Schließlich habe ich die Flasche aus dem Sand gezogen“, sagte die Frau und man musste kein Hellseher sein um herauszuhören, dass sie Widerspruch erwartete. Markus ließ sich nicht bitten.
„Ich bitte Sie, das macht doch keine Mühe und sorgt für ein wenig Abwechslung. Außerdem müssen Sie dann morgen wieder mit mir essen“, setzte er, einer Eingebung folgend, lächelnd hinzu. Sie legte den Kopf etwas schräg, kniff ein Auge etwas zusammen und hatte so ein geisterhaftes Mona-Lisa-Lächeln im Gesicht.

„Ich muss ganz sicher nicht, Herr Kellermann. Wir werden sehen.“
Wenig später verlangte sie die Rechnung, bestand darauf, den Wein selbst zu bezahlen, reichte Markus die Hand, ehe er sich recht versah.
„Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Herr Kellermann“, sagte sie betont förmlich. Er erhob sich etwas überrascht und irritiert.
„Warum dieser überstürzte Aufbruch? Ich komme mit, wenn Sie sich noch einen Moment gedulden“, sagte er und hielt ihre Hand fest. Sie schüttelte den Kopf, wobei sie vermied, ihn anzusehen.
„Das ist wirklich nicht nötig, danke“, gab sie hastig zurück, entzog ihm die Hand und ging rasch hinaus in die tiefer werdende Dämmerung. Markus sah ihr mit hängenden Schultern hinterher. Wie immer hatte er sich wie die Axt im Walde benommen, fand er, während er die Kellnerin bat, ihm einen Whisky zu bringen.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
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Begegnungen 4
Teil 3 endete:

Wie immer hatte er sich wie die Axt im Walde benommen, fand er, während er die Kellnerin bat, ihm einen Whisky zu bringen.

Katja merkte, dass sie beinahe überhastet floh und verlangsamte den Schritt. Was war eigentlich los? Sie blieb stehen, sah sich um, schüttelte verständnislos den Kopf.
Warum hatte sie so abweisend reagiert? Er hatte ihr zu helfen versucht, er hatte ein wenig geflirtet, na und? Sie hatte ihn vor den Kopf gestoßen und wenn sie es recht bedachte, hatte sie nicht einmal gewusst, warum. Da war nur diese Anwandlung gewesen, dieses seltsame Gefühl, als rücke etwas auf sie zu, nähme ihr die Luft und die Sicht auf die Dinge, auf ihr neues Leben und ihre Freiheit, zu leben, wie es ihr passte.

„Du bist eine hysterische, dumme Pute Katja Maria Riemer, geborene Johannson!“, sagte sie halblaut in die Nacht, deren Geräusche den Vorwurf mit Leichtigkeit verschluckten. Der Wind war aufgefrischt und das Donnern der See war deutlich zu hören. Man spürte es sogar unter den Füßen wie das Stampfen schwerer Maschinen.
Sie nahm ihren Weg wieder auf, ruhiger jetzt. Bilder des Abends tauchten vor ihrem inneren Auge auf, aber sie vertrieb sie schnell und rigoros.

In ihrem Zimmer angekommen, holte sie die Flaschenpost wieder aus der Tasche hervor, strich das Papier unter dem Licht der Schreibtischlampe auf dem kleinen Sekretär glatt. Sie setzte wieder die Brille auf, beugte sich über den Text.

„Lieber Finder dieser Nachricht,
es ist viel verlangt, das weiß ich, aber wenn du es irgendwie ermöglichen kannst, so bitte ich dich, diesen Brief meiner Liebsten zu übermitteln.
Ich weiß, ich könnte das auch selbst tun! Aber ich bitte um Verständnis, dass ich das in meiner Lage nicht übers Herz bringe. Für alle Mühe, die du vielleicht haben wirst, möchte ich mich entschuldigen.

Liebste Na....,
ich weiß, dass ich dir mit dem, was ich im Begriff bin zu tun, sehr weh tun werde. Du wirst es nicht verstehen und du wirst wahrscheinlich eine Weile dir selbst die Schuld geben wollen. Ich hoffe, das wird vergehen. Dir bleibt der Rest deines Lebens Zeit, darüber hinweg zu kommen und dein Glück zu finden. Diese Zeit habe ich nicht mehr, soviel ist sicher. Die Zeit, die mir vermutlich noch bliebt bleibt, wird angefüllt sein mit Schmerzen und dem Wunsch, noch ein, zwei Dinge zu erledigen. Ich will dir die Trauer und all den Schmerz ersparen, mich in diesem Zustand sehen zu müssen. Ich weiß, du würdest dich aufopfern für mich, aber das will ich nicht. Behalte mich in deinem Gedächtnis als dein Mann nicht als dein Patient, der unter deiner Fürsorge zu Grunde geht.
Ich weiß, du wirst mich, unsere Zeit und und unsere Liebe nie vergessen. Aber ich wünsche dir, dass du nicht in der Vergangenheit leben wirst. Das hast du mehr als verdient und das bist du uns schuldig...
Ich werde immer an dich denken!

Ho...

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Na..... Schrö...
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Telefon: 03..45 557..341
Katja spürte, wie sich der Eisenring um ihren Kopf legte und richtete sich auf, massierte ihre Schläfen. Diese Nachricht wühlte sie auch nach dem gefühlt hundertsten Mal Lesens wieder auf. Die Anstrengung bescherte ihr diese Kopfschmerzen, gegen die nur frische Luft und schöne Gedanken halfen. Sie öffnete die Balkontür und trat hinaus. Sie hatte einen schönen Blick über die nächtliche Insel und ein Stück See. Weit hinten sah sie das rhythmische Blinken eines Seezeichens und die Positionslichter von ein paar Schiffen. Der Wind strich kühlend um ihre Schläfen. Sie lehnte sich an das Geländer und schaute hinunter. Die Lichter der Laternen am Weg durch den Park wirkten wie eine Perlenschnur, eine Girlande. Im Zentrum des kleinen Ortes sah man ein paar Neonreklamen um Besucher buhlen. Jetzt, ganz zu Beginn der Saison mochte es nötig sein, später im Jahr sicher nicht mehr. Die Insel war beliebt und vor allem Touristen aus Süddeutschland fielen jedes Jahr in Scharen hier ein.

Katja zog fröstelnd die Schultern hoch und umfasste ihre Arme. Ganz plötzlich kam dieses fast brennende Gefühl in ihr hoch. Wie sehr sehnte sie sich mit einem Mal nach einer Umarmung, einer warmen, zärtlichen Berührung. Verlangen erwiderte dieses körperliche Gefühl der Einsamkeit aus ihrer Mitte. Seit ein paar Monaten beobachtete sie fassungslos und fasziniert, wie sich ihr Körper plötzlich, nach dieser schier endlosen Zeit, wieder seiner selbst erinnerte, wie er fast schmerzhaft intensiv sein Recht einforderte, wieder am Leben sein zu dürfen, lustvoll, leidenschaftlich und intensiv.

Sie kehrte ins Zimmer zurück, entledigte sich ihrer Kleider, spürte, dass ihre Brustwarzen sich verhärtet hatten, berührte sie mit den Fingern und spürte mit schmerzhafter Intensität die Lust, die sich in ihrem Körper breit machte.
Sie stieg in die Dusche, begann sich mit frisch duftendem Duschgel einzuseifen. Das gleitende Gefühl auf ihrer Haut unter ihren Fingern erregte sie, ließ gierige Bilder in ihrem Kopf entstehen. Ihre Scham fühlte sich heiß an und als ihre Hand die Schamlippen berührte, merkte sie, wie feucht sie inzwischen war. Ihr Kitzler sehnte sich nach einer Berührung und wurde belohnt.

Längst atmete die Frau schwer unter dem prassenden warmen Wasser, das über ihren nackten Körper lief, als würden tausend zärtlich tastende Fingerspitzen sich ihrer annehmen.
Ihre Finger bewegten sich in ihrer Scheide und das leise, schmatzende Geräusch, das sie verursachten, brachte Katja fast um den Verstand. Sie hatte die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken gelegt und das Wasser traf ihr Lächeln.
Sie kam und sie war laut dabei, ausgelassen fast lachte sie, vermischte das Lachen mit den eigentümlichen Worten einer Sprache, die solchen Momenten von Lust und Erfüllung vorbehalten waren. Dann lehnte sie erschöpft und fast keuchend an den Fliesen der Duschkabine und lauschte den letzten Lauten ihrer Lust nach. Sie wusste inzwischen, dass dies nicht der letzte Höhepunkt war, den sie sich schenken würde. Aber sie wusste auch, dass mit der Entspannung und Müdigkeit am Ende die Sehnsucht nach Berührung und Nähe zurück kehren würde. Dann würde sie schnell einschlafen wollen und traumlos die Nacht hinter sich bringen.
Ihr neues Leben war schön, aber nicht nur.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
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Begegnungen 5
Teil vier endete:
Ihr neues Leben war schön, aber nicht nur.

Markus zögerte ganz kurz, dann ging er an dem Café vorbei, setzte seinen Weg fort, von dem allein seine Füße eine Ahnung haben mochten, wohin er führen würde. Trotz, Neugier und Unsicherheit tanzten Polka auf seinen Nerven. Er hatte sich fest vorgenommen, ihr nicht mehr über den Weg zu laufen. Er gab vor, es wäre besser so für ihn und seine Konzentration auf die Dinge, die jetzt wichtig waren. Er ging auf die sechzig zu auch wenn er selbst sich in dem Glauben ließ, er sähe jünger aus. Er war dabei, eine Entscheidung zu fällen, die sein Leben radikal verändern konnte. Jede Ablenkung davon konnte dazu führen, dass er den Fokus verlor und sich falsch entschied, das Falsche dachte, fühlte und verstand. Diese Frau mit dem roten Haar und den wunderbaren Augen war eine Versuchung, die ihm ein sehr ungnädiges Schicksal in sein Lieblingscafé gesetzt hatte. Wenn er sich einigermaßen ehrlich zu sich selbst verhielt, was nicht so ganz selbstverständlich war für einen Geschichtenerzähler wie ihn, musste er schon eingestehen, dass ihm im Moment ziemlich egal war, was aus dieser ganzen Sache würde. Die Frau im Café mit dem seltsam anrührenden Brief, der aus einer Flaschenpost stammen sollte, das war etwas ganz anderes. Wieder war da diese Gratwanderung: Er wollte sich einreden, dass hinter dieser Geschichte ein toller Stoff lauern konnte, den auszulassen er sich sein Lebtag nicht verzeihen würde. Dahinter, nur unzureichend verdeckt von einer fadenscheinigen moralischen Entrüstung, kam das Gesicht der Frau ins Bild und alles darum herum verschwamm, verlor Kontur und Bedeutung.

Ach, es war ja nicht so, dass er besonders geübt war darin, Frauen kennen zu lernen. Er hatte eine lange und größtenteils glückliche und erfüllte Ehe erlebt, ein bitteres Jahr Trennung und Verlust und ein halbes Jahr gefühlte Wiederauferstehung. Als er mit dem Rauchen aufgehört hatte – es mochte fünfzehn Jahre her sein – hatte er sich gesagt, es würde nicht reichen, diesem Laster zu entkommen. Er hatte seine Gewohnheiten geändert, das Essen, die Freizeit. Er war den Ritualen des Rauchens entkommen und hatte danach eine seltsame Befreiung verspürt. Ähnlich ging es ihm im Augenblick gerade. Er würde seinen Job nicht aufgeben müssen, er hatte die Kündigung schon in der Tasche. Ihm war klar, dass er in dieser Branche so schnell keinen neuen Job mehr finden würde. Die Entwicklung ging mit der Geschwindigkeit und Gewalt eines tropischen Zyklons über einen Mann seines Alters hinweg. Erfahrungen waren immer weniger Wert und weiche Kompetenzen wurden nur allzu schnell und rigoros dem Erfolg, oder auch nur dem Trugbild, das man dafür hielt, geopfert. Er war es leid, immer wieder in Teams zu arbeiten, in denen die Ältesten und Erfahrensten allenfalls seine Töchter und Söhne sein konnten und deren Lebenserfahrung verglichen mit dem, was er in seinem Leben bereits vergessen hatte, erschreckend gering war. Altersbonus – das war nicht viel mehr als schlecht kaschiertes Mitleid, das ihm zum Hals heraus hing. Sechzig zu werden war kein Anlass für Mitleid, so wenig wie es ein Grund für Verehrung und Hochachtung war.

Markus Kellermann hatte die unumstößliche Absicht, noch mindestens zwanzig Jahre zu leben, was ihm die Aussicht eröffnete, dass er fast noch ein weiteres Drittel seines Lebens zu bestreiten hatte. Die Mathematiker mochten ihm das fast großzügig genug auslegen!
Mit Dreißig war er aus dem tiefsten Tal seiner Existenz gekrochen, gezerrt und gezogen von seiner Frau und zwei kleinen Kindern. Er hatte sich selbst schon einmal überlebt, das war mehr, als viele andere von sich zu sagen wussten.
Noch einmal dreißig Jahre weiter stand er am Lee-Ufer einer Nordseeinsel, sah das Glitzern der Sonne auf dem Schlick des Wattenmeeres und beschloss, seinem Leben noch einmal eine neue Richtung zu geben. Das Wissen um die Gefahren und Risiken war ein Haufen Knüllpapier in seiner Jackentasche, ganz ähnlich einem Dutzend gebrauchter Zellstofftaschentücher beim Herbstschnupfen. Er holte die kleinen bunten Zettel aus der Tasche, sah seine eigene ungelenke Handschrift über den einen oder anderen rennen, manchmal auf der Flucht und fast immer gehetzt. Außerdem hatte das Computerzeitalter ihm die Unfähigkeit beschert, längere Texte mit der Hand zu schreiben. Die Hand verkrampfte, die Buchstaben auch und später würde es einer Transskripteurin bedürfen, das Kauderwelsch zu entschlüsseln. Früher hatte er viele Seiten lange Briefe geschrieben, vor allem an seine Frau. Aus der Fremde vor allem, der äußeren und der inneren manchmal auch. Er hatte diese Briefe gelesen und dreißig Jahre später waren sie ihm wie ein Beweis, dass er das konnte: schreiben. Vielleicht musste er diese Spanne Leben aufheben wie Kiesel am Strand um draus ein Fundament zu legen für ein neues Haus?

Ach Markus, du bist ein Romantiker und Poet und wirst enden wie der, den Spitzweg einst gemalt hat!
‚Die Stimme der Vernunft, was soll mir die jetzt noch?‘, dachte Markus in das affektierte Gerede. In seiner Vorstellung hatte Vernunft immer etwas Affektiertes, manchmal auch Herablassendes. Seine eigene ausdrücklich eingeschlossen. Das korrespondierte mit dem zum Schlagwort geronnenen Satz seines Sohnes: „Niemand mag Klugscheißer, Markus!“
Sein Sohn nannte ihn beim Vornamen, eine Sache, die ihn stolz machte und manchmal ängstigte.
Markus sah den bunten Schnipseln nach, wie der Wind sie vor sich her trieb.
„Das ist aber nicht nett“, sagte die Frauenstimme hinter ihm mit leichtem Vorwurf, “wir sind nämlich ziemlich stolz auf die Sauberkeit unserer Insel!“
Markus drehte sich zu der Sprecherin um und spürte tatsächlich so etwas wie ein Ertapptsein, diesen heißen Schwall schlechten Gewissens, der ihn Zeit seines Lebens verfolgte, nicht selten zu Unrecht.
„Das ist kein Schmutz, kein Abfall, wissen Sie, es sind Zweifel, die da wegfliegen. Die meisten waren gute Freunde und die allermeisten trugen ‚berechtigt‘ als zweiten Vornamen.“
„Was Sie nicht sagen“, sagte die ältere, sehr aufrecht stehende Dame mit den feinen Gesichtszügen, dem grauen Haar, das streng nach hinten gekämmt, in einen Dutt mündete. Ihre Lippen waren ziseliert von feinen Fältchen und doch hatte Markus eine Ahnung von der vergangenen Schönheit dieser Frau. Ihre Augen blickten klar und leise amüsiert.
„Am Ende bleibt aber nur Papier“, setzte sie hinzu, „Was, wenn jemand sie aufhebt? Was macht der mit Ihren Zweifeln? Nicht jeder ist mit denen befreundet, wissen Sie.“ Sie ging, auf einen Stock gestützt, den mit kleinen, grauen Steinen gepflasterten Weg hinunter zum Anleger. Vielleicht holte sie jemanden von der Fähre ab, die gerade einlief? Markus schaute ihr nach und erst jetzt hallte dieser kleine Dialog in ihm nach. Er schmunzelte bei dem Gedanken, dass er es sich überlegen würde, ein solches Gespräch ungebrochen in einen Text einzubauen. Viel zu philosophisch, viel zu viel Doppeldeutigkeit, wer nimmt dir so etwas ab?
Das hat deine Figuren noch nie davon abgehalten, zu sprechen, wie ihnen gerade der Schnabel gewachsen war.
Auch wieder wahr.

„Haben Sie was rausgefunden?“, fragte eine leise amüsiert klingende Frauenstimme hinter ihm und er wusste im selben Moment, dass Katja dort stand. Offenbar war er so in Gedanken gewesen, dass er ihr Kommen nicht bemerkt hatte. Oh Mann, du wirst wirklich alt!
„Rausgefunden?“, fragte er etwas dümmlich, während er sich zu ihr umwandte.
„Das Logo auf der Flaschenpost. Sie wollte versuchen, etwas darüber heraus zu finden“, erklärte sie mit ein wenig erhobener Stimme. Ihr nordischer Dialekt machte das ganze ungeduldiger, als es vielleicht gemeint war.
„Ich bin, ehrlich gestanden, nicht dazu gekommen und da ich es auch nicht zur Hand hatte, wäre es sowieso schwierig geworden.“
„Sie haben es vergessen, geben Sie es zu“, provozierte sie ihn, aber ihre Augen lachten.
„Nun ja, nach Ihrem sehr zügigen Aufbruch gestern Abend dachte ich mir, dass Sie vielleicht auf meine Hilfe lieber ganz verzichten wollten.“
„Haben Sie deshalb das Café heute gemieden? Doch nicht wegen mir, oder?“
Was war das, Koketterie? Markus sah der Frau direkt ins Gesicht. Sie hatte wieder das eine Auge etwas zugekniffen und das Mona-Lisa-Lächeln aufgesetzt.

„Ich habe mir, ehrlich gestanden, gestern, nachdem Sie weg waren, ein paar Drinks genehmigt und da habe ich am nächsten Tag keine Lust auf Kaffee“, erzählte er ihr. In Wahrheit war es bei dem einen Whisky geblieben und er hatte recht bald nach ihr das Restaurant verlassen.
„Kleine Strandwanderung gefällig? Da kriegt man den Kopf schnell wieder frei.“ Sie deutete auf den Weg zum Strand. Er war sich nicht sicher, was diese Einladung nun wieder bedeuten konnte, aber er willigte ein. Sie liefen los und als sie den Strand erreicht hatten, wurden die Passanten seltener. Eine Weile liefen sie schweigend neben einander her.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
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Begegnungen 6
Teil 5 endete:

Sie liefen los und als sie den Strand erreicht hatten, wurden die Passanten seltener. Eine Weile liefen sie schweigend neben einander her.

„Woher kommen Sie, Herr Kellermann? Was machen Sie von Beruf?“
„Was wird das, Konversation oder wollen Sie es wirklich wissen?“
„Warum so kratzbürstig?“
„Kratzbürstig? Ich hab doch nur gefragt, ob Sie die nette oder die ehrlich Version hören wollen.“
„Die ehrliche natürlich, was dachten Sie denn? Setzen Sie anderen Frauen denn gern geschönte Versionen vor?“
„Es gibt keine anderen Frauen, Frau Riemer. Ich denke, Sie haben ein falsches Bild von mir.“
„Dann wird es Zeit, dass Sie es korrigieren“, sagte sie und sah zu ihm auf.
„Warum sollte ich das tun? Damit Sie mich bei nächster Gelegenheit hier in der Einsamkeit des Wattenmeeres stehen lassen und sich davon machen?“
„Sie haben Recht, das war nicht nett von mir“, stimmte sie ihm nach kurzer Pause zu. Nun sah er sie genauer an.
„Okay, Entschuldigung angenommen.“
„Ich habe mich nicht entschuldigt. Ich habe nur gesagt, dass das nicht nett war gestern Abend.“
Er war versucht, sich über den semantischen Zusammenhang zwischen ihrem Satz und einer Entschuldigung auszulassen, aber er beherrschte sich.
„Also dann die ehrliche Variante. Haben Sie etwas Zeit?“
„Wir haben Zeit genug, glauben Sie mir“, sagte sie mit einem seltsamen Lächeln.
„Ich bin eine Ostpflanze, eine gelernter DDR-Bürger, wenn Sie so wollen.“
„Warum betonen Sie das so? Das ist doch schon so lange her und eigentlich schon gar nicht mehr wahr“, sagte sie mit einem deutlichen Tadel in der Stimme.
„Es ist auch nicht als Rechtfertigung und auch nicht als Wertung gemeint. Es sagt einfach nur etwas darüber, woher ich komme, wie und wo ich sozialisiert wurde. Das verwächst sich zwar mit der Zeit, aber man vergisst es ja nicht.“
„Da mögen Sie recht haben“, sagte sie, bückte sich, hob einen Stein auf, begutachtete ihn und warf ihn wieder weg.
„Ich bin von Beruf Web Entwickler, aber gerade in einer Umorientierungsphase“, erklärte er und fand den Satz gleich darauf furchtbar gestelzt. Er sah zur Seite, sie schaute ziemlich gedankenverloren über das Watt.
„Ich werde wahrscheinlich Schriftsteller“, sagte er und der Satz geriet ihm ziemlich gewichtig.
„Interessant. Was schreiben Sie denn so? Habe ich schon etwas von Ihnen gelesen?“
Sie schien wenig überrascht und ihrem Ton nach zu urteilen, brannte sie auch nicht wirklich darauf, etwas mehr über dieses Thema zu erfahren.
„Ich schreibe Fantasy-Geschichten“, sagte er und wusste, dass ihn dieser Satz mit großer Wahrscheinlichkeit weiterer Erklärungen entheben würde. Frauen waren selten ausgemachte Fantasy-Fans, auch wenn es eine Menge Frauen gab, die solche Geschichten schrieben.
„Das ist nicht so mein Gebiet“, bekannte sie freimütig, „es tut mir leid.“
„Muss es nicht, Frau Riemer. Literatur ist eben vor allem Geschmackssache. Was lesen Sie denn lieber?“
„Ach, das ist ganz unterschiedlich. Ich habe da keine besonderen Vorlieben. Bücher für Frauen halt, Liebesromane, mal was Humorvolles...“
„... mal was Erotisches?“, fragte er dazwischen.
„Warum nicht?“, sie sah ihn an, eine Augenbraue hochgezogen und einen metallenen Schimmer Kampfeslust in den Augen.
„Ja, warum eigentlich nicht? Es gibt nur zu viel schlecht geschriebenes Zeug auf diesem Gebiet und alle meinen, Erotik müsse immer mit BDSM zu tun haben.“
„So genau kenne ich mich da nicht aus“, sagte sie und er hatte für einen Moment das Gefühl, dies könnte nicht ganz die Wahrheit gewesen sein. Er ließ es dabei bewenden.
„Was werden Sie wegen dieser Flaschenpost unternehmen?“, fragte er stattdessen.
„Sie lenken ab, Herr Kellermann. Sie wollten von sich erzählen. Was sagt Ihre Frau eigentlich dazu, dass Sie sich beruflich verändern wollen?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, es ihr zu erzählen. Wir sehen uns nicht mehr allzu oft seit unserer Trennung, wissen Sie.“
„Oh, das tut mir leid“, sagte sie rasch und er hörte, dass das zumindest die Wahrheit war.
„Das muss es nicht. Ist ja keiner gestorben dabei. Und wenn wir schon dabei sind: Was ist mit Ihnen?“
„Wie meinen Sie das?“
„Beziehungstechnisch?“ Was für ein Wort aus dem Mund eines angehenden Schriftstellers!
„Mein Mann ist gestorben, vor sieben Monaten“, sagte sie mit ruhiger Stimme.
„Bitte entschuldigen Sie, das konnte ich nicht...“, beeilte er sich und hielt plötzlich ihren Arm fest.
„Kein Grund zur Panik, Herr Kellermann. Es war, wie soll ich sagen, keine sehr glückliche Ehe in den letzten Jahren. Vielleicht war es so am Besten“, sagte sie dumpf und sah Markus ins Gesicht. Sie waren stehen geblieben und sahen sich an. Er ließ ihren Arm los, steckte die Hände in die Tasche.
„Verzeihung“, sagte er und sie liefen weiter. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie die Augen kurz verdrehte.
„Sie müssen sich nicht ständig entschuldigen“, sagte sie nach einer Weile. Er schwieg dazu.
„Was soll ich Ihnen von mir erzählen? Mein Leben ist langweilig. Ich habe zwei Kinder, beide schon lange aus dem Haus. Auch die sehe ich nicht mehr so häufig, aber das war schon vor unserer Scheidung so. Die haben auch ein Recht auf ihr eigenes Leben.“
„Enkelkinder?“
„Eins.“
„Junge oder Mädchen? Lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen. Als Schriftsteller sind Sie ganz schön einsilbig!“
„Und Sie ganz schön neugierig!“, entgegnete er ernst. Er beschleunigte seine Schritte ein wenig.
„Tut mir leid, Sie haben recht!“, rief sie hinter ihm her. Als sie wieder neben ihm ging, war sie etwas aus der Puste.
„Aber Sie hatten mir die ehrliche Version versprochen“, sagte sie ein paar stumme Minuten später in versöhnlichem Ton. Markus sah sie kurz an, sah das schüchterne Lächeln und die wunderschönen, klaren Augen. Ein leiser Schauer fuhr ihm die Wirbelsäule hinab.
„Die Trennung war für die Kinder nicht so leicht zu verstehen, nach so vielen Jahren. Es gab Vorwürfe, eine Menge Tränen und schließlich dieses schleichende Schweigen. Man telefoniert mal mit einander, man trifft sich zu Geburtstagen, aber die Gespräche sind seicht und es gibt zu viele Mienenfelder. Irgendwann wird sich das auch wieder einrenken, aber im Augenblick ist es schwierig.“
„Wie kam das mit der Trennung?“, fragte sie ungeniert. Er sah sie an und ihr Blick wurde für Momente trotzig.
„Ich habe meine Frau betrogen, nicht nur einmal. Sie kam dahinter und das war’s. Wollen Sie noch mehr Details?“
„Nein, es ist gut, Sie haben recht. Das geht mich wirklich nichts an.“
Sie gingen neben einander schweigend über den Strand.
„Warum haben Sie das gemacht, sie betrogen?“, wollte sie etwas später trotzdem wissen.
„Wegen Sex, ganz einfach!“, spuckte er ihr hin. Die Stimmung war plötzlich in der Nähe des Gefrierpunktes. Seine Augen waren dunkel und seine Kaumuskeln spielten.
„Ich denke, wir sollten zurück gehen“, sagte er und deutete nach hinten.
„Dort vorn kommt gleich ein Weg, der zurück führt“, erklärte sie und ging weiter. Er zögerte einen Moment und folgte ihr achselzuckend.
„Was ist nun mit der Flaschenpost?“, raunzte er sie an. Sie waren vom Strand landeinwärts abgebogen und hatten einen asphaltierten Weg erreicht, der ziemlich schnurgerade zurück führte.
„Was soll damit sein? Ich denke, es ist das Beste, ich lasse alles, wie es ist. Wer weiß, wen ich sonst unglücklich mache“, erklärte sie sachlich. Sie liefen inzwischen jeder auf einer Seite des Weges. Die Pausen begannen zu lasten. Wechselseitig warfen sie sich verstohlene Blicke zu.
Schließlich blieb er stehen.
„Ich habe meine Frau geliebt, wissen Sie. Aber es gab eine Zeit, da hatte sie einfach kaum noch Lust auf Sex. Ich dagegen wurde immer besessener davon. Es ist doch heute alles so einfach, das Internet macht es möglich! Sie dürfen mir glauben, ich bin alles andere als stolz darauf, was ich da gemacht habe!“
„Sie müssen sich nicht vor mir rechtfertigen! Es geht mich doch wirklich nichts an!“, sagte sie und hob die Arme. Er machte zwei schnelle Schritte auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie versteifte sich in der Umarmung, aber nur für einen Moment. Er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und sein Atem streifte ihr Ohr. Ein heißer Schauer durchfuhr sie. Plötzlich spürte sie ihre Hände auf seinem Rücken. So standen sie eine gefühlte Ewigkeit. Er hob schließlich den Kopf, seine Lippen hauchten ihr einen Kuss auf die Schlagader, dann löste er sich von ihr.
„Entschul...“, setzte er an. Sie hielt ihm den Mund zu, schüttelte heftig den Kopf.
„Nicht jetzt“, sagte sie mit einem kleinen Kloß in der Stimme. Sie zwang ihn, sie anzusehen.
Sie spürte, wie er nahe daran war, sich in ihren Augen zu verlieren. Sein Gesicht war dem ihren ganz nahe. Sie schloss die Augen und ihre Lippen begegneten den seinen.
Der Kuss war eher zaghaft und sie spürte eine leise Enttäuschung in sich aufsteigen. Seine Hände lagen sacht und reglos auf ihren Schulterblättern und sie spürte durch die Jacke hindurch ihre Wärme. Ihre Brustwarzen begannen, die Berührung des fremden Körpers zu registrieren. Alles zusammen trug dazu bei, ihre Verwirrung immer weiter zu steigern.
‚Du küsst gerade einen völlig fremden Mann! Bist du noch ganz bei Trost, Katja Riemer?’
Des ungeachtet spürte sie diese kleine, kitzelnde Neugier in ihrem Becken. Sie wollte ihn spüren, sie wollte wissen, ob es ihn erregte, dass sie hier wie die Teenager standen und sich küssten. Sie wollte Begehren spüren, ganz elementar, etwas verrucht und sehr weiblich.
Hätte es noch eines anderen Signals bedurft als diese winzige Bewegung ihres Unterleibs? Sein Kuss gewann an Leidenschaft und seine Hände erwachten zu geschäftigem Leben.
Plötzlich wurden aufgeregte Stimmen laut und beide lösten sich wie auf Kommando von einander. Markus holte tief Luft und grinste schief, was sie irgendwie anrührend fand. Ihr eigenes Gesicht schien zu brennen und ihr Lächeln war verlegen, wenngleich ihre Augen auf diese besondere Weise leuchteten.
Zwei Kinder, der identischen Kleidung und Gesichter nach zu urteilen Zwillinge, rannten an ihnen vorbei, gefolgt von einem Paar mittleren Alters, das Arm in Arm den Weg vom Strand herauf schlenderte. Die Frau sah Katja an und lächelte. Man nickte sich freundlich zu und war vorüber. Ein Leben bestand aus einer gefühlten Million solcher Begegnungen und aus einem Dutzend solcher, wie sie durch die Urlauberfamilie unterbrochen worden war.
„Was jetzt?“, fragte er, als das Paar außer Hörweite war.
„Ja, was? Sag’ du es mir!“, entgegnete sie und hakte sich mit einem Lächeln bei ihm unter. Sie nahmen ihren Rückweg wieder auf, der sich plötzlich nicht mehr so anfühlen wollte.
„Reden wir über die Flaschenpost“, sagte er nachdrücklich.
„Ach, ich weiß nicht. Ich bin ziemlich unentschieden, was das angeht. Der Brief macht mich traurig und auch wütend.“
„Wütend?“, fragte er vorsichtig nach.
„Ja. Ich finde, er stiehlt sich einfach weg und entscheidet für sie, ob sie ihm in dieser Lage beistehen will oder nicht.“
„Du weißt, wovon du da redest, habe ich recht?“
„Ja, das weiß ich“, sagte sie halblaut und ihre Stimme klang etwas gepresst. Unwillkürlich richtete sie sich an seinem Arm ein wenig auf und er glaubte zu spüren, wie sie sich ein wenig schüttelte.
„Aber vielleicht versuchst du auch ihn zu verstehen. Wenn du das Gefühl hast, alle, die du liebst, sind ohne dich besser dran, weil du nur noch eine Last zu sein scheinst, dann kommt man schnell mal zu einer solchen Entscheidung.“
„Und jetzt redest du aus Erfahrung?“, fragte sie nach kurzem Zögern.
„Später“, sagte er entschieden, machte eine knappe Geste mit der freien Hand.
„Okay“, bestätigte sie und er spürte, dass sie seinen Arm ein wenig an sich zog. Ein seltsames, lange vermisstes warmes Gefühl teilte sich ihm kurz mit.
Sie schwiegen wieder und diesmal schwang die Ruhe im Takt ihrer Schritte.
„Was soll ich also deiner Meinung nach machen?“, fragte sie beiläufig nach einer Weile und sah ihn an.
„Ich schlage vor, wir versuchen rauszufinden, welche Reederei das ist, von der das Papier stammt“, schlug er lebhaft vor.
„Warum? Was soll das bringen?“, wollte Katja wissen.
„Vielleicht erfahren wir, mit welcher Fähre er gefahren ist damals. Vielleicht erinnert sich jemand an ihn.“
„Wie kommst du darauf, dass er mit einer Fähre gefahren ist?“
„Eine Ahnung, mehr nicht. Vermutlich ist ihm die Idee mit der Flaschenpost ganz spontan gekommen, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, dass er einfach so verschwinden wollte. Also hat er sich einen Stift und Papier besorgt. Auf Fähren nach Dänemark oder Norwegen liegen vielleicht Notizblöcke für die Passagiere herum.“
„Das denkst du dir jetzt gerade aus, oder?“, fragte sie grinsend und stupste ihm den Ellenbogen in die Seite.
„Ja, was sonst“, gab er zurück. Er griff nach ihrer Hand, die sich wie ein warmer Vogel in seine schmiegt. Da war es wieder, dieses irre wärmende Gefühl.
„Außerdem haben wir fast eine vollständige Adresse und eine Telefonnummer. Wir sollten schauen, ob wir diese Nadja oder Nadine ausfindig machen können. Außerdem ist es vielleicht nicht verkehrt, mal zu schauen, ob in der Gegend jemand vermisst gemeldet wurde.“
„Wir wissen doch gar nicht, von wann diese Nachricht stammt“, hielt sie ihm entgegen.
„Dann müssen wir sehr großzügig suchen. Wozu gibt es das Internet und seine Möglichkeiten.“
„Da bist du in deinem Element, habe ich Recht?“, sie sah ihn lächelnd an.
„Merkt man das?“ Markus grinste zurück.
Sie erreichten wieder belebtere Gefilde und Passanten kamen ihnen entgegen. Sie registrierten es kaum. Irgendwie hatte eine seltsame, fast naiv kindliche Begeisterung beide erfasst. Sie waren unversehens darin verstrickt, einen Plan zu schmieden.
„Kaffee?“, schlug er vor und deutete auf ihr Café. Sie sah ihn schelmisch lachend an.
„Hab ich nicht gesagt, eine Strandwanderung hilft, den Kopf klar zu kriegen?“
Er stimmte grinsend zu und hielt ihr die Tür auf.
Schon ein ziemlicher
Muffel, dein Prot. *zwinker*
Wenn Du aus dem Mienenfeld (klasse Wortschöpfung!!!) noch
Minenfeld machst, ist es perfekt.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
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Danke für den Hinweis. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Fehler schon korrigiert habe, aber mein iPad kennt es offenbar nur mit ie.
Ja, Markus ist schon etwas speziell. Selbstzweiflerisch einerseits und selbstverliebt andererseits. Er ist so ein wenig mein Ebenbild, nur etwas auf die Spitze getrieben.
Aber die Handlung der Geschichte ist reine Fiktion.
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*******2001 Mann
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Begegnungen 7
Teil 7 endete:
Er stimmte grinsend zu und hielt ihr die Tür auf.
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Das fahle Licht des Displays ließ sein Gesicht ernst und alt aussehen. Seit über einer Stunde saßen sie vor dem Laptop auf der Suche nach irgendeinem Hinweis, zu welcher Reederei das Logo auf dem Papier gehören könnte. Bisher ohne Erfolg. So ziemlich alle Fährverbindungen nach Skandinavien hatten ihren Ausgangspunkt von der Ostsee. Hier im Westen an der Nordseeküste gab es fast ausschließlich Fähren zu den Inseln und Halligen.
Katja nahm die randlose Brille ab und rieb sich die schmerzenden Augen. Es hatte keinen Sinn, weiter nach diesem verblassten und verwaschenen Bildchen zu suchen. Vielleicht, überlegte die Frau und unterdrückte ein Gähnen, war es auch am besten so. Wenn sich die Spur in der Zeit verlor, blieb alles vage und es gab keine bösen Überraschungen.
Markus hingegen schien fast besessen von der Idee, dem Absender der Flaschenpost auf die Spur zu kommen.
Katja erhob sich, machte den Rücken gerade und stöhnte kurz auf. Ihr waren die Beine eingeschlafen und ihre Bandscheiben protestierten gegen die andauernde Zwangshaltung.
Markus sah auf, drehte sich zu ihr um.
„Ist anstrengend, oder? Ruh dich ein wenig aus.“ Er deutete auf das Sofa hinter dem Tisch.
„Wir sollten für heute Schluss machen. Morgen ist auch noch ein Tag“, entgegnete sie. Sie stand hinter ihm, die Arme unter dem Busen verschränkt. Ihr Blick lag auf seinem Rücken. Sie war sich unschlüssig, was diesen Mann anging. Der Kuss schien ihr eine Ewigkeit her und die Erinnerung daran blieb seltsam blass. Die Stunde im Café jedoch geisterte ihr im Kopf umher. Er war ein sehr amüsanter Erzähler, er war charmant, fast ein wenig altmodisch und auf eine seltsam zurückhaltende Weise zärtlich. Er hatte die etwas störende und irgendwie bezeichnende Angewohnheit, sich für scheinbare Nebensächlichkeiten zu entschuldigen. Er war niemand, den man sich als Schriftsteller vorstellen konnte, bis man mit ihm bei einem Milchkaffee in einem fast leeren Café saß und ihm zuhörte. Katja hatte bislang nicht gewusst, dass sie so gut und entspannt zuhören konnte.
Was würde geschehen, wenn sie sich jetzt über ihn beugte? Sie wusste es nicht und eigentlich war sie zu müde und erschöpft, um der Versuchung nach zu geben, es heraus zu finden. Sie setzte sich auf das Sofa, wie er ihr vorgeschlagen hatte. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und genoss die Stille. Vor sich nahm sie die spärlichen Geräusche seiner Bewegungen wahr. Plötzlich begann eine tiefe Ruhe von ihr Besitz zu ergreifen. Ehe sie recht wusste, was es war, breitete sich dieses Gefühl in ihrem Brustkorb aus: Behaglichkeit. Wie selbstverständlich ließ sie sich zur Seite umsinken, zog die Beine an und lag, die Hände unter der Wange, fast wie ein Kind. Sie sah den Lichtkreis der Schreibtischlampe, die wechselnde Helligkeit des Computerdisplays und hörte manchmal das zirpende Klicken der Maus in seiner Hand.

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Er breitete die Decke über ihr aus, drückte die Ränder sacht hinter ihrem Rücken gegen die Sofalehne. Seine Bewegungen waren sanft und ruhig, seine Berührungen spärlich, bemüht, sie nicht zu wecken. Seine Augen schimmerten silbrig im Licht der Schreibtischlampe und als er sich aufrichtete, hätte Katja sein seltsames Lächeln wahrnehmen können. Aber sie schlief. Sie hatte ein wenig den Mund offen und ihr Atem erzeugte einen kleinen, anheimelnden Ton. Markus stand im Raum, sah auf die Frau hinunter und hatte die Hände in den Taschen vergraben. Schließlich riss er sich los, schlich auf Zehenspitzen hinüber zum kleinen Bad, zog die Tür langsam ins Schloss. Er zog sich aus, ließ nur eben so viel Wasser laufen, um sich zu waschen und die Zähne zu putzen. Die Sachen über dem Arm schlich er zurück ins Zimmer. Sie hatte sich inzwischen auf die andere Seite gedreht und die Decke war verrutscht. Er schlich hinüber, deckte die Frau noch einmal zu, löschte das Licht und legte sich in sein Bett. Er lag auf dem Rücken, starrte zur Decke, an der sich Lichtreflexe von draußen leise bewegten. Er würde noch lange so wach liegen müssen, dachte er angestrengt. Wenn er einschlief, würde er die Frau mit seinem furchtbaren Schnarchen sofort nicht nur wecken sondern auch in die Flucht schlagen. Seine Gedanken kreisten um den Tag, um den Streit am Strand, um diesen Kuss, für den er sich entschuldigen wollte und die Umarmung, an die er sich mit einer Mischung aus Scham und Erregung erinnerte. Was hatte er sich dabei gedacht, die Frau einfach in den Arm zu nehmen, nachdem er sie so angeherrscht hatte? Musste die Umarmung nach seinem Geständnis nicht wie Hilflosigkeit gewirkt haben? War er nicht tatsächlich hilflos und aufgewühlt gewesen? Plötzlich mit der Erinnerung konfrontiert und der Erkenntnis, dass ein Jahr nicht ausreichend sein konnte, die Verwirrung, die Scham und die Trauer in die Schranken zu weisen.
Er spürte den Schlaf kommen und versuchte ihn abzuwehren, ohne Erfolg.

Der Morgen graute mit dem Geheul eines kräftig aufkommenden Windes vor dem Balkonfenster herauf, als Katja erwachte. Ihr war kalt, die Decke lag neben dem Sofa auf dem Boden. Vom Bett her war der schwere Atem des Mannes zu hören, ab und an unterbrochen von ein paar stotternden Schnarchtönen. Sie fühlte sich zerschlagen und desorientiert, außerdem musste sie dringend aufs Klo. Mühsam kam sie vom Sofa hoch, tastete sich im farblosen Dämmer vorsichtig zur Badtür. Sie vermied es, Licht zu machen, erleichterte sich noch immer leicht benommen und drückte die Taste des Spülkastens nur ganz kurz.

Wieder im Zimmer stand sie und sah sich um. Was sollte sie tun? Der Gedanke, sich wieder auf das etwas durchgesessene Sofa zu legen, löste wenige Begeisterung aus. Der Gedanke, die Schuhe anzuziehen, die Jacke vom Haken zu nehmen und klammheimlich das Zimmer zu verlassen kam ihr in den Sinn. Sie hörte Regen gegen das Fenster prasseln und die atonalen Geräusche des Windes. Nein, in dieses Wetter würde sie jetzt nicht hinaus gehen.

Blieb die leere Seite des Bettes. Ihr Denken umkreiste diese Möglichkeit wie eine Katze den heißen Brei. Eine winzige, vorwitzige Erregung stahl sich in den Gedanken und machte aus der Möglichkeit Wahrscheinlichkeit.
Katja zog sich Bluse und Hose aus, legte sie sacht und zögernd auf das Sofa. Die geringelten Socken folgten. Dann atmete sie tief ein und schlich hinüber zum Bett. Sehr vorsichtig hob sie einen Zipfel der Bettdecke an und ließ dabei den dunklen Fleck auf der anderen Seite nicht aus den Augen, von dem sie annahm, es sei Markus Kopf. Sie schob sich langsam unter die Decke. Das Bett machte ein sachtes Geräusch, als sie sich ganz hinein gelegt hatte. Sie schickte einen verwünschenden Blick zur Decke und musste gleichzeitig grinsen. Da lag sie nun und plötzlich war sie hellwach. Sie atmete flach, weil sie befürchtete, er könnte sie so dicht neben sich atmen hören und erwachen. Sie dachte es und sie dachte gleichzeitig: warum wird er nicht endlich wach?
Er war wach, seit sie sich ins Bad geschlichen hatte. Er selbst fürchtete in diesem Moment, sie könnte das Hämmern seines Herzens hören und spüren, dass er wach war und dass der Gedanke, dass sie da neben ihm lag, ihn in heillose Verwirrung und Erregung stieß.

Am Ende hatten irgendwie beide den gleichen Gedanken, denn ihre Hände trafen sich jeweils auf halbem Weg. Der Tag begann mit einer neuen Begegnung.
„Ist dir kalt“, fragte er flüsternd und sie nickte. Er hob seine Decke etwas an und streckte den rechten Arm aus. Sie zögerte kurz, schluckte und spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Dann rückte sie zu ihm hinüber.
Sie lag in seiner Armbeuge und er deckte sie sorgsam zu. Seine rechte Hand lag auf ihrem Oberarm, sein Daumen streichelte sacht ihre nackte Haut. Zwischen ihren Körpern war eine Handbreit Raum; so eine Art entmilitarisierter Zone, die in den Momenten, die vergingen, während beide auf den Atem des anderen lauschten, eine fast magische Sogwirkung entfaltete. Katja stieß in Gedanken den Satz aus: Wir sind doch keine Kinder mehr!
Dann drehte sie sich ihm zu, legte ihre linke Hand auf seine Brust. Er nahm ihr Gesicht in seine linke Hand, seine Fingerspitzen berührten ihre Schläfe und sein Daumen strich ihr sacht über die Lippen. Dann beugte er sich vor und küsste sie. Endlich berührten sich ihr Leiber, ganz wenig nur. Katja spürte das Brennen seiner heißen Haut auf ihrer kühlen und einen Moment verschwammen ihre Gedanken.
Er legte sich wieder zurück. Seine Hand an ihrem Arm erstarb. Sie hatte ihre Hand noch auf seiner Brust und sie spürte seinen Atem, ja sogar den Herzschlag.
„Was ist?“, fragte sie schüchtern.
„Wir sollten uns Zeit lassen, Katja“, sagte er heiser.
„Zeit womit?“, trieb sie es auf die Spitze.
„Du weißt, womit. Lassen wir alles, wie es jetzt ist.“
„Okay. Dann sollte ich jetzt wohl in mein Hotel gehen, oder?“, fragte sie zwischen Provokation und Enttäuschung.
„Es regnet, es ist stürmisch. Hier ist es warm und friedlich. Du kannst es dir aussuchen. Wir sollten einfach noch etwas schlafen.“
Katja rückte auf ihre Seite des Bettes, wo es leider nicht annähernd so warm war wie neben Markus. Aber Katja rang mit sich und seiner offensichtlichen Vernunft. Sie glaubte fast, er hätte sie zurück gewiesen, sie wäre ihm nicht attraktiv genug und außerdem zu widerspenstig.
‚So bin ich halt!’, sagte der schnippische Teil in ihr und sie zog die Decke bis unters Kinn hoch.
Markus lag wie versteinert aber in seinem Innern tobte es gewaltig.
‚Warum?’, keifte seine Erregung fassungslos und pochte hartnäckig und fast schmerzhaft in seinem Unterleib.
‚Ich will es nicht kaputt machen!’, versuchte seine von Romantik und Gefühl verklärte Vernunft sich zu rechtfertigen und fühlte sich nicht ganz und gar im Recht. Aber Markus kannte sich zu gut. Es konnte gut sein, dass schließlich nichts anderes übrig blieb als diese animalische Gier. Er hatte das zu oft erlebt und er hasste dieses Gefühl. Langsam, nur sehr langsam wurde sein Puls ruhiger.
Eine Weile verbrachten beide damit, den Atem und die Bewegungen des Anderen zu beobachten. Dann wurden die Atemzüge langsam tiefer, zuerst bei Katja dann auch bei Markus.
It´s me!
*********ld63 Frau
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Teil 7
... hat mich gerade sehr berührt. Ich mag deine behutsame, langsame Art des Erzählens. Du zoomst den Leser sehr nah in die Koepfe deiner Protagonisten. Ich empfinde es als sehr authentisch.

Bei Teil 6 fand ich den Dialog zu langatmig, bzw. dieses sich aneinander Reiben der Protagonisten übertrieben.

Aber insgesamt spannend zu lesen!
Ich kann Into
nur zustimmen!
Allerdings gehört für mich das etwas Holprige, Widerspenstige auch zum Authentischen dazu. So wie jetzt das Einfühlsame und zögerlich Nahe.

Klasse!
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank für das Feedback
an euch beide.
Der Eindruck von Into ist vielleicht nicht so ganz verkehrt. Als ich diesen Dialog schrieb, gab es die Idee für den Roman noch gar nicht und ich schrieb die Geschichte ein wenig in Blaue. Die Unterhaltung sollte aber schon den Spannungsbogen zwischen beiden noch verstärken. Ich bin davon ausgegangen, dass eine Frau Anfang Fünfzig und eine Mann kurz vor dem Sechzigsten nicht störungsfrei zu einander finden. Ihre Erlebnishintergründe und Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Sie stehen beide an Kreuzungspunkten ihres Lebens. Beide sind in sich auch auf verschiedene Weise gebrochen, was sie empfindsam aber auch empfindlich macht.
Die Überspitzung des Gerangels zwischen den beiden ist eine Gratwanderung. Jeder Streit kann das Ende der sich anbahnenden Beziehung bedeuten, bevor sie recht begonnen hat. Das sich Herantasten, das vor Konsequenzen Zurückschrecken und die eigene Unsicherheit überwinden, das war das Spannende, das ich ausreizen wollte, ohne dass es unglaubwürdig wird. Es muss für den Leser immer noch nachvollziehbar genug Gründe geben, warum die zwei doch wieder mit einander reden.
Kann sein, ich bin an der einen oder anderen Stelle übers Ziel hinaus geschossen. Vielleicht ist es auch ratsam, die Geschichte von beiden früher näher zu beleuchten, aber ich fand es eigentlich reizvoller, dass der Leser immer nur wenig mehr weiß als der jeweilige Gegenpart der Protagonisten. Das hält die Spannung hoch. Oder wie seht ihr das?

Schön, dass aber die Geschichte insgesamt angenommen wird. Das freut mich. Noch schöner wäre allerdings, wenn ich noch ein zwei Stimmen mehr bekommen könnte. *zwinker*
Wie schon
von mir geschrieben:
Deine Story und die Schreibe passen zusammen und sind emotional dem jeweiligen Befinden der Protagonisten angepasst. Das macht deine Geschichte so authentisch.
Ich habe zum Glück gelernt auch für sperrigre Stile oder Abschnitte die Geduld aufzubringen. Ich finde, es lohnt sich.
Das rundum gefällige Schreiben wird mir eher mit der Zeit langweilig.
Was mir im letzten Abschnitt aufgefallen ist, war der etwas chaotische und häufige Wechsel der Protagonisten-Sicht. Allrdings passt auch das ganz gut zur Dynamik in dieser speziellen Situation.
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
das Chaos
ist ein wenig den Eigenarten des Postens im JC-Therad geschuldet. Ich werde immer wieder gebeten, den Text durch häufige Absätzen besser lesbar zu machen. Dem versuche ich, gerecht zu werden. Dadurch gehen aber die tatsächlichen Absätze (Perspektivwechsel) ein wenig unter und sorgen für Verwirrung. Ich muss mir wohl angewöhnen, mit Trennzeichen zu arbeiten, dass es klarer wird.
Die Wechsel selbst sind für mich so etwas viodeartig schnell geschnittene Schlaglichter auf die Szene in Markus' Zimmer. Ich wollte es noch immer spannend machen: Bleibt es dabei, dass sie auf der Couch schläft? Wie wird er sich verhalten, wenn sie sich neben ihn legt? Kommt es zum zu erwartenden "Zusammentreffen"?
Der Spaß war für mich, glaubhaft zu machen, dass er ihrem Versuch, ihn zu verführen, widersteht, weil er fürchtet, er könnte das Verhältnis zu ihr dadurch beschädigen, weil er sich selbst kennt. Vielleicht wird für den Leser nicht klar genug, dass da ein Mann liegt, der vermutlich unter Sexsucht leidet (kann man das wirklich sagen? Ich denke schon) und die sich entwickelnde Beziehung zu der Frau, die ihn sehr berührt, durch die Sucht und ihre Folgen nicht gefährden will. Das Thema wird die Geschichte begleiten.
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Ich lese erst mal einfach nur als stiller Beobachter mit und warte noch ab mit einem Kommentar. Doch allein schon die Tatsache, dass ich immer noch mitlese, darf als eine Art vorsichtiges Kompliment gewertet werden.

(Der Antaghar)
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
Begegnungen 8
Teil 7 endete:

Dann wurden die Atemzüge langsam tiefer, zuerst bei Katja dann auch bei Markus.
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Als Katja das nächste Mal wach wurde, tanzten Sonnenreflexe über die Decke und es war heller Tag. Es schien noch immer ein kräftiger Wind zu gehen, aber der Regen hatte aufgehört und es versprach, ein wunderschöner Tag zu werden. Sie sah zur Seite und fand Markus Seite des Bettes leer. Wieder kam eine leichte Enttäuschung in ihr auf, aber die hielt nicht lang an. Sie schlüpfte aus dem Bett, lauschte, wo sich ihr Gastgeber wohl befinden könnte und als sie nichts hörte außer ein paar entfernten Kinderstimmen, huschte sie ins Bad. Sie verriegelte die Tür, entledigte sich ihrer Unterwäsche und duschte ausgiebig. Das Duschgel hatte einen schönen, herben Duft und Katja kam ein wenig ins Träumen, aber dann rubbelte sie sich ordentlich trocken.

Sie fand sogar – oh Wunder – eine Flasche mit Körperlotion, die offenbar auch bereits benutzt worden war. Für ein paar Minuten spekulierte sie darüber, dass sie vermutlich nicht die erste Frau in diesem Zimmer war, die sich nach dem Duschen eingecremt hatte, aber sie verwarf den Gedanken rasch und schimpfte sich im Stillen ein verdorbenes Weibsstück.
‚Warum eigentlich verdorben?’, überlegte sie gleich darauf beim Kämmen vor dem Spiegel, ‚Er ist ein erwachsener Mann, der Urlaub macht und ungebunden ist. Warum soll der nicht eine Urlaubsbekanntschaft mit aufs Zimmer nehmen, wenn es sich ergibt?’
Sie erinnerte sich der vergangenen Stunden und ihr kamen Zweifel. Irgendwie war dieser Mann nicht so ein Bruder Leichtfuß. Wobei nicht jeder Mann, der die Chance auf einen Urlaubsflirt nutzte, gleich ein leichtsinniger Mensch sein musste...
Sie seufzte bei dem Gedanken und verdrehte komisch die Augen, grinste schelmisch.

Dann schloss es an der Tür und Markus kam herein. Er balancierte ein Tablett mit Kaffeekännchen, Tellern, Tassen und zwei Frühstückseiern in niedlichen Eierbechern. Der Duft von frischem Kaffee breitete sich verlockend im Zimmer aus.
„Na, noch gut geschlafen?“, erkundigte er sich fast beiläufig, beugte sich zu ihr herüber und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann deckte er den kleinen Tisch vor dem Sofa, deutete auf den Sessel und ließ sich auf dem Sofa nieder. Sie sah ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Amüsement hantieren und schüttelte lachend den Kopf.
Er sprang noch einmal auf, holte eine Tüte mit Brötchen, die er draußen auf dem Flur vor der Tür abgelegt hatte um aufzuschließen.
„Das ist mal eine Überraschung!“, sagte sie schließlich und ließ sich in den Sessel plumpsen.
Sie frühstückten und redeten kaum. Katja beobachtete ihn verstohlen und wurde nicht schlau aus seinem Gesicht, seiner aufgeräumten Art. Was war davon echt?
„Ich habe gestern noch eine interessante Sache gefunden“, begann er, nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken hatten.
„Während ich dir auf dem Sofa was vorgeschnarcht habe“, sagte sie und zog die Nase kraus.
„Na ja, ich bin solche Arbeit gewöhnt, du sicher nicht. Da fällt mir ein, was bist du eigentlich von Beruf? Haben wir drüber gesprochen und ich hab’s schon wieder vergessen?“
„Nein, wir haben noch nicht drüber gesprochen. Wir reden die ganze Zeit nur über die Flaschenpost“, entgegnete sie und lehnte sich im Sessel zurück. Ja, sie wusste, dass in dieser Haltung ihre Brüste besonders zur Geltung kamen.

„Nicht die ganze Zeit!“, widersprach er lachend und schüttelte einen Zeigefinger, „Wir haben auch darüber gesprochen, dass ich als armer Poet demnächst unter der Brücke werde schlafen müssen.“
„Und dass du meinen Eindruck von dir dringend korrigieren musst.“
„Ich dachte, das hätte ich bereits?“, sagte er und endlich sah er sie in dieser legeren Haltung halb im Sessel liegen.
„Und du hast gedacht, das reicht?“ Katja wusste, dass sie kokett klang und sie wusste um die Wirkung ihrer Augen.
„Bei Gelegenheit denke ich über ein weiteres Update nach.“
„Ach, Markus 2.0?“
„Oh, ich denke, ich bin inzwischen bei Version 5.0“, sagte er und schmunzelte, „Alle zehn Jahre ein Upgrade, das ist doch nicht schlecht, oder?“
„Hochstapler. Du hast gesagt, du wärst schon neunundfünfzig!“, sagte sie und drohte ihm schelmisch mit dem Finger.
„Dann ist das nächste Update auch erst in einem Jahr, Frau Riemer!“, trumpfte er auf. Sie lachte, ihre Augen blitzten. Er stand auf, war mit drei Schritten um den Tisch herum und beugte sich zu ihr herunter.
„Du flirtest mit mir, das ist nicht fair“, sagte er, das Gesicht auf Kussweite vor ihrem. Sie schlang einen Arm um seinen Nacken und zog sein Gesicht näher. Ihr Kuss schmeckte nach Kaffee und Urlaub.
„Was ist daran denn nicht fair?“, fragte sie lächelnd und ihre Augen suchten in seinem Gesicht.
„Wir haben noch Einiges zu tun“, erklärte er und seine Stimme klang etwas kehlig, als habe er einen Kloß im Hals.

„Was gibt es den Wichtigeres?“, wollte sie wissen. Sie spürte ihren Puls im Hals und noch an anderer Stelle, was sie ihm aber nicht sagen konnte. Ist dieser Kerl aus Holz?
„Wir spielen Detektiv, das ist wichtiger.“ Er richtete sich auf, sein Gesicht war etwas gerötet und er atmete etwas schneller. Sie hätte meinen können, es käme von der gebeugten Haltung, aber irgendwie wusste sie es besser. Sie hielt seine Hand fest und legte sie sich auf die linke Brust. Er schloss kurz die Augen.
„Was ist los mit dir?“, fragte sie leise und lockend.
„Du hast keine Ahnung, was passiert, wenn wir damit erst anfangen“, sagte er nur, nahm die Hand fort und drehte sich von ihr weg.
„Ich bin zwar ein paar Jahre jünger als du, aber so ganz unerfahren bin ich dann doch nicht. Ich weiß schon, was die Erwachsenen so machen“, erklärte sie, das eine Auge etwas zugekniffen und das Mona-Lisa-Lächeln um den schönen blass roten Mund.
„Ja, ich weiß, Katja, aber bitte, lass uns noch ein bisschen Zeit.“
„Du, aber achtzehn bin ich nun auch nicht mehr! An wie viel Zeit hast du denn so gedacht?“
Er grinste, aber seine Augen schauten ein wenig flehend.
„Ein wenig.“
„Okay“, sagte sie und sah auf die Armbanduhr.

„Also los. Ich habe ein Logo im Internet gefunden, das unserem gleicht. Es ist keine Fährreederei, es ist eine Fischfang-Genossenschaft. Ich habe denen eine Mail geschickt. Da müssen wir heute noch hin.“
„Das ist nicht dein Ernst!“, entfuhr es ihr.
„Doch. Das ist doch ein Anfang, oder nicht?“ Er strahlte sie an, sah ihre Skepsis und das Lächeln verwelkte.
„Und was willst du bei denen konkret machen? Ihnen die Nachricht zeigen und fragen: Haben Sie den Kerl gekannt, der das geschrieben hat?“
„Zum Beispiel. Vielleicht erinnert sich jemand zufällig daran. Immerhin kann es sein, dass er die Flasche unter Zeugen ins Meer geworfen hat!“ Markus klang so ungeduldig und aufgeregt, dass er ihr fast leid tat. Sie zog seufzend die Schultern hoch, richtete sich im Sessel auf und klatschte sich auf die Oberschenkel.
„Detektiv spielen. Du hast keine Ahnung, wie die Leute hier drauf sind, wenn es um Touristen geht. Die werden dir einen Vogel zeigen, mehr nicht.“
„Mir vielleicht, aber dir nicht. Immerhin bist du quasi eine Einheimische.“
„Woher willst du das denn wissen?“, fuhr sie auf. Ihr Gesicht nahm einen sehr aufmerksamen Ausdruck an.
„Ich habe beim Detektivspielen schon eine Runde Vorsprung“, sagte er.
„Du hast mich ausspioniert? Das ist nicht dein Ernst!“ Sie sprang auf.
„Du hättest einfach nur fragen brauchen“, fauchte sie. Ihre Augen sprühten beinahe Funken.
Sie ging an ihm vorbei, schob ihn tatsächlich etwas aus dem Weg.
„Katja, was ist denn los?“, rief er verständnislos.
„Spiel du nur weiter Detektiv!“, rief sie, dann fiel die Tür hinter ihr unsanft ins Schloss.
„Scheiße!“, presste er hervor, schlug sich die Faust in die Linke, „Du Vollidiot!“

-------

„So ein Idiot!“, schimpfte Katja halblaut vor sich hin, als sie mit schnellen Schritten den kleinen Empfang der Pension durcheilte. Der ältere Mann mit der Lesebrille auf der Nase sah von der Rezeption auf und seine Augenbrauen schoben sich missbilligend zusammen.
„Sie doch nicht!“, rief Katja ihm im Vorbeigehen barsch zu. Das machte es nur wenig besser, aber das war ihr im Moment egal. Sie pflegte ihre Empörung mit der ihr eigenen Inbrunst.
Die Sonne begrüßte sie und der Wind fuhr ihr ungestüm durchs Haar, fast wie ein leidenschaftlicher Geliebter. Woher wollte sie das wissen, wie sich das anfühlte? Sie hatte in den letzten Jahren eine Menge Tristesse erlebt und noch vor ein paar Monaten schien das Thema Sex für sie durch gewesen zu sein. Ihr letzter leidenschaftlicher Geliebter war ein Junge gewesen. Da war sie selbst noch keine zwanzig. Kinder, wo war die Zeit geblieben?

Katja blieb auf dem Weg zu ihrem Hotel plötzlich stehen, sah sich um, sah die Menschen, die Geschäftigkeit um sie herum und schüttelte erstaunt den Kopf. Was passierte hier mit ihr? Warum fühlte sie sich gerade auf seltsame Weise fremd?
‚Weil du dich gerade wie eine alberne Pute benommen hast!‘, klärte ihr Verstand sie mit deutlichem Sarkasmus in der Stimme auf. Katja schüttelte innerlich heftig den Kopf.
‚Er hatte kein Recht dazu, in meinem Leben herum zu schnüffeln! Was bildete er sich eigentlich ein?‘
Nichts. Natürlich nicht.
Ihre Wut bekam Risse, fühlte sich plötzlich schal und sinnlos an. Katja setzte sich ratlos und schwankend auf eine Bank, zog vor dem Wind die Jacke vor der Brust zusammen und blinzelte in den Himmel, über den Wolkenschiffe landeinwärts getrieben wurden.
‚Eigentlich bist du nur sauer, weil er nicht mit dir versucht hat zu schlafen!‘ , rieb ihr diese ironische Stimme in ihrem Kopf mit hörbarem Genuss hin.
„Er hat es nicht einmal versucht!“, sagte sie trotzig halblaut vor sich hin, nahm ihre eigene Stimme wahr und schaute sich erschrocken um. Niemand hatte Notiz davon genommen, dass sie mit sich selbst sprach. Die Menschen hatten mit sich selbst und ihrem Urlaub genug zu tun.
‚Was wäre gewesen, wenn er es versucht hätte? Wärst du drauf eingegangen? Was wäre daraus dann wohl geworden?‘
„Was weiß ich denn!“, rief sie der Stimme in Gedanken ungeduldig zu. Sie begann sich für ihre Selbstgerechtigkeit, ihren Eigensinn und diese unselige Art, erst zu handeln und dann zu denken, zu hassen. Das schlechte Gewissen hakte sich hinter ihrer Stirn fest.

Seufzend erhob sie sich und setzte ihren Weg zum Hotel fort. Es hatte keinen Sinn, der verpassten Gelegenheit hinterher zu trauern. Sie machte sich nichts vor, was immer sie erwartet hatte, sie hatte es selbst verbockt.
„Wer weiß, wofür es gut war“, sagte sie halblaut zu ihrem Spiegelbild, als sie die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. Es fühlte sich nicht tröstlich an.
Sie wechselte die Kleidung, sie genehmigte sich ein Stück Zartbitterschokolade, sah sich in ihrem Tablet die letzten Mails an. Nichts, das ihre Stimmung hätte heben können.
Sie legte sich aufs Bett, las den Frauenroman, den sie sich extra für den Urlaub gekauft hatte. Drei Seiten las sie mit einigem schmunzelnden Vergnügen, aber dann begannen die Buchstaben vor ihren Augen zu verschwimmen. Sie legte das Buch zur Seite, schloss die Augen. Im Wegdämmern sah sie vor sich Markus, wie er sich über sie beugte, spürte den sachten Kuss auf ihren Lippen. Sie schlief ein, ein Lächeln auf den schönen, etwas geöffneten Lippen.

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Er trat wie selbstverständlich an ihren Tisch, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Wange. Dann zog er den Stuhl vom Tisch ab und setzte sich. Sie sah ihn überrascht und ein klein wenig unwillig an. Die asiatische Ostfriesin kam zu ihm und er bestellte Kaffee.
„Ich weiß nicht, was du für ein Problem hast, Katja“, sagte er, als hätten sie ihr Gespräch gerade erst unterbrochen, „Ich habe nicht in deiner Handtasche geschnüffelt, habe deine Sache nicht einmal angerührt. Ich habe nur deinen Namen in die Suchmaschine eingegeben, das war alles. Wenn du nicht willst, dass man auf diesem Weg etwas über dich erfährt, dann darfst du auch keine Informationen im Internet preisgeben. So einfach ist das.“
Er klang sehr sachlich und fast unterkühlt. Er schob ihr den zusammengefalteten Zettel über den Tisch, die Flaschenpost.
„Das gehört dir“, sagte er überflüssigerweise. Dann sah er ihr endlich ins Gesicht. Sie zog mechanisch das Blatt Papier von der Tischdecke und stopfte es in ihre Tasche, die neben ihr über die Stuhllehne baumelte.
„Ich mag es nicht, wenn man etwas über meinen Kopf hinweg entscheidet, mich nicht nach meiner Meinung fragt. Das hatte ich weiß Gott lange genug.“

„Mit dem habe ich nichts zu tun. Ich bin eine Ostpflanze, schon vergessen? Wir sind alle verdammte Atheisten.“ Sie sah ihn für einen Moment fragend an. Dann verstand sie und sie wusste für ein paar Augenblicke nicht, ob sie ihm für diesen platten Scherz böse sein sollte. Sie kniff das eine Auge etwas zusammen und da war es wieder, dieses Mona-Lisa-Lächeln.
„Okay, ich bin wohl etwas zu empfindlich in der Beziehung“, räumte sie nach kurzer Pause ein.
„Das denke ich auch“, bestätigte er leichthin und lächelte. Trotzdem hatte sie ein seltsam fremdes Gefühl. Ein Gefühl, das sie traurig machen wollte, so als hätte sie gerade gemerkt, dass sie ihren Lieblingsring verloren hatte und sich nicht erinnern konnte, wo.
„Ich habe den Fischern geschrieben, dass sich die Sache erledigt hat. Das wolltest du doch, oder?“
„Du bist sauer und beleidigt, stimmt‘s?“, entgegnete sie. Sie hörte tief hinten in ihrer Stimme Trotz vibrieren, ganz leise aber mit dieser unberechenbaren Ungeduld.
„Nein, sauer nicht und beleidigt auch nicht. Ich hab nur verstanden, dass ich mich aus deinen Angelegenheiten raushalten soll.“ Er trank seinen Kaffee aus, setzte die Tasse sehr bedachtsam ab und sah sich nach der Bedienung um, hob die Hand.
„Jetzt rennst aber du weg“, sagte sie hastig und griff über den Tisch nach seiner Hand. Sie stieß das Gefäß mit den Zuckertütchen um, das gemächlich aber scheinbar unaufhaltsam in Richtung Tischkante trudelte. Katja sah zu, wie erstarrt. Er fing das Gefäß, stellte es zurück, auch dies sehr sacht.
„Nein. Es ist doch alles gesagt, oder?“
„Sauer und beleidigt! Sag ich doch. Ich kenn das von mir! Ich bin Expertin darin!“ Sie lächelte und ihre Hand lag warm und freundlich auf der seinen. Er zog sie nicht weg.
„Wenn dir so viel an der Sache liegt, Markus, dann lass uns Detektiv spielen. Fahren wir rüber zu dieser Insel. Ich weiß nicht, was du dir davon versprichst, aber bitte. Ich komme mit.“
„Es ist deine Flaschenpost, nicht meine. Ich wollte doch nur helfen.“
„Oller Sturkopp!“
„Danke, gleichfalls.“

Sie zahlten und standen unschlüssig vor dem Café. Der Wind hatte nachgelassen und es war ein schöner, freundlicher, träger Nachmittag.
Ihre Hand kroch in seine, sie stand vor ihm, einen halben Kopf kleiner, sah zu ihm auf.
„Jetzt lass dich nicht länger bitten“, sagte sie und war sich auf einmal der Vieldeutigkeit dieser Aussage bewusst. Sie lächelte und die andere Hand kroch in seine zweite Hand. Sie zog ihn etwas näher und er folgte ihr bereitwillig. Sie küssten sich und diesmal schien es sehr richtig zu sein.
„Verzeihung“, sagte eine amüsiert klingende Frauenstimme hinter ihnen. Sie ließen von einander ab, lachten, gingen aus dem Weg und die Frau, sie mochte Ende zwanzig sein, bedankte sich mit einem wunderbaren Lächeln, zog ihren Freund hinter sich.
„Das ist Liebe…“, hörte Katja sie noch sagen und wurde plötzlich verlegen und rot.
„Hast du gehört? Sie hält uns für ein Liebespaar!“, sagte er und deutete mit dem Kopf hinter dem Pärchen her.
„Immer langsam mit den jungen Pferden!“, entgegnete sie, grinste und hakte sich bei ihm ein.
„Wohin?“
„Zu mir“, sagte sie mit einem kleinen Riss in der Stimme.
„Wie du magst.“
Sie schlenderten in Richtung Hotel.
In der Halle löste sich Katja von ihm.
„Warte hier kurz, ich ziehe mir nur schnell was anderes an. Es kann kühl werden bei der Überfahrt.“ Sie verschwand und er saß auf der Kante des Ledersessels und wusste nicht so recht, was er von dieser Wendung nun wieder halten sollte. Wollte sie nun mit einem Mal doch auf die Insel? Er schüttelte milde lächelnd den Kopf.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, erkundigte sich eine Frau in einem unauffällig eleganten Hosenensemble. Vermutlich die Hotelmanagerin.
„Ich warte hier nur auf Jemanden, danke.“
„Kann ich Ihnen etwas bringen lassen, Kaffee oder eine andere Erfrischung?“
„Nein, vielen Dank, es wird nicht lange dauern, denke ich.“
„Ich hoffe, Sie haben eine gute Zeit bei uns auf der Insel“, sagte sie, deutete eine charmant lächelnde Verbeugung an und zog sich zurück. Er sah ihr nach und beobachtete, wie sie beim Gehen die Hüften schwang, nicht auffällig aber überaus attraktiv.
‚Du solltest dich zusammenreißen, Kellermann!‘, rief ihn seine Stimme aus dem Off zur Ordnung. Er grinste und dachte an diese Endlos-Serien, in denen die Protagonisten das Privileg hatten, endlose Monologe aus dem Off führen zu dürfen, während entweder wahllos Postkartenmotive der manchmal auch nur vermeintlichen Gegend überblendet wurden oder aber die Person beim gedankenverlorenen Schlendern durch den unvermeidlichen Park beobachtet wurde, den Blick ins endlose Nichts gerichtet.
„Wollen wir?“, erkundigte sich Katja.
„Geht denn heute noch eine Fähre?“, fragte er zurück, während er sich erhob, den Rücken durchdrückte und ihre Hand nahm.
„Vertrau‘ mir, Markus. Schließlich bin ich ja quasi die Einheimische!“
Sie zwinkerte ihm zu und sie verließen das Hotel.
It´s me!
*********ld63 Frau
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So langsam nimmt die Geschichte an Fahrt auf! Wow! *spitze*

Gefällt mir richtig gut. Ich mag deinen Erzählstil sehr, das sagte ich ja schon, und gerade wird es richtig spannend, sowohl, was die Beziehungdynamik der beiden angeht, wie auch beim Rätsel um die Flaschenpost... super geschrieben!
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
802 Beiträge
Themenersteller 
Begegnungen 9
Teil 8 endete:
„Vertrau‘ mir, Markus. Schließlich bin ich ja quasi die Einheimische!“
Sie zwinkerte ihm zu und sie verließen das Hotel.
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Sie erreichten die Fähre im letzten Moment und Katja war etwas außer Atem. Sie sah schön aus mit den roten Wangen, den blanken Augen und dem leicht geöffneten Mund. Markus begehrte sie in diesem Moment auf eine geradezu schmerzhafte Weise und war drauf und dran, ihr dies auch zeigen zu wollen. Aber der Moment konnte ungünstiger kaum sein. Sie befanden sich auf einer Fähre, ein paar Leute um sie herum und er hatte die Frau, die ihn so sehr anzog, zum Detektiv spielen überredet. Sie waren auf dem Weg zu einer Nachbarinsel, wo sie die Spur eines wahrscheinlich toten Mannes zu finden hofften. Alles wegen eines verblichenen Stückes Papier in einer halb im Sand vergrabenen Flasche. Beim einmalig schönen Licht über der See betrachtet, eine nachgerade groteske Situation. Warum konnte er jetzt nicht mit dieser schönen Frau durch die Betten toben, mit ihr ein ausgelassenes, sehr verspieltes und zugleich sehr erwachsenes Sinnenfest feiern?

Katja stand an der Reling und hielt ihr Gesicht in den Wind. Die Sonne ließ ihr Gesicht leuchten. Markus sah sie von der Seite an und die Körperlichkeit seiner Sehnsucht nahm ihm fast den Atem. Seine Hände krampften sich um die Metallstange, dass die Knöchel weiß wurden. Sie bemerkte seinen Blick und er schlug die Augen nieder. Sie rückte näher an ihn heran.
„Was ist? Du guckst so...“, Katja suchte nach einem passenden Ausdruck, „...hilfesuchend?“, spekulierte sie.
„Sieht man das so deutlich?“, fragte er mit schiefem Grinsen.
„Man sieht es nicht nur“, flüsterte Katja gegen seinen Arm, „man spürt es auch. Ich spüre es.“
Markus wurde rot. Er konnte es nicht verhindern. Sie sah schräg zu ihm hoch und lächelte.
„Guck mich nicht so an“, bat er, „das ist mir jetzt richtig peinlich.“
„Oh mein Gott, du bist ja regelrecht verklemmt! Was ist bloß los mit dir?“
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie gierig. Sie schnappte gleich darauf nach Luft, schüttelte den Kopf und lachte.

„Reicht!“, sagte sie.
„Siehst du, so bin ich“, sagte er und es klang schon wieder entschuldigend.
Sie schmiegte sich zurück in seinen Arm.
„Es fühlt sich gut an, Markus. Du brauchst dich dafür doch nicht zu entschuldigen!“
„Klingt das schon wieder so?“, fragte er versonnen, „ich werde das offenbar nie mehr los.“
Plötzlich hatte Katja das beklemmende Gefühl, vor ihr hätte sich für einen Moment eine drohend schwarze Öffnung gezeigt, wie ein Strudel unter der glatten Oberfläche eines Wassers. Sie war sich durchaus nicht sicher, ob sie wissen wollte, was es damit auf sich hatte. Sie hatte ein gutes Gefühl bei diesem Mann, aber sie wollte nicht über Probleme nachdenken müssen. Es musste auch ohne gehen. Sie fand, sie hätte es sich verdient.
„Spielen wir erst mal Detektiv, ja? Über den Rest reden wir später.“
„Du hast recht“, sagte er abschließend und streichelte ihren Rücken. Ein gutes Gefühl, das sich in ihr ausbreitete und sie schmunzeln ließ. Nur sie wusste, wie gut.

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Sie fuhren mit seinem Wagen und verpassten die Fähre nach Baltrum nur um fünf Minuten. Es war ärgerlich und beide saßen schweigend im Auto, um Fassung bemüht.
„Das war die letzte für heute“, sagte Katja zum zweiten Mal.
„Ja. Hast du schon gesagt. Was machen wir jetzt?“ Er sah zu ihr hinüber.
„Weiß ich doch nicht!“, rief sie milde ungeduldig zurück.
„Gibt’s denn keine andere Möglichkeit, da rüber zu kommen? Können wir ein Boot mieten, so was wie ein Taxi, nur halt auf dem Wasser?“
„Glaube ich nicht“, sagte sie unentschieden.
„Glaubst du, oder weißt du?“
„Ich weiß es nicht, Markus! Steig aus und frag jemanden, wenn es dir so wichtig ist!“
‚Ist es dir denn nicht wichtig?’, lag ihm auf den Lippen, aber er verkniff sich die Frage. Er fürchtete ein wenig die Antwort. Stattdessen öffnete er die Fahrertür und stieg aus, beugte sich dann zurück in den Wagen.
„Was ist, kommst du mit?“
Katja seufzte kurz auf und stieg dann ebenfalls aus. Ihr Spaß am Detektiv spielen hielt sich eindeutig in Grenzen. Außerdem hatte sie Hunger.
„Es gibt hier eine Wattführerfamilie, sagt die Suchmaschine“, erklärte er, während er vor ihr her über den Parkplatz lief. Sie kam sich ein wenig blöd vor, so hinter ihm her zu traben und blieb stehen.
„Würdest du mal bitte auf mich warten!“
Er blieb stehen, drehte sich nach ihr um und sah ihr fast ärgerliches Gesicht. Er ging die vier Schritte auf sie zu, bot ihr den Arm an und sagte kein Wort.

Gemessenen Schrittes überquerten sie den Platz. Er deutete auf die Gebäude im Hintergrund. Sie nickte. Dort gab es auch ein Strandcafé. Es war nur wenig besucht um diese Zeit. Sie setzten sich an einen Tisch gleich neben dem Eingang.
„Milchkaffee und ein Stück Kuchen?“, fragte Markus. Katja nickte, sah sich um.
Eine ältere Dame trat zu ihnen heran.
Markus bestellte.
„Sagen Sie, gibt es noch eine Möglichkeit, rüber nach Baltrum zu kommen?“, fragte Katja dann und das erste Mal hörte Markus sie in ihrem Heimatdialekt reden. Er sah sie verblüfft an. Die Bedienung sah überlegend aus dem Fenster, zog die Stirn kraus und schob die Unterlippe vor.
„Wie wichtig ist das denn?“, wollte sie dann wissen.
„Wir haben eine Flaschenpost gefunden und wir vermuten, der Absender war auf Baltrum. Es ist eine traurige Geschichte.“
„Flaschenpost, aha“, machte die Bedienung und ihr Gesicht spiegelte eine Menge Skepsis.
„Ich schreibe ein Buch drüber“, sagte Markus und Katjas Kopf ruckte herum. Sie sah ihn zwischen Staunen und Misstrauen hindurch an.
„Und in dem Buch kommen wir dann vor, oder was?“
„Nur, wenn Sie es wollen, natürlich.“
„Ich hol dann mal den Kaffee und den Kuchen“, sagte sie und verschwand.

„Das war ganz schön dick aufgetragen, lieber Herr Schriftsteller. Warum eigentlich habe ich noch nie etwas von dir gelesen? Ich bin Bibliothekarin, wie du weißt.“
„Weil meine beiden Bücher nur als eBooks zu haben sind und weil ich vermute, dass in deiner Bibliothek nur ‚richtige’ Bücher stehen.“
„Sind eBooks keine richtigen Bücher?“
„Nun, das kommt ganz drauf an. Ich bin altmodisch, ich besitze die gesamte Bibliothek meines Vaters noch, teilweise Ausgaben aus den Fünfzigern. Ich liebe Bücher, weißt du. Mit einem Reader zu lesen ist nicht dasselbe, wie ein Buch in der Hand zu halten.“
„Aber?“, erkundigte sie sich.
„Wenn man Bücher im Selbstverlag herausbringen will, sind diese eBooks oft der einfachste Weg. Zumindest glaubt man das zu Anfang.“
„Ist es denn nicht so?“
„Nein. Man geht einfach in der Masse unter.“
„Ich dachte, Qualität setzt sich irgendwann durch“, sagte sie. Er ließ den Satz im Raum stehen. Die Bedienung kam zurück, brachte Kaffee und Kuchen.

„Ich hab telefoniert. Mein Neffe würde Sie bringen, so in einer halben Stunde. Ist aber nicht umsonst und auch nur rüber. Nicht zurück.“ Sie zeigte eine Andeutung eines Lächelns, das ihr Gesicht auf wundersame Weise verschönte.
Katja nahm spontan Markus Hand und drückte sie. Plötzlich wurde sie von einer mächtigen Aufregung heimgesucht.
„Das ist sehr großzügig von Ihnen. Wenn ich das Buch fertig habe, kriegen Sie auf jeden Fall ein Exemplar.“
„Hauptsache, Sie schreiben da rein, dass unser Kuchen gut ist und unser Kaffee auch.“
„Versprochen. Auch das mit der freundlichen Bedienung.“
„Das will ich meinen. Greta. Wie die Garbo.“ Sie sagte das mit soviel Selbstironie, dass Markus lachen musste.
„Vielen Dank, Greta“, sagte er.
„Da nich für“, kam die Antwort, für die er die Menschen hier oben so liebte. Sie nahm das Geld, das er ihr hinhielt und verschwand.
„Na, Mrs. Watson, was sagen Sie dazu?“, wandte er sich an Katja und drückte ihre Hand.
„Aufregend, Mr. Holmes. Sehr aufregend.“

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Die Überfahrt war ein klein wenig anders als die Fährfahrt und Markus sah elend aus, als sie auf Baltrum von Bord gingen. Mike „Sweety“, Gretas Neffe feixte, als er der Landratte die Schwimmweste abnahm.
„Das wird wieder, Meister“, sagte er und schlug ihm leicht auf die Schulter. Dann steckte er den Schein ein, den Markus ihm hinhielt, tippte sich mit zwei Fingern an den geknickten Schirm seines ausgeblichenen New York Yankees Caps und stieß das Boot vom Anleger ab, sobald Markus den Fuß auf der Leiter hatte.
Markus brauchte den ganzen Weg des langen Steges, dass seine Beine wieder das Gefühl für festen Untergrund bekamen, der Horizont aufhörte, im Walzertakt zu schunkeln und sein Magen sich nicht unablässig seines Inhaltes entledigen wollte.

Die Luft roch nach Tang, Schlick, Fischen und Sonnenmilch, auch wenn die Saison noch jung war. Aber alles war besser als eine Überfahrt mit einer solchen Nussschale.
„Geht’s wieder?“, erkundigte sich Katja angelegentlich, wobei sich Amüsement und Mitgefühl gerade so die Waage hielten.
„Findest du lustig, oder?“, fragte er mit süßsaurer Mine, während er sich die Wangen mit den flachen Händen bearbeitete, dass sie wieder Farbe bekamen.
„Wo hast du dich denn verabredet? Ist es weit bis dahin?“
„Gleich hier am Hafen. Warte, ich habe es mir aufgeschrieben.“ Er holte einen mehrfach gefalteten Zettel aus der Innentasche seiner Jacke und reichte ihn Katja.
„Kennst du dich hier aus?“, fragte er, als sie sich suchend umsah.
„Nein, ich war bisher auch erst einmal für ein paar Stunden hier. Damals haben wir eine Tagesfahrt über die Inseln gemacht.“
„Mit einem richtigen Boot, nehme ich an.“
Sie deutete auf eines der Backsteingebäude am Rande des Hafens und ging los. Er folgte ihr mit zwei Schritten Abstand und grinste in sich hinein.
Sie behielt recht und da standen sie vor der Tür der Reederei und sahen sich etwas ratlos an.

„Was ist? Es war deine Idee, du hast mit ihnen gemailt...“
„Na ja, also...“, machte er gedehnt und sie drehte sich zu ihm um.
„Heißt das, du hast uns gar nicht angekündigt? Du hast mir das nur erzählt, damit ich auch mitkomme, stimmt’s?“ Katja hatte die Hände in die Hüften gestemmt und ihr Gesicht wusste noch nicht, ob es amüsiert oder böse schauen sollte.
„Ich schwöre, ich wollte mailen, aber immer, wenn ich mir etwas Schlaues überlegt hatte, klang es nach einer Weile total bescheuert und ich hab’s gelöscht.“
„So sind sie unsere Herrn Schriftsteller!“, rief Katja aus.

Die Glastür zum Büro vor ihnen ging auf und ein Mann, der sich förmlich durch die Tür zu zwängen schien, erschien über ihnen. Mit seinem etwas schütteren, graublonden Haar, dem rötlich grauen Kinnbart und der Latzhose schien er die Inkarnation des Inselfischers schlechthin.
„Moin, Moin, Herrschaften. Kann man behilflich sein?“
„Moin, Jo. Könn’ Se den ma ordentlich durchschütteln, damit er wieder klar wird?“, schlug Katja vor und wandte sich dem Riesen zu. Der hatte sich aufgerichtet, die Daumen hinter die Träger der Latzhose gehakt und sah die kleine Frau mit einigem Amüsement an.
„Is der tüttelich, oder was?“ Er sah interessiert zu Markus herüber.
„Nein. Ich hab’ nur ein wenig geflunkert und behauptet, wir hätten mit einander gemailt.“
„Wer, wir?“, der Riese schaute listig erschrocken, “Was ist das für Schweinkram?“
„Mailen, elektronische Post verschicken. Komplett harmlos.“, erklärte Markus und merkte glücklicherweise noch rechtzeitig, dass er im Begriff war, etwas lauter zu sprechen wie mit einem etwas begriffsstutzigen Senioren.

„Und in welcher Angelegenheit, wenn ich mal fragen darf?“, wechselte der Bärtige ins Hochdeutsche.
„Würde es Ihnen was ausmachen, wenn wir das vielleicht in Ihrem Büro besprechen könnten?“, bat Katja mit zuckersüßem Lächeln. Sie gewann.
Markus erwartete im Stillen ein völlig vollgekramtes Kabuff mit verstaubten Schiffsmodellen, Glocken aus angelaufenem Messing mit den Namen längst verschollener Schiffe und halb zerfledderten Seekarten an den Wänden. Er wurde enttäuscht. Der Raum kam wassernüchtern, modern und zweckmäßig daher. Hinter dem brusthohen Tresen standen zwei bürograue Schreibtische mit Computerdisplays, Telefonanlage und modernen Tageslichtlampen. Hinten an der Wand stand ein Monstrum von Kurzwellen-Funkanlage, die leise wispernde Geräusche von sich gab, wenn man genau hinhörte.

Der Seebär wies mit seiner schwieligen Pranke auf einen Durchgang, der in einen zweiten Raum führte. Er bat beide, sich einen Moment zu gedulden, wies auf eine Sitzgruppe im linken Teil des Raumes, neben der auch ein Wasserspender und eine moderne Kaffeemaschine standen. Dann klappte eine Tür. Katja und Markus saßen etwas verloren auf den Kanten der Polstermöbel und sahen auf die Bilder an den Wänden, die Fischerbotte, grinsende Fischer mit mächtigen Fischen in den Händen und das Büro mit einer lachenden Menschenmenge davor und einer grünen Girlande über dem Eingang zeigten. Man hätte meinen können, eine Erfolgsgeschichte dokumentiert zu sehen.

Er kam mit einer älteren Frau zurück. Endlich kamen sie dazu, sich einander bekannt zu machen.
„Körber, Jens-Uwe Körber. Ich bin Geschäftsführer der Genossenschaft. Das hier“, er wies auf die Frau, die zurückhaltend lächelte und ein Nicken andeutete, „ ist Frau Marina Körber, unsere Vorsitzende und meine Mutter.“ Die Vier gaben sich die Hände, wobei Markus darauf achtete, dass nichts über Kreuz ging, was ein wenig Heiterkeit verursachte.
„Wie können wir Ihnen nun also helfen?“, fragte Frau Körber mit einer sensationell tiefen und rauchigen Stimme, die Markus sofort faszinierte.
„Frau Riemer hat vor ein paar Tagen eine Flaschenpost am Strand gefunden. In der Flasche befand sich das hier und ich vermute, dass dieses Stück Papier Ihr Logo trägt.“
Markus strich den Zettel auf dem Tisch vor ihnen glatt und schob ihn der Frau hin. Mutter und Sohn beugten sich interessiert darüber, dann nahm die Frau ihn in die Hand. Ihr Zeigefinger strich über die verblassten Zeilen, ihre Lippen formten die Worte, während sie las. Sie ließ den Brief sinken, sah zuerst zu ihrem Sohn, dann zu Katja.

„Ich glaube, ich kenne diese Schrift“, sagte sie und ihre Stimme zitterte ein wenig. Markus griff instinktiv nach Katjas Hand, denn er spürte, dass jetzt etwas Bedeutsames passieren würde. Körber Junior nahm nun seinerseits das Schreiben, holte aus der Brusttasche seiner Hose eine Lesebrille, klappte sie mit schiefem Grinsen in Katjas Richtung auf.
„Man wird ja nicht jünger“, murmelte er und richtete den Blick nach unten auf den Text.
„Ich ahne, wen du meinst, Mutter“, sagte er nach ein paar Augenblicken und ließ das Papier sinken.
„Das wär’ ja ein Ding!“
JO!
Saugut!
Fototour durch den Schloßpark. Das Bild wurde von @mariediv gemacht.
*******2001 Mann
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Begegnungen 10
Teil 9 endete:

„Das wär’ ja ein Ding!“

Mutter Körber hatte sich erhoben und war ins Büro hinüber gegangen. Nach einiger Zeit kam sie mit einem Aktendeckel zurück, auf dessen Rücken mit schwarzem Filzstift „Mitarbeiter/Saisonkräfte“ geschrieben stand und dazu eine Jahreszahl.
„Acht Jahre?“, entfuhr es Katja. Das konnte nicht sein! Diese Flasche konnte unmöglich so lange unbeschadet im Wasser und Sand überdauert haben!
Frau Körber blätterte im Stehen in dem Ordner, befeuchtete immer wieder Daumen und Zeigefinger der Linken. Sie schien im Gegensatz zu ihrem Sohn keine Brille zu brauchen.
„Hier!“, dröhnte sie und tippte energisch mit dem spitzen Nagel des linken Zeigefingers auf das Papier vor sich.
„Ich wusste es!“, rief sie und legte den aufgeschlagenen Ordner vor Katja hin. Die fingerte bereits ihre Brille aus dem Etui und setzte sie auf die Nasenspitze, nicht ohne vorher kurz zu Jens-Uwe hinüber geblinzelt zu haben. Der grinste und Markus runzelte kurz die Stirn, spürte einen geradezu grotesken Stich Eifersucht in sich und rief sich hastig zur Ordnung.
Was da vor ihnen lag, war mit einiger Fantasie als tabellarischer Lebenslauf zu bezeichnen, freilich auf linienlosem Papier mit einem grünen Kugelschreiber und sehr ungelenker Handschrift verfasst. Man sah es fast auf den ersten Blick: dies war die Handschrift auf der Flaschenpost, kein Zweifel. Katja sah auf die Unterschrift: Holger Schröters!
„So lange ist das schon her?“, rief Katja aus und schüttelte ungläubig den Kopf. Sie konnte es nicht fassen.
„Wie lange hat der Mann bei Ihnen gearbeitet? Wie ist er zu Ihnen gekommen? Wo ist er dann hin?“ Markus wollte alles auf einmal wissen.
Mutter und Sohn sahen sich etwas ratlos an.
„Ja, wie lange? Ein halbes Jahr, glaube ich, vielleicht etwas länger. Weißt du noch, Gerd war gerade wegen seiner Bandscheiben... und Peter hatte sich an der Hand...“, die Frau zählte die Verletztenliste an den Fingern ihrer Hand ab.
„Ich weiß nur, dass er sich ziemlich clever angestellt hat für eine Landratte. Also nichts für Ungut, Herr Kellerbauer“, sagte Jens-Uwe rasch in Markus’ Richtung.
„Kellermann“, korrigierte der ungerührt, „Hat er erwähnt, woher er kam, ob er noch Angehörige oder Verwandte hatte? Er war ja immerhin irgendwo krankenversichert, hatte ein Girokonto, eine Adresse, oder nicht?“
Die beiden Körbers wechselten rasche Blicke.
„Also der Holger war da ein bisschen eigen, könnte man sagen“, hob Jens-Uwe sehr gedehnt und etwas umständlich an.
„Er war schwarz hier, oder?“, kürzte Markus die Sache ab, hob sogleich beschwichtigend die Hände.
„Bitte, es ist mir vollkommen egal, wie das damals war und wer da wen beschissen hat, ehrlich. Ich bin weder von der Steuerfahndung noch von der Arbeitsagentur.“
„Arbeitsamt. Damals war das noch Arbeitsamt“, warf Frau Körber ein wie mit spitzen Fingern.
„Also er tauchte hier auf, als Sie Not am Mann hatten und Sie haben nicht lange gefragt. Wo hat er in dieser Zeit gewohnt?“
„Bei uns. Werner, mein Ältester, war gerade zu seiner Frau auf’s Festland rüber gezogen.“ Wie Frau Körber das sagte, war ihr nur zu deutlich anzuhören, wie sie über diesen Schritt bis heute dachte.
“Da hatten wir sein Zimmer frei und das war doch für uns alle das Zweckmäßigste, oder?“
Markus nickte verständnisinnig, während ihm Katja unter dem Tisch vorsichtig auf den Fuß trat. Er warf ihr einen raschen Blick zu.
„Können Sie sich das da erklären?“, fragte sie dann in die einsetzende Stille. Sie wies auf die Flaschenpost. Die beiden sahen zuerst Katja und dann sich gegenseitig an und schlugen die Augen nieder.
„Sie müssen doch gemerkt haben, dass etwas mit ihm nicht gestimmt hat!“, setzte sie nach und diesmal legte Markus ihr die Hand auf den Arm.
„Manchmal war er traurig, das stimmt“, sagte Jens-Uwe vorsichtig und sah seine Mutter kurz an.
„Er war krank, das war ziemlich bald klar. An manchen Tagen habe ich ihn kaum aus dem Bett...“, Frau Körber sprach nicht zu Ende, sah Katja eindringlich an und dann fast wie hilfesuchend zu ihrem Sohn.
„Mein Vater“, begann Jens-Uwe und fuhr sich mit der Pranke durch das Haar, „mein Vater ist vor zehn Jahren an Magenkrebs gestorben, müssen Sie wissen.“
„Das tut mir leid“, sagte Markus fast mechanisch. Er zuckte innerlich zusammen, weil er sich daran erinnerte, dass sein eigener Vater...
Die Bilder der letzten Tage in der Charité in Berlin stiegen wie Gespenster aus der verschütteten Erinnerung auf. Markus wischte sich übers Gesicht. Katja sah ihn fragend und besorgt an. Er schüttelte unmerklich den Kopf.
„Er hat nicht im Zimmer ihres Sohnes gewohnt, nicht wahr?“, sagte Katja leise und sah Frau Körber an, wie wahrscheinlich nur eine wissende Frau die andere ansehen kann.
Markus schlug die Augen nieder. Etwas drängte sich in seine Kehle. Das war kein Detektivspiel mehr!
„Nur am Anfang“, sagte Jens-Uwe und seine Pranke lag auf der Hand der Mutter, als wollte er sie schützen, „Es war doch in Ordnung so.“
„Wissen Sie, wie er gestorben ist, oder wo er abgeblieben ist?“
„Nicht so genau“, sagte der Fischer, dessen Gesicht plötzlich alt und traurig aussah.
„Er ist raus ins Watt. Als die Schmerzen immer schlimmer wurden, hat er das fast jeden Tag gemacht.“ Marina Körber sah Katja fast fehlend an.
„Sie meinen, er ist eines Tages nicht mehr zurück, bevor die Flut einsetzte?“, fragte Katja mit bebender Stimme. In ihren Augen glitzerte es verräterisch.
„Vielleicht konnte er nicht mehr zurück.“ Marina Körber zuckte die Achseln.
„Er ist nicht wieder aufgetaucht. Die halbe Insel hat gesucht, fast eine Woche lang.“
„Warum wurde darüber nicht in den Medien berichtet?“, fragte Markus.
„Es gab nichts zu berichten. Niemand wusste genau, ob er einfach die Fähre genommen hat oder raus gegangen ist bei Niedrigwasser. Hat ihn ja keiner gesehen.“
„Es ist also theoretisch möglich, dass er noch lebt?“
„Theoretisch? Wenn er ein Mittel gegen den Krebs gefunden hat, warum nicht.“ Die Stimme der Frau war wie zerstoßenes Glas in einem Brunnen.
Markus richtete sich auf, sah Katja an. Die wischte sich eine Träne von der Wange und versuchte ein Lächeln.
„Haben Sie vielleicht ein Bild von Holger aus dieser Zeit?“, erkundigte sich Markus. Jens-Uwe sah sich um, seine Blicke tasteten die Fotos an der Wand ab. Dann erhob er sich und nahm eines der Fotos von der Wand.
„Da, der lange, dürre Kerl, der dritte von links!“, sein dicker Zeigefinger deutet auf das Gesicht eines Mannes mit tiefliegenden Augen und einem seltsamen Lächeln.
„Könnten wir eine Kopie davon bekommen?“, bat Katja schüchtern. Jens-Uwe wechselte einen Blick mit seiner Mutter und löste die Rückwand des Rahmens; ging nach nebenan, wo gleich darauf die Geräusche eines Kopierers zu hören waren. Er kam mit der Farbkopie zurück, legte sie sacht vor Katja hin.
„Was haben Sie damit vor? Dürfen wir das wissen?“
„Wir versuchen...“, setzte Markus an, aber Katja unterbrach ihn fast unwillig.
„Wir wissen es noch nicht, Herr Körber. Vielleicht lassen wir alles auf sich beruhen.“
„Sie sind nicht hier her gekommen, weil sie das jetzt einfach so liegen lassen“, stellte Marina Körber fest und straffte sich bei dem Satz.
„Sie versuchen diese Frau zu finden, an die der Brief gerichtet ist, habe ich recht?“ Sie sah Markus durchdringend an. Er konnte nicht anders, er nickte.
„Es ist richtig. Ich weiß nicht, ob sie ihr wirklich alles sagen müssen, was sie wissen, aber sie sollte wissen, dass er...“, sie sprach nicht zu Ende. Katja nickte und legte ihre Hand quer über den Tisch auf die Hand der Frau.
Markus stand auf und reichte Jens-Uwe die Hand. Der erhob sich, wischte sich die Hand an der Hose ab und drückte die dargebotene Rechte.
„Wenn Sie beide mal wieder in der Gegend sind...“, sagte er und versuchte, zu grinsen.
„Versprochen. Vielen Dank für ihre Zeit und ihr Vertrauen.“
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It´s me!
*********ld63 Frau
8.175 Beiträge
Immernoch spannend...
... und bewegend. *top*

Und obwohl ich die selbstreflektierte Art deiner Protas mag, stören mich die Selbstreflektionen und Gedanken der beiden manchmal im Erzählfluss.... das verlangsamt an Stellen, die knapper gefasst die Stimmung deutlicher transportieren würden.

Vielleicht schaffe ich es noch, ein Beispiel zu zitieren.... möglicherweise erst in ein paar Tagen.
Trotzdem: alles in allem eine spannende Geschichte, auhentisch geschrieben! Gefällt mir sehr!
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