Begegnungen 8
Teil 7 endete:
Dann wurden die Atemzüge langsam tiefer, zuerst bei Katja dann auch bei Markus.
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Als Katja das nächste Mal wach wurde, tanzten Sonnenreflexe über die Decke und es war heller Tag. Es schien noch immer ein kräftiger Wind zu gehen, aber der Regen hatte aufgehört und es versprach, ein wunderschöner Tag zu werden. Sie sah zur Seite und fand Markus Seite des Bettes leer. Wieder kam eine leichte Enttäuschung in ihr auf, aber die hielt nicht lang an. Sie schlüpfte aus dem Bett, lauschte, wo sich ihr Gastgeber wohl befinden könnte und als sie nichts hörte außer ein paar entfernten Kinderstimmen, huschte sie ins Bad. Sie verriegelte die Tür, entledigte sich ihrer Unterwäsche und duschte ausgiebig. Das Duschgel hatte einen schönen, herben Duft und Katja kam ein wenig ins Träumen, aber dann rubbelte sie sich ordentlich trocken.
Sie fand sogar – oh Wunder – eine Flasche mit Körperlotion, die offenbar auch bereits benutzt worden war. Für ein paar Minuten spekulierte sie darüber, dass sie vermutlich nicht die erste Frau in diesem Zimmer war, die sich nach dem Duschen eingecremt hatte, aber sie verwarf den Gedanken rasch und schimpfte sich im Stillen ein verdorbenes Weibsstück.
‚Warum eigentlich verdorben?’, überlegte sie gleich darauf beim Kämmen vor dem Spiegel, ‚Er ist ein erwachsener Mann, der Urlaub macht und ungebunden ist. Warum soll der nicht eine Urlaubsbekanntschaft mit aufs Zimmer nehmen, wenn es sich ergibt?’
Sie erinnerte sich der vergangenen Stunden und ihr kamen Zweifel. Irgendwie war dieser Mann nicht so ein Bruder Leichtfuß. Wobei nicht jeder Mann, der die Chance auf einen Urlaubsflirt nutzte, gleich ein leichtsinniger Mensch sein musste...
Sie seufzte bei dem Gedanken und verdrehte komisch die Augen, grinste schelmisch.
Dann schloss es an der Tür und Markus kam herein. Er balancierte ein Tablett mit Kaffeekännchen, Tellern, Tassen und zwei Frühstückseiern in niedlichen Eierbechern. Der Duft von frischem Kaffee breitete sich verlockend im Zimmer aus.
„Na, noch gut geschlafen?“, erkundigte er sich fast beiläufig, beugte sich zu ihr herüber und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann deckte er den kleinen Tisch vor dem Sofa, deutete auf den Sessel und ließ sich auf dem Sofa nieder. Sie sah ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Amüsement hantieren und schüttelte lachend den Kopf.
Er sprang noch einmal auf, holte eine Tüte mit Brötchen, die er draußen auf dem Flur vor der Tür abgelegt hatte um aufzuschließen.
„Das ist mal eine Überraschung!“, sagte sie schließlich und ließ sich in den Sessel plumpsen.
Sie frühstückten und redeten kaum. Katja beobachtete ihn verstohlen und wurde nicht schlau aus seinem Gesicht, seiner aufgeräumten Art. Was war davon echt?
„Ich habe gestern noch eine interessante Sache gefunden“, begann er, nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken hatten.
„Während ich dir auf dem Sofa was vorgeschnarcht habe“, sagte sie und zog die Nase kraus.
„Na ja, ich bin solche Arbeit gewöhnt, du sicher nicht. Da fällt mir ein, was bist du eigentlich von Beruf? Haben wir drüber gesprochen und ich hab’s schon wieder vergessen?“
„Nein, wir haben noch nicht drüber gesprochen. Wir reden die ganze Zeit nur über die Flaschenpost“, entgegnete sie und lehnte sich im Sessel zurück. Ja, sie wusste, dass in dieser Haltung ihre Brüste besonders zur Geltung kamen.
„Nicht die ganze Zeit!“, widersprach er lachend und schüttelte einen Zeigefinger, „Wir haben auch darüber gesprochen, dass ich als armer Poet demnächst unter der Brücke werde schlafen müssen.“
„Und dass du meinen Eindruck von dir dringend korrigieren musst.“
„Ich dachte, das hätte ich bereits?“, sagte er und endlich sah er sie in dieser legeren Haltung halb im Sessel liegen.
„Und du hast gedacht, das reicht?“ Katja wusste, dass sie kokett klang und sie wusste um die Wirkung ihrer Augen.
„Bei Gelegenheit denke ich über ein weiteres Update nach.“
„Ach, Markus 2.0?“
„Oh, ich denke, ich bin inzwischen bei Version 5.0“, sagte er und schmunzelte, „Alle zehn Jahre ein Upgrade, das ist doch nicht schlecht, oder?“
„Hochstapler. Du hast gesagt, du wärst schon neunundfünfzig!“, sagte sie und drohte ihm schelmisch mit dem Finger.
„Dann ist das nächste Update auch erst in einem Jahr, Frau Riemer!“, trumpfte er auf. Sie lachte, ihre Augen blitzten. Er stand auf, war mit drei Schritten um den Tisch herum und beugte sich zu ihr herunter.
„Du flirtest mit mir, das ist nicht fair“, sagte er, das Gesicht auf Kussweite vor ihrem. Sie schlang einen Arm um seinen Nacken und zog sein Gesicht näher. Ihr Kuss schmeckte nach Kaffee und Urlaub.
„Was ist daran denn nicht fair?“, fragte sie lächelnd und ihre Augen suchten in seinem Gesicht.
„Wir haben noch Einiges zu tun“, erklärte er und seine Stimme klang etwas kehlig, als habe er einen Kloß im Hals.
„Was gibt es den Wichtigeres?“, wollte sie wissen. Sie spürte ihren Puls im Hals und noch an anderer Stelle, was sie ihm aber nicht sagen konnte. Ist dieser Kerl aus Holz?
„Wir spielen Detektiv, das ist wichtiger.“ Er richtete sich auf, sein Gesicht war etwas gerötet und er atmete etwas schneller. Sie hätte meinen können, es käme von der gebeugten Haltung, aber irgendwie wusste sie es besser. Sie hielt seine Hand fest und legte sie sich auf die linke Brust. Er schloss kurz die Augen.
„Was ist los mit dir?“, fragte sie leise und lockend.
„Du hast keine Ahnung, was passiert, wenn wir damit erst anfangen“, sagte er nur, nahm die Hand fort und drehte sich von ihr weg.
„Ich bin zwar ein paar Jahre jünger als du, aber so ganz unerfahren bin ich dann doch nicht. Ich weiß schon, was die Erwachsenen so machen“, erklärte sie, das eine Auge etwas zugekniffen und das Mona-Lisa-Lächeln um den schönen blass roten Mund.
„Ja, ich weiß, Katja, aber bitte, lass uns noch ein bisschen Zeit.“
„Du, aber achtzehn bin ich nun auch nicht mehr! An wie viel Zeit hast du denn so gedacht?“
Er grinste, aber seine Augen schauten ein wenig flehend.
„Ein wenig.“
„Okay“, sagte sie und sah auf die Armbanduhr.
„Also los. Ich habe ein Logo im Internet gefunden, das unserem gleicht. Es ist keine Fährreederei, es ist eine Fischfang-Genossenschaft. Ich habe denen eine Mail geschickt. Da müssen wir heute noch hin.“
„Das ist nicht dein Ernst!“, entfuhr es ihr.
„Doch. Das ist doch ein Anfang, oder nicht?“ Er strahlte sie an, sah ihre Skepsis und das Lächeln verwelkte.
„Und was willst du bei denen konkret machen? Ihnen die Nachricht zeigen und fragen: Haben Sie den Kerl gekannt, der das geschrieben hat?“
„Zum Beispiel. Vielleicht erinnert sich jemand zufällig daran. Immerhin kann es sein, dass er die Flasche unter Zeugen ins Meer geworfen hat!“ Markus klang so ungeduldig und aufgeregt, dass er ihr fast leid tat. Sie zog seufzend die Schultern hoch, richtete sich im Sessel auf und klatschte sich auf die Oberschenkel.
„Detektiv spielen. Du hast keine Ahnung, wie die Leute hier drauf sind, wenn es um Touristen geht. Die werden dir einen Vogel zeigen, mehr nicht.“
„Mir vielleicht, aber dir nicht. Immerhin bist du quasi eine Einheimische.“
„Woher willst du das denn wissen?“, fuhr sie auf. Ihr Gesicht nahm einen sehr aufmerksamen Ausdruck an.
„Ich habe beim Detektivspielen schon eine Runde Vorsprung“, sagte er.
„Du hast mich ausspioniert? Das ist nicht dein Ernst!“ Sie sprang auf.
„Du hättest einfach nur fragen brauchen“, fauchte sie. Ihre Augen sprühten beinahe Funken.
Sie ging an ihm vorbei, schob ihn tatsächlich etwas aus dem Weg.
„Katja, was ist denn los?“, rief er verständnislos.
„Spiel du nur weiter Detektiv!“, rief sie, dann fiel die Tür hinter ihr unsanft ins Schloss.
„Scheiße!“, presste er hervor, schlug sich die Faust in die Linke, „Du Vollidiot!“
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„So ein Idiot!“, schimpfte Katja halblaut vor sich hin, als sie mit schnellen Schritten den kleinen Empfang der Pension durcheilte. Der ältere Mann mit der Lesebrille auf der Nase sah von der Rezeption auf und seine Augenbrauen schoben sich missbilligend zusammen.
„Sie doch nicht!“, rief Katja ihm im Vorbeigehen barsch zu. Das machte es nur wenig besser, aber das war ihr im Moment egal. Sie pflegte ihre Empörung mit der ihr eigenen Inbrunst.
Die Sonne begrüßte sie und der Wind fuhr ihr ungestüm durchs Haar, fast wie ein leidenschaftlicher Geliebter. Woher wollte sie das wissen, wie sich das anfühlte? Sie hatte in den letzten Jahren eine Menge Tristesse erlebt und noch vor ein paar Monaten schien das Thema Sex für sie durch gewesen zu sein. Ihr letzter leidenschaftlicher Geliebter war ein Junge gewesen. Da war sie selbst noch keine zwanzig. Kinder, wo war die Zeit geblieben?
Katja blieb auf dem Weg zu ihrem Hotel plötzlich stehen, sah sich um, sah die Menschen, die Geschäftigkeit um sie herum und schüttelte erstaunt den Kopf. Was passierte hier mit ihr? Warum fühlte sie sich gerade auf seltsame Weise fremd?
‚Weil du dich gerade wie eine alberne Pute benommen hast!‘, klärte ihr Verstand sie mit deutlichem Sarkasmus in der Stimme auf. Katja schüttelte innerlich heftig den Kopf.
‚Er hatte kein Recht dazu, in meinem Leben herum zu schnüffeln! Was bildete er sich eigentlich ein?‘
Nichts. Natürlich nicht.
Ihre Wut bekam Risse, fühlte sich plötzlich schal und sinnlos an. Katja setzte sich ratlos und schwankend auf eine Bank, zog vor dem Wind die Jacke vor der Brust zusammen und blinzelte in den Himmel, über den Wolkenschiffe landeinwärts getrieben wurden.
‚Eigentlich bist du nur sauer, weil er nicht mit dir versucht hat zu schlafen!‘ , rieb ihr diese ironische Stimme in ihrem Kopf mit hörbarem Genuss hin.
„Er hat es nicht einmal versucht!“, sagte sie trotzig halblaut vor sich hin, nahm ihre eigene Stimme wahr und schaute sich erschrocken um. Niemand hatte Notiz davon genommen, dass sie mit sich selbst sprach. Die Menschen hatten mit sich selbst und ihrem Urlaub genug zu tun.
‚Was wäre gewesen, wenn er es versucht hätte? Wärst du drauf eingegangen? Was wäre daraus dann wohl geworden?‘
„Was weiß ich denn!“, rief sie der Stimme in Gedanken ungeduldig zu. Sie begann sich für ihre Selbstgerechtigkeit, ihren Eigensinn und diese unselige Art, erst zu handeln und dann zu denken, zu hassen. Das schlechte Gewissen hakte sich hinter ihrer Stirn fest.
Seufzend erhob sie sich und setzte ihren Weg zum Hotel fort. Es hatte keinen Sinn, der verpassten Gelegenheit hinterher zu trauern. Sie machte sich nichts vor, was immer sie erwartet hatte, sie hatte es selbst verbockt.
„Wer weiß, wofür es gut war“, sagte sie halblaut zu ihrem Spiegelbild, als sie die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. Es fühlte sich nicht tröstlich an.
Sie wechselte die Kleidung, sie genehmigte sich ein Stück Zartbitterschokolade, sah sich in ihrem Tablet die letzten Mails an. Nichts, das ihre Stimmung hätte heben können.
Sie legte sich aufs Bett, las den Frauenroman, den sie sich extra für den Urlaub gekauft hatte. Drei Seiten las sie mit einigem schmunzelnden Vergnügen, aber dann begannen die Buchstaben vor ihren Augen zu verschwimmen. Sie legte das Buch zur Seite, schloss die Augen. Im Wegdämmern sah sie vor sich Markus, wie er sich über sie beugte, spürte den sachten Kuss auf ihren Lippen. Sie schlief ein, ein Lächeln auf den schönen, etwas geöffneten Lippen.
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Er trat wie selbstverständlich an ihren Tisch, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Wange. Dann zog er den Stuhl vom Tisch ab und setzte sich. Sie sah ihn überrascht und ein klein wenig unwillig an. Die asiatische Ostfriesin kam zu ihm und er bestellte Kaffee.
„Ich weiß nicht, was du für ein Problem hast, Katja“, sagte er, als hätten sie ihr Gespräch gerade erst unterbrochen, „Ich habe nicht in deiner Handtasche geschnüffelt, habe deine Sache nicht einmal angerührt. Ich habe nur deinen Namen in die Suchmaschine eingegeben, das war alles. Wenn du nicht willst, dass man auf diesem Weg etwas über dich erfährt, dann darfst du auch keine Informationen im Internet preisgeben. So einfach ist das.“
Er klang sehr sachlich und fast unterkühlt. Er schob ihr den zusammengefalteten Zettel über den Tisch, die Flaschenpost.
„Das gehört dir“, sagte er überflüssigerweise. Dann sah er ihr endlich ins Gesicht. Sie zog mechanisch das Blatt Papier von der Tischdecke und stopfte es in ihre Tasche, die neben ihr über die Stuhllehne baumelte.
„Ich mag es nicht, wenn man etwas über meinen Kopf hinweg entscheidet, mich nicht nach meiner Meinung fragt. Das hatte ich weiß Gott lange genug.“
„Mit dem habe ich nichts zu tun. Ich bin eine Ostpflanze, schon vergessen? Wir sind alle verdammte Atheisten.“ Sie sah ihn für einen Moment fragend an. Dann verstand sie und sie wusste für ein paar Augenblicke nicht, ob sie ihm für diesen platten Scherz böse sein sollte. Sie kniff das eine Auge etwas zusammen und da war es wieder, dieses Mona-Lisa-Lächeln.
„Okay, ich bin wohl etwas zu empfindlich in der Beziehung“, räumte sie nach kurzer Pause ein.
„Das denke ich auch“, bestätigte er leichthin und lächelte. Trotzdem hatte sie ein seltsam fremdes Gefühl. Ein Gefühl, das sie traurig machen wollte, so als hätte sie gerade gemerkt, dass sie ihren Lieblingsring verloren hatte und sich nicht erinnern konnte, wo.
„Ich habe den Fischern geschrieben, dass sich die Sache erledigt hat. Das wolltest du doch, oder?“
„Du bist sauer und beleidigt, stimmt‘s?“, entgegnete sie. Sie hörte tief hinten in ihrer Stimme Trotz vibrieren, ganz leise aber mit dieser unberechenbaren Ungeduld.
„Nein, sauer nicht und beleidigt auch nicht. Ich hab nur verstanden, dass ich mich aus deinen Angelegenheiten raushalten soll.“ Er trank seinen Kaffee aus, setzte die Tasse sehr bedachtsam ab und sah sich nach der Bedienung um, hob die Hand.
„Jetzt rennst aber du weg“, sagte sie hastig und griff über den Tisch nach seiner Hand. Sie stieß das Gefäß mit den Zuckertütchen um, das gemächlich aber scheinbar unaufhaltsam in Richtung Tischkante trudelte. Katja sah zu, wie erstarrt. Er fing das Gefäß, stellte es zurück, auch dies sehr sacht.
„Nein. Es ist doch alles gesagt, oder?“
„Sauer und beleidigt! Sag ich doch. Ich kenn das von mir! Ich bin Expertin darin!“ Sie lächelte und ihre Hand lag warm und freundlich auf der seinen. Er zog sie nicht weg.
„Wenn dir so viel an der Sache liegt, Markus, dann lass uns Detektiv spielen. Fahren wir rüber zu dieser Insel. Ich weiß nicht, was du dir davon versprichst, aber bitte. Ich komme mit.“
„Es ist deine Flaschenpost, nicht meine. Ich wollte doch nur helfen.“
„Oller Sturkopp!“
„Danke, gleichfalls.“
Sie zahlten und standen unschlüssig vor dem Café. Der Wind hatte nachgelassen und es war ein schöner, freundlicher, träger Nachmittag.
Ihre Hand kroch in seine, sie stand vor ihm, einen halben Kopf kleiner, sah zu ihm auf.
„Jetzt lass dich nicht länger bitten“, sagte sie und war sich auf einmal der Vieldeutigkeit dieser Aussage bewusst. Sie lächelte und die andere Hand kroch in seine zweite Hand. Sie zog ihn etwas näher und er folgte ihr bereitwillig. Sie küssten sich und diesmal schien es sehr richtig zu sein.
„Verzeihung“, sagte eine amüsiert klingende Frauenstimme hinter ihnen. Sie ließen von einander ab, lachten, gingen aus dem Weg und die Frau, sie mochte Ende zwanzig sein, bedankte sich mit einem wunderbaren Lächeln, zog ihren Freund hinter sich.
„Das ist Liebe…“, hörte Katja sie noch sagen und wurde plötzlich verlegen und rot.
„Hast du gehört? Sie hält uns für ein Liebespaar!“, sagte er und deutete mit dem Kopf hinter dem Pärchen her.
„Immer langsam mit den jungen Pferden!“, entgegnete sie, grinste und hakte sich bei ihm ein.
„Wohin?“
„Zu mir“, sagte sie mit einem kleinen Riss in der Stimme.
„Wie du magst.“
Sie schlenderten in Richtung Hotel.
In der Halle löste sich Katja von ihm.
„Warte hier kurz, ich ziehe mir nur schnell was anderes an. Es kann kühl werden bei der Überfahrt.“ Sie verschwand und er saß auf der Kante des Ledersessels und wusste nicht so recht, was er von dieser Wendung nun wieder halten sollte. Wollte sie nun mit einem Mal doch auf die Insel? Er schüttelte milde lächelnd den Kopf.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, erkundigte sich eine Frau in einem unauffällig eleganten Hosenensemble. Vermutlich die Hotelmanagerin.
„Ich warte hier nur auf Jemanden, danke.“
„Kann ich Ihnen etwas bringen lassen, Kaffee oder eine andere Erfrischung?“
„Nein, vielen Dank, es wird nicht lange dauern, denke ich.“
„Ich hoffe, Sie haben eine gute Zeit bei uns auf der Insel“, sagte sie, deutete eine charmant lächelnde Verbeugung an und zog sich zurück. Er sah ihr nach und beobachtete, wie sie beim Gehen die Hüften schwang, nicht auffällig aber überaus attraktiv.
‚Du solltest dich zusammenreißen, Kellermann!‘, rief ihn seine Stimme aus dem Off zur Ordnung. Er grinste und dachte an diese Endlos-Serien, in denen die Protagonisten das Privileg hatten, endlose Monologe aus dem Off führen zu dürfen, während entweder wahllos Postkartenmotive der manchmal auch nur vermeintlichen Gegend überblendet wurden oder aber die Person beim gedankenverlorenen Schlendern durch den unvermeidlichen Park beobachtet wurde, den Blick ins endlose Nichts gerichtet.
„Wollen wir?“, erkundigte sich Katja.
„Geht denn heute noch eine Fähre?“, fragte er zurück, während er sich erhob, den Rücken durchdrückte und ihre Hand nahm.
„Vertrau‘ mir, Markus. Schließlich bin ich ja quasi die Einheimische!“
Sie zwinkerte ihm zu und sie verließen das Hotel.