Zeit spielt keine Rolle

Zeit spielt keine Rolle. Niemals. Nicht, wenn er das macht, was er so gern macht. Regelmäßig geht er dieser Beschäftigung nach. Sie ist ihm stets ein Hochgenuss, auch wenn er sich schon oft genug geärgert hat oder leiser sein musste, damit sich die Nachbarn nicht beschweren. Trotz aller Unbilden, die sich ihm bereits in den Weg gestellt hatten, lässt er sich nicht davon abbringen.

Zeit spielt keine Rolle. Er rückt den Stuhl zurecht, hat sich schon mit Pizza und Mineralswasser versorgt. Alles steht griffbereit. Nichts soll ihn davon abhalten, sein Vorhaben auszuführen. Schon vor Stunden hat er dafür gesorgt, dass er Ruhe hat. Allein ist. Ja, allein sein ist dabei am besten. Nein, nicht am besten. Es ist für ihn zwingend nötig, dass ihn dabei keiner sieht.

Zufrieden seufzt er. Genüsslich und in Erwartung des Kommenden, kaut er an dem ersten abgebissenen Stück Pizza. Die Aufregung steht ihm bereits ins Gesicht geschrieben. Aber noch lässt er sich Zeit. So ist es immer. Mit einer raschen Bewegung, wischt er sich die fettigen Finger an der Hose ab. Jetzt nur keinen Fehler machen. Es darf nichts passieren und leise bleiben, schließlich will er nicht gehört werden, das gäbe nur unnötigen Ärger.

Endlich geht das Licht an und er kann ein leises Seufzen kaum noch unterdrücken, das so voller Erwartung steckt. Er lächelt. Wie gebannt schaut er nach vorne, immer da hin, wo sich das Objekt seiner Begierde gerade befindet. Es ist so wundervoll. Eine Pracht!

„Wie geil ist das denn“, hört er sich flüstern und seufzt erneut, gefolgt von einem lüstern wirkenden Stöhnen. Nun geht es tatsächlich los. So lange hat er darauf gewartet. Auf diesen einen Augenblick. Doch was sich ihm jetzt bietet, damit hat er nicht gerechnet. Sein Blick fokussiert sich fest auf das Geschehen, das er so eindringlich beobachtet. Die Wangen des Mannes röten sich unter der Aufregung. Sein Pulsschlag erhöht sich. Was er sieht, scheint mehr zu versprechen.

Die Hände des Starrers ruhen auf den Oberschenkeln, in der Nähe des Schritts. Eifrig arbeiten die Finger, doch das beachtet er nicht. Immer heftiger geht sein Atem. Sein Puls scheint zu rasen.

„Nein. Noch nicht. Nicht jetzt. Oh, verdammt“, lässt er sich wieder hören. Doch wendet er den Blick nicht ab, vielleicht ergibt sich noch etwas. Er hat Geduld. Zeit spielt heute keine Rolle. Seine Hände arbeiten eifrig. Ein lautes Stöhnen entweicht seiner Kehle, als es wieder los geht.

„Oh, geil! Verdammt, ist das gut. Was die sich ausgedacht haben!“, jubelt er begeistert. Es scheint sich nun doch in die Länge zu ziehen, was dem Mann nicht das Geringste ausmacht. Dass er leise sein wollte, hat er ebenfalls vergessen. Doch zwingt er sich nach diesem Ausbruch wieder dazu. Es muss ja nicht jeder mitbekommen, was er da macht.

Mittlerweile ist er ziemlich verschwitzt. Es ist warm im Zimmer. Er ist durstig. Aber er will keine Minute, nein nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde von dem verpassen, was sich vor seinen Augen ereignet. Sein Mund ist halb geöffnet. Die Lippen trocken. Immer wieder leckt er sich darüber, um sie feucht zu halten. Hastig wischt er sich erst eine verschwitzte Hand an der Hose trocken, dann die andere. Er kann jetzt nicht loslassen. Nein. Nicht jetzt. Nicht jetzt, wo es langsam zum Ende kommt.

Der Höhepunkt naht. Ja! Doch Zeit spielt keine Rolle, nicht heute. Er verhält sich relativ ruhig. Nur dann und wann stöhnt er auf und wagt es, kurz die Augen zu schließen. Umgehend starrt er anschließend auf das Geschehen. Er darf nichts versäumen. Das verbietet er sich.

„Du Schlampe … du gottverdammte Schlampe. Mach weiter … das gibt’s doch nicht!“, brüllt er dann schon fast und verstummt sofort. Das hätte nicht sein dürfen. Er lauscht angestrengt, ohne das Geschehen vor sich aus den Augen zu lassen. Nein, es ist nichts zu hören. Kein Laut. Rasch wischt er sich den Schweiß von der Stirn und atmet tief durch. Er hat Glück. Es geht weiter. Noch ist nichts zu Ende. Er hat Zeit, gerade heute. Nur heute. Da darf es nicht zu früh enden.

Und schon sind seine Hände wieder an seinem Gerät im Schritt und arbeiten emsig. Sein Blick ist geradeaus gerichtet. Immer schneller geht sein Atem, seine Hände gleichen sich dem an. Drücken, reiben, schieben … immer schneller.

„Ja! Verdammte Schlampe! Jetzt hab ichs dir gezeigt! Ja! So geht das!“, der Triumphschrei des Mannes, hallt in dem kleinen Zimmer nach. Entspannt und zufrieden grinsend lehnt er sich zurück. Zeit spielt keine Rolle. Seine Hände zittern, alles ist klebrigfeucht: die Hände, das Hemd, sogar die Haare und die Hose sowieso.

„Ja! Bowser, jetzt kannste einpacken, hab ich dich doch noch an den Eiern gekriegt.“

Er beugt sich nach vor, legt das Gamepad auf den Tisch und schaut wie der größte Gewinner aller Zeiten auf den Bildschirm. Gerade eben laufen Super Mario und sein Bruder Luigi aus Bowsers Festung, nachdem sie diesen besiegt und Prinzessin Peach gerettet hatten.

„Das Spiel ist wirklich der Hammer. Geiler Sound, geile Grafik und verdammt schwer zu schaffen. So was liebe ich“, sagt er begeistert zu sich selbst und auch zu seiner Spielkonsole.

(c) Herta 10/2015