Der Feind in deinem Kopf
Warst du schon einmal in einer Situation, in der du eine Entscheidung treffen musstest? Ja?
Wie ist das abgelaufen?
Nehmen wir einmal an, du wolltest eine Bohrmaschine kaufen. Hast Du im Internet gesurft und Dir verschiedene Modelle angeschaut? Gab es eine, die dich spontan angesprochen hat, und bei der du dachtest, „das ist sie“?
Aber dann hast Du festgestellt, dass sie dein geplantes Budget sprengt. Außerdem hat sich nicht das Drehmoment, das du dir vorgestellt hast. Also hast du angefangen, Testberichte zu lesen und jedes Detail der verschiedenen Maschinen zu vergleichen. Nach fast einem kompletten Tag vor dem Computer hast du bemerkt, dass es nicht so einfach ist, wie du dachtest.
Wirklich vergleichen lassen sich die Maschinen nicht, weil jeder Hersteller andere Angaben liefert. Das hat Deinen Ehrgeiz geweckt. Du hast eine Excel-Tabelle angelegt, in der du die relevanten Angaben aufgelistet und die dazugehörigen Daten des Herstellers eingetragen hast. Nach einem weiteren Tag hast Du gemerkt, dass auch das dein Informationsbedürfnis nicht vollständig befriedigt.
Aber du hast nicht aufgegeben, sondern bist losgezogen, um Baumärkte zu besuchen. Du hast dir die Maschinen live angesehen und die Verkäufer bezüglich der gewünschten Eigenschaften gelöchert. Dann bist du nach Hause gefahren, ohne eine Entscheidung getroffen zu haben, und hast eine erneute Runde durchs Internet gedreht. Irgendwo muss es doch die ultimative Maschine geben.
Nach gefühlten vierzehn Tagen hast du dann eine Maschine bestellt, die aufgrund deiner unzulänglichen Recherchen das beste Preis-Leistungs-Verhältnis versprach. Ein wirklich gutes Gefühl hattest du dabei nicht, aber du hast dich damit getröstet, dass du mit der Maschine nicht viel Geld verlierst, sollte sie deinen Erwartungen nicht entsprechen. Du brauchst jetzt eine Maschine, denn schließlich willst du ja etwas bohren.
Endlich ist die Maschine angekommen, und du hast sie mit klopfendem Herzen und leuchtenden Augen ausgepackt. Ja, sie hat wirklich gut ausgesehen, wie sie so vor dir gelegen ist mit ihrer schwarz-silbernen Lackierung und den orangefarbenen Tasten und Schaltern. Fast liebevoll hast du darüber gestrichen und sie vorsichtig aus dem - zugegebenermaßen etwas billig aussehenden - Plastikkoffer genommen.
Sie ist leichter, als du dir vorgestellt hast, und dir kommen Zweifel, ob die Bohrhammerfunktion das hält, was die Beschreibung verspricht. Du versuchst, einen der mitgelieferten Bohrer in das Schnellspannfutter einzusetzen. Ein bisschen hakelig, das Ganze, aber irgendwann ist der Bohrer drin. Du steckst den Netzstecker ein und stellst fest, dass das Kabel zu kurz ist. OK, das hast du vorher schon gewusst, aber dass es so kurz ist, hast du nicht gedacht. Du willst dich jetzt nicht damit aufhalten, ein ordentliches, ausreichend langes Gummikabel an der Maschine zu montieren, und greifst stattdessen zu einer Dreifachverlängerung.
Jetzt kann es losgehen. Du stellst die Leiter auf. Du willst nur 12 Löcher für eine Gardinenleiste in die Stahlbetondecke bohren. Dir ist klar, dass die normale Bohrfunktion dazu nicht ausreicht, und stellst die Maschine gleich auf Hammerbohren. Bei den ersten drei Löchern hast du Glück und stößt nicht auf einen der Stahlträger, der Bohrer geht in die Decke wie in Butter. Beim vierten Loch ist das anders.
Nach einem Zentimeter ist Ende. Es geht nicht weiter. Du drückst stärker, und tatsächlich scheint es, als hättest Du einen weiteren Millimeter geschafft. Jetzt nur nicht aufgeben! Du setzt Deine ganze Körperkraft ein, die du in dieser Überkopfhaltung aufbringen kannst. Die ersten Schweißperlen treten auf deine Stirn. In deinem Gehirn manifestiert sich das Bild der Maschine, die du als Erstes haben wolltest, aber für die dir die Investition zu hoch war. Egal, du wirst es auch so schaffen. Mittlerweile bilden sich Schweißflecken auf deinem T-Shirt. Du nimmst deine letzte Kraft zusammen, gleich ist das Loch tief genug. Und da – was ist das? Ein Rauchfaden kräuselt sich aus dem Gehäuse der Maschine, dann ein Blitz, und das Gerät steht still. Der Bohrer steckt natürlich fest in der Decke.
Der Fluch, der deinem Mund entweicht, ist nicht druckfähig, deshalb verschweigen wir ihn lieber. Deine Nerven vibrieren. Du steigst mit zitternden Knien von der Leiter und lässt die Maschine da oben hängen. Wenn sie herunterfällt, sind die Fliesen kaputt. Du raffst eine Decke und zwei Kissen vom Sofa und breitest alles unterhalb des bedrohlichen Monsters aus. Dann setzt du dich auf das Sofa und machst erst einmal ein Bier auf. Ah, das zischt!
Nach einigen tiefen Zügen sinkt dein Stresspegel allmählich. In dem Moment klingelt es an der Tür. Du erhebst dich, schlurfst durch den Gang und öffnest. Draußen steht eine Blondine mit schmalem Gesicht und unordentlich hochgestecktem Haar. Ihr Lächeln lässt ein warmes Gefühl in dir entstehen. Deine neue Nachbarin, die gerade eingezogen ist. Sie fragt, ob du ihr mit einem 8er-Bohrer aushelfen kannst. Du scannst ihre Erscheinung. Ausgeleierte Jogginghose, Birkenstocks und ein weites T-Shirt. Nicht das, was du aus dem Joy gewohnt bist. Natürlich gibst du ihr den Bohrer.
Und jetzt … jetzt bin ich wirklich gespannt, ob du aus der Geschichte mit der Bohrmaschine etwas gelernt hast. Meine persönliche Vermutung ist, dass Du zurück an deinen Computer gehst, und weiter im Joy nach der ultimativen Frau suchst.