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Kismet

It´s me!
*********ld63 Frau
8.190 Beiträge
Themenersteller 
Kismet
Kleine Anmerkung vorneweg: Das hier sollte eigentlich fürs Geschichtenspiel letzte Woche sein. Deshalb: Danke, liebe Ev32, für die Inspiration in Form der 8 Worte.

Kismet

Die Zeit will einfach nicht vergehen. Die Stunden dehnen sich endlos.
Sie schaut immer wieder auf die Uhr.
Sie haben so oft telefoniert die letzten Wochen, oft bis spät in die Nacht.
Heute wird sie ihn zum ersten Mal treffen.
Die Wohnung ist blitzsauber und aufgeräumt.
Sie verbringt Stunden damit, sich schön zu machen. Liegt träumend in der Badewanne, stellt sich den Moment vor, in dem sie sich endlich Auge in Auge gegenüber stehen werden.

Sie steigt aus der Wanne, massiert ihre warme Haut mit öligen Essenzen aus Sandelholz und Vanille. Eine weitere Stunde vergeht, in der sie Kleidungsstücke aus dem Schrank zieht, anprobiert und wieder verwirft. Am Ende entscheidet sie sich für eine Jeans und ein langes, schlichtes T-Shirt, dass den Kurven ihres Körpers schmeichelt.
Spürt kribbelnde Anspannung tief in ihrem Bauch, als sie sich die Haare bürstet.
Ihr Spiegelbild lächelt ihr zu.
Ein letzter Blick auf die Uhr: es ist schon so spät!

Sie stürmt in den Flur, steigt hastig in die Stiefel.
Nimmt den Schlüssel, sieht sich noch einmal um, zieht die Wohnungstür hinter sich zu. Knöpft sich die Jacke zu, während sie die Stufen hinunter eilt.
Schwingt sich aufs Fahrrad und fährt los.

Sie fährt auf die grüne Ampel zu, die auf die nächste Hauptstraße führt.
Schneller! Sie ist schon wieder viel zu spät dran.
Die Ampel schaltet auf Gelb.
Sie legt noch einen Zahn zu, tritt auf die Pedale und biegt auf die linke Spur ein.
Das wird knapp, denkt sie noch, doch schon in der Kurve spürt sie mit kalter Klarheit, dass sie nicht schnell genug sein kann.
Der Viertonner hat bereits Fahrt aufgenommen.
Der Bremsweg ist viel zu lang. Er rollt unaufhaltsam auf sie zu.

Das Fahrrad rutscht unter ihr weg.
Sie hört den dumpfen Aufprall, als ihr Körper auf die Straße aufschlägt, als hätte sie nichts mit ihm zu tun.
Dann fällt sie, tiefer und tiefer, in schwarze Stille.

Hallo, kann ich Ihnen helfen?
Süßlicher Geruch steigt ihr in die Nase, süß und ein bisschen bitter.
Ein Männergesicht kommt in ihr Blickfeld: dunkler Teint, bärtig, eine Pfeife in der Hand.
Breite Schultern in grünen Karos.
Er bewegt die Lippen, berührt sie an der Schulter.
Das Bild verschwimmt vor ihren Augen.

Mein Liebchen muss ein Jäger sein...
Ihre Großmutter beugt sich über sie, lächelt ihr zu, streicht ihr die Haare aus dem Gesicht, hüllt sie ein mit einer Decke liebevoller Zuwendung.
Ruhig, meine Kleine, bleib ganz ruhig.
Ich bin bei dir. Alles wird gut.

Das Gesicht ihrer Großmutter wird schwächer, löst sich auf wie Nebel.

Sie will etwas sagen, aber aus ihrem Mund kommt ein gurgelndes Geräusch.
Ihr ist übel, sie muss die Augen schließen.
Sie nimmt all ihre Kraft zusammen, um ihren Kopf zu heben,
aber er ist schwer, so schwer, und jetzt dreht sich wieder alles.

Max steht im Bahnhof in der Nähe des Haupteingangs.
Er sieht abwechselnd auf die Uhr, und auf sein Handy.
Die Tasche steht vor ihm auf dem Boden.
Er hat die Hände in den Taschen vergraben.

Mit dir fühle ich mich so lebendig,
sagte er am Ende ihres letzten Telefongesprächs.
Sie presste das Telefon ans Ohr und genoss das zärtliche Schweigen.

Der bittere Geruch von Pfeifentabak bringt sie in die Realität zurück.
Eine Männerstimme dringt an ihr Ohr.
„... Martin-Luther-Strasse, Ecke Grunewald... ein Unfall... ich kam dazu, als es schon passiert war....“
Sie spürt eine Berührung am Handgelenk, Finger tasten nach ihrem Puls.
Dann fällt ihr wieder ein: Ich muss zum Bahnhof!
Um 15.29 wollte sie ihn abholen. Sie ist spät dran.
Wo ist ihr Fahrrad, ihr Schlüssel, ihre Tasche?
Automatisch tasten ihre Hände rechts und links neben sich den Boden ab.

Als sie versucht, sich zu bewegen, schießt eine rote Welle Schmerz durch das rechte Bein.
Ein Stöhnen entringt sich ihrem Mund.
Ihr Brustkorb brennt tief innen.
Das Einatmen ist mühsam und schmerzt.
Atme. Atme!

Das Geheul eines Martinshorns kommt näher.
Autotüren schlagen, sie hört Schritte und Männerstimmen.
Schemenhaft sieht sie, wie sich Sanitäter mit der Trage nähern.
Der Mann mit der Pfeife steht neben ihr, er schaut auf sie herab, die Stirn in Falten gelegt.
Männer in Rot kommen auf ihn zu, sprechen mit ihm.
Grelles Rot.
Sie haben die Trage abgestellt.

Einer kniet sich neben sie, blonde Haare fallen ihm ins Gesicht.
Seine Hand tastet nach ihrem Puls.
Hallo, können Sie mich hören?
Er riecht nach kaltem Rauch und Pfefferminz, seine Augen wie ein Licht im Dunkel.
Sie will ihm sagen, dass er Max Bescheid geben soll.
Sie schafft es nicht, die Augen offen zu halten.

Ihre Lippen bewegen sich.
Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt ein kleiner... Star?
Ich muss wach bleiben!
Die Worte verschwimmen ineinander, wechseln die Farbe, brechen ein.
Übelkeit breitet sich aus, ihr Magen krampft sich zusammen.
Sie wiederholt seinen Namen wie ein Mantra, wie ein Gebet:
Max.

Das Handy, das ein paar Meter vom Unfallort entfernt an der Mauer zum angrenzenden Park liegt,
klingelt ins Leere.
Max schaltet sein Telefon aus und sieht sich wieder im Bahnhof um.
Er steht schon viel zu lange hier. Sie wird nicht mehr kommen.
Plötzlich weiß er, was zu tun ist.
Er nimmt die Tasche und setzt sich in Bewegung, verlässt den Bahnhof, geht einfach weiter.
Sie wohnt nicht weit von hier.
An der nächsten Straßenecke sieht er schon vom weitem das Blaulicht und den Rettungswagen.
Ihm stockt der Atem.
Er beschleunigt seinen Schritt, verfällt in leichten Trab.

Trunken bin ich, von deinen Worten, Geliebte,
mich dürstet nach deinem Kuss...

Eine Manschette klickt an ihrem Arm.
Das Blutdruckgerät piept, ihr wird wieder flau im Kopf.
Etwas Kaltes tastet sich zielsicher zur Mitte ihres linken Arms.
In ihrem Kopf flimmern Bilder wie Wolken, viel zu schnell, sie kann ihnen nicht folgen.

Worte dringen zu ihr durch, abgehakte Silben, ergeben keinen Sinn.
Blutdruck fällt unter 80 ...Commotio cerebri … erheblicher Blutverlust...
Schnell! Kommt mit der Trage näher... auf drei: eins, zwei, drei...

Ein Ruck und sie wird hoch gehoben.
Die Trage schaukelt, sie spürt einen Luftzug.
Eine Autotür wird zugeschlagen.
Ein scharfer Schmerz im linken Arm wie ein Messerstich.
Dann wird es dunkel.

Sie sieht sich selbst wie eine Puppe auf der Trage liegen, flankiert von Sanitätern. Einer von ihnen hält die Infusionsflasche hoch, während die Trage in den Rettungswagen geschoben wird.
Der Mann mit der Pfeife beobachtet das Geschehen, geht auf und ab, auf und ab.
Max kommt am Unfallort an, lässt seine Reisetasche fallen, völlig außer Atem, wendet sich dem Mann mit der Pfeife zu.
Sie reden, sie gestikulieren.
Der blonde Sanitäter beugt sich aus dem Fenster des Rettungswagens.

Sprich mit mir, Geliebter, sprich mit mir.
Lass diese Nacht nicht enden.

**********Engel Frau
25.346 Beiträge
Gruppen-Mod 
Boah, Gänsehaut.
Dieser Text hat mich jetzt echt mitgenommen.

Bin sprachlos.

Für mehr fehlen mir gerade die Worte - was Du als Kompliment werten kannst! *g*
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Stark! Lesenswert und aufwühlend!

(Der Antaghar)
...
*top**top*

LG
******ier Frau
36.568 Beiträge
Ich bin auch ganz tief berührt.

sprachlos...

Gänsehaut beim Lesen...

Ganz starker Text!

Und durch die mitreißende emotionale Wirkung der Geschichte ist es auch unmöglich, irgendwelche Fehler im Text zu finden. Und auch nicht notwendig.

Mein Kompliment! *spitze* Ganz hervorragender Text. *anbet*
******ier Frau
36.568 Beiträge
Ach ja, eine Frage habe ich noch:

Was ist "Kismet"?
Wer ist "Kismet"?

*hae*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.190 Beiträge
Themenersteller 
Danke...
... euch allen für das überwältigende Feedback!!! *blumenschenk*

Damit hab ich überhaupt nicht gerechnet... *huch*

@******ier: Kismet bedeutet soviel wie Fügung.

*love2*
die Into
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
so intensiv
Habe Deinen Text fast atemlos gelesen.

Tief berührend!

Phantastisch!
*****har Paar
41.021 Beiträge
JOY-Team Gruppen-Mod 
Wir Mods haben mehrheitlich beschlossen, hier eine Feder zu verleihen - was ich hiermit tue.

(Der Antaghar)
It´s me!
*********ld63 Frau
8.190 Beiträge
Themenersteller 
DANKE
Ich danke euch von ganzem Herzen. *love*

Danke vor allem dafür, dass ich die letzten Monate hier soviel lesen und lernen durfte - von den Geschichten aller, den Kommentaren, den Diskussionen...

Und vor allem aber von dir, lieber Antaghar

Ich danke dir für deine liebevolle, konstruktive Kritik, deine Liebe zum Detail und deine Bereitschaft, dich sorgfältig und genau mit den eingestellten Texten hier auseinander zu setzen. Das bereitet einen wunderbar fruchtbaren Boden, um weiter wachsen und sich entwickeln zu können!!

Für dich - und für alle, die mich gelobt und kritisiert haben:

Ein riesiges Dankeschön *roseschenk*

Die Into, tief gerührt *love4*
Verdient
Liebe Into,

Deine Geschichte hat wohl niemanden unberührt gelassen. Und dass Du dafür eine wohlverdiente Feder bekommen hast, freut mich ungemein. Du hast ein hohes kreatives Potenzial und ich bin schon sehr gespannt auf Deine nächsten Geschichten.

*top*
*******tia Mann
5.094 Beiträge
Kismet kann wirklich böse und gemein sein.
Das wäre eine dieser Filmszenen, bei denen ich im Kino zu heulen anfange...
**********her63 Mann
232 Beiträge
Verdient
• die Feder. Gratuliere herzlich!
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