Back to the Nineties
Als ich aus der Dusche komme, sehe ich schon von weitem den Anrufbeantworter blinken. Zwei neue Nachrichten, die erste von Kevin. Er ist kaum zu verstehen, nuschelt etwas von „mich später treffen“, dann legt er auf. Entweder er hat schon am frühen Abend einen über den Durst getrunken oder seine Ehefrau war in der Nähe, als er telefonierte. Gelöscht. Die zweite ist von einem Andreas: „Hey du, ich komme gerade aus Italien zurück und dachte, ich melde mich mal bei dir...“
Welcher Andreas? Der kiffende Gärtner …? Oder der Dunkelhaarige, mit dem ich vorletztes Wochenende in der Bar geflirtet hatte? Nein, negativ, der hieß doch Michael..? Zu dumm, ich hab mir seinen Namen nicht gemerkt.
Doch die heutige Nacht gehört allein mir, und ich werde mich nicht verabreden.
Wollen wir mal sehen... ich entscheide mich für eine taubenblaue Seidenbluse und einen grauen kurzen Rock, dazu schwarze Nylons mit einem Muster aus Spitze. Im Bad betrachte ich mich, schminke den Mund magentarot, tusche die Wimpern. Zum Schluss noch ein paar Tropfen Parfum zwischen die Brüste: Fresien, Sandelholz und ein Hauch Rose.
Kurz nach 22 Uhr, schlüpfe ich in schwarze High Heels und Lederjacke. Als ich im Club ankomme, ist es noch übersichtlich leer, die Bar ist in heimeliges Rotlicht getaucht. Ich suche mir einen guten Platz und nehme das Publikum in Augenschein. Zwei Girlies in Miniröcken, die kichernd den schwarzen DJ anhimmeln. Sie tragen hautenge Korsagen in schrillem Pink und Silber.
Zwei Männer kommen an die Bar, der Blonde fixiert mich mit seinem Blick. Sein dunkelhaariger Freund flüstert ihm etwas ins Ohr. Der Blonde lacht laut und greift nach seinem Bierglas. Ich erwidere seinen Blick, lächle fast unmerklich, bevor ich einen Schluck Sekt trinke. Langsam füllt sich der Club, die Musik wird rhythmischer. Zu den Klängen von „Kiss“ mache ich den Anfang auf der Tanzfläche. Ich habe jetzt die volle Aufmerksamkeit der beiden und genieße es. Ich spüre ihre Blicke auf mir, während ich mich mal eben die Hüften kreisen lasse.
Als ich zurückkomme, erhitzt und bestens gelaunt, steht ein Cocktail an meinem Platz an der Bar. Ich lasse meinen Blick wandern, die beiden Burschen grinsen, geben aber nicht zu erkennen, ob der „Sex on the Beach“ von ihnen stammt. Die Dunkelheit im Club wird nur von einigen Scheinwerfern auf der Tanzfläche durchbrochen, es ist ziemlich schummrig. Ich erkenne die üblichen Verdächtigen, nicke einem von ihnen kurz zu.
Auch die Tanzfläche füllt sich zu den Klängen von Mothers Finest „Baby Love“. Der Dunkelhaarige mit den Grübchen trinkt Bier aus der Dose und rülpst. Der Blonde starrt immer noch zu mir herüber, als der Barkeeper zwei Schnapsgläser vor sie hinstellt und mit dem Kinn in meine Richtung weist: Kleine Feiglinge.
Die beiden starren zu mir herüber, ich neige huldvoll den Kopf.
Sensibilisierung aufs Wesentliche ist mir durchaus gegeben.
Durchgefallen, die Herrschaften.
Ich grinse immer noch, als an ihnen vorbei zum Ausgang gehe, ohne sie anzusehen.
Auf zu neuen Ufern... dadada...