Einweihung
„Die Gesamtsituation war ziemlich bescheuert.
Ich lag in meiner Badewanne, genoss meinen mir redlich verdienten Feierabend in einem wunderbaren Aromabad, bei Kerzen, leiser Musik und einem Glas Wein. Der Tag war anstrengend genug gewesen, und meine ewig plappernde Mitbewohnerin war endlich - endlich! – zu ihrer Nachtschicht unterwegs. Krankenschwester.
„Die redet ihre Patienten gesund“, dachte ich grinsend und ließ mich tiefer in diese wohlige Wärme hineingleiten.
Ich liebe dieses blaue Nass, genieße die streichelnde Wärme auf der Haut, die meine Bewegungen auslösen, die entspannende Wirkung, die Wasser immer auf mich hat. Als Wassergeborene ist dies mein Element, und wenn ich einmal in der Wanne bin, bekommt mich dort keiner so schnell mehr heraus.
Und speziell in diesem einen Moment eh nicht.
„Warum habe ich nur kein Schaumbad genommen“, ging es mir durch den Kopf, während ich gleichzeitig zur Tür starrte und mir eine passende, verachtungsvolle Replik überlegte, mit der ich auf das antworten konnte, was dieser unglaublich gut aussehende, unverschämte, arrogante, überhebliche… mir fiel nichts weiter ein - dieser Mistkerl eben von sich gegeben hatte:
„Du hast ein ziemliches Problem, Meyer. Schon mal mit einem Psychiater über Deinen zwanghaften Exhibitionismus geredet?“
Das Schlimme war: Es schien so, als habe er recht. Innerhalb der letzten zwei Wochen begegnete mir unser Mitbewohner ständig, gerade in Momenten, in denen ich halb oder gänzlich unbekleidet durch die Wohnung huschte.
Das war alles nicht meine Schuld!
Ich bin kein Luxusweibchen, und dieses unsägliche Zeugs wie Nachthemden, Schlafanzüge, Morgenröcke sind mir zuwider. Ich schlafe nackt, und wenn ich schon unbedingt etwas überziehen muss, dann reichten mir eigentlich Slip und Shirt.
Wenn ich alleine bin.
ER hatte beim Einzug gesagt, dass er abends immer unterwegs sei, und dass er sein Zimmer in unserer WG nur tagsüber benötigte, weil er nachts arbeiten würde. Statt dessen aber kam und ging er, wie es ihm gerade passte, genau wie in diesem Moment eben:
Es war abends! Und er schwirrte hier immer noch herum.
„Du hast ein ziemliches Problem mit Deiner Wahrnehmung, du Vogel. Schon mal über ne Einweisung in die Psychiatrische nachgedacht?“
Schwach. Diese Antwort war total schwach, aber ich bitte Euch. Wem wäre in einem solchen Moment etwas Besseres eingefallen?
Ha! Eine Möglichkeit, wenigstens etwas von meiner Blöße zu bedecken war mein Haar, das ich zurück gebunden hatte. Es ist lang, höllisch lang, geht mir bis zum Po, und in diesem Augenblick war ich froh, dass ich es doch nicht habe abschneiden lassen. Eigentlich hatte ich es erst heute Morgen gewaschen, aber der Zweck heiligt die Mittel.
Völlig beiläufig griff ich in mein Haar und zog das Gummi heraus, und meine Haare fielen über meine Schultern, breiteten sich wie ein Fächer in dem Wasser aus.
Er starrte mich an. Hatte er das nun falsch verstanden? War das Lösen des Haares für ihn ein Symbol für die Aufgabe meiner Zurückhaltung, glich es einer Einladung?
Schroff fuhr ich ihn an: „Wenn Du schon so blöd da herumstehst, kannst Du mir auch mein Handtuch geben.“
Ungerührt sah er mich weiter an. Er begutachtete mich, maß mich, schätzte mich ab, schien mich zu bewerten. Ich spürte seine Blicke wie Hände auf meiner Haut, und die Spannung wurde greifbar, nicht nur zwischen uns, sondern auch in mir. Ich musste nicht hinsehen um zu wissen, dass meine Brustwarzen sich gerade aufrichteten.
Ich riss mich zusammen, versuchte Herrin der Lage zu bleiben.
„Los, mach, oder verschwinde!“ herrschte ich ihn an.
Aber er dachte gar nicht daran.
„Steh auf“, befahl er leise. „Steh auf, und ich bringe es dir.“
Trotz stieg in mir auf. „Wenn er dann unbedingt wollte? Na gut, Hauptsache ist doch, dass ich das Handtuch bekomme und mich damit bedecken kann“, dachte ich. „Dann ist der Spuk vorbei und ich gehe in mein Zimmer. Da darf er nicht rein.“
Und so stand ich auf. Ruckartig. Hob den Kopf, sah ihn mit allem Stolz an, den ich noch zusammenkratzen konnte.
„Da. Bitte. Und nun her damit!“
Langsam ging er zu dem Handtuchhalter, ließ mich keine Sekunde aus den Augen, und im Schneckentempo kam er dann auf mich zu. Ich streckte ihm die Hand entgegen, bemühte mich um Unnahbarkeit, und er lachte leise.
„Dreh dich um, Meyer.“ Ohne darüber nachzudenken bewegte ich mich, drehte mich, bis mein Rücken zu ihm zeigte, fühlte, wie mir das Handtuch sanft über die Schultern gelegt wurde, an meiner Haut rieb, sie trocken tupfte. Die Schultern. Den Rücken. Die Arme. Die Brüste.
Ich verlor den Halt, meine Beine knickten weg wie Streichhölzer, und er fing mich auf…
Tja, und das war so ziemlich das Ereignis, warum wir heute eine eigene WG haben.“
Sie lachte und betrachtete amüsiert ihre Gäste, die ihrer Erzählung mit offenem Mund gelauscht hatten.
„Viel Spaß noch weiterhin auf der Einweihungsparty!“