November
Ein grauer Morgen, es ist auffällig still vor meinem Fenster. Kein Vogel weit und breit. Auch das Eichhörnchen lässt sich nicht blicken, das sonst direkt vor meinem Balkon die Bucheckern einsammelt.
Eine blasse Wintersonne kämpft sich durch den Nebel. Die Kälte kriecht mir von unten in die Füsse. Noch weigere ich mich, die Heizung anzuschalten, trotze dem Novemberwetter allein mit dicken Wollsocken.
Der Stift in meiner Hand schwebt über dem Papier, meine Gedanken schlagen Salti rückwärts.
November vor einem Jahr strandete F. wie ein Ausserirdischer in meiner Welt.
Als erstes kommt mir wieder sein Geruch in die Nase, eine Mischung aus Erde und Moschus in seinen Achselhöhlen... Ich schliesse die Augen, überlasse mich den Erinnerungen.
Anfang November vor einem Jahr, es war das dritte Treffen mit ihm.
An jenem Abend beschloss ich, meine Zurückhaltung aufzugeben. Mich etwas hinzugeben, was mein kritischer Geist nicht eine Sekunde billigen konnte, nein, mehr noch – bei jedem Treffen mit ihm schrillten die Alarmglocken in meinem Kopf lauter, und zu Recht: wir hatten kaum etwas gemeinsam. Wir kamen aus völlig unterschiedlichen Welten, die sich nicht berührten.
An diesem Novembertag haben wir den Nachmittag zusammen verbracht, ein langer Spaziergang durch den bunt gefärbten Wald. Es ist kalt, und wir gehen nebeneinander her. Er hat die Hände in den Taschen vergraben, fröstelnd - doch zwischen uns flirrt die Luft, jedes Mal, wenn unsere Augen sich treffen. Unsere Körper sprechen lauter und deutlicher als jedes Wort, das wir sagen.
Er sieht mich von der Seite an wie ein Kind, das sich in einem gigantisch-exotischen Pralinenladen verlaufen hat.
Nach dem gemeinsamen Abendessen bei Kerzenschein sitzen wir auf meiner Ledercouch, ich in der einen Ecke, er in der anderen, eine Wolldecke liegt über unseren Füssen, die sich fast berühren.
Es ist schon spät, das Gespräch gerät immer wieder ins Stocken.
In diesen Momenten sieht er mir in die Augen, seine rechte Augenbraue schnellt nach oben, auf seinen Wangen eine zarte Röte. Mir wird es heiß, es ist zu eng auf dem Sofa. Ich kann die Nähe zu ihm kaum aushalten. Stehe auf, flüchte in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen.
Spüre seinen Blick auf meinem Po, als ich mich umdrehe.
Ich muss morgen früh raus, sage ich zwischen Tür und Angel, und halte mich am Wasserglas fest. Er nickt langsam, ohne mich anzusehen.
Mit zögernden Bewegungen rappelt er sich hoch, schwingt die schmalen Beine über die Lederpolster.
Den Kopf gebeugt, zieht er sich die Schuhe an, ein leises Lächeln spielt um seine Mundwinkel.
Ich schaue auf seinen Nacken, ein Stückchen Haut blitzt zwischen Hemdkragen und gelocktem Haar hervor.
Und zwinge mich, den Blick abzuwenden. Bloss nicht weiterdenken.
Bedächtig steht er auf, wie um Zeit zu gewinnen, nestelt an seinem Hemd, fährt sich durch die blonden Haare. Sein Körper strafft sich, er geht betont forsch aus dem Zimmer, um seine Jacke zu holen. Steht da, mitten im Raum und schaut mich an.
Wieder zuckt seine rechte Augenbraue schelmisch nach oben, wie eine Aufforderung: Komm doch.
Mein Magen antwortet mit einem Flattern.
Ich gehe demonstrativ an ihm vorbei in den Flur, kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Er kommt mir nach. Wir stehen einander im engen Flur gegenüber.
Also dann, sage ich und öffne meine Arme.
Wir umarmen uns, endlich - und dieses Mal halte ich nichts von mir zurück.
Ich löse mich nicht von ihm nach angemessener Zeit, bleibe einfach in der Umarmung.
Spüre meine Brust an seiner, meinen Bauch an seinem, meine Hüften schmiegen sich an. Elektrischer Strom fliesst durch meinen Körper, ich bin unfähig, mich zu bewegen, halte ihn nur fest und lasse mich von den Wellen durchdringen, die unsere Körper hervorbringen.
Ich bin wie ein biegsames Bäumchen in einem Orkan, wie ein winziger Vogel im Sturm, mein Inneres wird flüssig und heiß, mir werden die Knie weich.
Ich höre ihn tief seufzen, seine Lippen berühren meinen Hals, seine Hände streifen über meinen Rücken hinunter zum runden Ansatz meines Pos. Ich kann ihn nicht loslassen, muss seine Hüften an mir spüren, will seine Festigkeit, sein Verlangen, ich bin so bereit wie selten zuvor.
Meine Finger finden weiche Haut und Haar, ich möchte summen vor Entzücken.
Fliesse über vor Feuchtigkeit, will sein Brunnen sein, seinen Durst stillen, bin der Strand, an dem seine Wellen ankommen, werde umspült und druchdrungen.
Unsere Lippen berühren sich, wir tauschen Küsse wie Ertrinkende, die sich nur gegenseitig retten können.
Seine Hände liebkosen die zarte Haut über meinen Brüsten, spielen mit den Trägern des schwarzen BHs. Das wolltest du vor mir verstecken...? flüstert er, bevor er sich an die Wand lehnt, und mich an sich zieht.
Meine Schenkel pressen sich an die harte Ausbuchtung zwischen seinen Beinen. Dann greife ich beherzt zu, will ihn auspacken wie ein Weihnachtsgeschenk.
Warte, flüstert er heiser, warte...
Wie lange wir im Flur stehen, weiss ich nicht.
Als wir uns endlich von einander lösen, ist es weit nach Mitternacht.
Der Sturm in meinem Herzen hält mich noch lange wach.